In Sions Armee

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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Einen Augenblick zögerte Tiger, doch dann verliess er den Raum und schloss die Tür hinter sich. Malateste beobachtete ihn dabei aus den Augenwinkeln. Die Bewegungen des bepeltzten Kriegerpprinzen waren selbst bei einer so profanen Tätigkeit katzenhaft anmutig. Tiger war weit davon entfernt blöd zu sein, was mochte ihm durch den Kopf geschossen sein als Gualterio ihn hinauskomplimentiert hatte? Der Hayllier legte einen grünen Schild um den Raum der ihn darauf aufmerksam machen würde sobald sich jemand dem Zimmer näherte. Nun hatte Malateste wieder ein Puzzleteil mehr über den Schnitter erfahren. Dieser war nicht stumm, sondern schwieg weil er offenbar mit einem Auftrag unterwegs war. War die Zielperson hier in Raej? Wer mochte es sein? Und was gab es für Möglichkeiten das herauszufinden? Irgendetwas an Tigers Formulierung hatte ihn vorhin irritiert was Malateste erst jetzt auffiel. Der Korporal der Sechsten hatte gemeint nichts würde den Schnitter davon abhalten einen Auftrag auszuführen, es sei den er würde vernichtet werden. Wie seltsam das klang, ‚vernichtet’, nicht ‚getötet’. Man vernichtete einen Gegenstand, einen Rammbock oder einen Belagerungsturm, aber man tötete ein lebendes Wesen. Dummerweise war es zu auffällig wenn er Tiger danach fragte, man erwartete von ihm solche Dinge zu wissen. Es wäre einiges einfacher wenn er den Ahnungslosen mimen könnte und schlicht fragen was er wissen wollte. Er konnte es nicht aber vielleicht...

Gualterio löste die Augen von der Klinge und sein Blick traf den von Laree der unsicher in seine Richtung flackerte. Malateste schob den Basilarden in die Scheide und erhob sich vom Bett. Er machte einen Schritt auf die Hexe zu, doch Laree verschwand langsam hinter dem Paravent. Schemenhaft konnte Malateste ihre Kontur dahinter erkennen, wie sie sich das Kleid auszog und wenige Augenblicke später den blutigen Fetzen Kleid über den Paravent hängte. Ein leises Plätschern war zu hören als sich die goldäugige Hexe in den Bottich setzte und ihre Kontur nicht mehr erkennbar war.
Gualterio zog es zu der Hexe hin wie einen Verdurstenden zum Brunnen, doch wie erstarrt konnte er sich nicht rühren. Laree hatte ihn nicht angesprochen, hatte ihn gar mit Angst in den Augen beobachtet. Wovor fürchtete sie sich? Er war doch immer noch er, auch wenn er anders aussah? Der Kriegerprinz, sonst furchtlos und Herr der Situation fühlte sich schrecklich hilflos und wusste nicht wie er agieren sollte.

"Hast du keinen Schwamm?" Larees Stimme war leise, durchbrach trotzdem die schmerzhafte Stille und löste die Starre in der Gualterio verharrt war. Sacht schritt der grosse Kriegerprinz hinter den Paravent. Der Bottich war klein, er hätte ihn höchstens als Waschzuber benutzen können, doch die zierliche Laree hatte es geschafft sich hineinzusetzen. Sie musste ihre Knie dazu einziehen die knochig und dünn aus dem Wasser ragten. Die Hexe sah furchtbar zerbrechlich aus und trotz des dampfenden Wassers zitterten ihre schmalen Schultern. Malateste stand immer noch in Rüstung hinter ihr, das Ringpanzerhemd ragte bis zu den Ellbogen unter den Uniformärmeln hervor, er war optisch das pure Gegenteil der nackten zitternden Hexe die im Bottich vor ihm kauerte, doch fühlte er sich gerade so hilflos wie sie aussah. Tausend Fragen kreisten in seinem Kopf, aber er konnte ihr keine davon stellen. Er wusste das Laree sich abkapselte wenn sie litt, sie gelernt hatte alles alleine auszustehen, aber er würde das nicht mehr zulassen.

Malateste liess seinen Waschschwamm in der Rechten erscheinen und tauchte ihn neben Larees Bein ins Wasser. Er bewegte sich vorsichtig und langsam und versuchte die Hexe möglichst nicht zu berühren.
„Ich werde dich waschen. Diesmal bin ich an der Reihe.“ Seine Worte waren leise und tief. „Erinnerst du dich an Hayll, wie zerlaust und dreckig ich in der Wanne sass? Wie du mich damals gewaschen hast kam mir in dem Moment wie das schönste Erlebnis meines Lebens vor.“ Sanft begann der Kriegerprinz mit der nassen Seife Larees verschmutzten Rücken einzureiben. „Ich weiss nicht wieso du hier bist, aber jetzt werde ich auf dich aufpassen. Ich kann dir nicht versprechen, dass alles Gut wird, aber ich verspreche dir ich werde alles in meiner Macht stehende dafür tun.“ Sachte wusch er mit dem Schwamm den Rücken der Hexe die ihm soviel bedeutete und offenbar durch die Hölle gegangen war. Seine beiden ungleichen Augen wurden feucht als die zurückgehaltenen Gefühle in Larees unmittelbaren Nähe über ihn hereinzubrechen drohten, aber er würde mannhaft bleiben. Er musste stark bleiben.
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Laree
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Laree »

Sie hatte erwartet, dass er ihr vielleicht den Schwamm reichte, doch nicht, dass er gleich hinter den Paravent zu ihr trat. Laree hielt zunächst verbissen ihren Blick auf die Wand gerichtet, schluckte die Worte herunter, dass er verschwinden sollte, dass sie es jetzt nicht ertrug ihn zu sehen. Gualterio stand schweigend hinter ihr, sein massiger großer Schatten fiel flackernd auf die nachlässig verputzte Wand. Die Hexe mußte den Eindruck niederkämpfen, dass er bedrohlich wirkte. Für alle anderen vielleicht, aber doch nicht für sie. Und doch machte er ihr Angst, aber das hatte nicht mit Gewalt zu tun, sondern mit Wunden, die tiefer gehen konnten. Sie schaffte es nicht das Zittern zu unterdrücken. Da sie den Kriegerprinzen nicht sah, wußte sie erst recht nicht was er vorhatte, instinktiv zog Laree ein wenig die Schultern zusammen wie als würde sie sich gegen einen Schlag wappnen.
Doch Malateste tauchte bloß einen Schwamm in das Wasser, seine tiefe Stimme war ganz dicht an ihrem Ohr und sie beruhigte sie mehr als alles andere. Laree nagte an ihrer Unterlippe, mußte sich bemühen nicht beim Klang seiner Stimme in Tränen auszubrechen.
Er erinnerte sie an damals in Hayll wo sie ihm nach dem Kerker gewaschen und gepflegt hatte. Daran hatte sie eben auch denken müssen. Klar, sie erinnerte sich auch daran wie er sie beinahe in der Dusche genommen hätte. Schon damals hatte sie rausfinden wollen wie weit seine Selbstbeherrschung ging, vielleicht hatte sie auch provoziert, dass er sie verletzte. Das war sie von Männern gewohnt und je länger Gualterio sie nicht enttäuschte desto größer wurde ihre Angst, denn sie wußte genau irgendwann würde er es doch tun und dann würde es furchtbar schmerzen.
"Ja, ich erinnre mich...", gab sie leise zu, "Aber du solltest nicht von Hayll reden... wenn uns jemand belauscht." Malateste strich mit der Seife über ihren Rücken und die Hexe zuckte leicht zusammen. Er hatte sie überhaupt nicht gefragt, ob sie das wollte, er hatte einfach über ihren Kopf hinweg entschieden.
Anderseits, hätte er sie gefragt, hätte sie natürlich abgestritten, dass sie Hilfe bräuchte. Gleichzeitig sehnte sie sich aber nach Gualterios Nähe in der Hoffnung, er würde ihr Sicherheit geben.

Der Hayllier hinter ihr fuhr fort, dass er ab sofort auf sie aufpassen würde, er würde alles dafür in seiner Macht stehende tun. Laree glaubte ihm kein Wort, aber oh... sie wollte so sehr daran glauben. Und Malateste vermutlich genausosehr.
"Sicher nicht weil ich dich so vermisst habe", knurrte sie auf seinen Kommentar, dass er nicht wüßte warum sie hier war. Es wäre schließlich auch eine reichlich ärmliche und verzweifelte Aktion ihm durch halb Terreille zu folgen nur weil sie ihn wiedersehen wollte. Sie war ja nicht dumm, sie hatte seine Mission nicht gefährden wollen.
Ach, und was machst du dann hier? Es spielte keine Rolle mehr und sie wußte auch nicht, was sie Gualterio sagen sollte. Langsam ließ das Zittern ihres schmächtigen Körpers nach, während der Mann hinter ihr mit einer beruhigenden Gleichmäßigkeit über ihre nackte Haut strich. Laree verfiel zurück in ein stures Schweigen, sie war so müde, sie schaffte es nicht sich auch noch mit ihm auseinander zu setzen. Mechanisch streckte sie ihm ihre Arme oder Beine entgegen, wenn Malateste sich daran machte diese zu waschen. So kniete er irgendwann auch neben dem Bottich, Laree wagte zum ersten Mal ihn richtig anzusehen und nicht wie als würde sie einen Fremden vor sich haben.
"Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie leise, ihr Blick irrte über sein Gesicht. Auch nun wo er nicht mehr in ihrem Rücken saß, machte sie keine Anstalten ihre Nacktheit zu verbergen, das Wasser umschmeichelte ihre Kurven, aber man sah, dass sie in den letzten Tagen nicht viel zu essen und zu trinken bekommen hatte.
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Ihm war nicht entgangen wie Laree die Schultern reflexartig zusammengezogen hatte als er hinter sie getreten war, auch nicht ihr Zusammenzucken als er sie zum ersten Mal mit der Seife berührt hatte. So freute sich Malateste über ihre zaghaften Antworten, überhaupt über eine Reaktion und ein Zeichen des Erkennens. Die Hexe bestätigte leise, dass sie sich erinnern konnte und fügte an es wäre besser nicht über Hayll zu sprechen.
„Natürlich, aber ich wollte dir zeigen das ich es bin, nur einen kurzen Moment.“ Ein kurzer gefährlicher Moment, das war ihm klar. Gualterio wagte es jedoch nicht den Schirm auf grau hochzuschrauben, es könnte zu auffällig sein wenn graue Kunst angewendet wurde. So vertraute er auf seinen grünen Alarm und die leisen Worte, die womöglich weniger gefährlich waren als mental gesendete. Wer lange in Königin Tolarims Nähe lebte wusste, wie gerne Speerfäden belauscht wurden.
Kurze Zeit später blitzte ein Hauch des Ivores-Temperaments hervor, als Laree knurrte, dass sie sicher nicht hier sei weil sie ihn vermisst hätte. Wenn beide in Bestform gewesen wären, hätte Malateste ihr nur zu gerne mit gleicher Münze geantwortet, was sicherlich zu einem kleinen Streit geführt hätte. Doch jetzt freute er sich schlichtweg über dieses Aufbegehren der Hexe welches sie kurz aus ihrer beängstigenden Apathie riss.
Gualterio lächelte und drückte dann neckend den Schwamm über Larees Kopf aus. „So sehr mir die Vorstellung schmeichelt, ist es mir bewusst, dass du wohl kaum aus Sehnsucht nach mir hier bist. Ich bin auch neugierig wer dich hergeschickt hat, er oder sie...“, beiden war klar wer damit gemeint war, Ayden und Timaris, „...und weshalb. Aber das besprechen wir wenn es dir wieder besser geht. Erst einmal solltest du wieder zu Kräften kommen.“
Sein Blick wanderte kurz über die Teile ihres Körpers die aus dem Wasser ragten. Laree, sonst schon zierlich, war furchtbar dünn geworden. Malateste hatte gehofft sie aus ihrer Lethargie gerissen zu haben, doch die Hexe verfiel wieder in Schweigen. Der Kriegerprinz liess sie in Ruhe und begann den Rest ihres Körpers zu waschen. Widerstandslos liess Laree es gewähren, hielt ihm schlaff Arme und Beine entgegen und entblösste dabei einiges ihres geschundenen Körpers was ihn normalerweise erregt hätte. Jetzt weckte ihr verletzlicher Anblick mehr das Verlangen beschützend die Arme um sie zu legen. Vorerst gab der Kriegerprinz sich der Aufgabe hin Laree fertig zu waschen, und der Kämpfer tat dies mit einer Zärtlichkeit die man dem groben Äusseren niemals zugetraut hätte. Um besser ihre Beine waschen zu können kniete sich Gualterio neben die kleine Wanne, dabei bemerkte er das ihn Laree beobachtete und nicht mehr ins Leere stierte.
"Was ist denn mit dir passiert?", fragte ihn die Hexe leise.
„Du meinst meine kleine Schönheitsoperation?“ Gualterio strich sich mit der Linken über die Narbe. „Da hat mir noch deine Heilerin geholfen. Auch unsere Armee hat Soldaten aus allen Herren Länder und ich bin bekannt wie ein bunter Hund. Mein Konterfei ist in genügend militärischen Abhandlungen abgebildet. Es gibt sogar einige Taktiken die nach mir benannt sind. Das Risiko wäre zu gross gewesen.“ Er brachte ein trauriges Lächeln zustande. „Und da ich, bevor ich dich kennen lernte, ein selbstverliebter arroganter Mistkerl wie aus dem Bilderbuch war, wird niemand diesen hässlichen Bastard vor dir mit dem charmanten Kerl von einst in Verbindung bringen.“ Kurz schwieg Malateste und seifte Larees lange Beine ein. „Pure Ironie, einst war ich ein Monster in einer attraktiven Hülle, jetzt bin ich äusserlich ein Monster, dafür sieht es innwendig hoffentlich nicht mehr so schlimm aus.“
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Laree
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Laree »

Die Hexe schnaubte leicht empört, als Malateste einfach so den nassen Schwamm auf ihrem Kopf ausdrückte. Anderseits, ihre Haare konnten nachher auch eine gründliche Wäsche vertragen und vermutlich war die Läusekur gar nicht mal so verkehrt.
Gualterio fuhr fort sie zu waschen, meinte, ihm wäre klar, dass sie nicht aus Sehnsucht hier bei ihm wäre, er würde sich bloß fragen, ob Ayden oder Timaris sie hergeschickt hätte. Wenigstens war er klug genug die Namen nicht offen auszusprechen. Schließlich entschied er dann, sie würden das besprechen sobald es ihr wieder besser ging. Laree atmete tief durch, sie fühlte sich zu erschöpft ihn anzufahren wie er dazu käme zu bestimmen wann sie ihm ihre Gründe mitteilte. Kaum war sie hier, begann er schon wieder dauernd Entscheidungen für sie zu treffen. Davon hatte sie genug!
Vielleicht war sie gerade einfach nur überempfindlich und er konnte nichts richtiges sagen... und wenn sie ihn einfach anlog? Ihm vormachte, Timaris oder Ayden hätten sie geschickt.. das war wenigstens vernünftiger als ihr Aufbruch halsüberkopf, der ihr nur noch mehr Unglück gebracht hatte. Wäre sie doch bloß geblieben, jetzt hatte sie niemanden mehr. Nein, von Gualterio wollte sie sich bestimmt nicht abhängig machen. Laree merkte wie ihre Gedanken sich immer bloß in Kreisen drehten, strich sich über die leicht erhitzte Stirn.
Die Hayllierin verfiel wieder in ein Schweigen, registrierte die Berührungen durch Malateste, vielmehr den Schwamm, und wie behutsam er vorging. Wie als könnte jeder festere Handgriff sie bereits zerbrechen. Der Kriegerprinz hatte sich neben den kleinen Zuber gekniet, wusch ihre gebräunten Beine und sie streckte ihm einen ihrer kleinen Füße entgegen.
Als sie ihm nach seinem veränderten Äußeren fragte, begann er zu erzählen, dass die Heilerin in Draega ihm dabei geholfen hatte. Laree presste die Lippen aufeinander. Sollte sie Gualterio sagen, dass die Heilerin gestorben war? Noch eine schlechte Nachricht, genau das was wir gerade brauchen... Malateste fuhr fort, dass er in militärischen Kreisen einfach zu bekannt wäre, sogar Taktiken wären bereits nach ihm benannt.
"Und da ich, bevor ich dich kennen lernte, ein selbstverliebter arroganter Mistkerl wie aus dem Bilderbuch war, wird niemand diesen hässlichen Bastard vor dir mit dem charmanten Kerl von einst in Verbindung bringen", schloss er und brachte Laree damit zu einem abschätzigen Schnauben.
"Du bist immer noch ein selbstverliebter Mistkerl", entgegnete sie. Das zeigte allein die Betonung der nach ihm benannten Taktiken. "Nur vielleicht nicht mehr so arrogant", räumte sie ein. Ihrer Erschöpfung war es zu verdanken, dass Gualterio nicht noch mehr zu hören bekam. Dass sie wütend auf ihn war, konnte sie nicht ganz verbergen. Wütend darauf, dass er sie geschwängert hatte... wenn es stimmte. Nein, es durfte nicht stimmen.
"Pure Ironie, einst war ich ein Monster in einer attraktiven Hülle, jetzt bin ich äusserlich ein Monster, dafür sieht es innwendig hoffentlich nicht mehr so schlimm aus", setzte Malateste noch hinten dran. Laree entzog ihm kurz ihr Bein, starrte auf die rot gestickte Hydra auf seiner schwarzen Uniformsjacke.
"Wenn du äußerlich ein Monster bist, dann nur wegen dieser Uniform... mir ist egal wie du aussiehst", erwiderte die Hexe stur, überdachte ihre Antwort dann noch einmal. "Obwohl der Anblick mittlerweile fast etwas tröstliches hat.." Sie war sehr erleichtert gewesen als sie die eingeprägte Hydra auf dem Handschuhrücken des Schnitters gesehen hatte. Wie wohl sein Name war? "Von mir aus kann Sion ganz Raej in Flammen aufgehen lassen, ist mir egal", stieß sie ungewohnt heftig hervor, mußte an die lichterloh brennende Scheune denken, an den Geruch von ekelhaft knusprig gebratenem Fleisch.
Irgendwann würde es ihr doch nicht mehr egal sein oder?

In dem Moment zog sich Gualterio zurück, ließ den Schwamm sinken und Laree wußte augenblicklich, dass sie bald nicht mehr allein sein würden. So war es auch, nur Atemzüge später ging die Türe auf und Regensang kam mit einem Tablett herein auf dem eine große Tasse Tee stand, eine Schüssel mit Reis, Möhren und gebratenen Hühnchenstücken und ein Stück Brot.
"Ich habe den Tee und das Essen mitgebracht. Tiger hat mir gesagt, du bräuchtest noch ein paar Sachen", fing sie an. Laree konnte die Heilerin nicht sehen, da der Wandschirm die Sicht auf sie verbarg, doch sie hörte wie Regensang das Tablett auf dem schmalen Tisch beim Fenster abstellte. Dann erschienen auf dem Schemel ein Handtuch, eine Nagelschere und Zahnbürste. Bloß kein Rasiermesser wie Laree auffiel. Wollte man sie mit scharfen Messern nicht alleine lassen weil sie sich etwas antun konnte?
"Brauchst du Hilfe?", erkundigte sie sich.
"Nein, nur ein Rasiermesser", beharrte sie, versuchte abermals auf ihr Juwelengepäck zuzugreifen, doch dazu war sie noch viel zu schwach und erschöpft. Ihr Körper sehnte sich nach Schlaf ohne dass man sie aus selbigem herausriss oder sie darum bangen mußte den nächsten Tag noch zu erleben.
Regensang wandte sich an den Kriegerprinzen. "Unten gibt es noch zu Essen. Ich pass schon auf sie auf", bemerkte sie, offensichtlich würde niemand Laree alleine lassen. Die Hexe schwieg, versuchte sich alleine weiterzuwaschen, aber sie vermisste schon jetzt die sanften Berührungen von Gualterio und dass sie sich wenigstens kurz nicht mehr so ganz alleine gefühlt hatte. Anderseits wäre es gut, wenn sie allein mit der Heilerin reden könnte, es gab da so ein paar Fragen, die sie hatte von denen sie nicht wollte, dass der Kriegerprinz sie hörte. Wie.. ob einer der Räuber sie geschwängert hatte oder nicht. Laree hoffte inständig darum, dass dem nicht so wäre. Sie brauchte dringend wieder Verhütungstränke.
Die Hexe versuchte etwas von der Flasche mit der Läusekur auf ihre Hände zu verteilen, um es dann in die Kopfhaut einzumassieren, aber natürlich entglitt ihr gleich wieder die Flasche, Laree fluchte leicht. Regensang steckte den Kopf hinter den Paravent. "Das sieht nicht so aus als könntest du das schon alleine. Ich helfe dir."
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

„Touché!“, antwortete Malateste amüsiert als Laree entgegnete er sei immer noch ein selbstverliebter Mistkerl. Immerhin fügte sie noch hinzu, dass er zumindest nicht mehr so arrogant sei.
„Man kann tausend Jahre Selbstverliebtheit nicht einfach so abstreifen, aber ich arbeite daran“, spottete der Kriegerprinz selbstironisch. „Es ist schwer, langsam habe ich sogar das Gefühl das mir die Narbe steht.“
Die Hexe fand langsam zu ihrer trotzigen Form zurück, sagte dann aber doch etwas, was das steinerne Herz des Kriegerprinzen rührte, nämlich das es ihr egal sei wie er aussah. Sie hatte ihm dabei kurz das Bein entzogen welches er gerade wusch und blickte auf die Hydra. Höchstens die Uniform würde ihn zu einem Monster machen, obwohl diese schon fast etwas Tröstliches hätte. Gualterio konnte nachvollziehen was Laree meinte, auch er hatte in Raej einige gute Erfahrungen gemacht, es war nicht seine Armee, aber trotzdem fühlte er sich hier heimischer als gerade in Hayll, wo er wegen seines mangelnden Status und ohne Juwelen den Hyänen am Hof ausgeliefert gewesen war. Hier war er wieder jemand, zwar nur ein Korporal, aber immerhin wurde ihm Respekt entgegengebracht. Bei Laree waren die Beweggründe etwas anders, sie war vom Feind aus der Hölle befreit worden, weswegen sie die Hydra jetzt auch mit zweierlei Augen betrachtete.
"Von mir aus kann Sion ganz Raej in Flammen aufgehen lassen, ist mir egal!“ Mit plötzlicher Heftigkeit hatte die Hexe diesen Satz ausgestossen. Malateste atmete schwer ein. Das Geschehene hatte weitere Narben in der Seele der Hexe hinterlassen.
„Und ich würde am Liebsten den Verantwortlichen häuten, der dich hierher und in diese Gefahr gebracht hat.“ Wenn dies auf Aydens Konto ging, dann würde er nach seiner Rückkehr für nichts mehr garantieren…

Malateste wollte Laree gerade sagen welche Angst er um sie gehabt hatte, als er spürte wie ein Zucken durch seinen grünen Schild lief, ähnlich dem welches ein Insekt verursachte welches auf einem Spinnennetz gefangen zappelte. Er liess den Schwamm ins Wasser fallen und glitt blitzschnell hinter dem Paravent hervor, durchquerte den Raum mit zwei riesigen Schritten und warf sich neben seiner Ausrüstung aufs Bett. Als Regensang durch die Tür schritt lag der Kriegerprinz auf dem Rücken, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte mit müdem Blick zur Decke. Er hätte gerne noch etwas mehr Zeit gehabt mit Laree und es würde auch in Zukunft nicht leicht werden sich unauffällig und ungestört mit ihr unterhalten zu können.

Die Heilerin hatte ein Tablett mit dampfendem Essen dabei und liess auch einige der Dinge erscheinen die Laree sich gewünscht hatte. Die Heilerin mit dem struppigen Haar bot Laree ihre Hilfe an, doch diese verneinte und forderte erneut ein Rasiermesser.
"Unten gibt es noch zu Essen. Ich pass schon auf sie auf", wandte sich die Heilerin an den Kriegerprinzen der auf dem Bett lag. Malateste setzte sich auf.
„Ich hoffe man kann‘s essen.“ Wie es wohl Laree empfand, von allen bemuttert zu werden? Die Hexe reagierte meist ungehalten auf Situationen die sie nicht alleine meistern konnte. Gualterio zögerte eine kurze Sekunde, doch dann liesse er auf dem Schemel neben dem Zuber sein Rasiermesser erscheinen. Es hatte einen Perlmuttgriff und konnte aufgeklappt werden. Er vertraute Laree, sie würde sich nichts antun. Derweil blickte Regensang hinter den Paravent und beschloss das Laree doch Hilfe brauchte. Gualterio war hin und hergerissen, er wollte Laree nicht alleine lassen, aber er hatte auch schmerzhaft gemerkt wie seine Anwesenheit ihr unangenehm gewesen war. Vielleicht war es falsch wenn er sich ihr jetzt aufdrängte?
„Ich verzieh mich nach unten zu den anderen.“ Der Kriegerprinz warf sich den Gurt mit dem Falchion über die Schulter und verliess das Zimmer.
Mit düsterem Gesichtsausdruck schritt Malateste die knarzende Treppe zum Schankraum hinunter. Er packte einen freien Stuhl bei der Lehne und zog ihn zum Tisch mit den Soldaten. Diese rückten zur Seite damit der breitgebaute Korporal sich auch noch dazu quetschen konnte. Gualterio blickte an der Kerze in dem Messingständer die den Tisch erhellte vorbei zu Galdos.
„Was habt ihr morgen vor, wollt ihr zurück zum Fort, oder das ausgehobene Räubernest überprüfen?“
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Amaya
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Amaya »

Der Kriegerprinz saß unten an dem Tisch bei den anderen, starrte in einen Bierkrug und war tief in grüblerischen Gedanken versunken. Irgendetwas stimmte nicht. Er konnte nicht recht den Finger drauf legen, aber etwas stimmte nicht. Es lag an dieser Venka, an diesem Schnitter und an Jason. Tiger knurrte unterdrückt, er mochte es gar nicht wenn er solch ein ungutes Gefühl hatte, aber nicht draus schlau wurde und sich also mit den Grübleien nur rumquälte. Die anderen Soldaten waren in Gespräche vertieft, die erschreckenderweise rein gar nichts mit den Räubern zu tun hatte, es ging um irgendein schnelles Rennpferd und Wetten, Tiger hörte bloß mit halbem Ohr zu.
Der einzige andere, der am Tisch saß und nicht viel sagte, war Galdos. Das mit seiner Rekrutin schien ihm stärker auf den Magen geschlagen zu haben als der Tigerlanermischling vermutet hätte.
"Hast du ihre Augen gesehen?", fragte der Korporal den Kriegerprinzen. Tiger nickte, nahm einen Schluck Bier, gegessen hatte er schon.
"Wenn du mich fragst, gehört sie in die Sechste." Dort gab es diesen Blick zu genüge, kalt und abgehärtet, weil sie zu viel erlebt hatten für eine einzelne Person.
"Ich dachte, die Sechste bekommt nie neue Rekruten zugeteilt", erwiderte Galdos verwundert, schaufelte eine Gabel mit Reis in den Mund. Tiger strich mit seinen spitzen Krallen über den Tisch.
"Ja, leider. Weil sie es für eine ganz tolle Idee halten uns ausbluten zu lassen", knurrte er, ein bißchen lauter als gewöhnlich, so dass auch die anderen Männer kurz die Köpfe hoben, aber rasch seinen Blicken auswichen.

In dem Moment hörte man das Knarzen der Treppe, dann kam Bonderus zu ihnen, einen der Stühle hinter sich herziehend und wirklich jeder, jeder der anwesenden Einheimischen folgte ihm mit Blicken. Ein paar der Soldaten rutschten mit ihren Stühlen zur Seite, damit der Korporal noch Platz hatte. Jason fragte auch gleich tatkräftig was sie morgen machen würden. Tiger schürzte abschätzig die Lippen. Wars das jetzt wert gewesen den Entzug abzubrechen, hm? Es mußte bitter sein, dass die Räuber schon alle tot waren und jemand anderer die Frau gerettet hatte, so würde der Kriegerprinz keine Lorbeeren dafür einheimsen. Aber der Kerl würde ihm jetzt gewiss nicht leid tun, Bonderus war selbst schuld.
"Teils teils", antwortete Galdos auf die Frage von ihm. "Regensang wird mit Venka zurück zum Fort, zwei der Soldaten begleiten sie. Der Rest kommt mit zu dem Räubernest. Falls wirs finden. Also liegts an euch, ob ihr schon zurückwollt oder mit weiterreitet."
"Ich werd das Blut schon riechen", warf Tiger kurz ein.
"Ich vertraue zwar dem Wort der Rekrutin und auch dem Schnitter, aber die Kommandeurin erwartet einen vollständigen Bericht über den Einsatz, als müssen wir uns den Ort auch ansehen. Mögliche Verstecke mit Diebesgut oder Überlebenden entdecken", fuhr Galdos mit seiner Erklärung fort.
"Du weißt genau, dass die alle tot sind", fauchte Tiger, er war angespannt und es lag bestimmt nicht an dem anderen Kriegerprinz. Es lag an der... Person, die oben vermutlich in ihrem Einzelzimmer hockte, in die Finsternis starrte und auf das Morgengrauen wartete. Verfluchte Schnitter. "Ich muss an die frische Luft." Er leerte den Krug, erhob sich abrupt und verließ den Schankraum, um nach draußen zu gehen auf die Veranda. Die Schwarze Witwe war nicht mehr hier, nur der Pfeifentabak hing noch als vage Ahnung in der Luft.
Normalerweise hielt es Tiger länger in geschlossenen Räumen aus, aber nicht in diesem Fall. Rastlos ging er draußen hin und her, atmete tief ein und lauschte den Geräuschen um sich herum. Wieder zerbrach er sich den Kopf warum der Schnitter in dieser Gegend war. Wen sollte er mit in die Hölle nehmen? Eine der Bezirksköniginnen von Raej? Aber warum zur Dunkelheit sollte er dann diese Rekrutin retten? Das ergab keinen Sinn. Er legte den Kopf in den Nacken, sah an der Hausfassade empor zu den kleinen Fenstern, bei einigen brannte noch Licht.
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Korporal Espwin legte die Gabel im Reisgericht nieder bevor er antwortete. Er hatte vor morgen den Trupp aufzuteilen. Regensang würde mit einer Zweimann-Eskorte und Laree zurück zum Fort reiten, der Rest würde noch einmal auf Nummer sicher gehen und das Räubernest inspizieren. Tiger wirkte gereizt, aber er versprach Espwin zu helfen das ausgehobene Banditennest zu finden. Malateste nickte zustimmend zu den Plänen des Korporals, auch er hätte sich an seiner Stelle mit eigenen Augen ein Bild des Geschehens machen wollen, doch Tiger war anderer Meinung.
"Du weißt genau, dass die alle tot sind!", fauchte das Halbblut gereizt, leerte den Krug und verschwand nach Draussen. Gualterio liess sich von Tigers Ausbruch nicht aus der Ruhe bringen, obwohl er sich fragte, ob er der Grund für die Gereiztheit des anderen Kriegerprinzen war.
Galdos hatte Malateste die Wahl gelassen, ob er Mitreiten oder zum Fort zurückkehren wollte. Die Leichen der Banditen zu inspizieren interessiert ihn wenig. Er zweifelte nicht daran, dass der Schnitter ganze Arbeit geleistet hatte. Lieber wollte er dafür sorgen, Laree unbeschadet in die zweifelhafte Sicherheit des Forts und Maeves Betreuung zu übergeben.
„Ich würde mich gerne der Gruppe anschliessen die zum Fort reitet. Ich bin durch meinen, ähm, ungeplanten Aufenthalt im Keller des Wachhauses etwas in Rückstand geraten und würde gerne meine Einheit zusammenstellen um möglichst bald Frostseels Befehlen nachkommen zu können.“
Malateste täuschte Müdigkeit vor, gähnte hinter vorgehaltener Hand und blickte sich dabei verstohlen um. Warum zur Hölle hatten ihn die ganzen anderen Gäste angeglotzt wie eine Kuh mit zwei Köpfen? Gualterio beugte sich etwas vor und flüsterte Galdos über den Tisch zu.
„Vielleicht sollten wir heute Nacht Wachen aufstellen, ich trau dem Braten hier nicht.“
Der Hayllier schob den Stuhl zurück und stand auf.
„Ich schau mal was unser Wildfang draussen treibt“, meinte er gut hörbar und verliess dann den Schankraum des blinden Jakobs.

Tiger stand auf dem Platz vor der Veranda und blickte zum Haus oder dem Sternenhimmel hoch. Malateste lehnte sich an den geschnitzten Pfosten der den Balkongang über der Veranda abstützte und liess seinen Trinkschlauch erscheinen. Er nahm einige grosse, kräftige Schlucke des kühlen Wassers. Heute würde er keinen Alkohol trinken, überhaupt hatte er vor, weder Essen noch Trinken aus dem Gasthof anzurühren. Die Trinkflasche verschwand im Juwelengepäck und machte dem Proviantbeutel Platz. Der grosse Hayllier holte eine Eselswurst und ein Stück Brot hervor und begann zu Essen. Zwischen zwei Bissen eröffnete er das Gespräch.
„Es scheint als ob ich nicht der Einzige bin der das Gefühl hat das hier etwas faul ist. Oder was ist bei dir der Grund deiner Unruhe?“
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Amaya
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Amaya »

Er stand noch nicht lange dort, die dunklen Fenster prüfend, als man die Türe ein weiteres Mal auf- und zugehen hörte. Ohne sich umzuschauen wußte Tiger, dass Jason nach draußen getreten war. Man hörte wie er mehrmals aus einem Schlauch trank, aber Tiger roch kein Alkohol. Wenigstens so viel Verstand hatte der Kerl. Langsam wandte sich der Leutnant um, sagte jedoch kein Wort. Wenn der andere Kriegerprinz unbedingt reden wollte, so würde er schon selbst den Mund auftun müssen. So war es dann auch, Bonderus aß noch etwas ehe er ihn dann fragte, ob er der einzige wäre, der das Gefühl hätte, hier wäre etwas faul. Warum Tiger denn so unruhig wäre.
Der Mischling blickte seinen Gegenüber finster an. "Wüßte nicht was dich das angeht", knurrte er. Lange konnte er jedoch nicht still stehen, schwang sich mit natürlicher Anmut über das Geländer und ging ein paar Schritte hin und her.
"Ist ja nicht so als würde irgendeiner von uns groß auf der Beliebtheitsskala der Bevölkerung rangieren. Die würden uns am liebsten abmurksen wenn sie könnten", sagte Tiger nach einer Weile. Es hatte sich eben noch nicht rumgesprochen, dass Sion hier war um Raej zu "befreien". "Galdos sollte ihnen sagen, dass wir dieses Räuberpack erledigt haben, aber vermutlich würden sie uns das noch zum Vorwurf machen, weil das ja so tapfre Rebellen gewesen waren." Der Kriegerprinz schüttelte abschätzig den Kopf, strich sich durch die salzweiße Mähne. Er war es gewohnt, dass er von anderen Menschen schräg angeguckt wurde, dass er immer ein unbeliebter Außenseiter sein würde, doch er brauchte einfach gerade etwas worüber er sich aufregen konnte. Den richtigen Grund konnte er Bonderus schlecht sagen.

"Der Grund meiner Unruhe ist, dass ich meine scheiß Spritze noch nicht hatte", knurrte er, ging immer noch fahrig hin und her, er setzte sich diese normalerweise stets Abends, doch wie so oft zögerte er es hinaus. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber es war längst nicht alles. Tiger hatte nicht erwartet hier in Raej auf einen Schnitter zu treffen und der Kerl hatte ihn auch noch gesehen. Er konnte nur hoffen, dass der Assassine bei Ausübung seines Auftrages vernichtet wurde. Das würde ihn vielleicht davon abhalten Sion zu berichten.
"Hast du schonmal ne Frau gekannt, die dich so richtig in die Scheiße geritten hat?", fragte er abrupt, schüttelte wütend den Kopf und rief die Spritze mit Schwarztraum herbei, die er erstmal aufs Holzgeländer legte, um den Lederriemen fest um seinen Oberarm zu ziehen. "Man sollte sich am besten auf gar keine einlassen, das kann einen Jahrhunderte später noch das Genick brechen." Tiger unterdrückte ein Zittern der Hand, griff nach der Spritze und suchte eine Vene. Einen Fuß auf eine Bank vor der Veranda abgestützte, drückte er den Kolben bei der Spritze hinunter und sah zu wie die dunkelviolette Flüssigkeit in seiner Vene verschwand. Aufatmend löste er den Lederriemen und wartete, dass er wieder ruhiger wurde. Tiger ließ sich auf die Bank nieder, starrte stoisch in die Dunkelheit, die sich einige Meter entfernt zwischen den Baumstämmen zusammenballte.
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Das Tiger ihn erstmal verbal anfuhr hatte Malateste erwartet. Der krallenbewehrte Kriegerprinz war so gereizt, dass er vermutlich jeden angeblafft hätte. Gualterio ass ruhig seine Abendration weiter und wartete bis Tiger redete. Und er brauchte nicht lange zu warten. Tiger kam rüber und schwang sich mit einer beiläufigen Bewegung über das Geländer der Veranda, um dort unruhig hin und herzutigern. Dabei erklärte er, sie würden nicht unbedingt auf der Beliebtheitsskala der Bevölkerung oben stehen, das die Bevölkerung sie am liebsten abmurksen würde. Und wenn Galdos erzählte das die Banditen erledigt wären, würden sie vermutlich schnell zu toten Rebellen hochstilisiert werden. Nervös schüttelte Tiger den Kopf und strich sich durch die weisse Mähne. Er schob den Grund seiner Unruhe auf das Schwarztraum, doch Malateste mochte es ihm nicht so ganz abkaufen.
„Genau, die Bevölkerung hasst uns“, pflichtete ihm Malateste dann zu, überging das Schwarztraum und biss noch ein Stück von der Eselswurst ab. „Jetzt stell dir vor, ein kleiner Trupp Soldaten mitten im Nirgendwo, eine Tagesreise entfernt vom Fort. Wir werden hier sozusagen den Rebellen auf einem Silbertablett serviert. Würde mich nicht überraschen wenn einer der Dorfbewohner kurz nach unserer Ankunft losgerannt ist um seine Freunde im Widerstand zu informieren.“

Überraschend wechselte Tiger das Thema. "Hast du schonmal ne Frau gekannt, die dich so richtig in die Scheiße geritten hat?", fragte ihn der tierhafte Kriegerprinz und rief eine Schwarztraumspritze und die für den Schuss benötigten Utensilien herbei. Gualterio beobachtete die Vorbereitungen und obwohl seine Spritze erst am Morgen fällig war, spürte er ein Verlangen es Tiger gleichzutun. Kurz leckte sich der Hayllier über die Lippen und starrte auf die Spritze ehe er antwortete.
„Oh ja, solche Frauen kenne ich.“ Beinahe hätte er angefügt das sich eine solche Frau gerade im oberen Stockwerk befand. Laree war hier, er konnte sogar ihre Signatur spüren wenn er sich konzentrierte. Aber er konnte sich nicht darüber freuen. Vor seinen Augen sah er ihren kalten leeren Blick von heute Nachmittag, ihre Apathie, die Kälte ihm gegenüber. Und wieder fragte er sich weshalb sie hier war und welcher Idiot sie hergeschickt und in Gefahr gebracht hatte. Welche Frau Tiger wohl meinte, Maeve?
"Man sollte sich am besten auf gar keine einlassen, das kann einen Jahrhunderte später noch das Genick brechen“, äusserte Tiger seine Meinung ehe er sich die Spritze setzte und langsam die Droge in seinen Körper presste. Gualterio blickte weg, irgendwie fühlte es sich falsch an Tiger dabei zu beobachten. Erst als der Hayllier hörte wie sich der andere Kriegerprinz hingesetzt hatte, drehte er sich wieder um. Tiger sass auf einer Bank und starrte mit leerem Blick in die Dunkelheit.
„Leider sind wir Kriegerprinzen, wir können uns schlecht von Frauen fernhalten, das funktioniert nicht einmal mit Schwarztraum“, antwortete Malateste mit einer Anspielung auf Maeve.
„Wie dem auch sei, ich geh jetzt schlafen.“ Gualterio ging Richtung Tür. *Mein Bett wird heute Nacht der Stall sein, sicher ist sicher.* Zum ersten Mal hatte er Tiger einen Speerfaden geschickt, wer wusste wo die Nacht ihre Ohren hatte? Der Kriegerprinz stapfte zurück in die Schankstube und winkte Galdos und den Soldaten zu.
„Ich geh an der Matratze horchen, wir sehn uns morgen.“ Malateste schritt die Treppe hoch und klopfte kurz, ehe er das Zimmer betrat. Regensang schien Laree zu helfen und blickte bei seinem Eintreten hinter dem Paravent hervor.
„Ich schlafe im Stall, mir ist das alles hier nicht geheuer“, murmelte Malateste und zog sich Helm, Handschuhe und Waffen an. Mit einem kurzen Gedankenstoss erloschen die Kerzen im Zimmer und lautlos huschte er durch den nun dunklen Raum. Leise schob Malateste das Fenster hoch.
„Ihr könnt wieder Licht machen wenn ich weg bin. Ich möchte den Eindruck erwecken hier im Zimmer zu sein. Ich hoffe ich täusche mich und wir sehen uns morgen friedlich zum Frühstück.“
Gualterio zapfte sacht sein graues Juwelenbecken an, und die Schatten auf dem schräg abfallenden Dach schienen dunkler zu werden und ihn zu verschlucken, als er geräuschlos aus dem geöffneten Fenster auf das schindelgedeckte Vordach hinauskletterte. Dank seinem Rundgang in der Dämerung wusste er welchen Weg er einschlagen musste. Geduckt schlich er über das Dach um die Ecke, liess sich von der Regenrinne hängen und sich dann auf den Laubgedeckten Boden zwischen Gasthaus und Stall fallen. Den Sturz federte er mit einer Rolle ab, um dann sofort geduckt zum Stall hinüberzuhuschen. Einige Pferde wieherten erst etwas nervös, doch erkannten sie dann seine Witterung und beruhigten sich. Einige Sekunden blieb Malateste im Stall stehen, ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Zorn schnaubte kurz empört, wusste dann aber das es besser war still zu sein. So schlug er nur etwas mit dem Schweif hin und her während ihn Malateste im Dunkeln sattelte.
Der Hayllier prüfte noch einmal die Gurte und kletterte dann auf den Heuboden. Durch eine kleine Luke konnte er den Gasthof von der Seite beobachten und hatte so Aussicht auf Vorder- und Hinterseite des Gebäudes. Am Ende warf er einen grauen Kreis aus, der ausschlagen würde wenn ein grösseres Lebewesen ihn betrat, ähnlich dem Schild den er vorhin auf dem Gang vor dem Zimmer eingesetzt hatte. Vermutlich würde die Nacht ruhig verlaufen, aber er wollte kein Risiko eingehen. Langsam liess sich Gualterio in den dünnen Dämmerschlaf eines Soldaten fallen, bereit jederzeit sofort wieder da zu sein.
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Laree
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Laree »

Zwar hatte Regensang ihre Bitte nach dem Rasiermesser überhört, doch dann erschien trotzdem eines auf dem Schemel, einklappbar und mit edlem Perlmuttgriff. War es von Gualterio? Bedeutete es dann, dass wenigstens er nicht glaubte, dass sie sich nichts antun würde? Und war sein Vertrauen überhaupt gerechtfertigt? Laree wußte es selbst nicht. Aber was für einen Sinn hätte es, sich jetzt noch was anzutun, wo doch alles vorbei war... wenn sie so etwas nicht wegsteckte, wäre sie schon lange zerbrochen oder tot. Obwohl es durchaus Momente gegeben hatte, wo sie sich selbst weh getan hatte. Die Hexe nagte an ihrer Unterlippe, wartete bis Gualterio endlich ging und atmete erleichtert durch, obwohl sie sich im gleichen Augenblick wünschte, er wäre noch hier bei ihr. Wie konnte man bloß so zerrissen sein? Aber sie war zu müde um darüber nachzudenken. Regensang stellte sich hinter den Badezuber, begann Larees Haare mit der Läusekur zu behandeln. Während es einwirkte, half die kleingewachsene Heilerin ihr beim Finger- und Fußnägel schneiden. Laree hätte es am liebsten alles allein gemacht und sie fühlte sich unwohl, dass die andere Soldatin ihr helfen mußte. Wäre sie nicht so erschöpft gewesen, hätte sie vielleicht versucht noch mehr Kontrolle an sich zu reißen, so ließ sie es einfach über sich ergehen. Beschämender konnte ihr Zustand sowieso nicht mehr werden. Jeder schien genau zu wissen was ihr passiert war, sie sahen sie alle mit jenem Blick an, fürsorglich und mitleidsvoll. Selbst Gualterio hatte sie so angesehen, er am meisten von allen, glaubte Laree und sie hasste diese Blicke inzwischen voller Inbrust. Begriffen die nicht, dass sie sich unter diesen Blicken noch schwächer und erniedrigter fühlte?
Laree vermisste Ayden, vermisste die Härte in seinen Augen. Rasch verdrängte sie die Gedanken an den Prinzen.
"Kann ich dich was fragen?", wandte sie sich stattdessen an die Heilerin mit dem schmutzstarrenden Gesicht und den braunen verfilzten Haaren. Dafür stachen ihre hellen Augen umso stärker heraus. "Kannst du... also feststellen, ob ich... ob ich schwanger bin?", schloss Laree ihre Frage sehr leise.
"Bist du nicht", erwiderte Regensang bloß, trat wieder hinter den Bottich und spülte ihr Haar aus, um es danach gleich wieder noch mit Seife einzuschäumen und zu waschen. Laree wußte nicht was für eine Antwort sie erwartet hatte, doch sie spürte nichtmal so etwas wie Erleichterung, das dumpfe Gefühl in ihrem Inneren ließ sich immer noch nicht vertreiben. Ob Regensang auch feststellen könnte, ob sie einmal vor einiger Zeit schwanger gewesen war? Aber Laree fühlte sich alles andere als gestärkt jetzt auch noch mit dieser Wahrheit umgehen zu können.
"Danke... ich heiße übrigens Venka", stellte sich die Hayllierin offiziell vor. Die Heilerin wusch erneut ihr Haar mit dem inzwischen nur noch warmen Wasser.
"Ich weiß, ich bin Regensang, ich gehöre zur Sechsten Kompanie", erklärte die Frau. Zum ersten Mal dachte Laree über den Namen der anderen Frau nach, fragte sich wie man zu so einem Namen kam. Als sie die Heilerin danach fragte, presste Regensang ihre dünnen Lippen zusammen. "Das ist der Name von meinem ersten Opfer. Ich fand den Namen so hübsch, da hab ich die andere getötet um mir ihren Namen zu stehlen." Sie sagte es in einem Tonfall wie als hätte sie einen Lolli gestohlen und trotzdem hatte Laree das entsetzliche Gefühl, dass an der Geschichte etwas wahres dran wäre. Wie konnte man nur mit dem Namen einer Toten herumlaufen, dachte die Hexe, bis ihr einfiel, dass sie genau das gleiche tat. Wie wohl Venka gewesen war und warum Ayden sie getötet hatte?

Es klopfte an der Türe, doch noch bevor jene sich öffnete, wußte Laree, dass es Gualterio war. Regensang blickte hinter dem Paravent hervor. Der Kriegerprinz sagte bloß leise, dass er im Stall schlafen wolle, es wäre ihm alles hier nicht geheuer. Laree verdrehte die Augen. Wenn ihm alles nicht geheuer war, fand er es besser im Stall zu schlafen statt hier bei ihr? Die Hexe hörte nur das Klirren von Waffen und Knarzen von Leder ehe es in dem Raum ohne Vorwarnung dunkel wurde. Laree zog die Beine fester im Bottich an, tastete instinktiv nach dem Messer auf dem Schemel, während ihr Herz nervös pochte. Erst nach Malatestes Worten begriff sie, dass er das Licht gelöscht hatte, um unbemerkt durchs Fenster nach draußen zu verschwinden. Sollte er doch, sie brauchte ihn nicht, sie hatte nicht darum gebeten ihn hier zu treffen. Sie war schließlich nicht wegen ihm nach Raej gekommen, sie wollte ihn nur etwas fragen.
Regensang zündete die Kerzen wieder an, kam zurück hinter den Wandschirm und wollte Laree weiter helfen bis jene abwehrte.
"Den Rest schaff ich schon alleine. Wer war eigentlich der Mann vorhin?", wechselte sie das Thema.
"Korporal Jason Bonderus. Er gehört zur zweiten, ist noch nicht lange aus Dhemlan hier", erklärte die Heilerin. "Halt dich lieber fern von ihm. Er hat heute seinen Tag der dummen Entscheidungen."
Laree glaubte da etwas Zorn herauszuhören, blickte Regensang dementsprechend neugierig an, doch die zog sich aus der Nische zurück. Die Hexe ließ es dabei bewenden, begann sich selbst noch einmal feste abzuschrubben bis ihre Haut schon ganz gerötet war. Zum Schluß nahm sie das Rasiermesser zur Hand und rasierte sich zwischen den Beinen bis sie wieder ganz glatt dort war, ihre Beine waren da sie Hayllierin war sowieso stets glatt. Trotzdem fühlte sich Laree immer noch befleckt, auch wenn ihr Körper wieder sauber war. Müde trocknete sie sich mit dem Handtuch ab, zog die Ersatzkleidung von Regensang an, wobei sie feststellte, dass ihr die Oberteile kaum passten, da die Heilerin eine wesentlich schmalere Oberweite besaß. Für eine Nacht würde es schon gehen.
Sie setzte sich an den Tisch, Regensang schob ihr den Tee entgegen und Laree trank durstig ein paar Schlucke. Zum essen dagegen mußte sie sich regelrecht zwingen, denn sie hatte kaum Appetit. So schaffte sie auch nur die Hälfte, putzte sich danach die Zähne und wollte sich schon schlafen legen als ihr Gang sie automatisch zu dem Bett steuerte wo Gualterio kurz drauf gelegen hatte.
Du bist so schwach, Frau, dachte sie wehmütig und legte sich dann dort ins Bett. Bleierne Müdigkeit machte sich in ihr breit sobald sie lag, Laree presste ihr Gesicht fest an das Kissen, spürte schwach den Geruch von geöltem Leder und Malateste. Es tat fast weh es zu riechen, sie biss sich fest auf die Unterlippe um nicht zu weinen.
Erst in der Nacht als schon alles still war und sie bloß den schlafenden Atem der Soldaten in den anderen Betten hörte, rannen ihr die Tränen stumm über die Wangen. Sie drückte trotzdem das Kissen gegen ihr Gesicht um jegliches verräterisches Geräusch zu ersticken. In der Nacht träumte sie das erste Mal seit Jahrzehnten wieder von Armandos, hörte sein Lachen und seine verletzenden Worte, während er immer wieder in sie stieß und sie aufriss. Keuchend strampelte Laree im Schlaf die Decke von sich, wälzte sich hin und her bis sie mit einem leisen Aufschrei auffuhr und direkt in das Gesicht von Tiger blickte. Erschrocken wich sie bis zum Kopfende des Bettes zurück, presste die Decke an ihre Brust.
*Alles in Ordnung? Du hattest einen üblen Traum*, sandte er ihr, selbst sein Speerfaden schien animalisch und ziemlich schwach. Laree nickte bloß in der Dunkelheit und legte sich wieder hin, hauptsächlich damit Tiger sie in Ruhe ließ. Reflexartig griff sie sich unter der Decke zwischen die Beine, um zu prüfen, ob sie verletzt war, doch natürlich war alles in Ordnung, es war nur ein Traum gewesen. Laree schluckte leer, starrte mit offenen Augen in die Finsternis und wartete nahezu furchtsam auf den Schlaf.
Um sie herum war alles still und so glaubte sie zuerst auch, sie träume bloß wieder, als die Türe absolut lautlos aufschwang und sich nur unscharf ein Schatten vom Rest der Dunkelheit entschied. Jemand stand da und blickte ins Zimmer. Es dauerte etwas bis Laree das realisierte, vor allem weil sie immer noch die Augen aufgerissen hatte, und als es ihr dämmerte, schlug ihr Herz bis zum Hals. Dann ging die Türe genauso geisterhaft wieder zu, sie hörte von draußen nicht einmal Schritte. Die Totenstille war beängstigend. Die Hexe rührte sich eine Weile nicht bis sie es wagte leise zum Fenster zu schleichen, ihr Gesicht an die kalte Scheibe zu pressen und hinauszublicken. Wo war der Stall? Sie erkannte in der Dunkelheit rein gar nichts.
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NSC
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Re: In Sions Armee

Beitrag von NSC »

Schnitter - Fara

Am Horizont zeigte sich nur ein schmaler Silberstreifen, als der Schnitter den kurzen Weg zwischen Gasthaus und Stall zurücklegte. Wie am Vorag trug er einen langen hochzugeknöpften schwarzen Mantel und eine Maske aus hartem Leder, die bis zum Nasenrücken sein Gesicht verbarg. Die Kapuze war zurückgeworfen, so dass man graues kurzes Haar erkennen konnte. Ein Schild um ihn herum verschluckte jegliches Geräusch, er wollte zum Stall, doch als er leise Stimmen in der Nähe hörte, entschied er sich anders, verbarg sich in der Finsternis und lauschte. Zwei Männer standen vor dem Stalleingang, wisperten leise miteinander.
"Die holen uns nie ein, wir sind mit den Pferden längst über alle Berge", sagte einer, redete auf seinen Kumpanen ein, "Hast du nicht gehört? Das sind Rennpferde. Die können uns gar nicht einholen. Das gibt ne hübsche Summe."
"Na gut, aber lass uns schnell machen", entgegnete der andere und sie betraten den Stall. Dem Schnitter wäre egal gewesen, hätten diese Männer die Pferde gestohlen, wäre nicht sein eigenes darunter gewesen. Er legte eine geräuschlose Blase saphirner Kunst um die zwei Männer, so dass sie es nicht bemerkten und auch keine Laute von sich geben würden wenn sie starben. Dann trat der Schnitter langsam aus seinem Versteck hervor, rief seine bereits gespannte Armbrust herbei, zielte und traf einen der Männer im Nacken, er war sofort tot und sackte in sich zusammen.
Gemächlichen Schrittes betrat der Schnitter das Holzgebäude und ließ eine Drahtschlinge erscheinen.
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Es dauerte länger als normal bis Malateste in den ruhigen Dämmerzustand zwischen schlafen und wachen gelangte. Das lag daran, dass seine Gedanken immer wieder zu Laree zurückkehrten. Ständig ertappte er sich dabei wie sein Blick zu dem Fenster hochwanderte hinter dem sich das Zimmer befand welches die Hexe mit den anderen teilte. Gualterio wälzte sich etwas herum und versuchte das Stroh zu einer bequemen Kuhle zusammenzudrücken. Erfolglos redete er sich selbst ein, hier aus strategischen Gründen zu liegen. Natürlich konnte er von seiner Warte aus blendend erkennen wenn jemand versuchte zum Vorder- oder Hintereingang des Gasthofes reinzuschleichen und natürlich wäre die Überraschung auf seiner Seite, da potentielle Angreifer nicht erwarteten, dass ihnen jemand in den Rücken fiel. Doch tief drinnen wusste Gualterio, dies waren Ausflüchte. Der wahre Grund war schlicht die Furcht Kopf an Kopf mit Laree in einem Zimmer voller Soldaten und einem Kriegerprinzen zu liegen, um seine Kontrolle zu fürchten, darum im Schlaf Dinge preiszugeben die niemand hören sollte, davor nicht widerstehen zu können sich neben die Hexe zu legen. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen starrte er weiter in die Dunkelheit um den Gasthof und versuchte seine innere Ruhe zu finden. Die Nacht war schon tief hereingebrochen als es dem Kriegerprinzen endlich gelang in diese seltsame Ruhephase einzutauchen die nur Soldaten kannten.

Seine innere Uhr sagte ihm das es kurz vor der Dämmerung war als der grüne Schild ausschlug. Sofort war Malateste hellwach und spähte aus dem Fenster zum Gasthof, doch niemand war zu sehen. Regungslos verharrte der Kriegerprinz und spannte seine Sinne an. Langsam wurde der Platz vor dem Gasthaus in ein schwaches Licht getaucht als die Morgendämmerung anbrach. Einige stille Sekunden verstrichen ehe der Hayllier ein leises, noch unverständliches Flüstern vernahm. Jemand hatte sich dem Stall und nicht dem Gasthaus genähert. Vorsichtig drehte sich der grosse Hayllier um und spähte über den Rand des Heuschobers. Die Silhouetten zweier Männer waren im schwachen Licht des Morgens im Eingang des Stalls zu erkennen. Sie unterhielten sich im Flüsterton. Der Wortführer versuchte seinen Begleiter gerade von der grandiosen Idee zu überzeugen die Pferde zu stehlen. Malatestes Rechte glitt tiefer und zog aus dem Schaft des rechten Stiefels einen Wurfdolch, einen zweiten holte er aus einem Futteral hervor das in seinem breiten Ledergürtel eingelassen war. Zu seiner Enttäuschung hatte er es hier nicht mit Rebellen, sondern eher mit schlichten Pferdedieben zu tun. Vielleicht sollte er sie einfach erschrecken und mit der flachen Seite seines Schwertes davonjagen. Gualterio überlegte noch, als er spürte wie Kunst eingesetzt wurde und wenige Augenblicke später sackte einer der beiden Männer in die Knie und fiel auf sein Gesicht, ein Armbrustpfeil ragte aus seinem Nacken. Kein Geräusch war dabei zu hören, jemand schluckte jeglichen Klang mit Hilfe der Kunst. Netter Trick, passte gut zu einem...

Gemächlich kam der Schnitter ins Bild, zwischen seinen Händen glänzte ein dünner Metaldraht, offenbar wollte er den zweiten Gegner erdrosseln. Armbrust und Draht, wahrhaftig ein Assassine. Wie gestern trug der Schnitter den zugeknöpften Ledermantel und die Maske. Diesmal jedoch war die Kapuze unten und Malateste konnte kurzes graues Haupthaar erkennen. Fast war er etwas enttäuscht, er hatte so was wie nackte Knochen oder Hörner erwartet, so wie Tiger gestern über den Schnitter hergezogen war. Aber er schien auch nur ein Mensch zu sein. Ein Mensch der ihm den ganzen Spass raubte!
Gualterio richtete sich auf dem Heuboden auf und warf einen mit grauer Kraft umhüllten Wurfdolch in den rechten Oberarm des verbliebenen Pferdediebes. Von der Wucht des Wurfes riss es den Mann herum dessen Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen war. Der zweite Dolch bohrte sich in die Kniekehle des linken Beines und der Mann brach zusammen. Malateste, nicht mehr auf Heimlichtuerei oder Lautlosigkeit erpicht, sprang vom Heuschober auf den Stallboden. Stroh stob auf, als der schwere Kriegerprinz auf dem Holzboden landete, die Pferde bäumten sich erschrocken in den Boxen hoch und der Kriegerprinz schritt zum auf dem Boden liegenden Mann. Konzentrierte kniff er die Augen zusammen während er den saphirenen Lautlosigkeitsschild des Schnitters abtaste, erkundete und dann mit Grau aufhob. Jetzt konnte man das schmerzerfüllte Stöhnen des Pferdediebes hören. Malateste durchbrach mit Grün den Sichtschutz den der Mann über sein Tigeraugenjuwel gelegt hatte das er um den Hals trug. Der Hayllier packte das Tigerauge und riss es dem Kerl vom Hals. Dann packte er ihn unsanft am Knöchel und schleifte ihn aus dem Stall herraus. Beim Vorbeigehen funkelte er den Schnitter an.
„Meint ihr ich liege hier die ganze Nacht auf der Lauer damit ihr mir am Ende den ganzen Spass raubt?“ Der Pferdedieb hinterliess eine blutige Spur auf dem Platz vor dem Stall der mit Laub und Kies gefplastert war. „Also wirklich...“, wetterte Malateste weiter. „...erst erledigt ihr die Räuber und jetzt wolltet ihr die beiden auch noch kalt machen. Wir sollten mal die Kompetenzen klären. Ich pfusch euch auch nicht in euren Auftrag rein.“ Malateste hielt beim Ziehbrunnen zwischen Gasthof und Stallgebäude an und liess das Bein des Mannes los. Der Dieb schrie schmerzerfüllt auf als sich dabei der Dolch tiefer in die Kniekehle bohrte.
„Wobei ich eure Leistung alleine das Räubernest hochgenommen zu haben durchaus respektiere.“ Gualterio hob den Wassereimer vom Haken und liess ihn am Seil runterfallen. Die Winde drehte sich und knatterte und kurz darauf war ein Platschen zu hören.
„Wie viele waren es? Zehn, zwanzig?“ Fragend blickte er zum Schnitter derweil der Verwundete versuchte davonzukriechen.
„Hiergeblieben Bursche!“ Gualterio packte den Dieb erneut am Fuss und schleifte ihn zum Brunnen. Dann zog er die beiden Dolche aus Arm und Bein und reinigte sie am Wams des Unglücklichen ehe er sie wieder verstaute.
„Und wieso gleich beide töten? Für euch mögen diese Kerle unwichtig sein, aber vielleicht wissen sie ja etwas, vielleicht wollten sie die Pferde an die Rebellen verkaufen? Wer weiss?“
Malateste spürte wie er in Rage geriet. Die ganzen aufgestauten Emotionen kochten über und er verspürte das Verlangen den Pferdedieb ins Gesicht zu treten, schlicht weil er vor seinen Füssen lag und er an ihm seinen Frust ablassen konnte, doch er hielt sich mühsam zurück.
„Ach Scheisse, was solls. Ich brauch jetzt einen Schuss.“
Der Kriegerprinz setzte sich auf den Brunnenrand und schob das genietete Lederwams bis zum linken Ellbogen hoch. Danach liess er Ampulle und Spritze erscheinen und zog eine Dosis Schwarztraum auf.
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Laree »

Die kalte Glasscheibe kühlte ihre heiße Stirn und allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, während sie versuchte draußen irgendetwas auszumachen. Die dunklen kantigen Umrisse dort hinten mußten der Stall sein. Kurz fragte sich Laree wie es wäre jetzt zu Malateste hinüber zu gehen und sich zu ihm ins Stroh zu legen, aber gleich darauf ärgerte sie sich über ihre Gedanken. Der Kriegerprinz schlief bestimmt tief und fest, verschwendete keinen einzigen Gedanken an sie oder lag auf der Lauer wegen irgendwelchen Räubern... ein entsetzlicher Verdacht kam ihr dabei. Und wenn welche überlebt hatten? Wenn sie nicht alle erwischt hatte, sondern ein paar einfach nicht vom letzten Beutezug zurückgekommen waren? Aber sie war sich so sicher gewesen, dass sie die ganze Bande in der Scheune gehabt hatte... nur wie sicher war sie sich jetzt, wo das Fieber nicht mehr so stark war und sie nicht benommen von Schmerzen, dem Schlafmittel und all der Wut im Bauch. Ihre Fingernägel krallten sich fest in das Holz der schmalen Fensterbank. Nein, besser gar nicht an so etwas denken. Sie hatte diesen Hof in Flammen aufgehen lassen, alle Stätten ihrer Peinigung ausgemerzt. Niemals durfte sie zurückblicken, das schaffte sie nicht. Und wenn ich doch schwanger gewesen wäre? Wenn sie damals aufgegeben hätte bei den Verhandlungen um die Ratssitze... dann würde sie vielleicht gerade jetzt mit dicken Bauch in Hayll auf einem gemütlichen Sofa sitzen und Plätzchen in sich hineinstopfen oder was immer man auch in diesem Zustand tat. Sie würde jedenfalls nicht in Raej in einem zwielichtigen Gasthaus sich die Nase an einer Fensterscheibe plattdrücken in verzweifelter Angst ob aus der Dunkelheit verdrehte verkohlte Leiber zwischen den Bäumen hervorkriechen würden. Verflucht, sie hatte auch von keinem der Juwelenträger den Geist ausgebrannt. Was wenn die alle in der Hölle auf sie warteten? Darauf warteten sie die ganze Zeit nur zu benutzen, zu benutzen, zu benutzen...
Ihr Herz schlug wummernd in ihrer Brust. Als sie sich wieder angestrengt auf die Dunkelheit draußen konzentrierte, machte sie plötzlich zwei Schemen beim Stall aus. Waren die vorher auch schon dort gewesen? Laree zuckte zusammen als sie hinter sich einen der drei Soldaten - Galdos, Regensang oder Tiger - tiefer einatmen hörte, doch ansonsten war alles ganz still. Dann beobachtete sie wie die Schemen sich bewegten, in den Stall verschwanden. Wer war das? Sollte sie nicht Gualterio warnen? Kurz hatte sie den Eindruck noch jemand wäre ums Haus herumgekommen, doch die Gestalt verschwand augenblicklich wieder in der Finsternis. Sie mußte jetzt unbedingt irgendjemanden informieren oder nicht? Aber Laree starrte wie gebannt auf den Stall, wartete mit klopfenden Herzen. Dann erkannte sie Gualterio, egal wie dunkel und weit weg er war, sie wußte sofort das er es war.

Ihre Sorge um ihn schwand als die Hexe sah wie er jemanden hinter sich herschleifte. Ein weiterer Mann kam aus dem Stall, der Schnitter, auch ihn konnte sie im Zwielicht identifizieren. Dumpf hörte Laree Stimmen, anscheinend sprach Malateste zu dem Schnitter, aber sie wagte nicht das Fenster aufzuschieben aus Angst man könnte es hören. Die Schreie des Kerls, den Gualterio hinter sich her in Richtung Brunnen zog, waren jedoch nicht mehr zu überhören. Laree wußte nicht was sie beim Anblick der Szenerie empfinden sollte. Sie hatte den Kriegerprinz schon einmal kämpfen sehen als sie in Draega überfallen worden waren, doch das dort unten war etwas anderes. Man hörte wie der Kies knirschte durch die Schritte und den gezogenen Kerl, nur vom Schnitter nahm man rein gar nichts wahr, er stand bloß da und sah zu wie Gualterio den Wassereimer beim Brunnen von der Winde ließ. Das Knarzen der Winde erinnerte Laree sofort an ihre verzweifelten Bemühungen ihre Juwelen aus dem Brunnen zu fischen, sie mußte den Blick abwenden, tief durchatmen. Als sie dabei in den Raum sah, erkannte sie, dass Tiger nicht mehr hier war. Auch Galdos regte sich, setzte sich auf. Das Geschrei draußen war wohl nicht zu überhören.
"Was ist da los?", fragte er leise, stand auf und trug bereits seine Uniform. Laree wandte das schmale Gesicht ab, blickte wieder aus dem Fenster. Gualterio hatte irgendetwas, Dolche?, aus den Gliedern des Mannes unter sich herausgerissen, aber dann setzte er sich auf den Rand des Brunnens, schob seinen Wams bei einem Arm hoch und im aufkommenden Morgengrauen konnte Laree eine Spritze erkennen, die der Hayllier in der Hand hielt und aufzog. Ihre Augen weiteten sich. Was war das? War er krank? Während Gualterio damit beschäftigt war die Spritze zu setzen, blickte der Schnitter plötzlich genau zu ihr hoch. Die Hexe trat rasch zurück zum Fenster, sie war sich ziemlich sicher, dass er sie genau gesehen hatte. Auf dem Gang hörte sie Schritte, Galdos war nach draußen gegangen. Laree schlich geduckt zurück zum Fenster, schob ihren Kopf in die Höhe gerade so weit, dass sie mit den Augen über den Rand schauen konnte, wie ein Kind, das eigentlich zu klein dafür war. So fühlte sie sich auch gerade. In Hayll kannte sie sich aus, hier war alles fremd, selbst Gualterio und das lag bestimmt nicht an seinem Aussehen.
Nachdem sie wieder etwas sehen konnte, erkannte sie wie der Schnitter in den Stall gegangen war und nun mit seinem gesattelten Pferd wiederkam. Er schwang sich gekonnt hinauf, lenkte den Rappen zur Straße hin und ritt ohne sich nochmal umzusehen davon. Irgendwie wußte Laree da, dass er Malateste nichts gesagt hatte, rein gar nichts, und sie empfand einen Anflug von Sympathie für diesen Todesbringer.
"Was machst du da?", hörte sie Regensangs Stimme, die neben sie getreten hatte, aus dem Fenster sah, wo nun weitere Soldaten wie schwarze Punkte ausschwärmten. Ihr Blick fiel auf Gualterio. "Ich sag doch, Tag der dummen Entscheidungen. Zum Glück beginnt bald ein neuer."
"Was hast du eigentlich gegen ihn?", schnappte Laree, entfernte sich vom Fenster. Sie wollte bestimmt nicht sehen wenn der Kriegerprinz anfing diesen Mann weiter zu quälen.
Die Heilerin schürzte bloß vage die Lippen. "Er is nen Idiot, der sich in Schwierigkeiten bringt, das ist alles."
Dagegen hatte Laree nun wirklich nichts einzuwenden.
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Amaya
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Amaya »

Er war schon aus der Türe raus gewesen als er gesehen hatte wie Venka aus dem Fenster schaute. Die ganze Zeit hatte Tiger versucht den Standpunkt von der Signatur des Schnitters im Auge zu behalten. Es war schwerer als sonst, denn es war eine sehr schwache, höchst diffuse Signatur und es bereitete dem Kriegerprinzen Kopfschmerzen sich auch nur länger darauf zu konzentrieren. Doch er war sofort hellwach gewesen als der Schnitter sein Zimmer verlassen hatte. Tiger war nach einer Weile auf den Flur, hatte sich durch ein Fenster dort aufs Dach gezogen und verborgen durch ein Sichtschirm war er geschmeidig am anderen Ende hinterm Gasthaus auf den Boden geglitten. Wenn er um die Ecke sah, hatte er zur rechten die Fassade des Hauses und dem gegenüber der Stall. Was sich drinnen abspielte, konnte er nicht erkennen, doch sehr wohl spürte er die Signatur von Bonderus und noch zwei weitere. Eine flammte kurz auf wie ein entzündetes Streichholz ehe sie abrupt wieder erstarb. Der Schnitter ließ die Armbrust sinken. Wen bringt der Mistkerl jetzt schon wieder um?
Tiger schlich hinüber zur Rückfront des Stalles. Die übrig gebliebene fremde Signatur flackerte, jemand hatte Schmerzen und dann schien plötzlich eine Geräuschblase aufgeplatzt zu sein, denn der halbe Tigerlaner hörte wieder mehr, Wimmern und Schreien eines Mannes, dazu Jasons Stimme. Nachdenklich untersuchte der Leutnant die Signatur des Verletzten genauer, so fremd war ihm der Mann nicht, er mußte auch im Schankraum gewesen sein.
Der Kriegerprinz hörte das Wettern des Korporals, der sich keinen Deut darum bemühte leise zu sein. Was war denn in den gefahren? Nicht viele besaßen die Stirn einem Schnitter so viele drängende Fragen zu stellen, ihm auch noch Vorwürfe zu machen, er würde dem Schnitter ja auch nicht in seinen Auftrag reinpfuschen.
Würdest du das tun, hätte er dich schon längst getötet, dachte Tiger. Oh, er wußte selbst wie es war einem stummen Assassinen den Auftrag zu vermiesen. Er fletschte die Zähne leicht, dank dem Schwarztraum fühlte er sich ruhig genug nicht hinüberzupreschen und den Schnitter anzufallen. Es ist nicht der gleiche, sagte er sich, du ruinierst sonst alles, denk an die anderen.

Allein aus den Fragen von Bonderus entnahm Tiger, dass es sich bei dem Verletzten um einen Pferdedieb handeln mußte. Oder auch bloß um einen unzufriedenen Bürger, der der Besatzungsmacht eins auswischen wollte. Aus dem Schnitter war natürlich nichts herauszubekommen, er sah nur kurz dem Treiben von Jason zu ehe er wortlos zurück in den Stall kehrte und mit seinem Pferd an den Zügeln wiederkam. Er schien dem Korporal nichtmal Beachtung zu schenken, genausogut hätte man wohl mit sich selbst reden können. Der Maskierte schwang sich auf sein Pferd, zog die Kapuze über den Kopf und ritt davon.
Tiger wartete noch, hörte dann aber von vorne die Türe des Wirtshauses und Schritte auf der Veranda. Als Galdos mit den anderen Soldaten um die Ecke kam, ließ auch Tiger das Verbergen seiner Signatur sinken und kam zu den anderen am Brunnen.
"Wen hast du denn da aufgegabelt?", fragte er, als er langsam näher kam. Drei der Soldaten hatten ihre Armbrüste gespannt und beobachteten die Bäume und das Dickicht, der Rest hatte zumindest die Hand am Schwertgriff.
"Sind noch mehr da?", fragte Galdos. "Was ist passiert?" Alle tasteten die Umgebung ab, doch wenn sich weitere Diebe oder Rebellen verbargen, dann im Wirtshaus. Noch einmal knallte die Türe vorne ziemlich laut, kurz darauf kam die alte Schwarze Witwe zu ihnen gestapft, einen dunklen Mantel um sich geschlungen und offene Holzschuhe tragend. Ihr grauweißes Haar war nicht mehr hochgesteckt, sondern fiel ihr lang über die Schultern. Sie starrte die Soldaten anklagend an, ihren Oberkörper unbeherrscht vor- und zurückneigend, sagte aber keinen Ton.
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Sobald die Droge sich in seinem Kreislauf ausgebreitet hatte verflog die Wut und machte der inzwischen bekannten, schläfrigen Ruhe Platz. Malateste sass auf dem Brunnen und liess die letzten Minuten noch einmal vor seinen Augen vorbeiziehen, der Mann der er eben noch gewesen war kam ihm jetzt wie ein Fremder vor, es war beängstigend. Langsam hob er den Kopf und sein Blick kreuzte sich für eine Sekunde mit den kalten Augen des Schnitters. Wie hatte er nur glauben können, dass dies ein normaler Mensch sei? Der Schnitter drehte sich um, verschwand noch einmal im Stall und führte dann sein schwarzes Pferd an den Zügeln hinaus. Ohne den Kriegerprinzen beim Brunnen oder den stöhnenden Mann zu dessen Füssen noch einmal zu beachten schwang er sich auf seinen nachtschwarzen Rappen, zog die Kapuze über den Kopf und ritt langsam den Weg entlang der vom Gasthaus wegführte.
Nun schwang die Tür des Gasthauses auf und Galdos und die Soldaten stürmten heraus. Die Soldaten bewiesen eine gute Ausblidung, schwärmten fächerförmig aus und sondierten die Umgebung, einige mit gespannten Armbrüsten. Doch sie würden zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wie der Kriegerprinz, in den Wäldern der Umgebung versteckte sich kein menschliches Wesen. Plötzlich stand auch Tiger zwischen den Soldaten und Gualterio nahm seine Signatur zeitgleich war. Der Hayllier war immer noch ruhig und sein Geist glasklar. Tiger hatte sich also verborgen gehalten und da Malateste ihn nicht bemerkt hatte, musste der tierische Kriegerprinz auch dunkle Juwelen tragen. Was hatte er wohl alles mitbekommen?
Tiger fragte ihn wen er da aufgegabelt hätte und Galdos erkundigte sich ob noch mehr da wären. Eine weitere Gestalt trat aus dem Haus, die schwarze Witwe. Ihr Haar fiel ihr grauweiss und lang über die dürren Schultern um die sie einen schwarzen Mantel gelegt hatte. Stumm wiegte sie ihren Oberkörper heftig nach vorne und nach hinten. Gualterio senkte langsam seine Augen und blickte zu dem armen Schwein zu seinen Füssen, eben hätte er ihn liebend gerne getötet, jetzt sah er nur einen verängstigten jungen Mann mit Schmerzen. War dies nicht einer der Männer aus der Schankstube von gestern Abend? Waren die beiden Pferdediebe womöglich Enkel der schwarzen Witwe?
Gualterio erhob sich vom Brunnenrand und musterte Galdos und Tiger. „Zwei Männer wollten unsere Pferde stehlen und verkaufen. Der Schnitter hat mit einem kurzen Prozess gemacht und wollte diesen auch erledigen. Da habe ich ihm ins Handwerk gepfuscht, deswegen lebt der hier noch.“ Gualterio deutete auf den zusammengekrümmten Mann am Boden. „Ich glaube nicht das noch mehr in der Nähe sind, die beiden gingen höchst unprofessionell vor.“ Malateste starrte erneut kurz auf den Mann zu seinen Füssen. Sein Verstand war immer noch klar. Er durfte jetzt weder Schwäche noch Mitleid zeigen, aber vielleicht würde zumindest der hier mit dem Leben davonkommen, doch das lag nicht in seiner Hand, er konnte höschtens sanft in eine Richtung lenken.
„Für mich sieht das eher wie ein Jungenstreich aus der tragisch geendet hat.“ Der grosse Kriegerprinz warf Galdos das Tigeraugenjuwel des jungen Mannes zu. „Hier, dein Gefangener, mach mit ihm was du willst. Als Strafe könnte man ihn Zwangsrekrutieren für drei Jahre.“ Gualterio schritt zur Scheune. „Wenn er nicht vorher verblutet. Wo ist Regensang?“
Im Halbdunkel der Scheune blickte Malateste über die Schulter und versicherte sich das ihn niemand beobachtete ehe er neben der Leiche des anderen Mannes in die Knie ging. Der Armbrustbolzen steckte noch immer im Nacken. Mit der Kunst liess Gualterio ihn hinausgleiten und betrachtete den Bolzen zwischen seinen Fingern. Er war schwarz. Komplett schwarz, das Holz des Schaftes, das Gefieder, sogar der Blut verschmierte Stahl. Der Bolzen war sehr auffällig. Mit einem kalten Lächeln liess ihn Malateste verschwinden, packte ihn in einen Kokon der Kunst damit er nicht seine Signatur annahm. Dieser Pfeil konnte ihm noch sehr nützlich sein.
Danach schwang er sich den Leichnam über die Schulter und ging zurück zum Brunnen. Vorsichtig legte er ihn auf den Boden satt ihn achtlos hinzuwerfen, soviel Respekt konnte er dem Toten zugestehen ohne das es auffällig wurde. Wieder betrachtete er die Schwarze Witwe. Dies hatte sie wohl nicht vorausgesehen?
Malateste drehte an der Winde und zog den Eimer hoch. Das Wasser darin war klar und frisch. Er leerte sich den Eimer über den Kopf und spülte sich die Nacht herunter. Alles war so klar, er musste in seiner Rolle bleiben, Laree hin oder her. Keine Schwächen mehr, keine Heimlichkeiten. Er war Bonderus sie Venka. Er hatte eine Aufgabe und musste sie erfüllen. Was hatte Tiger bloss gegen Schwarztraum?
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Amaya
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Amaya »

Jason erzählte Galdos und den anderen das was Tiger sich ohnehin schon gedacht hatte. Nur ob Bonderus' Motive wirklich so selbstlos waren wie er ihnen weißmachen wollte, wußte er nicht ganz. Nach der Spritze wirkte der Kriegerprinz um einiges ruhiger und kühler als vorhin noch. Die gewissenlosen kalten Kampfmaschinen, der ganze Stolz der Armee, dachte Tiger bitter. Solange sie sich schön das Zeug ins Blut pumpten, würden sie weiter funktionieren. Er hatte Angst davor ob er irgendwann zu dem Punkt kommen würde, wo er etwas anderes nicht mehr kannte, wo er vergessen hatte wie es war normal zu sein und noch so etwas wie heiße Gefühle zu besitzen. Würde ihm der Verlust überhaupt auffallen?
Bonderus war am Ende seiner Vermutung gekommen, zusammen mit einer Empfehlung was man mit dem jungen Mann machen sollte. Aus seiner Sicht waren es zwei kleine Ganoven gewesen, ein Jungenstreich. Ja, einer, den der andere mit dem Leben bezahlt hatte.
"Ihr könnt wieder reingehen, verehrte Frau. Wir haben hier alles unter Kontrolle", wandte sich Galdos an die Schwarze Witwe, nachdem er das Tigeraugenjuwel reflexartig aufgefangen hatte.
"Ihr habt überhaupt nichts unter Kontrolle", schnappte die alte Frau, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte zurück ins Haus. Der Knall der schlagenden Türe klang wie eine Ohrfeige für jeden anwesenden Soldaten. Sie hatte Recht. Wir haben rein gar nichts unter Kontrolle. Jeder trieb in diesem reißenden Strom, wo man sich verzweifelt an etwas klammerte in der Hoffnung nicht unterzugehen. Und an was klammerst du dich? An eine Königin? An den Glauben dass Sion irgendwann vernichtet ist und danach deine Schuld abgetragen? Wieviele gute Taten brauchst du noch bis du dein Verbrechen abgesühnt hast? Ewig. Und die Ewigkeit war für den halben Tigerlaner oft unerträglich. Er rieb sich über den Unterarm, dort wo das Schwarztraum in seinen Blutkanälen eigentümliche Ruhe verbreitete.

Als Bonderus mit dem Toten wiederkam und ihn beim Brunnen ablegte, versuchte der Verwundete davon wegzurobben, schluchzte erbärmlich auf. Regensang stieß endlich zu ihnen, vermutlich hatte Galdos sie informiert, obwohl Tiger nicht daran zweifelte, dass die Heilerin bereits wach gewesen war. Ebenso wie er vermutete, dass Venka weiterhin aus dem Fenster alles beobachtete. Kurz dachte er an ihren Albtraum. Ob Armandos einer der Räuber gewesen war? Ein viel zu schöner Name für so einen Bastard.
Regensang fragte nicht, was passiert war, sie kniete sich bloß neben den Verletzten und blickte ihn an. "Halt still, das kann jetzt etwas weh tun", informierte sie ihn. Einer der Soldaten war zu dem Dieb getreten, hielt ihn an den Schultern fest gepackt. Regensang ließ ihre kleinen Hände über die Dolchwunden schweben, schloss die Augen und flüsterte lautlose Worte. Der Mann wimmerte auf, wandte sich leicht stöhnend, doch die Wunden schlossen sich allmählich. Die Schultern der Heilerin zitterten, sie hatte sich heute eigentlich schon viel zu sehr verausgabt. Tiger erinnerte sich wieder, dass Bonderus trotz Galdos' Einwand seine Kraft Regensang zur Verfügung gestellt hatte. War er tatsächlich so ehrenhaft? Sein Blick ruhte nachdenklich auf dem anderen Kriegerprinzen über dessen Gesicht die zahllosen Wassertropfen rannen. Du bist nicht der einzige, der glaubt glasklar zu denken, dachte Tiger zynisch.
Sein nächster Blick ging zu dem Loch im Nacken des Toten. Es barg keine Überraschung, er kannte die Art wie Schnitter töteten. Jeweils abhängig vom Opfer. Der hier war es nicht wert gewesen sauber vorzugehen, nur eine Behinderung auf seinem Weg. Nein, das Primärziel bekam alle Schikanen. Vermutlich war der Schnitter weiter nach Loraka unterwegs. Tiger mußte unbedingt mit Rashar reden.
"Die Pferde sind alle in Ordnung?", fragte Galdos, kratzte sich am Kinn und sah zu dem Verletzten. Armer Galdos. Ein Lorcann oder Bovert hätte den Dieb schon längst an Ort und Stelle getötet und Galdos wußte das genausogut. "Wenn ihr zurück nach Loraka reitet, nehmt ihr ihn mit", wies er an. "Wenn er versucht zu fliehen, dann tötet ihr ihn."
"Ein zwangsrekrutierter Pferdedieb? Klingt wie einer für die Sechste", bemerkte Tiger grinsend.
"Ach, ich weiß nicht", gab Regensang zurück, "der wär viel zu brav für uns." Sie lachten beide, doch keiner der anderen fiel darin ein, sie tauschten eher betretene Blicke aus. Weil sie genau wissen, dass wir alle Mörder sind. Und wo war der Unterschied zur Zweiten? Der einzige bestand darin, dass die aus der Sechsten ihre Verbrechen schon vor der Uniform begangen hatten. Aber im Krieg war natürlich alles gerechtfertigt.
"Ihr nehmt ihn mit und übergebt ihn Bovert, er ist der Vorgesetzte", bemerkte Galdos entschlossen und ließ ein paar Fesseln erscheinen. Zwei der Soldaten verschnürten dem Dieb die Hände. "In einer Stunde brechen wir auf. wie ist der Zustand von Venka?", fragte er bei Regensang nach.
"Stabil. Körperlich jedenfalls. Ihr Bein braucht vermutlich noch eine zweite Behandlung und sie muss genügend trinken und essen", erklärte sie. Der Korporal nickte. Allmählich würde es heller. Tiger beschloss nach drinnen zu gehen, um etwas zu essen. Der Schankraum war leer bis auf die Schwarze Witwe, die ihn mit Blicken durchbohrte.
"Jemand sucht dich", sagte sie plötzlich. Tigers spitze Ohren zuckten leicht. Er nahm sich ungeniert von der Theke ein Glas und goss sich selbst was ein.
"Mich suchen viele", erwiderte er selbstsicher, trank etwas Schwarzgebrannten ehe er die Treppe hochging, um seine Sachen zu holen.
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Es herrschte eine seltsame Stimmung auf dem Hof der Herberge, bedrückend, voller Selbstzweifel und Schuldgefühle. Der Knall der Türe die Hinter der Schwarzen Witwe ins Schloss gefallen war schien noch immer in jedem nachzuhallen. Ihre Worte hatten Galdos Aussage, alles unter Kontrolle zu haben, in blanken Hohn verwandelt. Heute hatte jeder hier wieder einmal mitbekommen wie schnell Gevatter Tod zur Stelle sein konnte, und im Krieg war er sogar ein ständiger Begleiter. Dieses Mal hatte es den Pferdedieb erwischt, doch das nächste Mal konnte sich die knöcherne Hand genauso gut um ihn, Tiger oder jeden anderen hier schliessen. Malateste schüttelte die Haare und die Wassertropfen spritzten in alle Richtungen. Doch noch lebte er, und er würde alles tun damit es so blieb.

Regensang war aus dem Haus getreten und kniete sich zu dem Verwundeten während ein Soldat dessen Schultern niederdrückte. Gualterio bemerkte wie schwer es der Heilerin fiel zu arbeiten. Larees Behandlung hatte sie viel Kraft gebraucht und die Zeit hatte offenbar nicht ausgereicht um sie vollständig zu regenerieren. Sie konnten nur hoffen reibungslos zurück ins Fort zu gelangen. Wäre es nicht eine Ironie selbst das Leben zu verlieren weil die Heilerin ihre Reserven an einem Pferdedieb aufgebraucht hatte?
Malateste hatte das Gefühl beobachtet zu werden, er hob den Kopf und sein Blick traf den Tigers der ihn nachdenklich betrachtet. Ja, sie beide hatten ihre Geheimnisse und Gualterio wüsste zu gerne welche das Halbblut hatte. Aber die Sympathien die er anfänglich bei den Leuten der Sechsten geholt hatte, hatte er mit dem abgebrochenen Entzug verspielt.

Man konnte sehen wie Korporal Galdos nachdachte. Schliesslich entschied er sich den jungen Mann am Leben zu lassen. Der Hayllier hatte Galdos richtig eingeschätzt, auch Espwin wollte nicht die Schuld am Tode des Mannes auf sich laden, genauso wenig wie es Malateste gewollt hatte. Und wie Malateste die Verantwortung auf Galdos abgeschoben hatte, schob dieser sie nun zu Lorcann über, was die Chancen des Pferdediebes wieder etwas senkte. Dieser konnte nur hoffen Lorcann bei guter Laune zu erwischen. Vielleicht sollte Malateste dafür sorgen das Frostseel in der Nähe war. Die Kommandeurin würde vielleicht nicht einfach so das Leben eines potenziellen Soldaten wegwerfen wenn man es andersweitig noch brauchen konnte.
Tiger scherzte anschliessend mit Regensang das ein zwangsrekrutierter Pferdedieb wohl eher in die Sechste passte und beide lachten, doch von den anderen fiel keiner ins Gelächter ein, eher tauschten sie betretene Blicke aus. Vielleicht sollte sich Malateste doch einmal erkundigen für welche Vergehen die beiden in den Salzminen und dann in der Sechsten gelandet waren?

Die Sonne stieg weiter auf und langsam aber sicher verdrängte sie die Nacht für einen weiteren Tag. Aufmerksam hörte Malateste zu als sich Galdos nach dem Befinden von Laree erkundigte. Sie war noch nicht ganz gesund, ihr Bein würde eine weitere Behandlung brauchen. Offenbar waren sie gestern gerade rechtzeitig gekommen, vielleicht hätte es Laree nicht mehr lebend ins Fort zurück geschafft, ihre Wunden waren schwerer gewesen als er befürchtet hatte. Tiger verzog sich ins Innere des Gasthofes und Galdos kündigte den Aufbruch in einer Stunde an. Für Malateste kein Problem, sein Pferd wartete schon gesattelt im Stall.
„Blöderweise müssen jetzt zwei Pferde das Gewicht von zwei Leuten tragen, ich hoffe wir schaffen es dadurch bis heute Abend zurück ins Fort zu gelangen“, erwiderte Malateste. Gestern waren sie den ganzen Tag zügig geritten und waren bis zum Einbruch der Nacht hierher gelangt. Vielleicht mussten sie diese Nacht, das sie nun langsamer vorankamen, draussen oder in einem Unterstand verbringen. Oder sie ritten in die Nacht hinein. Das würde sich zeigen.
„Ich geh jetzt frühstücken.“ Der Kriegerprinz schritt über den Hof zur Herberge, er brauchte einen grossen Krug Kaffee.

Tiger war nicht hier, nur die Schwarze Witwe sass alleine an einem Tisch im Schankraum. Der Hayllier setzte sich ihr gegenüber, erwiderte den bohrenden Blick der alten Frau. Wahrscheinlich verfluchte sie alle, denn mit ihnen war das Leid über die Herberge gekommen.
„Krieg und Tod reiten Seite an Seite. Mit ihnen Hunger und Pestilenz. Wir haben gestern den Tod mitgebracht in diese Herberge.“ Seine Worte waren zweideutig, meinten den Tod im metaphorischen Sinne, konnten aber genauso gut auf den Schnitter gemünzt werden, der wie eine Verkörperung des Gevatters wirkte.
„Ich verstehe wenn ihr uns hasst. Niemand liebt den Krieg.“ Fast niemand, der Kriegshund tat es. „Aber Geschäft ist Geschäft. Was haben euch die Netzte offenbart?“
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NSC
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Re: In Sions Armee

Beitrag von NSC »

Lukatha

Sie hatte gewußt, dass es eine schlimme Nacht werden würde, sie hatte es in ihren Knochen gespürt und war trotzdem noch so überrascht gewesen als sie den Toten und den Verletzten gesehen hatte. Es waren zwei harmlose Männer einige Dörfer weiter gewesen. Natürlich stahlen sie, Lebensmittel waren knapp, die Armee beutete ja alles aus und jeder verdiente sich über den Schwarzmarkt ein bißchen was dazu. Jetzt waren sie tot oder dem Tode nahe. Lukatha rieb sich ihre schmerzenden Gelenke, krümmte ihre Finger und saß in der Ecke des Schankraumes, eine gehäkelte Wolldecke um sich gelegt, denn im Kamin brannte noch kein Feuer und es war kalt.
Sie hatte nicht viel geschlafen, brauchte in ihrem Alter auch nicht mehr viel Schlaf. So hatte sie sich an ihr altes Spinnrad gesetzt und ein Netz auf einen Rahmen aus Eibenholz gespannt. Nicht viele Schwarze Witwen besaßen noch die alte Kunst aus den Verläufen der verschiedenfarbigen Fäden und der Knotenpunkte allein etwas abzulesen. Nehein, sie verließen sich auf die Bilder, auf die Visionen. Aber alles war trügerisch und die Menschen waren bequem geworden. Bilder. Das war alles. Jeder glaubte nur noch das was er sah. Die Menschen, die mit aller Inbrunst glaubten waren weniger geworden. Lukatha wußte wessen Verdienst das war. Sie sahen die Macht des Schattens mit eigenen Augen und also glaubten sie an die Macht des Schattens. Verfluchte Kinder. Aber sie war zu alt, um bei diesem Spiel noch mitzuspielen, sie wußte bloß, dass sie hier an diesem Tag noch etwas weitergeben mußte. Ob es etwas ändern würde, war dann nicht mehr ihre Sache.
Der Tiger schien ihre Worte entweder nicht hören zu wollen oder er verstand sie nicht, denn er ging gleich nach oben weiter. Lukatha bemühte sich nicht mehr, manchmal machte man mehr kaputt wenn man zu viel sagte. Nachdem der Kriegerprinz nach oben gegangen war, tat sich die Türe ein weiteres Mal auf und der Hauptmann kam herein, setzte sich gleich zu ihr.

Lukatha blickte ihn bloß stoisch an, während er redete und sich fast entschuldigte, sie hätten heute den Tod in die Herberge gebracht, er würde verstehen, wenn sie ihn hasste. Dann fragte er nach dem Netz und die Schwarze Witwe erhob sich ächzend.
"Es hat mir gezeigt, dass ich euch einen Kaffee machen soll", bemerkte sie und ging hinüber in die Küche. Sie hatte den Kaffee eben schon aufgesetzt, goss ihn nun in zwei Tassen, nachdem er fertig war und kam wieder zurück zu dem narbigen Kriegerprinzen, schob ihm eine der Tassen zu, blieb aber stehen und setzte sich nicht wieder. "Erwartet von mir aber keinen mystischen allumfassenden Kram. Die Leute, die zu mir kommen, sind normalerweise Bauern oder Händler, die wollen was konkretes hören." Die Schwarze Witwe nahm einen Schluck Kaffee, bedeutete dem Mann ihr dann zu folgen. Das war nichts was sie im Schankraum besprechen wollte. So führte sie ihn im Erdgeschoss in ein kleines Kämmerchen, wo auch ihr Spinnrad stand, es sah aus wie ein Handarbeitsraum und das war es auch. Hier flickte sie Kleidung, nähte neue Bettbezüge und dergleichen. Auf einer Truhe war das Netz gegen die Wand gelehnt, die Eibenstöckchen bloß behelfsmäßig mit Garn umwickelt.
Die alte Frau deutete auf einen Stuhl vor einem Tisch auf dem sich eine zusammengeknüllte halb bestickte Decke türmte. Sie selbst nahm das Netz vorsichtig und setzte sich auf die Truhe.
"Also ihr habt euch da ja was schönes eingebrockt", fing sie an, "Na, aus der Sache kommt ihr nicht mehr raus, völlig unmöglich." Ihre spitzen Finger deuteten auf einen Knotenpunkt, der aussah wie als wäre er mit all den anderen Fäden rettungslos verstrickt. Mehrere graue Fäden liefen zu einem anderen Knotenpunkt in rose. Es gab noch viele andere Knotenpunkte, die meisten zogen Verbindungsfäden zu einigen anderen. An einer Stelle gab es eine seltsame Lücke. "Ihr habt recht, der Tod war hier. Und er wird euch noch weiter begleiten und viel Kummer und Freude über euch bringen. Nein, ich kann euch nicht sagen was genau, nur dass er viel Einfluß haben wird. Die Dinge werden ihren Lauf nehmen. Der Smaragd wird sehr tief fallen." Ein Finger tippte einen grünen Punkt an, der auf vielfältige Weise mit einem anderen Knoten verbunden war. Sie räusperte sich. "Ach ja, der Tod wird sich einen Schüler aussuchen wollen." Ihr Finger glitt an einem blauen Faden, der zu dem Punkt in lachsrosa führte. "Ihr dürft eurer Frau nie eine Armbrust geben. Sie wäre zu gut darin." Dann betrachtete sie einen anderen Knotenpunkt angestrengt. "Der Korporal... Galdos oder?" In der Taverne hatte sie den Namen aufgeschnappt. "Sehr netter Mann, sehr anständig, sehr treu. Er hat eine Frau und ein Kleinkind zuhause. Deshalb werdet ihr euch niemals auf ihn verlassen können. Nichts ist schlimmer als ein Mann, der so viel zu verlieren hat." Apropos verlieren... sie verfolgte einen Knotenpunkt, der stets verrutschte, sich auflöste, an anderer Stelle wieder entstand, wenn sich die Fäden trotz allem erneut an ihn hefteten.
Lukatha verfiel kurz in ein Schweigen, um dem Kriegerprinzen die Gelegenheit zu geben darüber nachzudenken oder Fragen zu stellen. Obwohl sie es gar nicht schätzte, wenn sie unterbrochen wurde, denn dann konnte es schonmal passieren, dass sie wortwörtlich den Faden verlor.
"Ihr glaubt nicht an den ganzen Hokospokus, hab ich recht?", fragte sie, stierte ihn kurz an. "Oder vielmehr, ihr wollt nicht."
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Malateste
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Re: In Sions Armee

Beitrag von Malateste »

Die Schwarze Witwe ging nicht auf seine Worte ein, sondern meinte lediglich die Netzte hätten ihr offenbart er bräuchte einen Kaffee. Ehe Malateste die Alte aufhalten konnte, hatte sie sich schon erhoben und schlurfte zur Theke um frisch aufgebrühten Kaffee in zwei Tassen zu giessen.
„Das war schon einmal recht gut.“ Gualterio nahm die dargebotene Tasse entgegen, prüfte sie kurz mit Hilfe der Kunst und nippte dann vorsichtig an dem heissen Getränk. Die Schwarze Witwe setzte sich nicht mehr zu ihm und erklärte er solle nicht zuviel mystisches Zeug erwarten. Ihre normale Klientel bestand aus schlichten Leuten, Handwerkern oder Bauern, die einfache Antworten suchten. Die alte Frau deutete ihm zu folgen und ging dann langsam zu einer kleinen Tür die in einen Nebenraum führte.
Der Hayllier folgte ihr in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich. Das Zimmer war vollgestopft mit Handwerksarbeiten. Fadenspulen, Nadelkissen, einer Spanschachtel die gefüllt war mit Knöpfen aller Grössen und Formen, Flickkleidern, Stoffballen und allem Vorstellbaren was benötigt wurde um zu Nähen, Stopfen, Sticken und Flicken. Doch Malatestes Aufmerksamkeit wurde augenblicklich auf den provisorisch zusammengeknoteten Eibenholzrahmen gezogen der auf einer Truhe an der Wand lehnte und auf den ein unglaublich komplexes und kompliziertes Netz aus verschiedenfarbigen Fäden und Knoten gespannt worden war. Staunend musterte er das Werk.
„Ich bin beeindruckt, es ist Ewigkeiten her seit ich zuletzt ein solches Fadennetz gesehen habe. Ihr beherrscht die alte Kunst noch, das gefällt mir. Ich mag alte Werte, sie erinnern mich an das starke Blut.“
Fragend blickte sich Gualterio im kleinen Raum um, und die Alte deutete auf einen Stuhl. Der Kriegerprinz nahm die halbbestickte Decke die darauf lag und legte sie vorsichtig zur Seite ehe er sich setzte. Die Schwarze Witwe nahm das Netz zur Hand, setzte sich auf die Truhe und begann ohne langes Federlesen ihr verworrenes, vielfarbenes Netz zu deuten.
Stumm hörte Gualterio zu und wurde unwillkürlich in den Bann des Netzes gezogen. Vieles war verworren, bei einigen Erklärungen hatte er sofort Assoziationen, stiegen Bilder und Gesichte auf.
"Ihr glaubt nicht an den ganzen Hokospokus, hab ich recht?", fragte sie, stierte ihn kurz an. "Oder vielmehr, ihr wollt nicht."
Gualterio brauchte einen Moment um zu realisieren das eine Frage an ihn gerichtet worden war, er hatte sich gänzlich im Netz der Schwarzen Witwe verloren. Einige Zeit sagte er nichts und die Alte wartete geduldig. Der gerüstete Kriegerrpinz der gar nicht in diesen Raum passte nahm dann einen Schluck Kaffee ehe er zu sprechen begann.

„Möglich, möglich.“ Meinte er mit versonnener Stimme. „Ich glaube schon an eure Fähigkeiten, aber mit dem Wollen ist es so eine Sache.“ Er beugte sich leicht vor. „Seht, die Zukunft ist noch nicht geschrieben, sie kann sich in Milliarden von verschiedenen Möglichkeiten entwickeln, mit jeder Entscheidung die ich treffe tritt eine andere Zukunft in Kraft, für mich, aber auch für andere. Kleinigkeiten, aber unter Umständen auch Dinge die unsere Welt in den Grundfesten erschüttern. Ihr habt mir eben eine Menge Informationen gegeben, einige sehr konkrete, zum Beispiel über Galdos, andere sehr vage. Und natürlich glaube ich darin Paralellen zu meinem Leben und zu Personen aus meinem Leben zu erkennen. Aber es sind Interpretationen und Auslegungen von mir. Was wenn ich nun beginne meine Entscheidungen wegen einer solchen Interpretation zu ändern? Vielleicht war ich auf dem rechten Weg, aber entscheide mich wegen einer solchen Fehlinterpretation um. Was dann?“
Malateste biss sich kurz nachdenklich auf die Unterlippe und starrte zur Decke ehe er die Alte wieder fest musterte.
„Nehmen wir einmal den Smaragden der tief fällt. Der Smaragd ist kein Juwel, er muss also für etwas anderes stehen. Seltsamerweise musste ich vorhin an einen Mann denken dessen Augen Grün wie ein Smaragd sind. Tausendmal habe ich mir gewünscht diesen Mann fallen zu sehen und mit mir vermutlich tausend andere Leute mehr. Betrifft nun eure Aussage tatsächlich diesen Mann? Darf ich nun seinen Fall erwarten, mich darauf freuen, oder beginne ich gar selbst an seinem Fall zu arbeiten und ihn herbeizuführen? Oder soll ich persönliche Feindschaft zur Seite schieben, in grösseren Bahnen denken und alles daran setzen diesen Fall zu vermeiden?“ Der Kriegerprinz lehnte sich im Stuhl zurück und schlug ein Bein über das Andere.
„Oder, ich lasse beides weil ich annehme, dass der Fall unvermeidbar ist, denn ihr habt gesagt ‚der Smaragd wird tief fallen’, was nach Unabwendbarkeit klingt. Dies würde aber meiner Prämisse widersprechen das die Zukunft noch nicht geschrieben ist. Und genau dies ist der Grund weswegen ich nicht glauben will.“
Gualterio trank die Tasse leer und stellte sie auf eine kleine frei Ecke eines Nähtischchens.
„Nun habe ich aber eure Worte gehört und kann mich ihnen nicht entziehen. Ich mache mir meine Gedanken darüber und es gibt keine Möglichkeit das Gesagte zurück zu nehmen.“

Im rosefarben Knotenpunkt zum Beispiel glaubte er Laree zu erkennen, viele Fäden führten zu dem Knoten in dem er sich selber sah, unentrinnbar verstrickt ohne Möglichkeit ihn zu lösen, wie die Schwarze Witwe gesagt hatte. Rose weil dies die Farbe von Larees Geburtsjuwel war. Dann diese seltsame Leerstelle. Der Tod wäre heut Nacht tatsächlich unter diesem Dach gewesen, es war unschwer darin den Schnitter zu erkenen. Und von dort folgte ein blauer Faden zu dem lachsrosa Punkt der seiner Meinung nach für Laree stand. Die Klanglosigkeitsblase des Schnitters heute war mit Saphir erstellt worden, dieser blaue Faden konnte also für Saphir stehen. Wollte der Schnitter Laree zu seiner Schülerin nehmen? Was musste ein angehender Schnitter mitbringen, aus welchem Material waren sie geschnitzt? Menschen die noch lebten aber emotional tot waren, deren Gefühle systematisch zerstört worden sind? Ayden und Timaris hatten lange Vorarbeit geleistet Larees Leidensfähigkeit bis an die Grenze zu strapazieren und sie beinahe zu zerbrechen, immer wieder. Erneut musste er an ihren kalten leeren Blick denken, jetzt kam er ihm beinahe schon tot vor. War alles in letzter Zeit zu viel gewesen? Hatten die Erlebnisse in Raej Laree nun über die Grenze hinausgestossen, war sie emotional tot und hatte der Schnitter das erkannt? War etwas zwischen den beiden vorgefallen? Gualterios Herz begann trotz Schwarztraum zu rasen. Eher würde er sterben als Laree dem Schnitter zu überlassen! Das würde den Kummer erklären den der Tod, beziehungsweise der Schnitter ihm bringen würde. Aber die Alte hatte gemeint der Schnitter würde ihm auch Freude bringen. Wie absurd! Obwohl... Die Dinge würden ihren Lauf nehmen, der Tod/Schnitter würde noch viel Einfluss haben, der Smaragd würde tief fallen. War am Ende der Schnitter auf Ayden angesetzt? Ja, das könnte ihm tatsächlich viel Freude bereiten dachte Malateste grimmig. Und es war noch nicht mal so abwegig das Sion Ayden aus dem Weg räumen wollte. Malateste hasste den Haushofmeister zwar, aber ihm war auch klar, dass sein Verlust zurzeit verheerende Folgen für Hayll haben würde und Timaris in arge Bedrängnis bringen würde, also durfte er es nicht zulassen. Wie er es auch drehte und wendete, der Schnitter blieb erschreckend wichtig. Und obwohl er nicht an das Netz glauben wollte, spürte Malateste das der Schnitter plötzlich wichtiger als sein Auftrag werden könnte.

Tief atmete der Kriegerprinz ein. „Jetzt haben wir begonnen, jetzt ziehen wir es auch durch, ich möchte alles hören. Eine Frage habe ich aber jetzt schon, ihr habt gesagt ich dürfe meiner Frau nie eine Armbrust in die Hand geben. Ihr habt sie gestern schon als meine Frau bezeichnet. Und, bin ich auch ihr Mann?
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NSC
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Re: In Sions Armee

Beitrag von NSC »

Lukatha

Es war ein wenig befremdlich zu hören wie der Kriegerprinz sie wegen ihrem ausgefallenen Netz lobte. Es war fast so als würde ein Bauer einem Maler zu seinem gelungenen Pinselstrich gratulieren, doch trotz allem nickte Lukatha anerkennend. Wenigstens wußte er ihre Mühe zu schätzen und hatte eine ungefähre Ahnung wieviel Arbeit hinter solch einem Kunstwerk steckte. Es dauerte eine Weile nachdem der Mann wieder zu Sprechen anhub, zugab, dass er Mühe hatte daran zu glauben, da er sein Schicksal lieber selbst in die Hand nahm. Zudem wäre das Netz und ihre Worte dazu auch nur Interpretationen und Auslegungen. Was wenn er falsche Entscheidungen treffen würde wegen solcher Fehlinterpretationen.
Lukatha legte ihre faltigen Lippen zu einem Schmunzeln. Auf den Kopf gefallen war der Kriegerprinz nicht. "Glaubt ihr, die Zukunft interessiert es, ob ihr eine falsche Entscheidung trefft oder nicht? Sie ist wertungsfrei, erst wir Menschen verpassen der Zeit, die wir hier verbringen, eine Wertung." Sie blickte in ihren dampfenden Kaffee. "Ein Mann wandelt oft auf dem Pfade seines Schicksals gerade indem er es zu vermeiden versucht..." Die Geschichte bot Beispiele vieler solcher tragischen Geschichten. "Nicht jede Zukunft ist ungewiss, manche ist schon so sehr vorbestimmt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sie sich erfüllen wird. Nur das Wie ist ungewiss", fuhr sie fort. Aber das hätte zu einer Debatte über das Schicksal an sich geführt und der Soldat sah nicht so aus als hätte er Zeit sich auf so eine, wenn auch interessante, Diskussion einzulassen.
Dafür ließ er sie ein wenig teilhaben an seinen Theorien zu ihren Worten, er würde einen Mann mit Smaragdgrünen Augen kennen dessen Fall er sich sehr wünschen würde. Der Kriegerprinz stellte mehrere Fragen, spekulierte ob er selbst den Fall herbeiführen würde oder ob es nicht gar unabwendbar wäre, egal ob er es versuchte zu verhindern oder zu forcieren. Lukatha legte ihre gekrümmten Finger gegeneinander. "Die Zukunft ist noch nicht geschrieben, das ist wahr und ich kann euch die Fragen nicht beantworten. Ich kann euch nur Wahrscheinlichkeiten sagen. Dieses Netz ist eine Essenz aus allen möglichen Wegen, die beschritten werden können. Wie ein Parfüm die Essenz von abertausenden Blüten ist, aber ihr könntet auch nicht mehr sagen, von welcher einzelnen Blüte oder von welchem Platz. Ihr könntet nur noch sagen, dass es nach Ringelblüten riecht", erklärte sie ihm vergleichsweise das komplizierte Werk ihrer Zunft. Sie wußte nicht mehr als er, vermutlich sogar noch weniger, weil sie mit all diesen Bildern nicht viel anfangen konnte.
Der Kriegerprinz wollte nun auch den Rest hören was sie über die Menschen in seinem jetzigen Umfeld zu sagen wußte. Zuvor stellte er ihr aber noch eine interessante Frage. Lukatha lächelte amüsiert. "Nun ihr seid derjenige, der meint, er könnte seine Zukunft noch gestalten und selbst schmieden. Dann tut es. Es gibt viele, sehr viele Wege, die euch trennen werden." Die Schwarze Witwe verschwieg, dass es die Hexe dann auf sehr dunkle Wege führen würde, aber sie wollte dem Soldaten vor sich gewiss nicht die falschen Gründe geben. "Und einige wenige, die eine gemeinsame Zukunft voraussehen. Vielleicht seid ihr Gefährten auf ewig, vielleicht seid ihr bestimmt zusammen zu sein und ihr tatsächlich ihr Mann. Aber was spielt das für eine Rolle? Wenn ihr nichts tut, dann kann euch auch eure Vorbestimmung nicht helfen. Doch ich glaube, das wißt ihr selbst sehr genau." Selbst wenn man ein Schicksal besaß, es würde einem nicht auf dem Silbertablett serviert, man müßte etwas dafür tun.

"Und jetzt lasst mich weitermachen, sonst verliere ich den Faden", bemerkte sie, konzentrierte sich wieder auf das Netz, folgte dem Knoten, der nie so recht an einer Stelle bleiben wollte. "Sehr schwierig, schwierig... wie eine Münze, die sich dreht und noch nicht auf einer Seite gelandet ist. Und verflucht nochmal, müßt ihr so viele von den schwarzen Träumen haben? Da wird euer Hirn ja zu Quark", entgegnete sie erbost zu dem großgewachsenen Kriegerprinzen, mehr im Tonfall wie als würde sie einen kleinen Jungen rügen. Aber das war das Vorrecht des Alters. "Also... er kann euer Freund werden oder euer Feind. Doch nichts dazwischen. Er ist auf der Flucht, er versucht seiner Vergangenheit zu entkommen, aber das ist wie eine Katze, die sich selbst in den Schwanz beißt. Unmöglich. Wenn er nicht rechtzeitig von seinem Tigerjunges erfährt, wird er im Kampf gegen den Tod sterben. Er hat bereits in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt. Eng verwoben mit dem Schicksalslosen verknüpft. Und dann kommen wir zu der Heilerin." Ihr Finger tippte gegen einen weiteren Knoten. "Ihre Familie würde sie bis aufs Blut verteidigen, denn sie verteidigen immer ihre Jungen. Niemals würde sie ihre Familie verlassen. Sie hat aus Hilflosigkeit getötet, sie würde wieder aus Hilflosigkeit töten." Von draußen hörte man wie mehrere Leute die Treppe herunterkamen und gedämpfte Geräusche vom Schankraum. Viel Zeit hatten sie nicht mehr.
Ihr Finger wanderte zurück zu dem rosé Punkt. "Seht ihr den Knoten direkt daneben? Dies ist ein anderer Mann, er ist wie ein Schatten für sie. Sein Name beginnt mit A... denke ich. Es gibt Wege, wo der Schatten verschwinden wird, vielleicht tötet ihr ihn sogar. Und dann sehe ich eine Leere zwischen euch." Ihre Finger glitten zu einer weiteren Lücke. "Ein Junge... sein Geist ist immer noch da. Aber macht euch keine Sorgen." Sie lächelte mütterlich. "Das ist eines der Dinge, die kaum abwendbar sind. Nicht wenn ich von einem Jungen schon so viele Eindrücke bekomme. Er wird früher in eurem Leben sein als ihr glaubt." Lukatha kniff ihre Augen zusammen. Zeit den Mann mit einigen sehr konkreten Hinweisen zu verwirren, sie wußte inzwischen, dass zu konkretes meist genauso rätselhaft war wie diffuses und vages. Er sollte sich nicht zu sehr auf ihr Wort verlassen, er sollte genauso zweifeln und hadern wie vor ihren Worten.
"Außerdem sehe ich Brombeeren. Brombeeren haben irgendeine Bedeutung. Sagt euch das was? Und ich höre ein Cello und... ihr solltet wirklich lernen wie man leckere Pfannkuchen zubereitet." Der entgeisterte Blick des Kriegerprinzen war ihr sehr wohl bewußt. "Ihr müßt nicht auf mich hören, aber ich sage euch, es wäre klüger wenn ihr wüßtest wie es geht. Es wird eine Zeit kommen wo euch das noch nützlich sein wird."
Lukatha erhob sich. "Euer Trupp ist abreisebereit", erklärte sie ihm. Noch einmal sah sie zu dem Netz. "Ich weiß, vieles kommt euch verwirrend, absurd und seltsam vor was ich euch gesagt habe. Vielleicht werdet ihr es sogar vergessen haben bis es soweit ist." Ihre Hand glitt zu dem filigranen Kunstwerk aus verschiedenfarbigen Fäden, dann fuhr sie mit den Fingern hindurch und die Fäden lösten sich auf, sanken vom Rahmen herab. "Der Hund wird bald erwachen...", sagte sie leise, mehr zu sich selbst.
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