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Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 09:10
von Lilian
Marlin ermunterte ihn, dem Meister zu vertrauen und sich Zeit zu lassen. Irgendwann würde die Angst vergehen. Lilian solle sich an die schönen Zeiten erinnern. Der schlanke Jugendliche nickte zögerlich. Das versuchte er auch. Er bemühte sich, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken und am besten auch nicht an die Zukunft. Das schien hier im Anwesen die erfolgreiche Taktik. Alles schreckliche so schnell wie möglich vergessen.
Aber wollte er vergessen? Es wäre vielleicht einfacher, aber es fühlte sich nicht richtig an. Lilian befürchtete, er würde die ganze Nacht wach liegen und sich mit diesen Gedanken herumplagen. Und mit der Angst vor morgen im Bauch. Wenigstens hatte Marlin ihm ein paar Tipps für hoffentlich schönere Momente gegeben. Der blonde Krieger bemerkte verschmitzt, dass er sich gern als Testperson zur Verfügung stellen würde.
"Oh.. eh..." Unwohl wandte Lilian den Blick an. Er wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Meinte Marlin das ernst? Vorhin hatte er auch so eine Andeutung gemacht, dass man von ihm nicht genug bekommen könne. Waren das alles Scherze oder meinte er es so wie Javier? Mittlerweile wusste Lilian, dass der Blutige ihn körperlich wollte. Es bereitete ihm ungute Gefühle während des Unterrichts. Wie ging man mit so ewas um?
Marlin bemerkte seufzend, dass dem Meister solche Übungseinheiten nicht gefallen würden, denn er wäre bei Lilian viel zu besitzergreifend.
"Ja, genau. Sehr", stimmte Lilian erleichtert zu, froh dass es einen guten Grund gab ohne dass er Marlin vor den Kopf stoßen müsse. "Er wurde ganz aufgebracht, als er dachte, ich hätte heute jemanden auf dem Zimmer, um... ehm.. wegen dem Streicheln." Er brach ab und versuchte lieber schnell das Thema zu wechseln. Lilian fragte nach dem anstehenden Geburtstag und Marlin erzählte ihm, dass es keine Geschenke gäbe sondern nur ein gemeinsames Essen.
"Aber du kannst ihm doch trotzdem etwas schenken, Lilian, wenn du magst. Für dich ist es ja das erste Mal, dass du den Geburtstag des Meisters feierst", wandte der ältere Jugendliche ein. Lilian blickte auf.
"Meinst du? Ich würde schon gerne etwas für ihn machen." Lilian wusste nichtmal wieso. Es war ihm irgendwie ein Bedürfnis den Prinzen zu überraschen. Dieser hatte die letzten Tage wirklich viel liebes für ihn getan und sich bemüht. Er war zu so vielen Unterrichtspausen aufgekreuzt, hatte ihn immer wieder abgeholt. Vielleicht könnte Lilian etwas für den Geburtstag tun, doch was?
Marlin wunderte sich derweil wieso der Meister keine Geschenke von ihm wolle und wieso es so schwierig mit Geschenken sei. "Ich weiß nicht, ob er keine will. Aber er hat gesagt, er will mir nie wieder etwas schenken. Deswegen hatten wir uns doch so schrecklich gestritten", erklärte Lilian. Davon hatte er seinen Freunden erzählt. "Ich möchte ihn mit einem Geschenk nicht an den Streit erinnern. Vielleicht fällt mir etwas ein, was nicht wie ein Geschenk wirkt..."
Wo Aerys ihn momentan ja auch unbewusst beschenkte... erst vor kurzem hatte Lilian auf seinen Schulranzen eine Prägung des Verden Wappens bekommen. Es sah wie Goldblatt aus und war bestimmt nicht billig gewesen. Auch Lilians Schulmaterialien waren allesamt edel. Er liebte die tollen, ledergebundenen Notizbücher und selbst die Füller wirkten ganz kostbar.
Lilian konnte nichts materielles schenken, aber vielleicht etwas anderes?

Er überlegte ein bißchen mit Marlin herum, während sie das Hähnchen verputzten. Auch plauderten sie über den Unterricht und Lilian erzählte ihm, dass er gespannt auf den morgigen Unterricht mit Aerys war und dann am nächsten Tag auf den Gymnasikunterricht mit Darion. Da würde er dann auch hoffentlich seine Sportkleidung zu Gesicht bekommen. Endlich würde er Hosen erhalten. Oder? Horatio schaffte es noch ihm selbst da ein Kleid zu verpassen. Gab es Sportkleider?
Nach dem Essen musste Marlin leider gehen. Sie wollten es nicht herausfordern, dass Aerys doch noch zurückkam und Marlin zu spät hier auffand. Lilian versuchte sich dem Lernen zu widmen. Brav schrieb er Lernkärtchen, unterstrich Teile der Antworten und bemühte sich alles extra sorgsam zu schreiben. Es war alles andere als leicht wo er ständig an Yukarins drohenden Zorn denken musste. Wieso meldete sich Aerys denn nicht? Lilian hätte gerne erfahren wie die Erklärung verlaufen war.
Es wurde richtig spät und der Prinz kam nicht wieder. So begab sich Lilian irgendwann allein ins Bett. Es war so groß und er bekam alleine so schnell Heimweh. Aber vor all den Sorgen, die sich um die Geschehnisse in der Villa drehten, kam er kaum dazu an seine Familie und seine Heimat zu denken. Er wusste nichtmal wie der Krieg voranschritt. Von Neuigkeiten schirmte ihn Aerys ständig ab und Lilian hatte sich nicht mehr getraut zu fragen. Ob immer noch galt, dass er nach dem Krieg seiner Familie schreiben dürfte? Zu Beginn seiner Zeit hier hatte Lilian dutzende von flehenden Briefen geschrieben. Jetzt kramte er seine geheimen Listen über Aerys hervor, eingeklemmt zwischen Bettkasten und Matratze. Lilian begann rasch eine neue und schrieb die Streichelstellen auf, die Marlin ihm genannt hatte. Wenn er sich einen Plan machte wie er da vorgehen konnte, wäre es womöglich nicht mehr so beängstigend...
Der Jüngling musste übers Listen schreiben eingeschlafen sein, denn als er am Morgen erwachte und die geschwungene Messinguhr auf einem Regalbrett bimmelte, klebte ihm eines der Blätter an der Wange. Hastig verstaute Lilian die Papiere und machte sich im Bad bereit für den Unterricht. Er war so nervös und aufgekratzt, dass er keinen Bissen vom Frühstück herunterbrachte. Einerseits wollte sich Lilian verstecken und reißaus nehmen, anderseits wollte er so schnell wie möglich zu Yukarin, um es hinter sich zu bringen.
Zu allem übel spürte er Aerys nicht in den angrenzenden Gemächern. Wo war er nur? Er sollte Lilian beistehen. Alleine schaffte er das nicht.
Bevor er sich fragen konnte, ob man ihn abholen würde, klopfte es und Marlin stand vor der Türe.
"Oh.. Marlin. Guten Morgen. Ich hab nicht mit dir gerechnet." Lilian trug bereits die Schuluniform, hatte extra darauf geachtet, dass alles tadellos war. Die Haare trug er dieses Mal offen, doch er hatte einen weißen Haarreif hineingesteckt. "Ich muss jetzt zum Unterricht. Zu Yukarin. Aber Aerys ist nicht hier." Ob er ihm senden sollte? Lilian war das unangenehm, weil sich das Senden furchtbar nahe und intim anfühlte.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 10:36
von Marlin
Sobald sie nicht mehr über Sex und übers Streicheln sprachen, wurde ihr Gespräch leichter. Es war dann nicht mehr so verklemmt und peinlich und Marlin konnte Lilian viel besser Ratschläge geben, als wenn es um Sex ging. Marlin fand sowieso, dass es seltsam war, über dieses Thema zu sprechen. Egal mit wem. Er fand, dass es einfacher war, es zu zeigen, anstatt darüber zu sprechen. Nur durfte er das bei Lilian natürlich nicht, was die ganze Sache besonders schwierig machte. Glücklicherweise schien er ihr trotzdem wenigstens so halbweg helfen zu können. So, dass sie dieses gefährliche Thema irgendwann hinter sich liessen.

Während sie gemeinsam überlegten, was Marlin dem Meister schenken könnte, ohne dass es wie ein Geschenk wirkte, damit es nicht zum Streit kam, Marlin fand das auch einen unheimlich komplizierten Gedankengang, merkte der junge Krieger, dass er durchaus Hunger hatte. Nun, wo nicht mehr ein kompliziertes, peinliches Sexgespräch seine Gedankenwelt dominierte, konnte er sich wieder aufs Essen konzentrieren. Schliesslich war das Hühnchen sehr lecker. Und der Salat auch. Auch im Nachhinein.
Nur leider musste Marlin nach dem Essen wieder gehen. Gerne hätte er Lilian zwar beim Lernen geholfen, doch sie hatten beim Essen durch ihre Gespräche so lange gebraucht, dass es schon spät geworden war. Und da der Meister wirklich sehr besitzergreifend war, wenn es um Lilian ging, und er es womöglich falsch auffassen würde, wenn Marlin noch so spät bei ihr im Zimmer war, hielten sie beide es für ratsamer, dass Marlin nun ging.
Herzlich wünschte der blonde Krieger ihr noch eine gute Nacht und tröstete sie noch einmal, dass es morgen bestimmt gut laufen würde mit ihrem Unterricht. So gerne hätte er sie zum Abschied umarmt. Doch er traute sich nicht. Stattdessen verbeugte er sich leicht und voller Zuneigung, bevor er sich rasch zurück zog. Wieder bei den anderen Kunstwerken, fragten ihn die Neugierigen von ihnen natürlich sofort nach Lilian aus. Doch Marlin verriet wie versprochen nichts peinliches und erklärte nur, dass er einfach als Begleiter hatte fungieren sollen.

Zu seiner Überraschung erhielt er vom Meister am nächsten Morgen einen Speerfaden, dass er Lilian abholen gehen sollte. Das mit dem Abholen verwunderte ihn noch nicht einmal so sehr, als vielmehr, dass der Meister schon wach war. Auch wenn die meisten Kunstwerke zu dieser Zeit schon sicher etwa eine Stunde lang auf waren, für den Meister galten ganz andere Aufwach-Zeiten. Das schien auch dem Meister nur all zu bewusst zu sein, denn er klang alles andere als glücklich und wirklich wach bei dem Speerfaden.
Selbstverständlich hinterfragte Marlin jedoch nichts, auch wenn er annahm, dass der Meister wohl die ganze Nacht lang bei Yukarin verbracht hatte. Wohl um ihn zu beruhigen. Und weil er nun so müde war, sollte Marlin vielleicht Lilian abholen gehen. Das tat er gerne. Höflich klopfte er mit einem verliebten Lächeln an, was sich in ein dreudoofes Strahlen verwandelte, als er sah, wie absolut bezaubernd Lilian wieder in ihrer Schuluniform aussah.

"Guten Morgen, Lilian", nuschelte er verliebt. "Ich war auch ganz überrascht", gab er zu. "Der Meister hat mir gesendet. Er hat dich nicht vergessen. Er wollte, dass ich dich zu deinem Unterricht bringe heute. Er wartet vor der Bibliothek auf uns. Ich glaube, er war die ganze Nacht lang bei Yukarin. Er klang jedenfalls gar nicht wach auf seinem Speerfaden." Leider wussten sie Beide nicht so recht, ob das nun ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen war. Am Besten schien es jedoch, wenn sie sich beeilten und den Meister nicht warten liessen. So huschten sie rasch nervös und aufgeregt gleichermassen durch die Gänge, bis sie schliesslich vor der Bibliothek stanten. Da wartete tatsächlich der Meister auf sie. Er wirkte irgendwie zerknittert, zerzaust fand Marlin. Die Haare waren nicht so ordentlich gekämmt, wie sonst und auch der Anzug, also sein Hemd war oben offen. Der Meister sah sehr verwegen aus so, aber auch ungewohnt. Marlin bekam glatt das Bedürfnis, sich ausgiebig um den Meister zu kümmern, damit dieser sich wieder wohlfühlte.

"Guten Morgen, Lilian", grüsste der Meister seine Begleiterin. Lächelnd trat er an sie heran, streichelte ihr über den Kopf und küsste ihre Stirn. "Marlin, danke, dass du sie hier her begleitet hast." Auch er bekam ein Streicheln über die Wange, das ihn ergeben dahin schmelzen liess. Der Meister fasste Lilian derweil an beiden Händen.
"Hör zu, Lilian", forderte er mit sanfter Strenge von ihr. "Ich habe mit Yukarin gesprochen und ihm alles erklärt. Er war ganz und gar nicht glücklich darüber, doch er wird dich weiter unterrichten. Und er wird dich auch nicht bestrafen. Versprochen. Du musst keine Angst haben. Ich musste allerdings einige Kompromisse eingehen mit Yukarin, damit er nicht mehr so wütend war und den Kopf wieder frei hat, um dich weiter zu unterrichten. Deswegen Lilian, musst du ihm alle Bücher wieder abgeben, die du bei dir hast. In Zukunft darfst du nur noch Bücher in der Bibliothek lesen und das auch nur unter Aufsicht. Damit auch ja kein weiteres Buch mehr zu schaden kommt. Ausserdem wollte Yukarin eine Versicherung, damit du nicht noch weitere solche ungebärdigen Dinge tust. Yukarin möchte auch Strafen aussprechen dürfen. Ja, ich weiss, du willst nicht von ihm bestraft werden", beteuerte der Meister liebevoll und drückte Lilian tröstend die Hände. Er war so süss, fand Marlin.
"Er wird dich auch nicht direkt bestrafen, Lilian", beruhigte der Meister Lilian gleich weiter. "Du musst keine Schläge und Schmerzen von ihm befürchten. Wenn Yukarin der Meinung ist, dass du für etwas Strafe verdienst, dann wird er sie an deiner Stelle an Marlin ausführen." Der blondgelockte Jüngling hatte noch eben versonnen betrachtet, wie rührend sich der Meister um Lilian kümmerte und hatte seelig gelächelt, weil er sich für sie freute. So brauchte es auch einen Herzschlag lang, bis er begriff, was er da gehört hatte. Er sollte bestraft werden. Von einem Blutigen. Von Yukarin. Dem Lehrer. Demjenigen, der zum Rohrstock oder zur Gerte griff. Das schmerzte doch so sehr. Marlin wurde ganz bleich vor Schreck. Fest presste er die Lippen aufeinander, um nicht ängstlich zu wimmern. Ganz starr und verschreckt stand er schutzlos in dem Gang, wie als fürchtete er, dass Yukarin sich gleich mit der Peitsche über ihn hermachen würde.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 10:43
von Lilian
Marlin strahlte ihn an und begrüßte ihn ehe er erklärte, dass der Meister ihm gesandt hatte, um Lilian zum Unterricht zu bringen. Lilian bekam zunächst Sorge, denn Aerys hatte versichert, er würde ihm bei Yukarin beistehen, doch Marlin beruhigte ihn gleich damit, dass der Adelige vor der Bibliothek auf sie warten würde. Er wäre vermutlich die ganze Nacht bei Yukarin gewesen und klänge nicht sehr wach. Die ganze Nacht? Hatte er so lange mit Yukarin geredet?
"Hoffentlich hat es geholfen, was Aerys Yukarin gesagt hat", bemerkte Lilian leise. Da er auf keinen Fall zu spät kommen wollte, gingen sie sofort los. Lilians Herz klopfte heftig in der Brust. Er war soo nervös. Fast so wie vor der Versteigerung oder vor der Zeremonie. Hoffentlich war Yukarin nicht mehr so wütend. Hoffentlich gab es keine weitere Strafe. Und alles nur wegen einer Buchseite. Die Villa kam ihm nun sehr groß vor und der Weg zur Bibliothek sehr lang.
Lilian war sehr erleichtert, dass Aerys tatsächlich vor den Türen stand. Der Jüngling lächelte ihn nervös an. Aerys sah ein bißchen seltsam aus. Als ob er gerade erst aus dem Bett gestiegen war. Sein Anzug war zerknittert und er hatte das Hemd nur nachlässig geschlossen. Hatte er bei Yukarin übernachtet? Oder überhaupt geschlafen? Aerys lächelte sie an, kam näher und gab Lilian einen Kuss auf die Stirn.
"Guten Morgen..." Lilian drückte ihn kurz scheu am Arm. Dann war der Prinz bereits weiter und strich Marlin über die Wange, bedankte sich dafür, dass dieser Lilian hierher gebracht hatte. Bevor der Jüngling aufgeregt fragen konnte was denn nun mit Yukarin sei, begann Aerys bereits von selbst davon zu sprechen. Er nahm Lilians Hände in seine und begann zu erklären, dass Yukarin ihn weiter unterrichten würde. Lilian würde auch nicht bestraft werden, er müsse keine Angst haben.
Dem Jüngling fiel ein Stein vom Herz und er nickte erleichtert. Das klang gut. Keine Strafe und weiter Unterricht wie bisher.
Leider redete Aerys dann noch weiter, sprach von Kompromissen, die er hätte eingehen müssen. Lilian solle alle Bücher abgeben, die er bei sich hätte. Er dürfe nur noch Bücher in der Bibliothek lesen. Unter Aufsicht. "Aber..." Lilian blickte den Adeligen verwirrt an. "Auch die Lehrbücher?" Er hatte damit gerechnet, dass er keine Bücher mehr für die Freizeit haben dürfte, doch bisher hatte er nichtmal die Gelegenheit gehabt solche auszuleihen. In seinem Ranzen waren alles Bücher für die Schule. Würde er nie wieder ein Buch mit auf sein Zimmer nehmen können?
"Ich mach es nie wieder. Ich bin jetzt ganz vorsichtig mit den Büchern", beteuerte der Junge verzweifelt. Aber diese Versicherung reichte Yukarin anscheinend nicht. Wo war er überhaupt? Der furchtbarste Kompromiss kam aber noch. Yukarin wollte die Möglichkeit haben ihn zu bestrafen. "Was?! Aber ihr habt mich doch schon bestraft. Ihr habt mich geschlagen", versuchte Lilian dem zu entgehen. Er wollte nicht von Yukarin bestraft werden. Aerys beruhigte ihn gleich, dass er von dem Blutigen keine Schmerzen zu befürchten hätte. Bevor Lilian sich wegen dieser Versicherung wieder sammeln konnte, kam der nächste Schock.

"Wenn Yukarin der Meinung ist, dass du für etwas Strafe verdienst, dann wird er sie an deiner Stelle an Marlin ausführen", schloss Aerys. Lilian blickte ihn ungläubig und aus großen Augen an.
"Marlin? Aber..." Er verstand das nicht. Das machte doch keinen Sinn. Er musste sich verhört haben. Aber der andere Jugendliche war regelrecht erstarrt und wirkte auch so, als hätte er seinen Namen gehört. "Marlin hat nichts damit zu tun. Er hat kein Buch kaputt gemacht."
"Ja, das stimmt, Lilian. Doch die Alternative wäre, dass Yukarin dich direkt bestraft für dein Fehlverhalten und das wolltest du doch auch nicht. Oder?", erwiderte der Adelige.
"Nein, aber-" Bevor Lilian sich dagegen wehren konnte, meldete sich Marlin zu Wort und meinte, dass dies schon in Ordnung wäre und er gerne die Strafen für Lilian übernahm.
"Nein, das ist nicht fair!", entgegnete der Junge aufgewühlt und zog seine Hände zurück. Aerys hatte schon einmal angedroht Marlin für Lilians Fehler zu schlagen. Wie hatte er es genannt? Prügelknabe, genau. Wie konnte er das wieder machen? Aerys sollte nicht mehr so gemein wie zu Beginn sein. "Marlin hat nichts gemacht! Ich will keine Schläge, aber wenn Yukarin mich unbedingt bestrafen will, dann soll er mich schlagen und nicht jemanden, der nichts dafür kann!" Das sollte der "Kompromiss" sein, den Aerys ausgehandelt hatte? Lilian hatte das schon beim ersten Mal nicht gewollt, als Marlin seine Strafen hatte abbekommen sollen. Das war eine furchtbare Idee.
"Und kann ich wirklich keinerlei Bücher mehr mitnehmen? Wie soll ich denn lernen oder meine Hausaufgaben machen?", fragte er. Er würde das alles in der Bibliohek machen müssen und Aerys würde ihn kaum noch zu Gesicht bekommen. Hatte er daran gedacht?
"Es.. es war doch nur eine Buchseite. Kann ich das Buch nicht irgendwie ersetzen?", fragte Lilian aufgewühlt. "Ich habe noch Geld in meinem Juwelengepäck. Ich bezahle es. Ich mach es wieder gut. Aber Marlin hat nichts kaputt gemacht!" Er sollte nicht für Lilians Fehler büßen müssen.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 11:01
von Aerys
Er sollte verflucht noch einmal besser aufpassen, was er Lilian so alles versprach. Sein Unterricht begann auch wirklich grausam früh. Es hatte ihm schon gereicht, ab und an mal früh aufzustehen, um Lilian zur Schule zu begleiten. Doch jetzt musste er hier auch noch in dem Gang auf sie warten. Dabei gab es in der Bibliothek gemütliche Sessel und einen Kamin. Da konnte man viel besser warten und dabei vielleicht sogar ein Nickerchen machen.
Ah, nein, er wusste schon, wieso er im Gang wartete und nicht in der Bibliothek. Yukarin hatte ihn schon so kaum aus dem Bett bekommen. Dem armen Bibliothekar war es äusserst unwohl gewesen, ihn überhaupt dazu drängen zu müssen. Aber Aerys war ja so schlau gewesen und hatte Lilian mal wieder unbedacht ein Versprechen gegeben. Wobei, so unbedacht war es nicht gewesen. Er hatte genau gewusst, dass weder Lilian noch Yukarin sich an den anderen heran wagen würde, wenn er nicht vermittelte. Das war noch ein Grund, weswegen er hier draussen stand und nicht in einem gemütlichen Sessel wartete. Er wollte alleine mit Lilian die neuen Regeln besprechen. Damit Yukarin nicht mitbekam, wie Lilian dagegen aufbegehrte. Aerys rechnete fest damit, dass Lilian das tun würde. Er begehrte immer gegen alles auf. Egal wie Angst er hatte. Egal wie gefährlich oder unpassend der Moment dazu war.

"Ja, das stimmt, Lilian", bestätigte er ruhig, dass Marlin kein Buch kaputt gemacht hätte. Aerys hatte ja damit gerechnet, dass Lilian trotz aller Schuld rebellieren würde. "Doch die Alternative wäre, dass Yukarin dich direkt bestraft für dein Fehlverhalten und das wolltest du doch auch nicht. Oder?" Nein, das wollte er nicht. Aber er war so lieb und wollte die Strafen auch nicht an jemand anderen abschieben.
"Ist schon in Ordnung, Lilian", meldete Marlin sich da mit einem tapferen Lächeln scheu zu Wort. "Ich werde die Strafen gerne für dich übernehmen." Aerys blickte zu dem blassen Krieger rüber und nickte ihm aufmunternd zu. Gerade war er sehr stolz auf ihn und er nahm sich vor, sich heute ausgiebig um ihn zu kümmern.

Lilian protestierte trotz Marlins Einverständnis aufgewühlt. Das sei nicht fair und wenn, dann sollte er bestraft werden und nicht Marlin. Das war sehr ehrenhaft von ihm. Weniger löblich war, dass er dan quengelte, ob er noch nicht einmal die Bücher zum Lernen und Hausaufgaben machen mitnehmen durfte. Es sei doch nur eine Buchseite gewesen. Er könne das Buch ersetzten. Schliesslich hätte er noch etwas Geld in seinem Juwelengepäck. Er würde es bezahlen und wieder gut machen. Och, das war nun wirklich süss, fand Aerys. Sachte streichelte er über Lilians Wange.
"Es ist nicht nur eine Buchseite, Lilian, und das weisst du", liess Aerys sich trotzdem nicht erweichen. "Du hast Yukarins Vertrauen missbraucht und das kannst du nicht mit Geld einfach so wieder gut machen. Er hat dir etwas, für ihn sehr wertvolles, anvertraut und du hast diese kostbare Leihgabe kaputt gemacht. Nicht nur aus Versehen, sondern um..." Aerys stockte mit dem Blick auf Marlin, der wohl nicht wusste, um was es ging. "Um etwas unanständiges damit zu tun", sprach er es nicht genau aus, was Lilian getan hatte.
"Ich weiss, dass du es nicht mehr tun wirst, doch Yukarin vertraut dir verständlicherweise nicht mehr. Deswegen das Ausleihverbot. Vielleicht, wenn du dich anstrengst und sein Vertrauen wieder gewinnst, wird er das Verbot wieder aufheben", schlug er Lilian vor, sich mit dem verletzten Bibliothekar wieder gutzustellen zu versuchen. "Wenn du ihm zeigst, dass dir Bücher auch wichtig sind und du sie normalerweise immer pfleglich behandelst. Und um Marlin brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Lilian." Aufmunternd lächelte er ihm zu. "Ich weiss doch, dass bisher immer ganz brav bei Yukarin im Unterricht warst und dass du es auch in Zukunft sein wirst. Marlin wird also absolut gar nichts geschehen. Irgendwann wird auch Yukarin einsehen, dass er Marlin nicht braucht, um dich gut unterrichten zu können."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 13:41
von Lilian
Aerys kam wieder näher und streichelte ihm über die Wange. Lilian widerstand der Versuchung sich wegzudrehen. Er wusste nicht, ob er jetzt gestreichelt werden wollte. Der Prinz hatte ganz furchtbare Kompromisse mit Yukarin verhandelt und es gefiel Lilian überhaupt nicht, dass jemand Unschuldiger der Leidtragende sein sollte. Das war nicht fair. Wieso wurden sie beide nun so hart bestraft? Es war eine herausgerissene Seite.
Lilian versuchte anzubieten, das Buch zu bezahlen, doch der Prinz erinnerte ihn daran, dass es nicht nur um die Seite ging, sondern auch darum, dass er Yukarins Vertrauen missbraucht hätte. Das könne man nicht bezahlen. Der Jüngling ließ den Kopf zernirscht hängen. "Ich weiß...", gab er leise zu. "Ich war respektlos. Es tut mir wirklich leid. Ich hab nicht nachgedacht." Aerys hatte auch ganz richtig erkannt, dass es nicht ein pures Versehen war und Lilian die Situation erst heraufbeschworen hatte, weil er etwas unanständiges getan hätte. Die hellen Wangen des Jugendlichen bekamen eine rosa Färbung.
"Ich mach es nie wieder", beteuerte er nochmals reumütig. Leider reichte eine simple Beteuerung vermutlich nicht für Yukarin. Aerys redete ihm weiter ins Gewissen, dass der Bibliothekar ihm nicht mehr vertrauen würde und deswegen dürfe Lilian keine Bücher mehr ausleihen. Vielleicht könne Lilian das Vertrauen zurückgewinnen, wenn er sich anstrengte. "Aber ich werd ganz lange in der Bibliothek sein müssen", klagte der Junge. Auch um dem Prinzen dies zu verdeutlichen. Womöglich sahen sie sich dann nicht mehr so oft und statt dass Lilian in seinem Zimmer eingesperrt war, würde er in der Bibliothek eingesperrt sein. Er mochte die Bibliothek und auch den Unterricht, aber nicht nur...
Und auch wenn er die ständige Gegenwart des Adeligen zunächst für unerträglich gehalten hatte, war sie nun vertraut und schön und aufregend. Selbst wenn Aerys nur bei ihm war, während Lilian noch ein bißchen Hausaufgaben machte oder lernte. Gemütlich vor dem Kamin auf dem Sofa. Nun stattdessen unter dem strengen Blick Yukarins noch nach dem Unterricht am kleinen Schreibtisch festsitzen zu müssen... es war wie ewiges Nachsitzen. Etwas was Lilian durchaus als Strafe kannte, aber für wie lange bloß? Wenn er es nicht schaffte Yukarin zu besänftigen? Beim letzten Mal hatte nur geholfen, dass Aerys sich für Lilian eingesetzt hatte. Sonst würde der Bibliothekar ihn vermutlich heute noch anschweigen.
"Aber wenn ich das nicht schaffe und ich nie wieder Bücher ausleihen kann?", sorgte sich Lilian. "Könnt ihr nicht noch einmal mit ihm reden? Er mag mich nicht. Habt ihr ihm auch gesagt, dass ihr mich schon geschlagen habt? Hat ihm das nicht gereicht?"

Aerys ermunterte ihn nur, dass er Yukarin zeigen sollte wie wichtig ihm Bücher seien. Und wenn er wie immer brav im Unterricht sei, müsse er sich auch nicht um Marlin Sorgen machen. Diesem würde absolut nichts geschehen. Aber wie konnte Aerys sich da sicher sein? Lilian war sich überhaupt nicht sicher.
"Aber Yukarin ist sooo streng. Wenn ich aus Versehen wieder etwas falsch mache? Ich will nicht, dass Marlin was passiert", sagte der Jüngling verzweifelt. Er hatte gehofft, dass er keine weitere Strafe bekommen würde und nun hatte er nicht nur eine, sondern gleich zwei bekommen. Aerys nannte sie "Kompromisse", doch in Lilians Welt waren das dicke, fette Strafen. Geknickt ließ der Junge die Schultern hängen.
"Wo ist Yukarin denn? Kommt ihr mit rein, wenn ich mich entschuldige?", fragte Lilian und hielt sich an dem Arm des Prinzen fest. "Bitte.." Er ließ ihn nur kurz los, um einen roten Apfel aus seinem Schulranzen zu kramen.
"Ich hab einen Apfel mitgebracht für Yukarin. Meint ihr das hilft?"

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 13:47
von Aerys
Lilian traute sich überhaupt nicht zu, dass er Yukarins Vertrauen wieder gewinnen würde. Dann würde er alle Ewigkeit in der Bibliothek verbringen müssen. Stimmt. Daran hatte Aerys noch gar nicht so genau gedacht. Einfach weil er davon ausging, dass Lilian es schnell schaffen würde, Yukarins Vertrauen wieder zu gewinnen. Schon nur weil er es offensichtlich auch ziemlich schnell geschafft hatte, Yukarins Zuneigung zu gewinnen. Lilian klagte auch gleich, dass Yukarin sie nicht mögen würde. Aerys betrachtete Lilian nachdenklich. Wenn er nur wüsste, was er da sagte. Lilian schien wirklich nicht zu begreifen, dass er Yukarin vorallem auch deswegen so verletzt hatte, weil der Bibliothekar Lilian durchaus zu mögen begonnen hatte. Womöglich wusste Lilian noch nicht einmal, wie sehr er Yukarin tatsächlich verletzt hatte.

"Und trotzdem hat er dich immer anständig behandelt", sagte er schliesslich nur. Das andere war privat. Privat für Yukarin. Genau wie Lilian nicht mochte, dass Aerys ausplauderte, wie er bestraft worden war, so wollte der Bibliothekar auch nicht, dass er preisgab, was in seiner Gefühlswelt vorging.
"Sieh es doch so, Lilian. Eigentlich ist es ganz gut, dass Yukarin dich nicht mag", gab er zu bedenken. "Stell dir vor, wie sehr ihn dein Handeln verletzt hätte, wenn er dich aufrichtig gemocht hätte." Darüber sollte Lilian mal nachdenken. Vielleicht kam ihm dabei in den Sinn, dass Yukarin ihn doch mehr mochte, als er angenommen hatte. Wenn Lilian von selbst darauf kam, hatte Aerys Yukarins Geheimnis ja nicht verraten. Nicht wirklich.

"Ja, Yukarin ist streng", nickte Aerys zustimmend. "Aber vorallem zu sich selber. Er wird nicht von dir erwarten, dass du die selben hohen Anforderungen erfüllst, die er an sich selber stellt. Deswegen wird er dich nicht bestrafen, wenn du wirklich aus Versehen etwas falsch machst."
"Das stimmt", nickte Marlin eifrig. "Yukarin ist sehr streng, aber er bestraft nur echte, absichtliche Unhöflichkeit. Er ist nicht so wie Javier oder Kastor. Hab keine Angst, Lilian. Ich helfe dir wirklich gerne. Bitte. Das macht mir nichts aus."
"Danke Marlin", lächelte Aerys den freundlichen Krieger lieb an. "Sei so gut und schlage mir mein Bett auf. Ich muss nachher dringend noch etwas Schlaf nachholen." Am Besten mit dem blondgelockten Jüngling zusammen. Dieser verneigte sich auch gleich strahlend, verabschiedete sich von ihnen und zog sich zurück. Lilian bettelte derweil darum, dass er ihn zu Yukarin begleitete und kramte einen roten Apfel aus seinem Schulranzen

"Oh, das ist wirklich lieb", schmunzelte Aerys über den Apfel. Er verstand nicht so recht, was das mit dem Apfel sollte und wie der helfen sollte. Aber es war süss, dass Lilian Yukarin etwas schenken wollte, um sich zu entschuldigen.
"Ich bin sicher, dass Yukarin sich darüber freuen wird, wenn er dafür bereit ist", streichelte er Lilian noch einmal lieb über sein Haar. "Du musst einfach etwas geduldig mit ihm sein. Du lernst doch gern und Yukarin mag Wissen ebenfalls. Gib ihm Zeit, dich kennen zu lernen und dann wird er bestimmt deine gewissenhafte, akkurate Art schätzen. Wo er doch schon so streng mit sich und allen anderen ist, musst du nicht auch noch streng mit ihm sein. Lass ich einfach etwas Zeit. Immerhin ist er jetzt schon wieder bereit, dich weiter zu unterrichten." Damit öffnete er die Tür und schob Lilian in die Bibliothek hinein.
"Meister, Lilian", verneigte der rotgewandete Bibliothekar sich vor ihnen beiden. Wie üblich stand er bei Lilians kleinem Schreibtisch und hatte sich bereits alle Unterrichtsmaterialien zurecht gelegt. Neidisch bemerkte Aerys, dass auch wirklich absolut gar nichts an Yukarin auf eine durchwachte Nacht hindeutete. Das wäre ihm jetzt viel zu anstrengend so auszusehen. Allerdings spürte er auf tiefer Ebene, dass es dem Krieger sehr unwohl war, Lilian begegnen zu müssen. Auch wenn seine Signatur zurückhaltend und verschlossen wirkte. Ganz neutral, als wäre Lilian irgend ein Fremder, dem er nun zum ersten Mal begegnete.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 13:55
von Lilian
Der Adelige erinnerte ihn, dass Yukarin Lilian stets anständig behandelt hätte. Außerdem wäre es besser, wenn der Bibliothekar ihn nicht mochte, sonst hätte ihn Lilians Handeln gewiss tiefer verletzt. Der Jugendliche nickte zögernd. Aber Yukarin war außer sich und anscheinend schon jetzt tief getroffen wegen einer Buchseite, die Lilian auch nur aus Versehen beschädigt hatte. Wie sollte das erst werden, wenn der Blutige ihn mochte? Doch das kam Lilian zunächst einmal unmöglich vor. Anderseits hatte er das Gefühl gehabt, sie hätten sich in den letzten Tagen schon was besser verstanden. Gemeinsam in den Pausen Tee zu trinken, manchmal sogar im Innengarten, war nett gewesen. Das konnte sich Lilian wohl auch abschminken. Yukarin wollte bestimmt nicht mehr mit ihm Tee trinken.
Aerys redete auf ihn ein, dass Yukarin vor allem mit sich selber streng wäre. Er würde nicht erwarten, dass Lilian die gleichen hohen Anforderungen erfüllte. Er würde ihn nicht für ein Versehen bestrafen. Auch Marlin pflichtete bei, dass er nur absichtliche Unhöflichkeiten bestrafen würde. Aber nun wurde Lilian doch ganz schlimm für ein Versehen bestraft, dachte der Jüngling. Wie passte das zusammen? Wenn er wieder in eine Situation geriet, wo ihm ein Versehen passierte?
Marlin beteuerte, dass er gerne aushelfen würde und es würde ihm nichts ausmachen. "Aber du magst keine Schläge", wandte Lilian kläglich ein. Er musste verhindern, dass Marlin für ihn herhalten musste. Wenn Aerys darüber nicht mit Yukarin nochmal reden wollte, würde Lilian es tun. Er musste nur seine große Angst davor überwinden. Aerys schickte Marlin dann fort, damit er das Bett für den Adeligen vorbereitete. Es schien so, als wollte Aerys verlorenen Schlaf nachholen. Lilian sollte dem Prinzen nicht grämen, wo er die ganze Nacht versucht hatte Yukarin zu überzeugen.
Nervös verabschiedete sich Lilian von dem anderen Jugendlichen. Dann zeigte er Aerys den Apfel und fragte, ob dies helfen würde.
"In den Pausen haben wir immer Tee getrunken und Apfelstücke gegessen. Ich dachte.. dann mag er Äpfel vielleicht besonders", sagte Lilian kleinlaut. Aerys glaubte auch, dass Yukarin sich darüber freuen würde. Nach einer gewissen Zeit. Lilian nickte tapfer, während Aerys ihm tröstend übers Haar strich und ihn ermunterte, geduldig zu sein. Wenn Yukarin ihn erst einmal kennengelernt hätte, würde er ihn auch zu schätzen lernen. Lilian solle nicht so streng mit Yukarin sein.
Der zierliche Jüngling sah verwirrt drein. "Ich bin nicht streng mit ihm", beteuerte er. "Bestimmt nicht."
Es war wohl schon ein Erfolg, dass Yukarin ihn überhaupt noch unterrichten würde.

Aerys ließ Lilian dann leider keine weitere Verschnaufspause, öffnete die Türen und schob ihn in die Bibliothek rein. War die schon immer so finster und furchteinflößend gewesen? Die Regale aus dunklem Holz so nah beinander und so riesig hoch. Lilian kam sich sehr klein vor. Nervös tippelte er neben dem Prinzen her. Yukarin erwartete sie bereits bei Lilians kleinem Schreibpult. Die hohe, schlanke Gestalt des Bibliothekars spiegelte sich in den großen Bogenfenstern. Etwas Morgenlicht beschien das nahezu weiße, glatte Haar.
Lilian wäre am liebsten sofort wieder aus dem Saal gerannt. Doch als sich der Blutige verneigte, beeilte sich der Junge rasch akkurat zu knicksen. Ängstlich blickte er den Mann an, konnte die abweisende Signatur spüren. Yukarin wollte ihn auch nicht hier haben.
Lilian hätte wohl kein Wort hervorgebracht, doch Aerys schob ihn weiter nach vorne. Zitternd streckte Lilian die Hand mit dem roten Apfel aus. "Ich hab euch was mitgebracht.. für eure Teepausen.. ehm, deine Teepausen." Yukarin war so respekteinflößend, dass Lilian ihn automatisch so ansprechen wollte. Er erwartete halb, dass Yukarin ihn ignorierte, doch der Bibliothekar nahm tatsächlich den Apfel entgegen und bedankte sich gar. Lilian war zunächst etwas perplex, fand aber durch die unerwartete Erwiderung Mut sich zu entschuldigen.
"Es tut mir sehr, sehr leid, dass ich euer.. dein Buch beschädigt habe", entschuldigte er sich piepsig. Lilian räusperte sich, um seine Stimme etwas fester klingen zu lassen. "Ich mache es nie wieder. Es war nicht mit Absicht." Ob Aerys dem Bibliothekar gesagt hatte, was Lilian genau gemacht hatte? Unsicher blickte der Junge kurz zurück zu dem Adeligen ehe er wieder Yukarin anschaute. "Ich h-hab... hab mir die Bilder von nackten Frauen im Anatomiebuch angeschaut." Er sollte wohl besser erklären was er getan hatte. Röte kroch in seine Wangen empor. Lilian scharrte mit dem Schühchen unwohl über den Boden. "Im Bad... ich hab... mich dabei gestreichelt.. u-unterm Rock." Yukarin hatte immer noch nichts gesagt. Er schaute sooo streng. Lilian bekam die Wörter kaum über die Lippen. Vielleicht würde es aber helfen, wenn Yukarin erfuhr wieso es passiert war. Oder es würde ihn noch zorniger machen? Weil es ein furchtbar dummer Grund war.
"D-dabei hab ich die Seite beschädigt.. ich hab nicht aufgepasst. Ich wollt es noch säubern und dann ist die Seite gerissen... ich mach das nie nie wieder", beteuerte er erneut. "Ich wollte nur.. weil ich doch so durcheinander bin. Darüber ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin und ich wollte nur, dass ich wieder normal bin. Wie früher. Dass ich nicht so ein Zwischenwesen bin. Dass alles wieder normal ist. Aber ich hätte das Buch nie mit ins Bad nehmen sollen. Das war unverantwortlich und respektlos", brachte er die Erklärung stockend heraus. "Es tut mir so leid."
Lilian knickste nochmal in der Hoffnung es würde helfen. Im Grunde hatte er keine Ahnung was er machen konnte. Hilflos stand er genau zwischen den beiden Männern.
"Aber bitte bestraf Marlin nicht. Er hat nichts damit zu tun. Es war meine Schuld und wenn mir wieder etwas passieren sollte, ist es nur meine Schuld. Wenn du jemanden bestrafen musst, dann mich", sagte er und das klang zum Glück etwas entschlossener.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 13:57
von Yukarin
Er wollte Lilian hier nicht haben. Alles in ihm drehte und wand sich, als sie mit dem Meister die Bibliothek betrat. Yukarin musste sehr an sich halten, nicht einfach kehrtum zu machen und die Bibliothek zu verlassen. Dabei war das sonst sein absoluter Lieblingsort. Doch nun verschandelte Lilian ihn mit ihrer Anwesenheit. Ihm war übel und er fühlte sich so richtig gequält. Doch leider war es dem Meister wichtig, dass er Lilian weiter unterrichtete. Dass er sich mit ihr, auseinandersetzte und ihr so irgendwann vergeben konnte. Yukarin konnte sich nicht vorstellen, dass das jemals der Fall sein würde. Dennoch beugte er sich natürlich den Wünschen des Meisters. Entsprechend verneigte er sich höflich vor den Beiden und begrüsste sie angemessen. Yukarin war der Meinung, dass man auch Leute, die man nicht mochte, höflich behandeln sollte. Sonst setzte man sich nur selbst herab.

Lilian knickste sofort ebenfalls formvollendet. Wenigstens das konnte sie inzwischen ganz gut. Ihre Signatur sprüte dabei nur so vor Angst. Dabei hatte der Meister ihr inzwischen bestimmt gesagt, dass Yukarin nicht auch noch auf eine Strafe bestand. Warum also hatte sie Angst? Vielmehr solle sie bereuen. Oder dachte sie etwa, Yukarin würde nicht zu seinem Wort stehen? Das würde passen. Lilian war schon von Anfang an so beleidigend gewesen.
Zu seiner Überraschung bekam er dann jedoch einen schönen roten Apfel hingestreckt. Lilian erklärte, dass sie den extra für ihn mitgebracht hätte. Für seine Teepausen. Dabei siezte sie ihn vor lauter Nervosität so halb. Ausdruckslos blickte Yukarin auf die runde Frucht. Er hatte immer einen Apfel in den Teepausen für Lilian zurecht geschnitten, damit sie auch einmal etwas anderes ass, als immer nur Kekse. Etwas gesundes. Wusste sie das etwa nicht? Machte sie sich nun lustig über ihn oder meinte sie es ehrlich als Geschenk, weil sie dachte, Yukarin esse gerne Äpfel zu seinem Tee? In Lilians Signatur war jedoch nur Angst zu spüren.
"Dankeschön", meinte Yukarin schliesslich höflich und zurückhaltend und pflückte anmutig den Apfel aus Lilians Hand. Auch wenn die Versuchung sehr gross gewesen war, den Apfel einfach aus dem Fenster zu pfeffern. "Das war sehr aufmerksam von dir." Oder eben auch nicht.

Lilian nahm die Annahme des Apfels gleich als Gelegenheit wahr, sich mit hoher, nervöser Stimme zu entschuldigen, was sie getan hatte. Sofort beteuerte sie, sie würde es nie wieder machen und es wäre keine Absicht gewesen. Skeptisch zog Yukarin leicht eine Augenbraue nach oben. Was würde denn Lilian nie wieder tun? Sich selber anfassen? Oder dazu ein Buch benuzten?
Zu seiner Verwunderung gab Lilian auch gleich zu, was sie tatsächlich gemacht hatte. Damit hatte Yukarin nicht gerechnet. Er hatte gedacht, dass Lilian den Meister dazu vorgeschickt hatte. Stattdessen gab Lilian nun offen zu, was sie angestellt hatte. Erzählte mit roten Wangen, wie sie sich beim Bilder Anschauen selber gestreichelt hatte. Unter dem Rock. Etwa unter diesem Rock? Gütige Dunkelheit, warum erzählte Lilian ihm das? Das war unfair. Die Vorstellung, wie sie sich ganz unartig unter der Schuluniform selbst befriedigt hatte, liess den Bibliothekar ganz angespannt werden. Yukarin spürte, wie es heiss in seinen Lenden zog und er das starke Bedürfnis bekam, Lilian den blanken Hintern zu verhauen, bis sie gleich noch einmal kam. Und dass der Meister im Hintergrund auch noch so frech grinste, machte das alles überhaupt kein bisschen besser. Wirklich nicht.

"Ja, das war wirklich unverantwortlich und respektlos", stimmte Yukarin unnahbar zu. Es machte ihn noch immer wütend. Auch wenn man schon Mitleid mit Lilian haben konnte, die anscheinend sehr verwirrt darob war, dass sie sich wie ein Mädchen kleiden und behandeln lassen sollte. "Besser du besprichst deine Besorgnis über deine Biologie mit Javier, anstatt deswegen meine Bücher zu ruinieren." Lilian entschuldigte sich nochmals reumütig und hilflos. Allmählich konnte Yukarin ihr sogar glauben. Nur, dass Lilian wieder aufmüpfig wurde und ihn aufforderte, sie zu bestrafen und nicht Marlin, liess Yukarins Anteilnahme recht schnell verschwinden. Selbst wenn er anerkannte, dass es anständig von Lilian war, sich für Marlin einzusetzen.

"In Ordnung", rutschte es ihm aus tiefstem Herzen heraus. Nur zu gern bestrafte er lieber Lilian als Marlin.
*Das wirst du nicht!* sandte ihm der Meister auch prompt scharf. Anscheinend war seine Zusage zu überzeugend gewesen.
*Ich werde sie nicht anrühren, Meister*, versprach er innig. Er wollte nun nur nicht noch weiter mit Lilian streiten.
"Ich nehme auch deine Entschuldigung an, Lilian", gab er unwillig zu. "Nun setze dich, damit wir mit dem Unterricht fortfahren können. Wir haben ohnehin schon viel zu viel von deiner Unterrichtszeit vertrödelt."
"Na, dann wünsche ich euch beiden viel Spass", meinte da der Meister gähnend. "Ich geh jetzt ins Bett. Benehmt euch ihr beiden."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 14:13
von Lilian
Yukarin zeigte keine Spur von Verständnis oder Milde. Sein Gesicht wirkte eher vollkommen angespannt, als Lilian erzählte was er gemacht hatte. Der Blutige stimmte zu wie respektlos es gewesen war. Lilian solle seine Biologie lieber mit Javier besprechen als die Bücher zu ruinieren. Mit Javier? Aber er wollte nicht mit Javier über seinen Körper sprechen. Der Blutige hatte bestimmt viel zu viel Interesse daran. Anderseits war Javier vielleicht derjenige, der sich neben den Heilerinnen am besten mit der Anatomie auskannte. Vielleicht wusste er ja sogar etwas. Ach.. aber ausgerechnet Javier? Nun, wenn Yukarin das so wollte, sollte Lilian das nicht ablehnen. Er musste sich unbedingt mit dem Bibliothekar gutstellen.
"Es tut mir wirklich, richtig leid", bekräftigte der Jüngling nochmals reumütig. Vielleicht hatte das geholfen, denn als er sich für Marlin einsetzte und ihn vor den Strafen schonen wollte, stimmte Yukarin sogar zu und dann nahm er auch die Entschuldigung an. Lilian atmete erleichtert aus. "Danke, danke. Du wirst es bestimmt nicht bereuen."
Der Bibliothekar wollte dann endlich mit dem Unterricht beginnen und Aerys wünschte ihnen viel Spaß dabei. Lilian bezweifelte ja, dass er heute Spaß haben würde. Sehnsüchtig blickte er dem Adeligen hinterher, der ihn hier in dieser schwierigen Situation zurückließ. Konnte er ihn nicht mit ins Bett nehmen? Nein, das war ein dummer Gedanke. Lilian schluckte beklommen, als er mit Yukarin allein war.
Dieser forderte ihn dann streng auf alle Bücher aus dem Ranzen zu holen. Lilian musste sie sorgsam auf dem großen Schreibtisch des Bibliothekars stapeln und sie dann dort zurücklassen. Der Jüngling biss sich auf die zitternde Unterlippe. Das wäre das letzte, wenn er jetzt deswegen anfangen würde zu heulen. Er versuchte den Moment schnell zu verwinden und sich auf den kommenden Unterricht zu konzentrieren.
Vorsichtig setzte er sich hinter seinen Pult, bereit zu lernen.
Hayllische Geschichte stand auf dem Programm. Und das wieder in Form von einem großen Stapel Fragebögen. Lilian hatte darin zwar Basiswissen aus seiner Zeit in Dhemlan, doch er merkte schon beim ersten Bogen, es Ereignisse in Hayll gab von deren Existenz er nichtmal wusste. Und wieso war ein Landenaufstand von vor 2.000 Jahren wichtig? Leise machte sich Lilian an die Fragen und bemühte sich so viel wie möglich zu beantworten. Er hatte nun schon einige Tage Schule und die Fragebögen nahmen immer noch kein Ende. Wie hatte Yukarin die nur alle vorbereitet? Die waren mit Hand geschrieben und es mussten dutzende sein.
"Yukarin?", traute sich Lilian irgendwann seine Gedanken mitzuteilen. "Danke, dass du so viele Fragebögen für mich verfasst hast..."
Der Jüngling mühte sich deswegen auch keine Fehler einzubauen oder Tintenflecke zu hinterlassen. Er traute sich nicht viele Fragen zu stellen und so blieb es die ganze Stunde über drückend still. Lilian saß angespannt auf dem Stuhl. Nach einer Stunde gab es eine Pause, aber sie gingen weder hinaus noch bereitete Yukarin Tee vor. Er öffnete nur eines der Fenster für frische Luft. Lilian blieb eingeschüchtert an seinem Pult sitzen. Es war schade, dass der Bibliothekar keinen Tee kochte. Lilian hatte ihm dabei immer gerne zugesehen. Es sah so kunstvoll aus. Wie eine kleine Vorführung.
Aber jetzt passierte gar nichts. Lilian massierte seine Finger und merkte nur, dass die Pause vorbei war, als Yukarin ihn streng aufforderte weiterzuschreiben.
Für eine Weile war nichts weiter zu hören als das Kratzen des Füllers.
Lilian versuchte sich so gut es ging auf die Fragen zu konzentrieren, aber es war schwierig. Verstohlen musste er immer mal wieder Yukarin beobachten. Dieser tat normale Bibliothekarssachen und ignorierte ihn meist.

Zwei Stunden und - nach Yukarins verärgertem Gesichtsausdruck zu urteilen - zehn Minuten später, tauchte Javier auf, um seinen Teil des Unterrichts zu unternehmen. Lilian erhob sich vom Schreibpult und machte einen Knicks vor dem Kerkermeister. Ohje, dem musste er das auch noch alles beichten und dieses Mal war Aerys nicht hier. Ob er auch mit Javier geredet hatte? Oder Yukarin? Aber Javier wirkte gut gelaunt und schien nicht zu wissen, dass etwas vorgefallen war. Jedenfalls hatte er gleich wieder einen Spruch über Lilians Aussehen auf Lager. Der zierliche Jüngling wurde rot.
Und dann ging Yukarin einfach. Er verabschiedete sich zwar höflich, aber sehr kurz und marschierte nach einer kurzen Begrüßung an Javier schnurstracks an ihnen vorbei und verließ die Bibliothek. Erschrocken blickte Lilian ihm nach. Er konnte doch nicht einfach gehen. Er war sonst immer dabei gewesen, wenn Javier ihn unterrichtet hatte. Wenigstens in Hörweite. Yukarin hatte ihm sogar geholfen, als Javier arg zudringlich geworden war. Oh nein, das war der Moment gewesen, wo Lilian das verflixte Anatomiebuch bekommen hatte.
Yukarin würde ihm vielleicht nie wieder bei Javier helfen. Unwohl strich sich Lilian über den Arm.
"Du, Javier... ich.. ehm.. ich hab was schlimmes gemacht", begann er. "Du hast mir doch erlaubt ein Anatomiebuch auszuleihen zum Studieren und ich... ich hab es aus Versehen beschädigt. Eine Seite kaputt gemacht. Yukarin ist so furchtbar wütend.." Er schluckte. "Es tut mir sehr leid. Ich hab dein Vertrauen enttäuscht. Aerys hat mich aber schon bestraft", fügte er schnell hinzu und wich sicherheitshalber etwas zurück bis er den kleinen Schreibtisch hinter sich spürte.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 14:33
von Javier
Niemand in der Villa schien so genau zu wissen, was los war. Dabei war eindeutig etwas los. Ganz bestimmt sogar. Das spürten sie alle. Yukarins Gefühlsausbrüche am vergangenen Abend waren nicht zu ignorieren gewesen. Sie hatten jeweils nur kurz gedauert. Einen Herzschlag lang. Dafür waren sie rasiermesserscharf gewesen. Javier hatte tiefe Verletzung und Enttäuschung gespürt und kurz darauf unbändige Wut. Es war richtig schmerzhaft gewesen. Die Schäfchen hatten sich Trost suchend in einem ihrer Schlafsäle versammelt und sie Blutige hatten es tunlichst vermieden in ihre Zimmer zu gehen oder waren aus ihnen geflüchtet, um wo anders einen Schlafplatz zu finden, als bei Yukarin, der die ganze Nacht über Besuch vom Meister gehabt hatte. Etwas was sehr selten geschah. Dass der Meister bei einem von ihnen übernachtete.

Da es ihm am Abend zu riskant erschienen war, nachzuforschen, was denn los war, machte Javier sich am nächsten Morgen auf die Suche nach Informationen. Doch niemand schien etwas zu wissen. Noch nicht einmal Fergus, der sonst jeglichen Klatsch und Tratsch kannte. Der aufgedrehte Krieger konnte ihm nur sagen, dass er gestern Abend Marlin zu Lilian hatte schicken müssen, damit Marlin bei Lilian zu Abend ass. Na, das klang doch schon eher nach einer Spur. Normalerweise ass der Meister bei Lilian. Vielleicht also wusste Lilian, weshalb der Meister bei Yukarin genächtigt hatte, wo der Meister sie doch versetzt hatte. Und wenn Lilian es wusste, wusste es womöglich auch Marlin.

Leider besass Marlin an diesem Morgen ein erstaunliches Talent, ihm aus dem Weg zu gehen und sich vor ihm zu verstecken. Javier schaffte es nicht, seiner habhaft zu werden, bevor er zum Unterricht musste. Der Kerkermeister schafte es gerade noch rechtzeitig in die Bibliothek zu kommen. Allerdings so knapp, dass Yukarin ihn dennoch wütend anfunkelte. Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass Yukarin seine Hälfte der Pausenaufsicht übernahm. Allerdings war das die letzten Tage auch nicht der Fall gewesen. Nun verabschiedetete sie der Bibliothekar höflich und unglaublich kurzangebunden. Offensichtlich war er noch immer sauer. So sauer, dass er es diesmal nicht für nötig erachtete, ob Javier auch artig seinen Lehrerpflichten nachkam.

"Auf Wiedersehen, Yukarin", verabschiedete er sich genau so höflich, da er den Bibliothekar nicht weiter reizen wollte. "Guten Morgen Schönheit", zwinkerte er Lilian dafür um so frecher zu und lachte leise, als diese ganz rot darob wurde. Merwürdigerweise knickste sie ganz anmutig vor ihm zur Begrüssung. Allgemein schien sie recht durch den Wind zu sein. Kein Wunder, wenn sie den ganzen Morgen in der Gegenwart des zur Zeit sehr reservierten, ja gar eisigen Yukarins hatte verbringen müssen. Javier musste endlich herausfinden, was los war. Seine Neugier brachte ihn sonst noch um.
Zu seiner Überraschung platzte Lilian ganz von sich damit heraus, was los war. Unwohl strich sie sich dabei über den Arm und sah einfach zum Anbeissen aus. Anscheinend hatte sie etwas ganz schlimmes gemacht. Soweit nichts neues. Lilian sorgte oft für Aufregung in der Villa und hatte sowohl Yukarin, als auch Alazier zur Weissglut getrieben. Damit, dass Lilian jedoch einfach nur aus Versehen das Anatomiebuch beschädigt hatte, damit hatte er nicht gerechnet. Das war ja nun wirklich nicht so schlimm. Na ja, ausser für Yukarin natürlich.

"Oh, keine Sorge, ich habe kein besonderes Vertrauen in dich gesetzt", winkte er locker ab, bevor er merkte, dass das doch etwas gemein klang. "Also ich meine, ich fühl mich nicht verraten. Sowas kommt vor. Wir werden schon ein anderes Buch finden, womit wir weiter lernen können. Und sonst haben wir ja noch immer unsere Körper." Er schenkte Lilian ein wölfisches Lächeln, bevor er wieder jungenhaft frech grinste und ihr zuzwinkerte.
"Aber Yukarin hat es wohl ganz schön getroffen", erkannte er und blickte zu der Tür, aus der der Bibliothekar veerschwunden war. "Er liebt Bücher mehr als sein eigenes Leben. Deswegen ist es wohl auch so eisig darin. Brrr.... komm, lass uns uns vor den Kamin setzten. Sonst frier ich mir hier ja noch einen ab. Uff, ein Wunder, dass Yukarin überhaupt noch weiter gemacht hat mit dem Unterricht. Wie der Meister ihn wohl dazu gebracht hat? Er war die ganze Nacht lang über bei ihm. Na, wenigstens weiss ich jetzt, was die Gefühlsausbrüche von Yukarin gestern Abend für einen Grund hatten. Mit dir wird es nie langweilig Lilian."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 15:40
von Lilian
Javier reagierte vollkommen und erfrischend anders als bisher jeder andere dem Lilian die furchtbare Geschichte erzählt hatte. Es kümmerte den Kerkermeister nicht sonderlich, dass ein Buch beschädigt worden war. Er winkte ab und bemerkte, er hätte kein sonderliches Vertrauen in Lilian gesetzt. Das klang zwar nicht sehr nett, doch gerade war dem Jugendlichen dies bedeutend lieber als eine weitere Tragödie und Aufgebrachtheit und Empörtheit. Dadurch dass Javier es nicht wie einen Weltuntergang behandelte, konnte sich auch der Jüngling etwas entspannen. Ein kaputtes Buch kam halt vor. Sie würden ein neues finden. Lilians angespannte Haltung wurde etwas lockerer.
"Oh, da bin ich erleichtert. Ich dachte, du wärest sauer", sagte er. Javier hatte jedoch noch eine ganz andere Idee. Sie könnten auch ihre Körper zum Lernen benutzen. Sofort erstarrte der Jüngling wieder und öffnete seinen Mund leicht entsetzt. Was?! "Ich.. ehm... lieber nicht", wehrte er stammelnd ab. Er war sich nie sicher, ob Javier mit solchen Andeutungen scherzte oder nicht. Sein Grinsen und Zwinkern tat so als wäre es ein Scherz gewesen, aber vermutlich hatte er es total ernst gemeint.
Der Kerkermeister sah hinüber zur großen Türe, die aus der Bibliothek führte und bemerkte, dass es Yukarin viel stärker getroffen hatte, dass Lilian ein Buch zerstört hatte. "Ich weiß", seufzte Lilian. "Ich hab mich entschuldigt, aber ich glaube, er hat mir nicht verziehen. Es war wirklich nur eine Buchseite und ein Versehen. Also eine... absichtliche, gefährliche Situation für das Buch und dann ein Versehen. Ich darf deswegen keine Bücher mehr ausleihen."
Javier wollte mit ihm zum Kamin gehen, sonst würde er sich hier noch "einen abfrieren".
"Aber mein Schreibpult ist hier..", wandte Lilian zögerlich ein. Dann tippelte er dem Blutigen doch hinterher. Javier fragte sich wie Yukarin ihn unterrichtet hätte können wo er so eisig und aufgewühlt sei. Er hätte letzten Abend Gefühlsausbrüche gehabt und der Meister wäre die ganze Nacht über bei ihm gewesen.
"Das hat Marlin auch gesagt. Aber von den Gefühlsausbrüchen weiß ich nichts oder was Aerys.. Prinz Verden gemacht hat. Er ist sofort zu ihm gegangen, um ihn zu besänftigen und mit ihm zu verhandeln. Glaub ich..." Lilian seufzte und blieb unschlüssig vor dem Kamin stehen, die Hände vor dem gestärkten Uniformsrock gefaltet. "Herausgekommen sind ganz blöde Kompromisse. Dass ich keine Bücher mehr ausleihen darf, nichtmal die Bücher zum Lernen. Und dass Yukarin mich in Zukunft bestrafen darf, wenn ich etwas anstelle in seinem Unterricht. Zuerst sollte Marlin an meiner statt geschlagen werden, aber ich konnte Yukarin zum Glück davon abbringen. Jetzt muss ich extra brav sein."
Der Jüngling ließ sich frustriert in einen angebotenen Sessel plumpsen ehe er sich besann, dass ein Mädchen dies wohl nicht machte. Rasch presste er die Beine zusammen und strich das Röckchen glatt. "Ich hätte es lieber langweiliger", gab er zu.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 15:43
von Javier
"Du hast das gestern Abend nicht gespürt?" fragte Javier verwundert und setzte sich lässig in einen der Sessel vor dem Kaminfeuer. Dabei ignorierte er vollkommen, dass Lilians Schreibtisch woanders war. Sie hatten jetzt ja ohnehin kein Buch, aus dem er Lilian etwas beibringen hätte können. Ausserdem war die Geschichte um Lilians neuestes Drama herum viel spannender. Unterrichten konnte er noch ein andermal. Schliesslich war sein Leben lang genug.
"Das war total intensiv", gab Javier bereitwillig Auskunft, in der Hoffnung, dass Lilian genau so freizügig mit Informationen war. "Schon richtig schmerzhaft. Typisch Yukarin. Immer so ruhig und selbstbeherrscht. Bis es dann aus ihm heraus bricht. Und dann zwar so richtig." Javier schüttelte den Kopf. Ausgewogen war für ihn etwas anderes. Wobei, nein, eigentlich war der Bibliothekar extrem ausgewogen. Man konnte nun wirklich nicht immer ruhig und gelassen sein. Javier nervte es mehr, dass Yukarin es so oft war, anstatt sich mal gehen zu lassen.

Lilian hatte etwas ganz anderes zu klagen. Nämlich dass der Meister ganz blöde Kompromisse ausgehandelt hätte. Von nun an durfte sie keine Bücher mehr ausleihen. Noch nicht einmal die zum Lernen. Verständnislos blickte Javier sie an. Also so tragisch fand er das jetzt nicht. Dann lernte Lilian eben in der Bibliothek. Oder sie verschob das mit dem Lernen, bis Yukarin sich wieder beruhigt hatte. So zumindest würde er es machen. Der zweite Kompromiss, war dann sogar noch besser. Denn in Zukunft durfte Yukarin Lilian bestrafen, wenn sie was in seinem Unterricht anstellte.
"Sehr gut!" meinte Javier begeistert und schnippste einmal zufrieden mit den Fingern. Lilian liess sich derweil weniger begeistert und überhaupt nicht damenhaft in den anderen Sessel plumpsen. Dabei bot sie eine hübsche Aussicht unter ihr Röckchen. Leider merkte sie es viel zu rasch und strich es glatt. Bestimmt weil Javier zu breit gegrinst hatte.
"So wird der Unterricht noch viel interessanter, wenn wir dich für deine Dummheiten bestrafen dürfen", ignorierte er Lilians Einwand, dass sie es lieber langweiliger hätte. Sie begehrte auch gleich auf, dass nur Yukarin sie bestrafen dürfte.
"Ach was", winkte Javier ab. "Das gilt bestimmt auch für mich. Immerhin hat du das Lehrmittel für meinen Unterricht zerstört. Das verlangt nach Genugtuung. Ich habe dir das Buch ausgeliehen im Vertrauen darauf, dass du mich bei Yukarin nicht in Misskredit bringst. Ausgerechnet das Buch zu meinem Unterricht. War ich denn so ein schlechter Lehrer." Oh er musste aufhören, bevor er einen Lachanfall bekam. Streng räusperte er sich.
"Jedenfalls, das rechtfertigt sicherlich, dass ich dich von nun an auch bestrafen darf", befand er. "Du musst also gar nicht extrabrav sein in meinem Unterricht. Aber jetzt erzähl erstmal. Was hat es mit diesem... absichtlichen, gefährlichen Versehen denn auf sich."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 16:17
von Lilian
Lilian schüttelte den Kopf auf die Frage, ob er Yukarins Gefühlsausbrüche nicht gespürt hätte. "Ein bißchen... glaub ich. Ich war mir nicht sicher", antwortete er, "Ich glaube, meine Zimmer sind mit Schilden abgeschirmt, so dass ich nicht alles mitbekomme. Nur Aerys spürte ich ziemlich gut."
Dafür beschrieb ihm nun Javier genauer was er gespürt hatte. Anscheinend hatte es Yukarin noch viel intensiver beschäftigt als Lilian geglaubt hatte. Wegen einer Buchseite? Wahrscheinlich eher wegen dem Vertrauensbruch und der Respektlosigkeit... ob Yukarin dann doch vorher etwas von ihm gehalten hatte? Aber jetzt vermutlich nicht mehr... Lilian hatte das ruiniert. Hoffentlich konnte er es irgendwann wieder gutmachen. Nur leider nicht heute und nicht sofort. Es war schwierig an den Bibliothekar heranzukommen.
Der Jüngling erzählte Javier von den schrecklichen Kompromissen, die überhaupt keine guten Kompromisse waren. Und dann freute sich der Kerkermeister auch noch darüber, dass Lilian geschlagen werden konnte. "So wird der Unterricht noch viel interessanter, wenn wir dich für deine Dummheiten bestrafen dürfen", sagte er zum Entsetzen des jungen Kriegers.
"Was? Nein, nein, Aerys hat nichts davon gesagt! Nur dass Yukarin mich bestrafen darf. Außerdem werde ich sowieso keine Dummheiten mehr machen und dann muss niemand geschlagen werden", versicherte er hastig. Von Javier war keine Rede gewesen. Der Kerkermeister sollte ihn bloß nicht bestrafen. Javier klang so, als hätte er viel zu sehr Spaß daran. "Wenn du Prinz Verden fragst, wird er das bestimmt bestätigen."
Der Blutige wollte das nicht glauben und behauptete, es würde sicher auch für ihn gelten. Lilian rutschte aufgeregt auf dem Sessel hin und her. "Bestimmt nicht!", wehrte er sich. Javier rechtfertigte es damit, dass Lilian die Lehrmittel für seinen Unterricht zerstört hätte. Damit hätte er Javier bei Yukarin in Ungnade gebracht und das verlange nach Genugtuung. Ob er so ein schlechter Lehrer gewesen wäre. Javier schaute ein bißchen streng und da wurde auch Lilian etwas kleinlauter.
"Es tut mir leid. Nein, du bist sicher kein schlechter Lehrer...", entgegnete er. "Ich mein... glaube ich. Wir hatten erst zweimal Unterricht." Da wusste er nicht, ob Javier ein guter Lehrer war. Er war definitiv anders als Yukarin. "Vor dem Kamin sitzen ist nett", fügte Lilian hinzu.
Leider wollte Javier ihn trotzdem in Zukunft bestrafen und ermunterte ihn gar etwas anzustellen. Jedenfalls klang es so. "Nein, ich glaub nicht, dass du das darfst..", hielt Lilian zögerlich an seiner Überzeugung fest. "Vorhin hast du noch gesagt, es wäre nicht so schlimm was ich gemacht hab." Lilian würde nochmal mit Aerys reden, damit er ihn davor bewahrte, wenn Javier ihn unbedingt bestrafen wollte. Dabei war der Blutige gar nicht richtig wütend. Er schien nur gerne Leute zu bestrafen. Das war ja vermutlich seine Aufgabe als Kerkermeister.
Lilian rutschte in seinem Sessel zurück. Die Schühchen baumelten nun ein bißchen in der Luft. Er hielt sie in Richtung Kamin, um seine Füße zu wärmen.

Javier wollte dann wissen, was Lilian mit der absichtlich, gefährlichen Situation auf sich hätte. "Das... also... das ist peinlich", gab der zarte Junge zu, spielte nervös mit seinen Fingern. "Ich will nicht, dass das ganze Anwesen davon weiß..." Yukarin hatte er es nur gesagt, um sich zu erklären und bei Marlin war es so herausgerutscht. Aber der hatte versprochen nichts zu verraten. Bei Javier war sich Lilian da nicht sicher.
Der Blutige ließ aber nicht locker und versprach, er würde es nicht weiter erzählen. Das wäre eine Sache zwischen Schüler und Lehrer. Lilian nickte nachdenklich. Yukarin hatte gesagt, er solle mit Javier über seine Besorgnisse über seinen Körper sprechen. Vielleicht war das ein guter Zeitpunkt, wenn er sowieso diese entsetzlich peinliche Geschichte beichten musste.
"Ich wollte das Anatomiebuch, um mehr über mich rauszufinden. Über meinen Körper", begann er, "Ich hab mich nicht getraut dich direkt zu fragen..." Vor allem wo der Blutige sowieso so interessiert an Lilians Körper war. "Weil ich manchmal nicht weiß, ob ich wirklich ein Junge bin.. manchmal fühl ich mich nicht so und ich hab so viele Fragen." Man konnte die Ratlosigkeit und Verlorenheit im Blick der großen rosa Augen sehen. Der Jüngling wusste nicht wo er hingehörte und wer er war.
"Aber die Fragen sind so anstrengend und dann kann ich nicht schlafen.. und beim Lesen im Anatomiebuch hab ich nichts über mich gefunden. In dem Buch gibt es nur Männer und Frauen und nichts... dazwischen", fuhr er betrübt fort. Lilian saugte verlegen an seiner Unterlippe während er mit den nächsten Worten rang. "Aber es gab Bilder über nackte Frauen... und ich hab mir die angeguckt, weil ich wollte, dass es wieder wie früher ist, wo ich noch wusste wer und was ich bin. Ich wollte, dass alles wieder normal mit mir ist und das andere alles vergessen. Und dann hab ich das Buch mit ins Bad genommen. Das war verantwortungslos. Ich weiß das jetzt. Ich hab nicht nachgedacht." Er pausierte länger.
"Im Bad hab ich mich dann... so.. gestreichelt. U-unterm Rock", wisperte er mit erstickter Stimme. Er konnte Javier dabei nicht ansehen. "Und dann.. ehm... hab ich dabei das Buch beschädigt..." Nach dem letzten Satz wollte er sich definitiv hinter dem Sessel verstecken. Er fürchtete, Javier würde ihn nun auslachen oder vielleicht doch wütend werden wozu Lilian das Buch missbraucht hatte.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 16:48
von Javier
Es war einfach herrlich, Lilian dabei zu betrachten, wie sie sich wand und allerlei Vorwände, Gründe und Erklärungen vorbrachte, warum Javier sie nicht bestrafen durfte. Der Kerkermeister genoss es ungemein, sie ein wenig zu triezen. Natürlich war ihm klar, dass Aerys ihm absolut nicht erlauben würde, Lilian ernsthaft zu bestrafen. Deswegen wohl der Kompromis, dass ursprünglich eigentlich Marlin für die Strafen herhalten sollte. Javier war sich ziemlich sicher, dass auch Yukarin nicht die Erlaubnis bekommen hatte, Lilian zu strafen. Aber es machte solchen Spass, Lilian das glauben zu lassen. Deswegen winkte er auch all ihre Einwände ab und beharrte darauf, dass die Erlaubnis auch für ihn galt. Entsprechend, schaute er noch ein wenig strenger, als Lilian zugab, dass sie gar nicht so recht wusste, ob Javier nun ein guter Lehrer war oder nicht. Das war definitiv nicht die Antwort, die er hatte hören wollen und er wusste nicht, ob es das besser machte, dass Lilian es nett fand, dass sie gemeinsam am Kamin sassen. Denn das hatte nichts mit dem Unterricht zu tun.

Erst als Lilian sich vor Verlegenheit wand, weil es ihr zu peinlich war zu erzählen, was vorgefallen war, wurde Javier wieder sanfter. Lieb ermutigte er sie, es trotzdem zu erzählen. Denn jetzt war er erst recht neugierig. Sanft versprach er ihr, dass er es nicht weiter sagen würde. Schliesslich sei das eine Sache zwischen Schülerin und Lehrer. Hauptsache er erfuhr endlich, was passiert war. Es weiter zu sagen, daran hatte Javier kein Interesse. Lilian sollte einfach nur erzählen.
Was sie dann endlich auch tat. Wobei sie allerdings weit ausholte. Angefangen hatte alles, dass Lilian mit dem Anatomiebuch etwas über ihren Körper hatte rausfinden wollen. Weil sie sich nicht getraut hatte, Javier direkt zu fragen. Sie wüsse manchmal einfach nicht, ob sie wirklich ein Junge wäre. Verwundert runzelte Javier nachdenklich die Stirn. Er verstand nicht, wie man das nicht wissen konnte. Nur weil Lilian Kleider anziehen musste, fühlte sie sich nicht mehr wie ein Junge? Das war seltsam. Die Verzweiflung in ihrem Blick schien jedoch absolut echt zu sein.
Javier wollte schon genauer nachfragen und ihr erklären, dass sie sich ja nur ein Anatomiebuch für Anfänger angeschaut hatte, als Lilian unvermittelt damit heraus platzte, dass es in dem Buch auch Bilder von nackten Frauen gäbe. Javier schmunzelte. Ja, natürlich gab es die. Jetzt wurde es allmählich spannend und weniger verwirrend. Es wurde sogar richtig gehend heiss. Dennoch stellte Javier sich für den Moment dumm. Er wollte mehr Details.
"Ich versteh nicht", meinte er deswegen stirnrunzelnd. "Wie, kann dabei denn ein Buch kaputt gehen? Wie muss ich mir das vorstellen? Du gingst nach dem Unterricht in dein Bad?" Also hatte sie noch die Schuluniform getragen? Die, die sie jetzt auch anhatte? Oh, Javier spürte, wie es in seiner Lendengegend zu ziehen anfing. "Dort hast du Buch aufgeschlagen wo die nackten Frauen zu sehen waren. Hast du das Buch etwa auf den Boden gelegt? Hast du dich davor gekniet? Oder wie ist das gewesen, dass dabei ein Buch kaputt gehen kann?"

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 17:47
von Lilian
Javier hörte schweigend zu, runzelte nur ab und zu verwundert die Stirn. Die Fragen, die er anschließend stellte, drehten sich aber alle nur um das was Lilian im Bad gemacht hatte. Nicht darüber warum er es getan hatte. Es war doch anders als wenn er es Aerys erzählt hatte. Dieser hatte ihn in den Arm genommen und getröstet. Lilian hatte irgendwie das Bedürfnis zu dem Adeligen zu gehen, um sich an ihn zu kuscheln. Ob er inzwischen wieder aufgestanden war?
Stattdessen musste sich Lilian unangenehmen Fragen stellen. Javier wollte wissen wie beim Streicheln ein Buch kaputt gehen könnte. Der Kerkermeister wollte offenbar noch mehr Details hören. Aber wieso war es wichtig was Lilian dabei getragen hatte? Es war peinlich genug gewesen das wenige zu beichten.
"Ja.. nach dem Unterricht", gab er trotzdem leise preis. "Wieso ist das wichtig, was ich dabei anhatte und wo das Buch gelegen ist?" Die Fragen kamen ihm komisch vor. Lilian wollte das nicht alles erzählen, weil es so intim war und viel zu peinlich.
Der Blutige meinte, dass er sich Lilians Geschichte nicht vorstellen könnte und immer noch nicht wisse wie das Buch kaputt gegangen war. Oh, wahrscheinlich hatte Lilian es bei all der Verlegenheit nicht richtig gebeichtet. Aber es war wirklich schwer hervorzubringen. Unruhig drückte er seine Hände gegen seinen Schoß.
"Das Buch lag auf dem weißen Badezimmerteppich. Vor der Wanne... es ist kaputt gegangen, weil ich-..." Er stockte wieder. "Es.. ehm... war zu nah bei mir, als ich... also beim Streicheln... ich war zu nah, als ich die Bilder angeschaut hab..." Mit hochroten Wangen starrte er auf seine Fußspitzen. Jetzt musste Javier doch endlich verstehen, was Lilian angestellt hatte. Anscheinend nicht. Er stellte immer noch bohrende Nachfragen. Yukarin hatte nicht so viel Fragen gestellt. Ihm war das Buch viel wichtiger gewesen.

"Ich habs getroffen! Das ist passiert!", stieß Lilian hervor, um diesen Nachfragen ein Ende zu bereiten. "Ich hab nich mehr gemerkt, dass ich fast über dem Buch war und da.. hat es.. es hat was abbekommen und ich wollte es noch reinigen, aber dann ist die Seite gerissen und es wurde alles noch schlimmer. Deswegen hab ich die Seite herausgerissen. Können wir bitte nicht mehr darüber reden? Und nicht lachen", bat er. "Das ist soo peinlich." Er wippte aufgewühlt auf und ab.
"Ich machs nie wieder. Bestimmt nicht. Aerys hat mich auch bestraft und es kommt nie wieder vor." Lilian wollte nichts weiter darüber sagen. "Bitte erzähl es nicht rum", bat er nochmal und blickte Javier endlich wieder an.
"Yukarin hat gesagt, wenn ich mich um meine Biologie sorge, soll ich das mit dir besprechen...", setzte er an. Der Jüngling war sich aber nicht sicher, ob er das wollte. Javiers Interesse schien woanders zu liegen. Ob er die Geschichte mit dem Streicheln interessant fand? Lilian hätte nicht alles sagen sollen. Es fühlte sich unangenehm an, dass der Blutige so etwas intimes nun über ihn wusste. Aber seine Fragen über seinen eigenen Körper waren wohl auch sehr intim. Lilian wusste gar nicht wo er da anfangen sollte.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 17:52
von Javier
Nur zögerlich gab Lilian weitere Informationen preis und fragte dann auch leider gleich ziemlich präzise, warum es denn überhaupt wichtig sei, wo das Buch gelegen hatte. Für Javier war das offensichtlich. Damit er es sich natürlich möglichst genau vorstellen konnte, wie Lilian dabei ausgesehen hatte, als sie ganz verbotenerweise unter ihren braven Rock der artigen Schuluniform gelangt hatte. Allerdings war dem Kerkermeister auch ziemlich bewusst, dass er ihr das so nicht sagen konnte, da sie sonst bestimmt schreiend aus der Bibliothek rennen würde. Also versuchte er es damit, sich dumm zu stellen.

"Ich kann mir nur die Situation nicht so recht vorstellen", erklärte er stirnrunzelnd. "Wenn ich weiss, wo das Buch war, wo du warst, geht das vielleicht besser. Dann verstehe ich, wie dabei ein Bucht kaputt gehen kann." Das hatte rein gar nichts mit sexueller Neugierde zu tun. Oder seiner heimlichen Freude daran, Lilian zu betrachten, wie sie unwohl in dem Sessel sass, leicht zappelig und dabei die Hände nervös gegen ihren Schoss drückte. Wie als befürchtete sie, Javier könne dort eine verräterische Beule sehen. Prompt wurde der Kerkermeister erst recht neugierig, ob sich da etwas regte. Bei ihm auf jeden Fall, so wie er sich Lilian in der Schuluniform auf ihrem weissen Badezimmerteppich vorstellte. Wie sie sich dabei den Rock hochschob, damit sie mit ihrer Hand darunter gleiten konnte.

"Wie, zu nah?" bohrte Javier sehnsüchtig noch etwas nach. Ach, er wünschte, er hätte das beobachten können. Doch Lilian würde wohl kaum dazu zu bewegen sein, das ganze noch einmal nachzustellen. "Hast du davor gekniet?" versuchte er wenigstens noch herauszufinden.
Da platzte es regelrecht aus Lilian heraus, dass sie es getroffen hätte. Das Buch. Weil sie vergessen hatte, dass sie fast über dem Buch war. Bei ihrem Ausbruch bekam sie ganz rote Wangen, ihr Atem ging rasch und sie wirkte ganz hitzig. So heiss. Ob sie auch so ausgesehen hatte, als sie gekommen war. Oh, Javiers Männlichkeit zuckte fordernd, weil sie es herausfinden wollte.

"Nein, warum sollte ich lachen'" schüttelte er den Kopf. "So Unfälle passieren eben." Zu gerne hätte er noch weiter nachgebohrt. Leider sah Lilian jetzt schon so aus, als würde sie demnächst von ihm davon rennen. So zappelig wie sie mit den Beinen auf und ab wippte. Der Kerkermeister wusste, wann er nicht mehr weiter in seine Opfer bohren konnte. Lieber sprach er mit Lilian über ihre Biologie, als sie jetzt zu verlieren. Das konnte womöglich auch ganz schön spannend sein.
"Wobei ich zugeben muss, dass ich mich nie so umständlich anstelle, wenn ich mir etwas gutes tu", befand er so rein analytisch. Deswegen hatte er ja auch die fielen, prekären Fragen gestellt. Genau. Aus keinem anderen Grund. "Und ich brauche auch ganz bestimmt kein Buch, um mich zu verwöhnen, wenn ich es mal wieder so dringend nötig habe." Gut, jetzt wurde es schwierig, nicht zu lachen, so feuerrot wie Lilians Kopf gerade wurde.

"Ich werde es nicht weiter erzählen", versicherte er ihr lieb und lächelte freundlich. "Wie gesagt, das ist ein Gespräch zwischen Schülerin und Lehrer und bleibt vertraulich." Höchstens dem Meister würde er vielleicht davon erzählen, doch das erwähnte Javier nicht. Er ging davon aus, dass Lilian das absolut bewusst war.
"Yukarin hat Recht", nickte er ruhig. "Du kannst mich alles fragen, wenn du dir Sorgen um deinen Körper machst. Deiner ist noch so jung. Der macht bestimmt noch allerlei Kapriolen. Erwachsen werden kann manchmal schon beängstigend sein. Was willst du denn wissen, Lilian? Was macht dir an deine Körper Sorgen?"

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 18:03
von Lilian
Der Kerkermeister lachte ihn zum Glück nicht aus und bemerkte locker, dass Unfälle eben passierten. Wobei er sich selbst nie so umständlich anstellen würde, wenn er sich verwöhnte. Außerdem würde er kein Buch benötigen, egal wie dringend nötig er es hätte. Lilian wurde bei den Worten knallrot im Gesicht, wusste nicht was er dazu sagen sollte. Er wollte garantiert nicht mit Javier über intimes Streicheln reden. Und noch weniger wollte er wissen wie genau der Blutige das bei sich machte. Lilian wollte sich das nichtmal vorstellen.
Obwohl Javier nicht lachte, so bereute der Junge doch ein wenig, dass er so viele Details preisgegeben hatte. Javier wusste nun sehr intime Sachen über ihn. Zu Lilians Erleichterung machte der ältere Mann keine anzüglichen Bemerkungen darüber und er fragte auch nicht mehr weiter nach. Vielleicht konnten sie das jetzt alle schnell vergessen und niemand in der Villa würde je wieder darüber reden oder auch nur daran denken. Ach, aber Yukarin würde das kaputte Buch bestimmt noch ganz lange nicht vergessen, befürchtete Lilian.
Javier beteuerte lächelnd, dass das Gespräch unter ihnen bleiben würde. Es wäre vertraulich. Dann bestätigte der Blutige, dass Lilian ihn alles fragen könne, wenn er Sorgen um seinen eigenen Körper hätte. Erwachsen zu werden könne beängstigend sein. Lilian nickte sofort und fühlte sich ein bißchen besser verstanden. Allein dass es jemand sah, dass er Schwierigkeiten damit hatte, war hilfreich.
"Was willst du denn wissen, Lilian? Was macht dir an deine Körper Sorgen?", fragte Javier nach. Lilian saugte betreten an seiner Unterlippe, suchte nach Worten. Jetzt wo es an die eigentlichen Fragen ging, war es dennoch schwieriger darüber zu reden. Er sollte seinem Lehrer sagen, dass er nicht normal war. Mehr noch, dem Mann, der ihn in seinem Kerker in einen Käfig gesperrt hatte. Lilian fühlte sich leicht schutzlos.
Und wenn Javier Antworten hatte?
Diese Möglichkeit ließ Lilian dann doch leise erzählen.
"Ich hab in dem Buch gesucht, ob es nicht etwas zwischen Mann und Frau gibt... weil Lady Ildris hat gesagt, ich bin etwas dazwischen. Aber in dem Buch gibt es das nicht und Aerys sagt auch, ich bin ein Junge. Aber..." Er kämpfte damit sich dem Blutigen anzuvertrauen. "Ich fühl mich nicht immer wie ein Junge. Nicht nur wegen den Kleidern und weil ich mich wie ein Mädchen verhalten muss. Manchmal ist meine Signatur auch ganz anders. Wie... wie ein Mädchen", flüsterte er, als wäre es ein furchtbares Geheimnis. Eine noch größere Dummheit als Buchseiten beim Streicheln zu beschmutzen.
"Wie als wäre ich eine Hexe. Und.. und meine Augen waren früher golden und nun sind sie anders. Seit der Jungfernnacht." Lilian schluckte. Er wollte nicht an diese Nacht denken oder darüber reden, doch es gehörte wohl dazu.

"Seitdem ist alles anders", sagte er unglücklich. Als hätte Aerys seinen Körper damit verändert. "Ich fühl mich manchmal immer noch wie ein Fremder in meinem eigenen Körper. So unwohl..." Er hatte die Hände zu kleinen Fäusten geballt, als ob er irgendwie dagegen ankämpfen könne. "U-und und.. es war so viel Blut, als er.... als er das mit mir gemacht hat. Es hat so viel geblutet und so weh getan. Lady Ildris hat gesagt, er hat ein.. so ein Häutchen bei mir eingerissen. Aber das haben doch normalerweise nur Mädchen... und wenn ich die Kleider anhabe und meine Haare so lang sind, dann seh ich aus wie ein Mädchen. Nicht wie ein verkleideter Junge. Meine Taille ist so dünn... bei Marlin ist das nicht so und er ist auch ein Jugendlicher. I-ich bin so klein und zierlich und ich hasse das. Dass ich diese Anziehpuppe sein muss und nichts über meinen Körper mehr selber entscheiden kann, aber wenn ich das nicht bin, wird alles noch schlimmer und ich muss das weiße Kleid tragen und ich hasse es so."
Lilian merkte wie er vom Thema abdriftete. Seine Augen waren feucht geworden und er blinzelte energisch, aber die Tränen wollten nicht weggehen.
"Übermorgen ist mein freier Tag und da wird die Heilerin und die Priesterin mich nochmal untersuchen. Ich hab Aerys darum gebeten, weil ich wissen will was mit mir los ist. Aber... ich hab solche Angst davor", gestand er. "Dass ich nicht normal bin." Aber im Grunde wusste er bereits, dass dies so war. Etwas stimmte nicht mit ihm. Er konnte es in sich spüren und es machte ihm entsetzliche Angst, wenn er zu lange darüber nachdachte.
"Was genau stimmt denn nicht mit mir?", fragte er hilflos und begann zu schniefen.

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 18:20
von Javier
Nachdem Javier Lilian gefragt hatte, was ihr denn Sorgen bereitete, schwieg sie erst einmal eine ganze Weile. Sie schien jedoch definitiv etwas fragen zu wollen. Javier ahnte es an der Art, wie sie an ihrer Unterlippe saugte. Sie schien sich nur nicht zu trauen. Javier gab ihr die Zeit, die sie brauchte. War er doch neugierig, was die süsse Lilian so schwer beschäftigte. Kurz darauf wurde Javier für seine Geduld belohnt. Lilian begann zu erzählen und wollte dann auf einmal gar nicht mehr damit aufhören, wobei sie zum Schluss ziemlich von der Geschichte mit dem Buch abschweifte.

Es beschäftigte sie so viel. Javier kam kaum mit. Seine Gedanken begannen schon bei der Offenbarung zu stolpern, dass Tuana Lilian gesagt hatte, sie sei etwas zwischen Mann und Frau. Doch in dem Anatomiebuch stünde nichts darüber und auch der Meister sagte, sie wäre ein Junge. Aber anscheinend fühlte sie sich nicht immer wie ein Junge. Das verwunderte Javier nicht, bei den Kleidern, die Lilian trug. Allerdings schien es nicht nur daran zu liegen. Auch ihre Signatur würde manchmal ganz anders sein. So wie die einer Hexe. Das war ja interessant! Das hatte bestimmt keinen biologischen Hintergrund. Faszinierend war es auf jeden Fall. Und dann war da noch die Geschichte mit Lilians Augenfarbe. Das konnte schon eher eine physiologische Ursache haben, wenn nicht Tuana dafür verantwortlich war. Wenn ja, dann war es jedenfalls offensichtlich, dass Lilian nichts davon wissen sollte.

Unglücklich klagte sie ihm, dass seit ihrer ersten Nacht alles anders wäre. Ihre Augenfarbe und sie würde sich manchmal wie eine Fremde in ihrem Körper vorkommen. Kein Wunder hatte sie sich selbst gestreichelt, um mit ihrem Körper klar zu kommen. Ausserdem hatte es sie sehr erschreckt, dass in ihrer Jungfrauennacht so viel Blut geflossen war. Nun, Lilian war auch wirklich klein. Da musste der Meister ihr bestimmt übergross vorkommen. Auch wenn Javier fand, dass dessen Männlichkeit eine gute, durchschnittliche Grösse besass. Bei Lilian war jedenfalls etwas aufgerissen. Etwas, was sie als Jungfernhäutchen interpretierte. Bestimmt hatte sie da etwas falsch verstanden. Jedenfalls war sie absolut unzufrieden mit ihrem Körper und dass sie nicht selber entscheiden durfte und ihr weisses Kleid hasste sie am allermeisten. Dabei sah sie so zauberhaft darin aus.

"Mir scheint, dich beschäftigen da eine ganze Menge Sorgen", meinte Javier mitfühlend und rief ein rotes Taschentuch herbei, um es Lilian zu überreichen. Tränen der Überforderung glänzten in ihren Augen. "Nicht nur um deinen Körper sondern aus sonst. So viele Fragen. Ich will versuchen dir zu helfen." Das wollte er wirklich. Auch wenn er Lilian gerne triezte, machte es keinen Spass, sie leiden zu sehen, wenn er nicht der Verursacher des Unwohlseins war. Es machte erst recht keinen Spass, wenn das Leid so tief ging. Entsprechend klang sogar seine Erregung ab, die in ihrem vorigen Gespräch wild aufgelodert war.
"Aber eines nach dem andern. Nicht alle Themen gleichzeitig", versuchte er das ganze Chaos etwas zu ordnen. "Dass du in dem Anatomiebuch nichts gefunden hast liegt daran, dass es nur an der Oberfläche kratzt. Es ist ein einfach aufgebautes Buch, für die, die sich erst gerade frisch mit dem Thema Anatomie auseinander setzen. Für komplexere Themen gibt es dann auch komplizierte Bücher. Weil in diesem Buch noch nichts über deinen Körper stand, heisst das noch lange nicht, dass es deinen Fall nicht gibt. Du hast nur im falschen Buch nachgesehen. Alles klar soweit?" Prüfend blickte er Lilian an, ob sie das so verstehen und akzeptieren konnte. Damit sie deswegen keine Angst haben musste.

"Gut", nickte er zufrieden, als Lilian das zu verstehen schien. "Dann die Grösse deines Körpers. Das hat bestimmt nicht mit deiner Jungrauennacht zu tun, Lilian. Dir fällt das nur vielleicht erst jetzt auf, weil du dich damit beschäftigst. Weil du kein Kind mehr bist und realisierst, dass dein Körper, aber auch die Körper deiner gleichaltrigen Freunde sich verändern. Da vergleicht man natürlich. Das ist normal. Aber aus biologischer Sicht völliger Blödsinn. Ausser deinen biologischen Geschwistern hat niemand sonst die gleichen Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern wie du. Niemand hat die selben Vorfahren wie du, Lilian, also kann sich dein Körper gar nicht gleich wie die der Anderen entwickeln. Grösse, Haarfarbe, Augenfarbe, das ist alles genetisch bedingt. Wenn es unter deinen Vorfahren einige gab, die ebenfalls klein und zierlich waren, dann ist das nicht verwunderlich, wenn du es auch bist. Marlin ist zwar auch ein Jugendlicher, doch er sieht aus wie ein Bauernjunge wie er im Buche steht. Lucero hingegen ist kein Jugendlicher mehr und sieht trotzdem sehr zierlich und sogar etwas feminin aus. Das bedeutet aber nicht, dass er schwach und zerbrechlich ist. Sein Körper ist einfach nur anders gewachsen als sich die Gesellschaft einen erwachsenen Mann nun einmal vorstellt. Dabei gibt es viel mehr zierliche, kleine Männer als dass man denkt. Man muss sich nur etwas darauf achten und nicht immer nur die grossen Männer anschauen. Wobei, du hast recht, es ist schwierig Männer wie Kastor oder Alazier zu übersehen." Verschmitzt zwinkerte er ihm zu.
"Aber abgesehen von deinen Vorfahren, kann es noch andere Gründe geben, weswegen du nicht grossgewachsen und ein Muskelprotz bist", fuhr er fort mit seinen ausladenden Erklärungen. "Wenn deine Mutter geraucht oder Alkohol getrunken hat, als sie mit dir schwanger war, hat das sicher deine Entwicklung beeinflusst. Ja sogar wenn sie oder dein Vater geraucht oder Alkohol getrunken haben, als sie dich gezeugt haben. Wenn man ein Kind plant, sollte man rechtzeitig damit aufhören. Auch der Vater. Oder vielleicht hat deine Mutter während der Schwangerschaft auch einfach zu viel die Kunst angewandt. Das zehrt am Körper. An ihrem und schliesslich auch an dem, des ungeborenen Kindes. Das kann auch dazu führen, dass man nicht normal ist, wie du es nennst."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 18:42
von Lilian
Javier ließ ein rotes Tuch erscheinen und reichte es hinüber zu Lilian. Scheu nahm es der Jüngling und tupfte sich verschämt die Tränen ab. Das war doof deswegen zu weinen. Der Kerkermeister bemerkte, dass Lilian wohl viel beschäftigte. Er wollte ihm aber versuchen zu helfen. Nur wie? Wusste Javier was er war und was mit ihm los war?
Der Blutige meinte, dass sie die Fragen eine nach dem anderen durchgehen sollten. Er begann damit, dass das Anatomiebuch für Einsteiger gewesen wäre und deswegen hätte Lilian dort keine Antworten bekommen. Es wäre nicht für solch komplexe Themen gedacht. Deswegen solle Lilian nicht denken, dass es seinen Fall nirgendwo in einem Buch gäbe. Das wäre nur das falsche Buch gewesen. Der zarte Junge nickte zaghaft. Aerys hatte auch so etwas ähnliches gesagt, doch es jetzt nochmal in aller Deutlichkeit zu hören war beruhigend.
"Was ist denn das richtige Buch? Hast du schon einmal über so jemanden wie mich gelesen?" Was immer er war.
Javier erwiderte, dass er zunächst genauer herausfinden müsse wer Lilian sei, um zu wissen in welchen Büchern er nachschlagen müsse. Gleich mehrere Bücher? Lilian sank in dem Sessel ein bißchen zusammen. Der Jüngling sehnte sich nach einer eindeutigen Antwort, aber das schien alles andere als einfach zu sein. Der Blutige fuhr fort, dass er ihm dazu später Fragen stellen würde, doch sie sollten nicht alles auf einmal machen. Erst einmal wolle er sich Lilians anderen Sorgen widmen.
Der Jüngling hörte interessiert zu, als Javier über seine geringe Größe sprach. Die gäbe es ja nicht erst seit der Jungfernnacht. Er wäre nur eben jetzt in einem Alter, wo er sich mit anderen Jugendlichen verglich. Das wäre völlig normal. Aber er könne nicht genau wie Gleichaltrige sein, denn die hätten ja andere Eltern und Großeltern. Davon würde abhängen wie man gebaut sei. Die Größe, die Haar- und Augenfarbe.
Aber seine Augenfarbe hatte sich verändert, dachte Lilian besorgt. Was hatte das zu bedeuten? Er wollte Javier aber nicht unterbrechen, der gerade die Vermutung anstellte, dass Lilians Vorfahren vielleicht auch klein und zierlich gewesen wären.
"Meine Oma ist klein und zierlich, aber die ist ja eine Frau", musste der Junge nun doch einwenden. Anscheinend galt das trotzdem. Javier nahm Marlin und Lucero als Beispiele heran, die beide sehr unterschiedlich gebaut waren. Marlin wäre eben ein richtiger Bauernjunge. Und nur weil man zierlich und feminin wäre, wäre man nicht schwach und zerbrechlich. Es wäre eben ein anderer männlicher Körper als das was die Gesellschaft normalerweise kannte.
"Aber ich kann nichtmal so wie Lucero sein. Ich muss Kleider tragen und mich bewegen wie ein Mädchen. Das verändert alles." Er hatte das Gefühl, es würde auch sein Denken verändern. Es war so verwirrend.

Sollte Lilian dann einfach ein zierlicher Mann sein? Aber wieso war dann seine Signatur anders und wieso hatte Aerys bei ihm ein Häutchen eingerissen?
Javier fügte hinzu, dass es neben den Vorfahren auch andere Gründe haben könne wieso Lilian anders sei. Eventuell hätten seine Eltern geraucht und getrunken während der Zeugung und der Schwangerschaft. Lilian sah den Blutigen entsetzt an.
"Was? Bestimmt nicht!", wehrte er ab, da er seinen Eltern sicher nicht die Schuld geben wollte. "Meine Eltern rauchen nicht." Wegen dem Trinken war er sich nicht sicher, doch seine Mutter hätte bestimmt aufgepasst. Javier überlegte auch, ob seine Mutter während der Schwangerschaft zu viel Kunst angewandt hätte. Das würde am Körper des ungeborenen Kindes zehren und dazu führen, dass etwas anders wäre.
"Ich glaube nicht...", sagte Lilian nachdenklich. Er versuchte sich zu erinnern, ob seine Eltern mal über die Schwangerschaft geredet hätten oder ob da irgendetwas in seiner frühesten Kindheit gewesen war, doch es war schwer so weit zurückzudenken. "Aerys hat gesagt, vielleicht bin ich ein Mädchen, das eine verrückte Heilerin zu einem Jungen gemacht hat, aber so etwas gibt es nicht oder?" Jedenfalls hatte ihm die Vorstellung Angst gemacht. Außerdem hätten seine Eltern das bestimmt erwähnt.
"Aber irgendetwas muss es doch sein, dass meine Augen jetzt anders sind und meine Signatur manchmal und dieser Riss in mir in der Zeremonie.."

Re: Biologieunterricht

Verfasst: Sa 6. Feb 2021, 21:36
von Javier
"Lilian, ich muss doch zuerst einmal herausfinden wer du bist, wie du bist, bevor ich weiss, in was für Büchern ich nachschlagen muss", wies er Lilian schmunzelnd zurecht, die am Liebsten gleich alle Fragen gleichzeitig gestellt und beantwortet gehabt hätte. "Lass mich erst deine Sorgen beruhigen, die ich einfach so beantworten kann. Nachher stelle ich dir noch ein paar Fragen und dann sehen wir weiter." Das verstand Lilian trotz ihrer Ungeduld und sie hörte ihm erstaunlich aufmerksam zu. Noch viel aufmerksamer als in den anderen Unterrichtsstunden. Dabei war es ein so komplexes Thema.

"Na, es gibt auch Frauen, die gross und kräftig sind", entkräftete Javier Lilians Einwand, dass es nichts besonderes sei, dass seine Oma klein und zierlich sei. "Meistens sind das Köchinnen, die mit einem Nudelholz die Speisekammer bewachen. Eine gefährliche Spezies, das sag ich dir. Es gibt Frauen, die sind so gross und stark, dass Kastor neben ihnen wie ein Babykätzchen aussieht. Ich habe gehört, dass es in Glacia einen Stamm gibt, indem es nur solche Frauen gibt. Und manche von denen sollen sogar so einen richtigen Bart haben. Schön struppig und buschig." Allerdings musste er zugeben, dass er für dieses Gerücht noch keinen schriftlichen Beleg gefunden hatte. Wobei, gesucht hatte er danach natürlich auch nicht.
"Ah, aber dass du dich in Mädchenkleidung unwohl fühlst, hat nichts mit deinem Körper zu tun, Lilian", machte Javier sie darauf aufmerksam. "Das ist mehr ein geistiges Problem. Pass auf, dass du das nicht vermischst. Sonst wird es erst recht kompliziert." Wenigstens konnte Lilian das einsehen, dass es ganz sogenannte normale Gründe für ihr Aussehen gab. Allmählich wurde sie ruhiger und betrachtete ihre Besorgnisse sachlicher. Oder gab sich zumindest Mühe. Trotzdem verursachte die Vorstellung, dass ihre Eltern während der Schwangerschaft nicht aufgepasst hatte, gleich grosse Empörung. Javier zuckte nur gelassen mit den Schultern. Es hätte ja sein können. Es war nicht als Vorwurf gedacht gewesen.

"Nun ja, es gibt tatsächlich einige Experimente diesbezüglich", räusperte Javier sich und setzte sich etwas aufrechter hin. Er wusste nicht so recht, ob er Lilian davon erzählen sollte. Er wollte ihr nicht wieder Angst einjagen. Jetzt zumindest nicht. Vorallem aber überraschte es ihn, dass der Meister über so etwas Bescheid wusste. "Angefangen hat es vorallem damit Paaren, die unbedingt Kinder haben wollten, bei denen es auf natürlichem Weg jedoch nicht funktioniert hat, etwas mit der Heilkunst nachzuhelfen. Die Heilerin dafür muss jedoch sehr versiert darin sein und dunkle Juwelen besitzen, damit sie den Eingriff vornehmen kann. Daraus sind dann Theorien und Studien entstanden, dass man mehr als nur die Befruchtung des Eis beeinflussen könnte. Auch Krankheiten könnte man zum Beispiel gleich verhindern. Oder Anomalien ausmerzen. Oder eben das Geschlecht beeinflussen. Aber das ist alles sehr experimentell. Es gibt nur wenige Heilerinnen, die mächtig genug dafür sind und noch weniger, die sich an dieses Thema überhaupt heran wagen." Javier wusste nicht, aus welchen Verhältnissen Lilians Eltern kamen. Vielleicht konnten die sich ja so etwas leisten.

"Was mit deinen Augen ist, kann ich dir leider nicht sagen", fuhr er fort, die endlosen Fragen zu beantworten. "Dazu muss dich Tuana untersuchen. Vielleicht ist es ja ein Nahrungsmittel oder etwas in der Luft, was du hier zu dir nimmst, was du zu Hause nicht tatest. Flamingos zum Beispiel haben ein ganz rotes Gefieder aufgrund der Nahrung, die sie zu sich nehmen. Oder wenn du nur noch Karrotten und Tomaten essen würdest, dann würde deine Haut mit der Zeit ganz orange werden." Oder der Meister hatte Tuana dazu überredet, Lilians Augenfarbe zu ändern. Das ging natürlich auch. Doch auf die Idee wollte er Lilian lieber nicht bringen, wenn es denn so gewesen war.
"Das mit deiner Signatur kann ich dir auch nicht erklären, Lilian", gab Javier ehrlich zu. "Das ist auch eher eine Geistessache, über die du mit einer Priesterin oder einer Schwarzen Witwe sprechen solltest. Aber das mit dem Riss in dir kann ich dir ganz leicht erklären. Sieh mal, Lilian, der menschliche Körper ist voller Wiedersprüche. Einerseits ist er ganz logisch und einfach aufgebaut, andererseits ist er ein hoch komplexes Konstrukt. Ein menschlicher Körper kann ungemein stark und zäh sein und gleichzeitig so emfpindlich und verletzlich. Die Zeremonie, dein erstes Mal, das war etwas sehr eingreifendes für deinen Körper. Er hat Dinge gefühlt, die komplett neu für ihn waren und für die er nicht vorbereitet gewesen ist. Oder nicht genug. Und in uns drin, da sind wir besonders verletzlich, Lilian. Es gibt da so einige Dinge, Häutchen wie anderes, die einreissen, bluten oder sogar brechen können. Je nach dem, was der Meister verletzt hat, hat es eben mehr oder weniger geblutet. Das haben wir doch letztes Mal miteinander besprochen. Erinnerst du dich. Arterielle Blutungen sind hellrot und richtig heftig, weil das Herz das Sauerstoff durchtränkte Blut kräftig weiter pumpt. Deswegen blutet man da länger und heftiger. Bei venösen Blutungen ist der Sauerstoff verbraucht, weswegen das Blut ganz dunkel ist. Auch reicht die Kraft des Herzens kaum noch so weit, weswegen der Blutverlust nicht so stark ist." Javier rief sich eine spitze, lange Nadel herbei.
"Sieh her, Lilian", forderte er sie bestimmt auf. Dann konzentrierte er sich kurz und stupste sich mit der Nadelspitze in den Finger. Träge quoll ein dunkler, kleiner Tropfen Blut hervor. Danach stach Javier sich an einem anderen Ort in den Finger. Sofort bildete sich eine grosse, helltrote Blutsperle, noch bevor er die Nadel überhaupt hatte zurück ziehen können.