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Re: Gerettet
Verfasst: Mo 9. Mai 2022, 20:44
von Lilian
Hinter ihm kam Lucero die letzten Stufen hochgestürmt und fluchte dann sehr erschrocken und unflätig. So hatte Lilian ihn selten gehört. Er schien auch nicht damit gerechnet haben Marlin so vorzufinden. Lilian starrte immer noch geschockt zu dem Bett, die Hände vor den Mund geschlagen. Er wusste gar nicht richtig was er da eigentlich sah und was passiert war. Das.. das war eine tote Frau und Marlin hielt sie. War das die Kundin? War sie gestorben? Aber wie? Und wieso war Marlin nackt? Lilian konnte es nicht alles sehen, da Marlin die.. die tote Frau auf dem Schoß hielt.
Lilian war wie erstarrt. Er konnte es alles nicht richtig fassen und verstehen. Da packte ihn Lucero an den Schultern und drehte ihn beiseite, löste ihn von dem verstörenden Anblick. Keuchend wandte sich der Jüngling ab. Aus den Augenwinkeln bemerkte Lilian wie der Prinz an ihm vorbei zu Marlin eilte, um ihn zu fragen was passiert war und ihn beschwor, er solle wieder zu sich kommen. Marlin schien kaum zu reagieren und flüsterte etwas vor sich hin, was Lilian kaum verstand. Dass er den Meister bestohlen und sich getötet hätte. Das ergab alles keinen Sinn. Die ganze Szene ergab keinen Sinn. Lilian blickte zitternd zur Turmtreppe, abgewandt von dem Zimmer wo so viel ekliges und verstörendes passiert war. Mit ihm. Mit Lucero. Und dann war Aerys hier gewesen und für einen Moment war es furchtbar aufregend gewesen, doch auch sehr kräftezehrend und aufwühlend. Und nun schien wieder etwas gewaltiges passiert.
Lilian hörte wie Lucero auf den anderen Jugendlichen einredete, dass er loslassen sollte, aber es schien nicht zu funktionieren. Marlin klang ganz seltsam und er redete immer noch davon, dass er den Meister bestohlen hätte.
Lilian biss sich auf die Lippen. Sie wollte hier weg. Die Wände des Turms schienen näher zu kommen und sie erdrücken zu wollen. Die Signatur flackerte unruhig. Das Mädchen versuchte verzweifelt sich zusammenzureißen. Es brachte nichts hier wimmernd zu stehen. Marlin brauchte ihre Hilfe und sie wollte auch so tapfer sein wie Lucero. Lilian drehte sich wieder um und ging um das Bett herum, so dass er nicht zu der toten Frau blicken musste. Er krabbelte auf das riesige Bett und näher zu Marlin.
"Marlin?"
Lucero versuchte immer noch Marlin dazu zu bringen, die Frau freizugeben. Wenigstens war sie jetzt mit einer Decke bedeckt.
"Marlin? Alles wird wieder gut. Wir sind ja jetzt hier", sagte Lilian, obwohl er sich sehr hilflos und überfordert fühlte. Aber das war ihm auch oft gesagt worden und obwohl er nun leider alt genug war, um zu wissen, dass die Worte nicht stimmten, so war es trotzdem manchmal tröstlich.
Vorsichtig rutschte Lilian näher, um Marlin dann von hinten sanft zu umarmen. Der blonde Krieger erstarrte zunächst ehe er erschauderte und sich dann bei ihm aufgelöst entschuldigte, dass es ihm leid täte. Lilian wusste wieder nicht was er meinte.
"Aber du kannst doch nichts dafür", sagte Lilian verwirrt, "Bitte lass doch die Frau los, ja?"
Marlin schien aber noch nicht bereit dafür und sprach davon, dass Lady Valdarez nicht mehr auf ihn hätte warten wollen. Er hätte alle enttäuscht. Dann entschuldigte er sich erneut bei Lilian, dass er ihr das alles angetan hätte. Verwirrt hielt Lilian den anderen Jugendlichen umarmt. Wer war Lady Valdarez? War das die.. Tote? Es klang fast so, als würde Marlin sie kennen. Aber wie war das möglich?
Marlin musste auch sehr unter Schock stehen. Doch was war mit der Frau passiert? Sie.. sie war doch tot oder? Und wieso hielt Marlin sie so? War er traurig wegen ihr?
"Bitte, Marlin, lass Lucero die Frau abnehmen", versuchte Lilian es noch einmal und streichelte Marlin vorsichtig über die Arme. Über Marlins Schultern hinweg sah sie fragend zu Lucero, ob er wusste was los war.
Re: Gerettet
Verfasst: Di 10. Mai 2022, 06:48
von Lucero
So liebevoll und zärtlich es auch aussah, wie Marlin Lady Valdarez in seinen Armen hielt. Sein Griff war stark und sicher, so dass es Lucero nicht möglich war, Marlin von der älteren Dame zu lösen. Der sanftmütige Krieger stand zu sehr unter Schock und wisperte nur, dass er den Meister bestohlen hätte. Lucero kam dabei einen schrecklichen Verdacht. Allerdings konnte er sich das bei Marlin kaum vorstellen. Er wäre zwar kräftig genug dazu, doch viel zu ergeben und herzensgut. Andererseits würde das auch erklären, warum er vor lauter Schrecken erstarrt war.
So sehr, dass Lucero ihn nicht erreichen konnte. Gleichzeitig spürte er hinter sich, wie Lilian immer mehr Angst bekam und schliesslich sogar ihre Signatur wechselte. Lucero erbebte verzweifelt. Nein, bitte nicht. Nicht jetzt. Bis jetzt kannte er nur einen Weg, wie er Lilian dazu bringen konnte wieder die männliche Signatur zu bekommen und das war nichts, was er ihr noch einmal antun wollte. Gütige Dunkelheit, es musste Alazier gewesen sein, den er gesehen hatte. Sie mussten heute Nacht unbedingt gerettet werden.
Tapfer verwehrte Lilian sich ihrer Angst und kam vorsichtig um das Bett herum, um Marlin zu trösten. Hoffnungsvoll schaute Lucero dem zu. Marlin hatte sich hoffnungslos in Lilian verguckt. Vielleicht konnte sie ihn erreichen. Leider reagierte der Krieger erstmal nicht auf ihre Worde. Vorsichtig krabbelte sie über das Bett auf ihn zu und Umarmte in schliesslich von hinten. Jetzt reagierte Marlin endlich. Erst erstarrte er erschrocken, ehe er trostsuchend erschauderte und Lilian deutlich wahrnahm.
"Lilian, es tut mir so leid", entschuldigte er sich aufgelöst. "Es tut mir so schrecklich leid." Lieb tröstete Lilian Marlin weiter, während Lucero am Liebsten gefragt hätte, was ihm denn leid täte. Doch Marlin brauchte mehr Zeit. So war er noch nicht einmal bereit, Lady Valdarez loszulassen. Natürlich nicht. Marlin war dazu geformt worde, Lady Valdarez hingebunbsvoll zu dienen, zu beschützen und zu lieben. Und nun lag sie, wie auch immer es dazu gekommen war, tot in seinen Armen.
"Es tut mir so leid, Lilian", wisperte Marlin verzweifelt. "Lady Valdarez, sie wollte nicht mehr länger auf mich warten. Ich... ich habe alle enttäuscht. Es tut mir so Leid Lilian, dass ich dir das alles angetan habe."
Verwirrt runzelte Lucero seine Stirn, während er versuchte Marlins Arme von der Hexe zu lösen. Auf Lilians fragenden Blick hatte er keine Antwort. Das ergab alles keinen Sinn. Wobei sollte Marlin denn jetzt so lange gezögert haben, dass Lady Valdarez wütend mit ihm geworden war? Marlin würde sich sicher gefreut haben, sie hier zu sehen. Voller Hoffnung mit ihrer Hilfe wieder zurück zum Meister zu kommen. Der blonde Krieger war so gehorsam und dienstbeflissen. Oft erkannte er die Wünsche anderere, noch bevor sie sich deren selbst bewusst waren. Das einzige, was sich bei Marlin etwas hinzog, war der Teil seiner Ausbildung, wo er lernen sollte, aus Gewalt und Schmerz Lust zu ziehen.
In dem Moment rasteten verschiedene Ungereimtheiten bei Lucero ein und setzten sich an den richtigen Platz. Der professionelle Überfall, das Wissen, um die Rot- und Weissgewandeten, das Wissen um die eingesetzten Juwelen, Lady Valdarez, die nicht mehr länger auf Marlin hatte warten wollen. Das gebrochene Genick der Adligen. Gebrochen durch Marlin. Daran hatte Lucero nun keinen Zweifel mehr und er war der Meinung, dass Marlin richtig gehandelt hatte. Zorn kochte in dem Prinzen hoch. Wenn die Hexe nicht schon tot gewesen wäre, hätte er sie nun auf der Stelle getötet. Dafür, was sie ihnen alles angetan hatte. Marlin war jedoch viel zu sanftmütig, um zornig auf die Frau zu sein, die er eigentlich liebte. Also gab er sich die Schuld, anstatt ihr und entschuldigte sich fahrig bei ihnen.
"Entschuldigungen helfen da nicht, Marlin", wiess Lucero ihn scharf zurecht. So hart, dass Marlin erschrocken zusammen zuckte. Doch wenigstens begann er Lilian und ihn wahrzunehmen.
"Wenn du es wirklich wieder gutmachen willst, dann wirst du jetzt sofort Lilian gehorchen und sie beschützen. Verstanden?" Marlin zuckte ängstlich zitternd vor ihm zurück. Nickte hastig. Er sah wohl eindeutig den strafenden Blutigen vor ihm. Der, der im schlimme Schmerzen bereitete, wenn er nicht gehorchte. Womit er vermutlich sogar recht hatte. Lucero schien anders nicht mehr an ihn heran zu kommen.
"Hast du, verstanden Marlin?" bohrte Lucero streng nach und ignorierte Lilians erschrockene Blicke.
"Ich habe verstanden, Lucero", wisperte Marlin artig und überfordert.
"Gut, dann gehorche ihr und lass Lady Valdarez los. Geh mit ihr, so wie sie es will, zum Kamin. Entfache das Feuer wieder und wärme dich mit ihr dort auf", gab er dem blonden gleich eine Reihe von Befehlen im Namen von Lilian. Obwohl Lilian vom Meisten noch gar nichts gesagt hatte. Lucero hoffte, dass sie es nachholen würde. Und er hoffte, dass sie verstand, dass er so gemein zu Marlin war, damit er endlich von der toten Frau loskam.
Tatsächlich liessen sich Luceros Hände nun von Lady Valdarez lösen. Streng aber behutsam führte Lucero Marlins Hände in Lilians Arme und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu, dass sie Marlin vom Bett zum Kamin führen sollte. Langsam und mit viel Geduld gelang es ihnen. Marlin wimmerte dabei immer wieder, dass es ihm so leid täte. Doch er gehorchte. Lucero liess Lady Valdarez achtlos auf dem Bett zurück. Er schnappte sich nur die Kissen und Marlins fein säuberlich beiseite gelegte Tunika.
"Hier, zieh ihm die an", riet er Lilan und drückte sie ihr in die Hand, während er ihnen vor dem Kamin die Kissen ausbreitete und frisches Holz auf die ersterbende Glut legte. Mit etwas gut zupusten, leckten bald wieder kleine Flammen daran, die allmählich grösser wurden.
"Lady Drestia Valdarez war die Auftragsgeberin für Marlin", erklärte Lucero Lilian, nachdem sie sich vor den Kamin gesetzt hatten. Marlin beschützend in ihrer Mitte. "Sobald seine Ausbildung beendet gewesen wäre, wäre er zu ihr gekommen. Sie hat es kaum erwarten können."
"Es ist meine Schuld", geistelte Marlin sich untröstlich. "Es ist alles meine Schuld. Es tut mir so leid."
"Wie es scheint, hat Lady Valdarez es so sehr nicht mehr erwarten können, dass sie diese Entführung in Auftrag gegeben hat", sprach Lucero seine schreckliche Vermutung aus.
"Es tut mir so leid, Lilian", bestätigte Marlin seine Vermutung. "Meinetwegen musstest du all das Grausame hier erleben. Ihr alle. Es tut mir so schrecklich leid. Ich habe euch alle enttäuscht."
Re: Gerettet
Verfasst: Mi 11. Mai 2022, 00:18
von Lilian
Lilian verstand nicht wovon Marlin da redete und wieso er sich bei ihr so aufgewühlt entschuldigte. Marlin hatte doch nicht schuld daran, dass sie hier gelandet waren. Die Räuber hatten sie alle entführt und das hatte Marlin sicher nicht gewollt. Und was hatte das alles mit dieser Lady Valdarez zu tun? War das die ältere Frau in Marlins Armen? Die Kundin? Lilian sah fragend zu Lucero, doch er schien auch nicht zu wissen was los war und versuchte immer noch den mit einer Decke versehenen Körper aus Marlins Armen zu ziehen. Lilian mochte gar nicht daran denken, was hier passiert war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet der sanftmütige, herzensgute Marlin daran Schuld sein sollte, dass die Frau nicht mehr lebte. Irgendetwas anderes musste also geschehen sein oder?
Aber Marlin entschuldigte sich weiterhin aufgelöst. Verwirrt streichelte Lilian ihm über die Arme.
"Es muss dir nicht leicht tun", sagte sie.
Da ergriff Lucero das Wort und fuhr Marlin an, dass es nichts brachte sich zu entschuldigen. Er solle jetzt Lilian gehorchen und sie beschützen. Bei den harschen Worten zuckte nicht nur Marlin erschrocken zusammen. Wieso redete Lucero so mit Marlin? Er sah doch, dass es dem blonden Krieger nicht gut ging. Und wieso sollte Marlin ihr gehorchen? Das musste er doch nicht. Lilian hatte ja auch gar keine Befehle gegeben. Er hatte zwar gesagt, dass Marlin die Frau loslassen sollte, aber das war doch nicht gut, dass der andere Jugendliche die.. tote Frau so hielt. Es schien Marlin doch sehr zu schaffen zu machen.
Lilian wollte schon den Mund aufklappen und zu Luceros Worten protestieren, aber da reagierte Marlin endlich und er nickte, sagte Lucero artig, dass er verstanden hätte.
"Gut, dann gehorche ihr und lass Lady Valdarez los. Geh mit ihr, so wie sie es will, zum Kamin. Entfache das Feuer wieder und wärme dich mit ihr dort auf", wies Lucero an. Beziehungsweise tat er so, als ob Lilian all diese Befehle gegeben hätte. Das Mädchen begriff, dass Lucero Marlin nur hatte erreichen und aufrütteln wollen. Es schien auch zu funktionieren.
"Ja, Lucero hat Recht. Lass doch die Frau.. Lady Valdarez los und dann gehen wir zum Kamin, ja? Du kannst ein Feuer im Kamin machen", pflichtete Lilian bei in der Hoffnung, dass es half. Sie schaffte es nur nicht, dass es wie ein Befehl klang. Das brachte Lilian dann doch nicht über sich. Marlin war ihr Freund.
Aber er schien etwas Antrieb zu brauchen und dass man ihn anleitete. So wie Lilian gebraucht hatte, dass Lucero ihr beim Duschen half. Nach... nach der Quelle und dem ersten Mal. Lilian schluckte und vertrieb die Gedanken schnell, um sich auf Marlin zu konzentrieren.
Lucero versuchte Marlins Hände von dem Bündel fortzuschieben. Lilian griff sanft nach den Händen und als Lucero ihr einen Blick zuwarf, nickte sie.
"Komm, Marlin, mir ist so kalt in dem Turm und du.. du bist auch ganz nackt. Wir sollten uns aufwärmen", versuchte sie Lucero nachzuahmen, auch wenn ihre helle Stimme längst nicht so streng klang wie der Prinz das konnte. Lilian zog sanft an Marlin und endlich öffneten sich seine Arme und Lucero konnte die Frau ganz langsam fortziehen.
Marlin wimmerte auf und bei der ersten Bewegung packte er Lady Valdarez wieder und entschuldigte sich erneut untröstlich. Es wäre alles seine Schuld und er hätte den Meister bestohlen.
"Marlin, komm jetzt zum Kamin", drängte Lilian sanft, "Da wird es dir besser gehen. Lass Lucero Lady Valdarez nehmen."
Auch Lucero redete noch einmal auf Marlin ein und er ließ die Frau erneut los. Lucero konnte sie noch ein Stück fortziehen, so dass Lilian Marlin sanft nach hinten drücken konnte. Der Krieger folgte ihr zögerlich und wohl noch etwas verwirrt. Lilian versuchte nicht zu seiner Nacktheit zu schauen. Vielleicht hätte es Marlin nicht gestört, doch es ging ihm gerade nicht gut und er schien immer noch nicht er selbst.
Lilian fasste ihn an der Hand und führte ihn zum Kamin. Sein Blick huschte kurz zu dem Sessel, wo Nedan gesessen hatte, während er...
Lilian unterdrückte tapfer ein Wimmern und zog Marlin rasch am Sessel vorbei. Der Krieger wollte sich gerade vor den Kamin knien, als Lucero mit Marlins Tunika kam und sie Lilian mit der Aufforderung gab Marlin anzuziehen. Lilian nickte und stellte sich vor den größeren Jugendlichen. Errötend blickte sie zu ihm, die Signatur flackerte weiterhin unstetig.
"Damit wird dir wärmer werden", versprach sie und half Marlin behutsam in die Tunika. Es war sogar die weiße Tunika, die Marlin auch sonst trug. Allerdings hatte Lilian ihn in den letzten Tagen eher in alten, abgetragenen Sachen erlebt. Man schien ihm extra die Tunika zurückgegeben zu haben. Vielleicht um die Kundin zu beeindrucken?
Lilian wusste nicht, ob sie ihr eigenes weißes Leinengewand gewollt hätte. Selbst jetzt. Aber es war sicherlich tröstend für Marlin und so war sie ganz vorsichtig und respektvoll, strich den feinen Stoff glatt. Zum Schluss kam ein schmaler Gürtel um die Taille.
Lucero hatte Kissen vor den Kamin gelegt und Holzscheite auf die alte Glut gelegt. Lilian zog Marlin nach unten auf die Kissen.
"Helf doch Lucero das Feuer wieder in Gang zu bringen", ermunterte Lilian ihn und der andere Jugendliche stocherte mit dem Schürhaken in der Glut herum, um das Feuer wieder in Gang zu bringen.
Lucero setzte sich zurück und begann zu erklären, dass die Frau Drestia Valdarez war und dass sie eigentlich die Auftraggeberin für Marlin gewesen wäre.
"Auftraggeberin?", fragte Lilian.
"Sobald seine Ausbildung beendet gewesen wäre, wäre er zu ihr gekommen. Sie hat es kaum erwarten können", fuhr Lucero fort. Lilian sah ihn erschrocken an. Er hatte von Aerys mitbekommen, dass Marlin irgendwann verkauft werden sollte und er wusste auch von den anderen, dass Marlins Ausbildung ungewöhnlich lange dauerte. Lilian selbst hatte sich dabei nichts gedacht. Er war sehr froh gewesen, dass Marlin noch kein "fertiges" Kunstwerk war, denn es hatte bedeutet, dass er seinen Freund noch länger um sich haben durfte und er hatte Marlin doch schon lieb gewonnen. Leider hatte Aerys nie etwas davon wissen wollen, Marlin in der Villa zu belassen. Lilian fand es grausam, dass Marlin irgendwann einfach seinem Zuhause entrissen werden sollte, nachdem ihn damals schon seine Mutter verstoßen hatte. Die Villa war vielleicht ein seltsames und oft auch ein erschreckendes Zuhause, aber es war ein Zuhause. Lilian hatte das inzwischen begriffen und obgleich er kaum ein halbes Jahr darin lebte, wollte er dorthin zurück und Marlin ging es sicher ähnlich.
Solange bis Aerys ihn an diese Frau verkauft hätte. Jene Lady Valdarez, die jetzt tot auf dem Bett lag. Was hatte das alles zu bedeuten?
Marlin entschuldigte sich erneut und dann sagte Lucero das Ungeheuerliche. Dass ausgerechnet diese Lady Valdarez es nicht mehr hatte erwarten können Marlin zu erhalten und deswegen hätte sie die Entführung in Auftrag gegeben.
Lilian keuchte erschrocken. "Bist du sicher?" Er hatte geglaubt, dass Voxia alleine dahinter steckte, aber das war vielleicht zu naiv gewesen. Voxia musste sehr gut informiert gewesen sein, dass sie gewusst hatte wie sie in die Villa hatte einbrechen können, um sie zu entführen. Raissa und die anderen waren sicher nicht klug genug dazu gewesen, um dies alleine bewerkstelligen zu können.
"Es tut mir so leid, Lilian. Meinetwegen musstest du all das Grausame hier erleben. Ihr alle. Es tut mir so schrecklich leid. Ich habe euch alle enttäuscht", entschuldigte sich Marlin tief empfunden. Lilian legte sanft einen Arm um ihn.
"Deinetwegen? Aber du kannst doch nichts dafür." Das glaubte er nicht. Marlin war unschuldig. "Hat Lady Valdarez etwas zu dir gesagt? Hat sie gesagt, dass sie dahinter steckt? Hat sie dir weh getan? Was ist denn passiert zwischen euch?", fragte er.
"Aber du hast bestimmt keine Schuld." Lilian drückte ihn leicht, "Lady Valdarez hätte doch auch geduldiger sein können. Oder Voxia und die anderen hätten einer ehrlichen Arbeit nachgehen können. Dann wäre uns das auch alles nicht passiert." Er wusste nicht wie er Marlin besser sagen konnte, dass er sich keine Schuld geben musste. Wieso kam er überhaupt darauf? Weil er seine Ausbildung noch nicht fertig hatte? Aber das war nur etwas, das Aerys ihm aufgezwungen hatte. Marlin hatte dabei nicht mitreden können. Und er hatte in den letzten Wochen auch kaum eine Ausbildung erhalten, weil Aerys mit Lilian beschäftigt gewesen war. So gesehen hätte sich Lilian auch die Schuld geben können, aber wenn Lucero recht mit seiner Vermutung hatte, dann lag die wahre Schuldige tot auf dem Bett.
Und das war gut.
"Wenn.. wenn diese Drestia Valdarez die Entführung beauftragt hat, dann war sie eine furchtbare gemeine Frau, die all unser Leid in Kauf genommen hat, um dich haben zu können", erkannte Lilian, "Und dann bin ich froh, dass du deine Ausbildung nicht abgeschlossen hast und dass du nicht zu ihr gekommen bist."
Re: Gerettet
Verfasst: Mi 11. Mai 2022, 06:48
von Lucero
Nein, er war sich überhaupt nicht sicher. Doch es passte. Irgendwoher musste Voxia ihre Informationen gehabt haben. Und selbst, wenn sie sie nicht von Lady Valdarez bekommen hätte, was machte Lady Valdarez dann hier? Was hätte den sonst so sanftmütigen Marlin dazu bewogen, ihr das Genick zu brechen? Prompt entschuldigte Marlin sich wieder innig. Nicht dafür, dass er die Frau getötet hatte. Sondern dafür, dass er sie alle in diese Situation gebracht hatte. Lucero war Lilian einen bedeutungsschweren Blick zu. Es musste so gewesen sein, wie er gesagt hatte. Sonst würde Marlin doch nicht so reagieren.
"Sie... sie hat gesagt, dass sie so einsam gewesen wäre", bebte der blonde Krieger in Lilians Armen. "Sie hätte es nicht mehr ausgehalten und sie glaubte, dass der Meister meine Ausbildung vernachlässigte. Dass er sich nur noch mit dir beschäftigte. Da hatte sie es nicht mehr ausgehalten. Sie sagte, sie hätte alles nur für mich getan." Marlin schüttelte es vor Entsetzen. "Sie wollte nicht mehr warten. Sie wollte noch nicht einmal mehr die Übergabezeremonie. SIe wollte einfach nur..." Ihm versagte die Stimme.
"Dazu hatte sie kein Recht", stellte Lucero streng klar. Allerdings hatte auch er inzwischen einen Arm sanft um Marlin gelegt, um ihn genau wie Lilian sanft im Arm zu halten. "Du gehörst noch immer dem Meister und bist ihm Rechenschaft schuldig. Nicht Lady Valdarez. Selbst wenn sich das später hätte ändern sollen. Jetzt war es noch nicht soweit." Lucero konnte sich vorstellen, dass Marlin sich auch deswegen sehr zerrissen fühlte. Lady Valdares hätte seine Herrin werden sollen. Marlin hatte sich darauf gefreut, sie lieben und ihr dienen zu dürfen. Doch jetzt waren die beiden Loyalitäten gegeneinander auf die Probe gestellt worden. Kein Wunder hatte Marlin das Gefühl, er hätte einen Teil von sich selber getötet.
"Lilian hat Recht, Marlin", bestätigte Lucero entschlossen. "Lady Valdarez war deiner nicht würdig. Ich bin mir sicher, dass der Meister das auch so sehen wird. Bald werden wir wieder bei ihm sein und dann kann er es dir persönlich sagen. Aber jetzt wärm dich am Feuer auf und sieh zu, dass es schön hell und gross im Kamin lodert. Ich muss mich mit Lilian besprechen. Wir sind gleich wieder da." Lucero wartete ab, bis Marlin artig nickte. Dann erhob er sich geschmeidig, nahm Lilian dabei an der Hand und führte sie zu den hohen Fenstern des Turmzimmers. In der Hoffnung, dass Lilian dort am Wenigsten von schlechten Erinnerungen heimgesucht wurde. Draussen war es inzwischen dunkel geworden.
"Lilian, ich brauche deine Hilfe", sprach er eindringlich auf sie ein. "Du musst dich um Marlin kümmern, während ich mich um den Rest kümmere." Sprich um Lady Valdarez Leiche und Lilians femininer Signatur. Wobei er noch keine Ahnung hatte, wie er das alles irgendwie retten konnte. Nur für den Fall, dass sie doch noch nicht diese Nacht befreit werden würden.
"Dazu ist es wichtig, dass du weisst, dass Marlin dazu ausgebildet wurde, Lady Valdarez als ergebener Gefährte zu dienen", fuhr Lucero leise und rasch fort. "Und er freute sich darauf. Darauf jemanden lieben zu dürfen und diese Person zu umsorgen, zu beschützen und zu begleiten. Das ist etwas, was er gerne macht. Das war sein Ziel. Mit dem Tod von Lady Valdarez, wie auch immer der zustande kam, wurde ihm seine Aufgabe entrissen. Er kann nicht mehr das werden, wozu ihn der Meister ausgebildet hat. Natürlich hast du recht Lilian, dass es besser ist, wenn Marlin beim Meister bleibt, als zu so einer furchtbaren Frau zu kommen. Doch der Meister ist jetzt nicht hier, um Marlin aufzufangen. Ich bin zwar hier und Marlin anerkennt mich als das Sprachrohr des Meisters, doch das ist nicht das Selbe. Deswegen bitte ich dich, einzuspringen Lilian." Fest blickte er ihr in die Augen, während er sie an den Händen hielt.
"Nimm dich Marlins an", bat er sie fordernd. "Sei für den Moment seine Herrin. Du musst ihm nicht barsch Befehle geben, wie ich das mache. Du kannst das auch sanft und lieb tun. Doch führe ihn deutlich. Sag ihm, was er zu tun hat und setze das auch konsequent durch. Sei seine Rettungsleine, solange er verirrt ist und gib ihm den Halt, den er braucht, um nicht ganz verloren zu gehen. Kannst du das für mich, für Marlin tun? Ich denke mir derweil einen Plan aus, wie wir mit der ganzen Situation umgehen können." Auch wenn er keine Ahnung hatte wie. Er konnte nicht wieder die anderen herbei rufen, damit sie gemeinsam Lady Valdarez in den Wäschewagen packten und sie in den unterirdischen Fluss verfrachteten. Doch irgendwas musste ihm einfallen, sollte er sich doch getäuscht und Alazier nicht gesehen haben.
Re: Gerettet
Verfasst: Mi 11. Mai 2022, 13:36
von Lilian
Marlin begann etwas mehr zu erzählen, während er in der Umarmung bebte und zitterte. Besorgt streichelte Lilian ihm über den Arm. Der andere Jugendliche gab wieder was ihm Lady Valdarez gesagt hatte. Sie hätte geglaubt, dass der Meister seine Ausbildung vernachlässigte, weil er sich nur noch mit Lilian beschäftigte. Das Mädchen schluckte. Sie hatte nicht gewusst, dass jemand von außerhalb verfolgte woran Aerys... arbeitete. Es fühlte sich irgendwie erniedrigend an. Als ob seine Privatssphäre aufs neue verletzt worden wäre. Das wenige, das er sich davon noch hatte bewahren können. Dabei hatte Lady Valdarez sicher nicht gewusst was wirklich in der Villa vorgegangen war und dass Lilian bestimmt kein neues Kunstwerk war. Und schon gar nicht hatte er Marlin irgendwie ersetzt. Aber vielleicht stimmte es, dass Aerys nicht mehr so viel Zeit mit Marlin oder seiner Ausbildung verbracht hatte.
Und dass es dadurch Lady Valdarez nicht mehr ausgehalten hatte auf Marlin zu warten. Sie hatte Marlin gesagt, dass sie alles nur für ihn getan hätte.
Lilian schluckte. Marlin musste sich deswegen furchtbar fühlen und allmählich ergab es alles Sinn wieso der andere Jugendliche so im Schock war und sich selbst die Schuld gab.
"Sie wollte nicht mehr warten. Sie wollte noch nicht einmal mehr die Übergabezeremonie. Sie wollte einfach nur..." Marlin brach getroffen ab. Lilian wusste nicht was eine Übergabezeremonie war, aber vielleicht etwas wo er Lady Valdarez feierlich übergeben worden wäre. Nur sicher nicht hier inmitten der verschneiten Berge in der Burg von harschen, gierigen Räubern und in diesem schrecklichen Turm.
Anscheinend hatte die Kundin auf nichts mehr warten wollen. Lilian fühlte sich bei den Worten ganz beklommen. Sanft streichelte er Marlin über den Rücken. Auch Lucero hatte einen Arm um Marlin gelegt und beruhigte ihn, dass Lady Valdarez dies nicht gedurft hätte. Er hätte nicht ihr gehört und er wäre nur dem Meister Rechenschaft schuldig. Der Prinz fuhr fort, dass Lilian damit recht hätte, dass Lady Valdarez seiner nicht würdig gewesen wäre. Der Meister würde das auch so sehen.
Lilian nickte beipflichtend.
"Wenn Aerys gewusst hätte, wie Lady Valdarez wirklich war, hätte er dich ihr niemals angeboten. Bestimmt nicht", beteuerte Lilian. Dabei konnte sie das nicht wissen. Der Adelige hatte bereits viele Dinge getan, die Lilian grausam gefunden hatte. Er hätte Darion vielleicht einfach getötet oder verstoßen. Aber Lilian wusste mittlerweile, dass Aerys all seine Kunstwerke liebte und obwohl er das manchmal seltsam zeigte, so hätte er Marlin nicht jemanden überlassen, der fähig war sie alle zu entführen und so grausam behandeln zu lassen. Lady Valdarez hatte das alles in Kauf genommen nur um Marlin haben zu können.
Lucero wies Marlin an sich weiter aufzuwärmen und sich um das Feuer zu kümmern. Er müsse sich mit Lilian besprechen. Das Mädchen blickte fragend auf, ergriff dann aber Luceros Hand und ging mit ihm mit. Zu den Fenstern des Turmzimmers. Lilian wurde etwas nervös und wieder waren da die Gedanken an das was sie noch letzte Nacht hier getan hatten. Zu dritt... irgendwie. Lilian hatte nichtmal annähernd darüber nachdenken und dies verstehen können. Sie wusste nicht was da mit ihr passiert war und was es später noch alles bedeuten würde.
Hastig blickte Lilian aus dem Fenster, wo es nun dunkel wurde. Lucero begann leise aber umso ernster mit ihr zu reden.
Sie müsse sich um Marlin kümmern, während er sich um den Rest sorgte. Lilian nickte. Er wollte gerne auf Marlin aufpassen, obwohl er noch nicht recht wusste wie und was Lucero vorhatte. Nur war Lilian sehr froh, dass der Prinz bereits einen Plan zu haben schien. Der Jüngling wusste nicht wie Lucero das alles bloß schaffte und wie er so ruhig und tatkräftig bleiben konnte. Lilian bewunderte ihn sehr dafür.
"Dazu ist es wichtig, dass du weisst, dass Marlin dazu ausgebildet wurde, Lady Valdarez als ergebener Gefährte zu dienen. Und er freute sich darauf", redete Lucero weiter. Lilian blickte hinüber zu Marlin, der noch vor dem Kamin saß.
"Das ist so furchtbar", sagte Lilian leise. Dass ausgerechnet die Frau auf die Marlin sich irgendwie gefreut hatte, sich als bösartige verrückte Person herausstellte. Und dann wieder war es noch verdrehter, dass Marlin sich überhaupt darauf gefreut hatte weiterverkauft zu werden.
Doch Lucero beteuerte, dass Marlin jemanden brauchte, den er lieben, umsorgen und beschützen könnte. Das würde er gerne machen und nun wäre ihm diese Aufgabe entrissen worden und er könne seine Ausbildung nicht mehr abschließen.
"Er hätte nie.. verkauft werden sollen", beharrte Lilian leicht trotzig. Es war furchtbar, dass Aerys dies überhaupt mit seinen Sklaven machte. So wie Lilian einer war. Er mochte gar nicht daran denken. Aufgewühlt wechselte die Signatur zurück. Marlins Schicksal ging ihr sehr nahe. Lucero hielt sie an den Händen fest und sah sie ernst an. Marlin bräuchte jemand, der ihn auffing und Lucero könnte Lady Valdarez nicht ersetzen. Lilian solle für einen Moment seine Herrin sein.
Das zarte Mädchen machte prompt große amethystfarbene Augen.
"Ich? Aber..", begann sie.
Lucero erklärte rasch, dass Lilian die Befehle nicht barsch geben müsse, sie könne auch lieb sein, doch sie sollte Marlin deutlich führen und konsequent mit ihm sein.
"Sei seine Rettungsleine, solange er verirrt ist und gib ihm den Halt, den er braucht, um nicht ganz verloren zu gehen. Kannst du das für mich, für Marlin tun?", fragte Lucero. Lilian blickte zögerlich zurück zu Marlin. Sie sollte so tun, als sei sie seine Herrin?
"Aber ich bin kein Blutiger so wie du..." Allerdings hatte er sich auch immer dagegen gewehrt ein Weißgewandter zu sein und Lucero hatte ihn auch mal geneckt, dass er zu frech und rebellisch sei, um ein Weißgewandter zu werden. "Aber du bist immer so tapfer und weißt was zu tun ist und ich hoff ich krieg das wenigstens halb so gut hin wie du. Ich versuchs. Ich möchte Marlin beschützen", bekräftigte Lilian innig. Sie musste ja keine gemeine Herrin sein und solange es Marlin half, dass er sich orientieren konnte, war es vielleicht in Ordnung. Lilian hoffte nur, dass Marlin es ihr später nicht übel nahm.
Wenn sie es hier herausgeschafft hatten.
"Lucero, was willst du denn mit Lady Valdarez machen?", fragte Lilian flüsternd. Vekras und Nedan waren Räuber gewesen. Dass die verschwunden waren, hatte zwar auch Fragen bei den anderen aufgeworfen, aber man glaubte, dass sie sich irgendwo betranken oder sonstwie unterwegs waren. Vielleicht gab es ja eine Stadt oder Reisetaverne in der Nähe. Aber Lady Valdarez war ein Gast. Mehr noch. Sie war die Auftraggeberin.
"Voxia wird nach ihr suchen. Sie weiß doch sicher, dass Lady Valdarez bei Marlin ist..", sagte Lilian besorgt. Wenn Lady Valdarez unauffindbar war, würde man zuerst Marlin befragen und das würde kein gutes Ende nehmen. Das wusste auch die Jugendliche. "Wir müssen Marlin irgendwo verstecken."
Lucero gab zu Bedenken, dass man trotzdem Marlins Signatur spüren würde. Der Prinz verfiel ins Nachdenken, während Lilian ihn besorgt anblickte. Er konnte regelrecht sehen wie sich Luceros Gesicht verzog, als er wohl eine Idee hatte, aber keine, die ihnen beiden gefallen würde. Dann bemerkte der Blutige, dass Eneida sicherlich die Tränke hätte mit denen die Räuber ihre Signatur bei der Entführung unterdrückt hatten. Die grobe Heilerin, die immer so unfreundlich zu ihnen war?
Lucero erklärte, dass wenn Voxia weder Marlin noch Lady Valdarez fand, würde sie vielleicht glauben, dass Lady Valdarez nicht für Marlin hatte bezahlen wollen und mit ihm abgehauen war. Lilian nickte langsam. Dabei hatte die Frau älter und fragiler ausgesehen und draußen schneite es bitterlich und wurde dunkel. Vermutlich wäre Lady Valdarez nicht fortgerannt, aber vielleicht hätte sie es sich mit Marlins Hilfe zugetraut.
"Das heißt wir müssen Lady Valdarez verschwinden lassen und einen Trank stehlen und ein gutes Versteck für Marlin finden?", fragte Lilian. Jeder einzelne dieser Schritte war für sich schon riskant und schwierig. Sie würden sie alle drei erwischen und fürchterlich bestrafen. Lilian erzitterte. Sie wünschte, Aerys wäre hier und würde sie alle befreien. Gerade jetzt. Lilians Herz klopfte wummernd. Aber nichts passierte. Lady Valdarez lag immer noch tot auf dem Bett und Marlin saß verstört vor dem Kamin.
Re: Gerettet
Verfasst: Mi 11. Mai 2022, 20:25
von Lucero
"Du musst keine Blutige sein", lächelte Lucero sanft. "Du musst nur Marlin etwas an der Hand nehmen und auf ihn aufpassen." Er verschwieg, dass Lilian ganz deutliche Anzeichen einer Blutigen hatte. Abgesehen davon, dass sie oft zu frech und zu rebellisch war, für eine Weissgewandte, hatte sie eine sehr dominante Ader beim Sex. Seiner Meinung nach, kam Lilian damit einer Blutigen sehr nah. Allerdings wusste er, dass das für Lilian keine ermutigenden Argumente waren, weswegen er darüber schwieg. Ausserdem musste er sich ein verzweifeltes Lachen verkneifen, als Lilian meinte, er wäre immer so tapfer und wisse, was zu tun sei. Sie hatte ja keine Ahnung. Ja, er konnte gut manipulieren und intrigieren, doch diese Situation war auch für ihn sehr herausfordernd und trieb ihn über seine Grenzen hinaus.
"Danke, Lilian", bedankte er sich erleichtert. "Du wirst es sicher richtig machen. Nun, wo du weisst, was Marlin braucht und du ihn beschüzten möchtest. So wie ich dich kenne, wird es dir ganz leicht fallen." Die Frage war nur, was sie mit Marlin machten. Denn wenn sie diese Nacht nicht gerettet werden würden, müssten sie Marlin irgendwie in Sicherheit bringen. Nur wie und wohin? Ausserdem liess sich Lady Valdarez Abwesenheit nicht so leicht erklären. Etwas, was auch Lilian erkannte. Nervös fragte sie ihn, was er denn vorhätte. Lucero starrte finster aus dem Fenster raus und wusste nichtmal, was er Lilian antworten sollte, ohne sie einzuschüchtern, geschweige denn, was er nun tun sollte.
"Marlins Signatur wird man dennoch spüren können, auch wenn wir ihn verstecken", gab er zu bedenken. "Er ist viel zu aufgewühlt, um sie länger zu unterdrücken." Es gab Netze oder Tränke, die einem dabei halfen. Doch sie hatten weder das eine, noch das andere. Sie hatten hier in der Burg zwar eine Heilerin, doch die war ein rabiates Rindvieh. Und dann war da noch die Leiche. Lucero müsste sie mit Marlin und Lilian zur Quelle schaffen und er glaubte nicht dass er den beiden das zumuten konnte. Am Liebsten würde er alles in Flammen aufgehen lassen. Das würde zwar sogar gehen, doch was war dann mit Marlin? Wo sollten sie ihn verstecken? Sollten sie sagen, er wäre mit verbrannt? Oder sollte er in letzter Sekunde aus dem Turm gerettet werden. Nur würde Voxia dann bestimmt glauben, Marlin hätte das Feuer gelegt.
Nachdenklich starrte er in die Nacht hinaus und fand einfach keine gute Lösung. Er fühlte sich wie ein trockener Brunnen. Nach so vielen Notlösungen, die er inzwischen hatte herbeizaubern müssen, wollte ihm einfach nichts einfallen. Dass Lilian neben ihm stand und voller Vertrauen und Hoffnung zu ihm blickte, machte das ganze nicht besser und erst recht nicht leichter.
"Eneida hat bestimmt Tränke, mit denen die Räuber ihre Signatur bei der Entführung unterdrückt haben", überlegte er laut. Lilians Gesicht verzog sich prompt so unglücklich, wie Luceros es getan hatte. Tapfer fasste sie zusammen, was also ihre Aufgaben waren. So unmöglich sie auch erschienen. Lilian rollte sich nicht weinend ein. Sie war wirklich unglaublich tapfer. Lucero lächelte stolz, ehe er zu Marlin und Lady Valdarez blickte. Ihm kam noch immer nichts schlaues in den Sinn. Zumindest nichts, womit er glaubte, dass sie damit durchkämen.
Es schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, wie er da vor sich hinstarrte, seine Gedanken im Kreis drehen liess und nichts sagte. Als er ganz abrupt sein Juwel wieder spüren konnte. Lebendig, kraftvoll und stark. Überrumpelt keuchte er auf und es war schon fast mehr ein Reflex, dass er sich an den Halsreif griff und ihn mit einem kurzen, heftigen Impuls aufsprengte.
"Planänderung", befand er und eilte bereits auf Marlin zu. Seinen Halsreif hatte er achtlos auf den Boden fallen lassen. "Wir gehen. Jetzt!" Rasch und genau so knapp mit der Kunst bemessen, sprengte er auch Marlins Halsreif auf, damit sie wenigstens diese Dinger los wären, sollte das Netz, welches ihre Juwelenkunst unterdrückte, wieder einsetzen.
"Nicht fragen, nur gehorchen", befahl er hastig und zerrte Marlin auf die Füsse. "Marlin, nimm den Picknickkorb und renn mit Lilian nach unten. Lilian, sucht aus den Schränken alles Essbare und alle Decken und Tücher raus. Packt alles in ein grosses Tuch. Ebenso alle scharfen Messer oder ähnliche Waffen. Tut die in den Korb. Ich nehme nachher alles in mein Juwelengepäck. Los, macht schon. Erklärungen gibts später. Ich komme gleich nach."
Zu seiner grossen Erleichterung war Lilian diesmal nicht rebellisch. Aufgeregt war sie ihm hinterher geeilt und fasste Marlin an der Hand, um ihn mit sich zu ziehen. Der Krieger schaute ganz verwirrt, gehorchte aber brav. Lilian wollte zwar jetzt schon mehr wissen, doch Lucero ging nicht darauf ein. Stattdessen schob er die zwei zur Treppe.
"Macht schon", herrschte er sie an. "Ihr habt nur eine halbe Minute Vorsprung." Dann würde er sie eingeholt haben. Rasch wandte er sich wieder von ihnen ab und rannte zum Kamin. Von daneben holte er sich einige Holzscheite, mit denen er eine Linie vom Bett bis zum Kamin bis ins Feuer hinein legte. Darüber drapierte er das dünne Laken zu einer lockeren Wurst zusammen gerafft. Das Turmzimmer sollte in Flammen aufgehen. Allerdings nicht gleich sofort, weswegen er nicht extra noch ein Feuer im Bett entfacht hatte. Sie brauchten etwas Zeit, um fliehen zu können, ehe der Turm mit dem Feuer für Ablenkung sorgte. Lucero konnte nur hoffen, dass sie bis dahin die anderen Kunstwerke hatten aufgabeln können. Doch Marlin und Lilian konnte er keine Stunde mehr länger in dieser Burg lassen. Egal ob der Meister nun hier war oder nicht. Sie würden jetzt versuchen, den Schutzschild zu überwinden.
Sobald er sich sicher war, dass seine behelfsmässige Lunte funktionieren würde, stürmte er die Treppe hinab. Marlin und Lilian hatten derweil schon einige Sachen bereit gelegt. Lucero liess alles abrupt in seinem Juwelengepäck verschwinden. Auch wenn es so wirkte, als wären sie längst nicht fertig geworden. Dafür hatten sie jetzt jedoch keine Zeit mehr. Lucero riss die schwere Eichentür auf und winkte die beiden durch.
"Zeit zu verschwinden", grinste er spitzbübisch. Auf der Handfläche liess er eine kleine Kugel Hexenfeuer erscheinen und schleuderte sie anschliessend auf die steile Holztreppe. Eine zweite Lunte, sollte die erste versagen.
Re: Gerettet
Verfasst: Mi 11. Mai 2022, 21:49
von Lilian
Als Lilian zusammenfasste, was sie alles bewerkstelligen mussten, lächelte Lucero sie kurz an ehe er zu Marlin sah und dann wieder zurück zum Bett. Er sagte nichts mehr und verfiel in ein tiefes, nachdenkliches Schweigen. Erwartungsvoll sah Lilian zu ihm auf. Dem Prinzen würde bestimmt etwas einfallen. Sicher hatte er schon eine Idee wie sie aus diesem Unglück herauskamen, doch auch Lilian war klar, dass sie neben einem Plan gewaltiges Glück brauchten, um ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Man würde Lady Valdarez suchen werden und Marlin dafür verantwortlich machen, weil er zuletzt mit ihr gesehen worden war. Was machten sie nur? Lilian überlegte fieberhaft. Es wäre ihm leichter gefallen, hätte er eine Liste machen können und mehr Zeit gehabt zu überlegen, doch draußen wurde es immer dunkler und früher oder später würde man bemerken, dass Lady Valdarez Signatur immer schwächer geworden war. Und dann würden die Räuber zum Turm kommen und sie steckten in der Falle.
Aber Lucero würde etwas einfallen. Lilian war sich ganz sicher. Der Prinz hatte sie in der letzten Woche noch jedes Mal mit einem klugen Einfall oder raschem Handeln vor dem schlimmsten bewahren können. Dass er nicht gleich etwas gegen Vekras und Nedan hatte ausrichten können, machte Lilian ihm nicht zum Vorwurf. Lucero hatte sie alle alleine beschützen müssen. Er hatte dafür gesorgt, dass sie nachts in der Hütte nicht in Panik verfallen waren, er hatte dafür gesorgt, dass man Lilian und ihn als Adelige sah, dass Marlin in der Küche hatte arbeiten können und dass zwei der grausamsten Räuber ihr unziemliches Ende gefunden hatte. Aber für beide hatte er einen sehr hohen Preis zahlen müssen.
Lilian versuchte nicht daran zu denken, aber im Turm zu sein machte ihr sehr zu schaffen. Es war kein guter Ort.
Sie standen nun schon eine Weile bei den Fenstern und Lilian wollte gerade fragen, was sie nun tun sollten, als Lucero aufkeuchte und an seinen Halsreif griff.
"Lucero, wa-", begann Lilian, da hatte der Prinz den Reif schon krachend aufgesprengt. Die zwei Hälften rutschten ihm locker über die Halsbeuge, die zertrennten Enden glühten von seiner Juwelenkraft. Lilian keuchte erschrocken. Hatte Lucero gerade seine Juwelenkraft zurückerlangt? Wie war das möglich? Der Prinz warf den kaputten Halsreif beiseite und erklärte, dass es eine Planänderung gäbe.
"Aber was ist denn los? Kannst du deine Juwelen wieder einsetzen?", fragte Lilian und eilte dem Blutigen hinterher, der schnurstracks zu Marlin ging.
"Wir gehen. Jetzt!", beschied Lucero entschlossen. Lilian fühlte wie ihr Herz einen aufgeregten Satz machte. Von der vorherigen Auswegslosigkeit schien nichts mehr zu spüren zu schein. Lucero schien einen Plan zu haben. Einen guten.
Lucero erklärte sich nicht und griff nach Marlins Halsreif, sprengte auch ihn mit einem einfachen Handgriff auf. Ja, definitiv hatte Lucero seine Juwelen wieder. Das Netz in den Halsbändern schien aus irgendeinem Grund nicht mehr zu funktionieren. Das änderte alles. Lucero packte Marlin am Arm und zerrte ihn hoch. Der Blutige verlangte, dass sie gehorchen sollten. Es klang so, als müssten sie sich beeilen. Marlin sollte den Picknickkorb mitnehmen. Lilian entdeckte den weißen Korb neben dem Kamin erst jetzt. Was war da drin?
Sie wollte fragen, aber Lucero verteilte bereits weitere Anweisungen. Lilian sollte in der Küche nach Essbaren und Decken suchen. Außerdem alles was man als Waffe verwenden könnte und sie sollten all dies zusammenpacken. Er würde es später in sein Juwelengepäck geben.
"Aber, was-", setzte Lilian an.
"Los, macht schon. Erklärungen gibts später. Ich komme gleich nach."
Lilian wusste nicht was der Prinz vorhatte, vertraute ihm aber. Offensichtlich hatte er einen Plan und es musste jetzt alles schnell gehen. Lilian verstand zwar nicht wieso, doch sie wollte gerne den Turm verlassen. Lilian fasste Marlin an der Hand und zog ihn leicht vom Kamin fort.
"Was hast du denn vor?", fragte Lilian.
Doch Lucero drängte zur Eile. Sie hätten nur eine halbe Minute Vorsprung. Was? Aber für was denn? Der Prinz schob sie zur Türe. Lilian griff noch schnell nach dem Schürhaken, der beim Kamin lehnte. Das kam ihm wie eine gute Waffe vor.
"Komm mit, Marlin, wir müssen jetzt Lucero helfen." Sie zog ihn mit sich und sie eilten die Treppe hinunter. Dieses Mal hatte Lilian gar keine Zeit aufgewühlt wegen dem Küchentisch zu sein und Marlin stellte bereits den Korb darauf ab.
"Schau in den Schränken und hol alles Ess- und Trinkbare raus. Und Decken", sagte Lilian. Vom letzten Mal im Turm wusste sie noch wo die Messer waren. Das Mädchen riss die Schublade auf. Der Picknickkorb war allerdings noch gut gefüllt und so wickelten sie die Messer in zwei Handtücher aus dem Bad. Marlin stellte zwei Flaschen Wein auf den Tisch. Lilian förderte aus der Küche noch Brot und Käse zutage.
"Füllen wir Wasser in eine der Flaschen", bat Lilian den anderen Jugendlichen. Das wäre besser als Wein. Sie waren gerade noch dabei, als Lucero schon die Treppe runtergerannt kam.
"Marlin, schnell, noch eines der dicken Badetücher", rief Lilian aufgeregt. Der Krieger hatte es gerade so noch besorgen können, da riss es Lucero bereits an sich und ließ alles in seinem Juwelengepäck verschwinden. Der Blutige zog die Eichentüre auf, grinste Marlin und Lilian dann an und erklärte, dass es Zeit zu verschwinden wäre.
"Echt?", fragte Lilian aufgeregt. Als Antwort tanzte plötzlich eine Kugel Hexenfeuer auf Luceros Handfläche, tauchte sein Gesicht in Licht und Schatten. Dann warf der Prinz das Hexenfeuer auf die Treppe, wo es Teile des Holzes traf und Flammen zu lecken begann. Lilian sprang keuchend zurück. Wollte Lucero etwa den Turm in Brand setzen? Mit Lady Valdarez darinnen? Der Turm war zwar aus Stein gebaut, doch die meiste Einrichtung war aus Holz. Es würde kräftig brennen und jedem von weither auffallen. Danach gäbe es kein Zurück mehr.
Lilian warf noch einen letzten Blick in den verhassten Turm, dann huschte sie mit Marlin durch die Türe.
"Und jetzt, Lucero?", fragte sie, als sie alle drei aus dem Turm geeilt waren. "Wir hatten keine Zeit viel einzupacken, aber in dem Picknickkorb sind lauter edle Leckereien drin." Mehr wie etwas was Aerys zu einem Ausflug für sie beide einpacken lassen würde. Vielleicht war der Korb von Lady Valdarez und nicht von den Räubern.
Re: Gerettet
Verfasst: Do 12. Mai 2022, 06:37
von Lucero
Schnell zog er die Tür zum Turm zu, bremste den schwung im letzten Moment ab, ehe er sie ganz leise ins Schloss zog. Lucero nahm sich noch die Zeit, die Turmtür abzuschliessen. Das Feuer im Turm sollte etwas zeitverzögert ausbrechen. Inzwischenzeit brauchte jedoch niemand Lady Valdarez Leiche zu entdecken. Der Prinz hoffte, dass die verschlossene Tür die Räuber etwas davon abhalten würde. Besser wäre es natürlich gewesen, er hätte das Schloss innerlich mit der Kunst geschmolzen und versiegelt. Doch Lucero wollte so viel wie möglich von seiner Kraft für die Flucht aufsparen. Er würde sie bitter benötigen, wenn nicht der Meister daran Schuld war, dass das Netz versagt hatte.
"Wir schleichen uns jetzt so schnell wie möglich aus der Burg", antwortete er Lilian leise, nachdem er mit der Tür fertig war. Vorsichtig blickte er den Gang entlang, durch den sie bis zur nächsten Treppe huschen mussten.
"Wenn ihr bis dahin noch Mäntel, Umhänge oder Decken entdeckt, nehmt sie mit", instruierte er die anderen beiden wispernd. "Oder Schuhe." Zumindest für Marlin, der Barfuss gehen musste. Lilian und er selber hatten wahrscheinlich zu kleine Füsse, als dass sie hier Schuhe für sich finden würden.
"Und seid leise. Sprecht nur, wenn es unbedingt sein muss. Nicht rennen. Das fällt nur auf. Sollte uns jemand begegnen, denkt daran, es ist ganz normal, dass wir uns in der Burg bewegen. Wir sind nur auf einem Dienstbotengang. Wie vorher auch oft." Ja, das klang alles viel geplanter und sicherer, als wenn er sagte, dass sie nun panisch aus der Burg blindlings in einen Schneesturm flüchten würden. Denn genau das war es, was sie hier taten. Sie rannten ohne Sinn und Verstand hinaus in die eisige Nacht in ein bergiges Gelände, in dem sie sich nicht auskannten. Lucero fand, dass das nah dran war, an einem Selbstmord. Doch er konnte Lilian und Marlin auch nicht mehr in der Burg lassen. Die beiden waren so kurz davor zu brechen. Wenn sie jetzt nicht schnell aufgefangen, oder zumindest stark abgelenkt werden würden, wusste Lucero nicht, ob sie eine weitere Grausamkeit seitens der Räuber überstehen würden. Also flüchteten sie in den Schneesturm hinaus, in der Hoffnung, dass er die Räuber von ihrer Fährte ablenkte.
Sie flüchteten und liessen ihre Familie hier bei diesen Monstern zurück. Es zeriss dem Prinzen das Herz. Lucero konnte nur hoffen, dass sie auf dem Weg nach draussen die anderen Kunstwerke noch aufgabeln konnten. Doch er würde keine Umwege erlauben, um sie alle einzusammeln. Er würde Lilian und Marlin auf direktem Weg hier rausbringen. So schnell wie möglich. Hoffentlich noch bevor das Netz wieder aktiviert wurde. Gütige Dunkelheit, bitte, es musste gelingen.
Sie hatten jedoch gerade mal gut die Hälfte des hell erleuchteten Ganges geschafft, als ihnen von der Treppe her ein bewaffneter Krieger entgegen kam. Er sah aus wie eine Wache. Eine echte Wache und nicht das, was die Räuber darunter verstanden. Das schien einer von der Leibgarde von Lady Valdarez zu sein. Lucero erstarrte innerlich zu Eis und überlegte schon fahrig, wie er mit dem Kerl fertig werden sollte. Er hielt jedoch nicht inne sondern ging ganz normal weiter. Marlin blieb tapfer an seiner Seite, schob nur Lilian verstohlen hinter sich. Gut so. Lucero würde ihnen befehlen zu rennen, wenn es nötig war.
"He Blonder, solltest du nicht bei deiner Herrin sein?" fragte der Krieger Marlin überrascht. Glücklicherweise schien er arglos und sah sie nicht als Bedrohung. Oder Beute auf der Flucht. Sie waren mit ihrer Flucht ohnehin noch nicht sehr weit gekommen.
"Braucht Lady Valdarez etwas, oder warum bist du hier?" wollte der Wächter wissen. Er schien es sich gewohnt zu sein, ab und an auch mal als Dienstbote herhalten zu müssen. Es schien ihn nicht zu kümmern. Stattdessen musterte er interessiert Lucero und Lilian.
"Wer sind denn die zwei hier?" fragte er neugierig und kam immer näher geschlendert. Marlin erstarrte und brachte kein Wort heraus. Das war nicht schlimm. Lucero konnte das übernehmen. Er überlegte sich schon seine nächste Lügengeschichte, als von der Seite, von der Fensterfront des Ganges ein Geräusch zu hören war, wie das, wenn ein Vogel bedauerlicherweise gegen eine Fensterscheibe flog. Nur dass es in diesem Fall kein Vogel war, sondern ein Pfeil, der sich so schnell durch das Glas bohrte, dass es noch nicht einmal barst. Nur ein kleines Loch blieb zurück. Im Glas zumindest. Der Pfeil bohrte sich hart tief in die Schläfe des Kriegers und blieb darin stecken. Der Mann erstarrte im Schritt. Ihm blieb noch nicht einmal ein letztes Geräusch übrig. Stattdessen kippte er auf der Stelle tot um.
Lucero seufzte erleichtert auf. Ein Problem weniger. Mehr noch. Endlich rückte ihre Befreihung in realistische nähe. Der Pfeil kam vom Meister. Dessen war er sich sicher. Es war genau die Art, wie der Meister verwendete. Nicht Yukarin, sondern der Meister selbst. Endlich. Es war also doch Alazier gewesen, den er gesehen hatte. Bald waren sie in Sicherheit. Sie mussten nur dafür sorgen, dass sie so lange noch am Leben blieben. Lächelnd wandte er sich zu Lilian und fasste sie an der Hand.
"Lilian", fragte er sie leise. "Kannst du eine Signatur am Pfeil spüren? Bitte versuch es." Er wollte eine letzte Absicherung. Selber konnte er keine Signatur daran spüren. Natürlich, ihre Befreier wollten sich nicht preisgeben. Doch der Pfeil musste mit der Kunst verstärkt worden sein, damit er so durch das Glas fliegen hatte können. Und Lilian hatte eine ganz besondere Bindung zu der Juwelenkunst des Meisters. Sie würde vielleicht mehr spüren können.
Re: Gerettet
Verfasst: Do 12. Mai 2022, 22:34
von Lilian
Lucero zog die Tür des Turmes zu und schloss sie sogar ab. Dabei musste es dahinter bereits brennen. Der Prinz kam zu ihnen zurück und blickte sich in den Gängen um, ob jemand zu sehen war. Dann erklärte er leise, dass sie sich jetzt aus der Burg schleichen würde. Lilian sah ihn erschrocken an. Jetzt? Einfach so? Aber das war irre gefährlich und was war mit Terim und Priam und Theon? Die waren doch auch noch irgendwo in der Burg und mussten unter den Räubern leiden.
Lilian hätte gerne danach gefragt, doch der Blutige sprach bereits weiter und gab ihnen weitere Anweisungen. Sie sollten Ausschau nach Mänteln, Decken und Schuhen halten. Lilian blickte an sich herab. Er hatte nur ein dünnes Kleid und ein Höschen darunter an. Wer weiß wo der Mantel war, den Aerys ihm geschenkt hatte. Sie hatten zwar aus dem Bad ein paar Handtücher mitnehmen können, doch selbst in der Burg war es bitterlich kalt geworden.
Aber Lilian vertraute dem Prinzen. Wenn er glaubte, dass jetzt der rechte Moment gekommen war, um zu fliehen, dann mussten sie es versuchen. Lucero hatte seine Juwelenkraft wieder. Wenn nötig, könnte er sie auch damit wärmen. Aber erst einmal mussten sie überhaupt aus der Burg rauskommen und die war voller Räuber. Der Prinz beschwor sie leise zu sein, nur wenn nötig zu sprechen und nicht zu rennen. Sie würden so tun als seien sie auf einem Dienstbotengang.
Lilian nickte. "Aber die anderen?", wagte er nur leise anzumerken. Luceros schmerzerfüllter Blick sprach Bände. Der Prinz antwortete nicht und ging tapfer voraus. Lilian tauschte einen Blick mit Marlin aus, der jedoch immer noch überfordert und geschockt wirkte. Sie drückte seine Hand aufmunternd und dann folgten sie Lucero. Würden sie wirklich aus der Burg? Und wie? Sollten sie einfach so aus dem Tor spazieren oder irgendwie über die Mauer klettern?
Lilian hatte anfangs in der Villa dutzende solcher Fluchtpläne geschmiedet. Er hatte nicht geahnt, dass er nun fliehen würde, aber ganz anders als gedacht. Um zurück zu Aerys zu kommen. Ihre leisen Schritte auf dem Steinboden schienen trotzdem viel zu laut und der Gang viel zu lang. Lilian erstarrte, als sie schwerere Schritte hörten und dann ein unbekannter Krieger die Treppe hinunterkam. Er sah nicht aus wie einer der Räuber. Dafür genauso finster und gefährlich.
Lucero hielt inne. Auch Lilian stockte. Was machten sie denn jetzt? Überraschenderweise trat Marlin vor und schob sie hinter sich.
Nur erkannte der fremde Krieger Marlin prompt und fragte ihn, warum er nicht bei Lady Valdarez war und ob sie etwas brauchte. Der Krieger schlenderte langsam näher. Von seinem Gürtel baumelte ein zackig aussehender Säbel. Lilian schluckte. Oh nein, oh nein. Wenn der Mann mitbekam, dass Lady Valdarez tot war und sie den Turm in Brand gesetzt hatten...
Marlin brachte kein Wort hervor und dann fragte der Krieger bereits, wer Lucero und Lilian seien. Oh nein. Hoffentlich fiel Lucero irgendeine Ausrede ein. Lilian traute sich nicht zu überzeugend zu lügen. Er könnte höchstens bestätigen was auch immer dem Blutigen einfiel.
Der fremde Krieger kam noch etwas näher.
Lilian keuchte unwillkürlich auf. Ein Augenblinzeln später hörte man ein Tock an der Fensterscheibe links von ihnen. Lilian wandte den Kopf automatisch, als auch schon ein Pfeil den Mann in der Schläfe traf. Entsetzt wich die junge Hexe zurück, konnte gerade noch verhindern nicht aufzuschreien. Hastig schlug sie die Hand vor den Mund. Es geschah alles so schnell. Der Krieger reagierte nicht mehr. Er verlor nur seinen Ausdruck in den Augen und kippte um.
Aerys. Lilian musste unwillkürlich an den Adeligen denken, während sie alle dort erstarrt im Gang standen und auf den toten Wächter sahen.
Lucero fasste sich als erstes. Er lächelte Lilian an und berührte ihn an der Hand.
"Lilian, kannst du eine Signatur am Pfeil spüren? Bitte versuch es", drängte er leise.
Aber.. der Pfeil steckte in dem Kopf des Mannes. Lilian ließ Lucero los und tippelte trotzdem näher zu der massigen Gestalt auf dem Steinboden. Der Jüngling versuchte nicht zu genau hinzuschauen, beugte sich über den Mann. Das ausgewaschene Kleid schwang sachte um die schlanken Waden. Er verstand Luceros Bitte noch nicht so ganz geschweige denn was soeben passiert war, als ihn prompt Aerys' Signatur überwältigte. Vor lauter Aufregung und tiefer Sehnsucht wechselte Lilians eigene Signatur prompt.
"Aerys..", keuchte sie. Das Mädchen vergaß alle Vorsicht und rannte zu dem beschädigten Fenster. "Aerys ist hier." Sie würde die Juwelen überall wieder erkennen. Es war, als hätte der Prinz eine persönliche Botschaft an sie verfasst. Dass er kommen und sie holen würde. Er war hier. Lilian schluchzte auf und Tränen stiegen ihr in die purpurnen Augen. Verzweifelt versuchte sie etwas durch das Fenster zu erkennen und winkte, obwohl dahinter nicht mehr als die dunkle Landschaft und Schneegestöber lagen.
Aber an der Signatur gab es keinen Zweifel. Aerys war wirklich hier. Er würde sie retten.
"Er hat uns gefunden." Lilian schluchzte. Ihre Beine wollten ihr nachgeben. Sie hielt sich an der Fensterbank fest, zerrte dann an dem verrosteten Fenstergriff, um das Fenster zu öffnen.
Lucero hielt sie zurück.
"Aber er ist hier. Er ist wirklich hier", erwiderte Lilian und ihre Augen glänzten. Nur hatte der Prinz recht, dass das Fenster viel zu hoch war und darunter nichts als steile Klippe. Sie müssten einen besseren Ort finden. Und Seile.
"Vielleicht in der Besenkammer." Sie wussten wo die war, da sie einige Male hatten arbeiten müssen und daraus Sachen benötigt hatten. "Und was machen wir mit.. ihm?" Lilian deutete auf den Toten. Aerys hatte ihnen erschossen. Er hatte ihnen im rechten Moment beigestanden und sie gerettet.
Lucero sah sich um und wies sie an den Mann unter die Treppe zu ziehen. Es war nur ein kleiner Bereich dahinter und kein gutes Versteck, aber sicherlich würden sie jeden Moment gerettet werden. Vielleicht war es dann nicht mehr so wichtig.
Marlin dagegen wirkte mehr als überwältigt, dass er schon so bald wieder auf Aerys treffen würde. Lilian berührte ihn am Arm. Vielleicht war das einer der Momente, die Lucero gemeint hatte. Dass Lilian kurz die Herrin sein musste.
"Marlin, du bist der Stärkste von uns. Zieh den Mann unter die Treppe", sagte sie und fühlte sich komisch dabei, Marlin einen Befehl zu geben. Doch der blonde Jugendliche reagierte und begann ihnen zu helfen. Danach konnten sie die Treppe hinauf und einen weiteren Gang entlang, um zur Besenkammer zu gelangen. Lilian klopfte das Herz bis zum Hals. Bitte, jetzt durfte nichts mehr schief gehen.
Sie kamen gerade so zur Besenkammer, als sie schnellere Schritte hörten. Mehrere. Lucero zog geistesgegenwärtig die Türe zu der Kammer zu. Lilian presste sich in der Dunkelheit schutzsuchend an Marlin. Doch sie hatten nochmal Glück, die Schritte liefen vorbei. Aber wer rannte so durch die Burg? Hatte man den Toten entdeckt? Oder das Feuer?
In der Besenkammer war es stockdunkel und kalt. Lucero musste eine Lichtkugel herbeirufen, damit sie sich umsehen konnten.
"Da hinten." Lilian deutete zu einem Seil, das aufgerollt an einem Haken hing. Ein Eimer baumelte am anderen Ende. Vielleicht war das fürs Wasser schöpfen in der Quelle.
Re: Gerettet
Verfasst: Fr 13. Mai 2022, 21:45
von Lucero
Er hatte nicht damit gerechnet, dass Lilian zu dem Toten hingehen musste, um den Pfeil zu überprüfen. Das hatte Lucero ihr nicht antun wollen. Um sie nicht alleine zu lassen, begleitete er sie zu der Leiche. Er machte sich etwas Sorgen, weil sich ihre Signatur nun schon mehrfach und recht abrupt geändert hatte. Lucero hatte Angst, dass das die ersten Anzeichen eines Zusammenbruches waren. Gleichzeitig wollte er sich dem Pfeil nicht zu sehr nähern, um nicht mit der eigenen Signatur etwas zu verfälschen.
Nach einem angespannten, nervösen Moment, wo Lucero sich bang wünschte, Lilian nicht darum gebeten hatte, den Pfeil zu untersuchen. Was, wenn er nicht vom Meister kam? Das hiess zwar nicht, dass kein Rettungsversuch lief, doch es bedeutete, dass Lucero sich weiterhin nicht sicher sein konnte. Ganz plötzlich wechselte Lilians Signatur wieder und das mit so einer kräftigen, weiblichen Ausstrahlung, dass Lucero instinktiv erschauderte. Noch bevor er nachfragen konnte, keuchte Lilian die ersehnte Bestätigung. Lucero schloss für einen Herzschlag erleichtert die Augen. Endlich war es vorbei. Sie mussten nur noch dafür sorgen, dass sie am Leben blieben. Nicht mehr. Einfach nur am Leben bleiben.
Mit neuem Mut und Tatkraft riss er sich wieder zusammen und eilte Lilian hinterher, die ganz so wirkte, als wolle sie aus dem Fenster klettern und zum Meister fliegen. Sie schluchzte vor Erleichterung. Rasch trat Lucero zu ihr und nahm sie behutsam in die Arme, hielt sie davon ab, aus dem Fenster zu klettern. Marlin kam verwirrt näher. Er wollte helfen, wusste aber nicht wie. Oder was los war. Bis er hörte, wie Lilian schluchzte, dass der Meister sie gefunden hätte. Dass er wirklich hier wäre. Da wurde er ganz bleich und durcheinander. Er freute sich und hatte gleichzeitig grosse Angst. Tröstend drückte Lucero ihm die Hand, während er Lilian im Arm hielt. Marlin brauchte keine Angst zu haben. Er durfte sich ebenfalls freuen.
"Er ist wirklich hier", bestätigte Lucero ihnen allen. "Und Alazier auch. Ich habe ihn heute Nachmittag gesehen. Oder mehr einen Schatten, der er hätte sein können. Ich war mir nicht sicher. Deswegen habe ich nichts gesagt. Doch jetzt wissen wir es. Bald ist es vorbei. Er hat uns gefunden. Dank dir Lilian. Weil du so tapfer warst. Jetzt müssen wir nicht mehr lange aushalten. Doch aus diesem Fenster können wir nicht raus. Hier ist es viel zu gefährlich. Das fenster ist viel zu hoch und darunter kommt nur eine steile Klippe. Wir müssen einen besseren Ort finden, wo wir fliehen können. Und Seile. Damit wir uns abseilen können."
Lilian hatte auch gleich einen Vorschlag, wo sie so ein Seil herbekommen könnten. Lucero nickte dazu. Ja, entweder die Besenkammer oder unten im Hof. Da hatten stand ein Schuppen mit allerlei Gerätschaften herum. Erst mussten sie allerdings den toten Krieger etwas verbergen. Schliesslich wollten sie, dass so spät wie möglich Alarm geschlagen wurde. Rasch blickte Lucero sich um.
"Wir zeiehn ihn unter die Treppe", vefand er schliesslich. "Das muss genügen. Es ist kein Ort, an den man sofort hinschaut." Vielleicht war es sogar besser, als wenn sie den Kerl in ein Zimmer zu verfrachten versuchten. Er war gross und schwer und die Zimmer waren weit weg. Lilian bezog Marlin mitein und gab ihm den Befehl, ihnen mit der Leiche zu helfen. Das war gut. So konnte sich der Krieger beweisen und etwas tun, anstatt nur zu denken und sich schuldig zu fühlen.
Kurz darauf fanden sie sich in der Besenkammer wieder. Auf einmal ging alles so schnell. Geistesgegenwärtig zog Lucero die Tür hinter ihnen zu, als er von weitem Schritte herbei eilen hörte. Dicht pressten sie sich alle aneinander. Schon mit Lilian allein, war es eng genug hier gewesen. Mit Marlin kuschelten sie sich gleich noch etwas enger aneinander. Sobald die Schritte draussen verklungen waren, erschuf er eine sanfte Lichtkugel, damit sie die Kammer absuchen konnten. Lilian fand ein Seil am Haken aufgerollt. Zusammen mit einem Eimer.
"Lass den Eimer gleich drann, wenn du das Seil nimmst", forderte er Marlin auf, als dieser sich nach dem Seil streckte. "Wer weiss, wofür wir den noch gebrauchen können." Zum Beispiel als Ausrede, warum sie mit einem Seil unterwegs waren und durch die Gänge stromerten. Es machte sich nun allerdings bezahlt, dass sie die sich so Mühe gegeben hatten, die Burg kennen zu lernen. Alle drei wussten ganz genau, wie sie durch die Gänge huschen mussten, um auf dem schnellsten und unauffälligsten Weg hinaus auf den Wehrgang zu gelangen. Es war eiskalt. Sie beachteten es nicht. Sie konzentrierten sich viel zu sehr darauf, einen günstigen Ort zu finden, wo sie sich gut abseilen konnten. Nur als sie an einem der Wehrhäuschen vorbei kamen, schob Lucero Lilian schnell weiter. Sie musste nicht mitbekommen, dass Theon dort drin tatkräftig drei Wachen ablenkte.
Re: Gerettet
Verfasst: Fr 13. Mai 2022, 23:18
von Lilian
Marlin streckte sich nach dem Seil, während sie alle regelrecht aneinandergekuschelt in der Kammer standen. Lilian spürte wie ihr Atem rascher ging. Lucero musste einfach recht haben. Dass es bald vorbei war. Lilian konnte es kaum erwarten Aerys zu sehen. Wieder in Sicherheit zu sein. Bei ihm. Dabei hatte sie mal ganz anders gedacht. Hatte nichts sehnlicher gewollt als vor ihm zu fliehen. Wie hatte sich alles plötzlich so sehr geändert?
Lilian kam nicht dazu länger darüber nachzudenken. Lucero öffnete vorsichtig die Türe, als die Schritte verklangen waren, und sie schlichen sich weiter durch die Gänge. Auch ohne dass Lucero es erklärte, wusste Lilian, dass sie in Richtung der Wehrgänge unterwegs waren. Lucero schob eine Türe auf und sie waren in dem schneebdeckten Innenhof. Lilian schluckte. Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Das war eine gefährliche Stelle, obwohl die Türe durch die sie gekommen waren, relativ in der Ecke lag. Es gab zwar eine Laterne, die von der Wand baumelte, aber sie war aus. So wie eigentlich immer, weil sich keiner der Räuber die Mühe machte in der Kälte bis hierher zu gehen. Sie nahmen meist den kürzeren Weg und die Treppe nahe dem Burgtor. Lilian wusste das sehr gut, hatte sie schließlich Stunden damit verbracht aus dem Zellenfenster in den Innenhof zu schauen.
Jetzt mussten sie von der Türe nur ein paar Schritte durch den Schnee und dann die Holztreppe hoch. Lilians Blicke huschten ängstlich hin und her. Von hier sah man das große Hauptgebäude. Licht brannte in den großen Fenstern. Dort wo Voxias oppulente Gemächer waren. Es musste nur jemand unglücklich in ihre Richtung schauen und man würde sie entdecken. Dennoch eilte das Mädchen den anderen hinterher. Ihre Waden waren eisig kalt, ebenso wie ihre Finger.
Dann waren sie oben auf dem windigen Wehrgang. Schnee stob in ihre schwarzen, langen Haare. Lucero sah über die Mauer und bedeutete sie dann weiterzukommen. Niemand war auf dem Wehrgang. Normalerweise stand zumindest einer hier, doch vielleicht war es dem auch zu kalt geworden. Lucero führte sie vorsichtig an einem Wehrhäuschen vorbei. Geduckt eilten sie unter dem Fenster entlang. Wärme ging von dort aus. Lilian glaubte kurz seltsame Geräusche von dort zu hören, doch der Prinz schob sie schnell weiter.
Wieder gingen sie an den Zinnen entlang. Lilian blickte in die Ferne. In der Dunkelheit konnte man nur vage das unebene Gelände vor der Burg ausmachen. Größtenteils zerklüftete Felsen und steile Hügel, bestanden mit einigen Zedern. Lilian konnte die schneebeladenen Bäume erkennen. Aber wo war Aerys und wer würde noch bei ihm sein? Lucero hatte verraten, dass er Alazier als Schatten in der Luft gesehen hatte, aber sich bis vorhin nicht sicher gewesen war, ob er es tatsächlich gewesen war.
Lilian hatte große Angst vor dem blutigen Kriegerprinzen, aber jetzt war sie sehr froh, dass er gekommen war. Er würde den Räubern auch mächtig Angst machen.
Lucero winkte sie näher als er eine geeignete Stelle gefunden zu haben schien. Es ging zwar auch weit runter, aber unten war kein Felsen und auch eine der Zedern in der Nähe. Vielleicht eine Stelle, die Aerys gut erreichen konnte. Auf halber Höhe schien eine dünne Wasserrinne aus der Wand zu ragen.
Dann glaubte Lilian in der Ferne kurz einige Schemen auszumachen, die gerade hinter dem Schatten eines Felsens verschwanden.
"Lucero..", wisperte sie aufgeregt und zupfte am Ärmel des Blutigen. Der Prinz hatte es auch gesehen und bemerkte, dass sie erst das Seil irgendwo befestigen müssten. Da duckte sich Marlin neben ihnen plötzlich nach unten. Lilian folgte ihm automatisch. Alarmiert sah sie hinter sich.
Nein, zwei der Räuber waren im Hof! Hastig krochen sie über den Schnee hinter einige Kisten und mussten warten bis die Gefahr vorrüber war. Bebend drückte sich Lilian an die Kisten. Lucero riskierte immer mal wieder einen Blick, doch dann hörten sie die Holztreppe weiter hinten knarzen. Die zwei Männer kamen ausgerechnet hier rauf!
Lilians Blick fiel auf einen dickeren Holzpfosten des Geländers des Wehrganges, nicht weit weg von ihnen. Vorsichtig deutete sie dorthin. Lucero zögerte nicht lange, nahm sich das andere Ende des Seils und kroch damit zum Pfosten. Lilians Herz wummerte wie wild. Der Prinz würde gesehen werden. Es war viel zu gefährlich.
"He, was macht ihr hier?", ertönte plötzlich eine tiefe Stimme. Oh nein, man hatte sie entdeckt. Lilian presste sich schutzsuchend an Marlin. Lucero hatte es gerade einmal geschafft das Seil um den Pfosten zu schlingen.
"Ihr könnt doch nicht ohne den alten Charis anfangen." Der Mann lachte, man hörte eine Türe. "Na los, Selon, zeigen wir denen mal wies geht."
Ausgerechnet Charis und Selon. Aber Lilian wusste nicht genau worüber die Männer redeten. Doch sie schienen in dem Wehrhäuschen zu verschwinden. Lilian atmete erleichtert durch. Lucero winkte Marlin näher und der blonde Jugendliche konnte den Knoten für das Seil knüpfen. Lilian schob derweil Schnee über das Seil, so dass man es auf dem Wehrgang nicht gleich sah.
In dem Moment ertönte vom Hof das dumpfe Ringen einer Glocke. Laut schepperte es über den Hof.
"Feuer! Feuer im Turm!", rief jemand Alarm. Lilian riss die Augen auf. Oh nein. Das Mädchen hob den Kopf und sah in Richtung des Turms. Qualm und Rauch drangen aus den aufgeplatzten Fensterscheiben. Es war jetzt nicht mehr zu übersehen.
Lucero warf das Seilende mit dem Eimer über die Mauer. Lilian eilte zu ihm, gefolgt von Marlin. Lilian wollte gerade fragen wer zuerst über die Mauer sollte, als die Türe des Wehrhäuschens wieder aufschwang. Lilian konnte gar nicht so schnell reagieren, da packte der Prinz sie am Handgelenk und riss sie mit sich. Weiter den Wehrgang entlang. Marlin rannte mit ihnen.
Weg vom Seil. Weg von der Freiheit.
Nein, sie waren so kurz davor gewesen.
Sie rutschten regelrecht über den Schnee so schnell rannten sie. Weitere Räuber kamen in den Innenhof gelaufen. Stimmengewirr und Rufe wurden laut.
Für einen kurzen Augenblick pressten sie sich hinter ein paar Fässern. Sie waren auf dem Wehrgang bei der Scheune angelangt und das Dach der selbigen war vielleicht der einzige Grund warum man sie nicht gleich vom Hof aus sah. Oder weil die Räuber vom Feuer abgelenkt waren. Doch sie saßen in der Falle. Der einzige andere Ausweg war die andere Holztreppe direkt beim verriegelten Tor. Und von dort waren ebenfalls Räuber zu hören.
Hilflos sah Lilian zu Lucero, der dann Marlin gegen das Holzgeländer des Wehrgangs drängte und ihm befahl von dort aufs Scheunendach zu springen. Von dort sollte er Lilian auffangen.
Was? Aber das schien Lilian viel zu hoch. Wenigstens hatte Lucero seine Juwelen.
Marlin schwang sich über das Geländer und sprang mutig auf das Dach. Lilian keuchte, doch es schien alles gut gegangen. Es war keine Zeit Proteste anzumelden oder ängstlich zu sein. Das Mädchen musste auf das Geländer klettern. Nervös blickte sie nach unten zu Marlins ausgestreckten Händen.
Vom Hof scholl die Glocke erneut. "Wir werden angegriffen!"
Lilian drückte sich vom Querbalken ab und sprang.
Re: Gerettet
Verfasst: Sa 14. Mai 2022, 08:25
von Lucero
Es war eiskalt auf dem Wehrgang. Der Wind pfiff durch die dünnen Kleider, Schneeflocken bissen eisig ihre nackte Haut und dazu war es noch so verflixt dunkel, dass man kaum etwas sah. Lucero konnte gut verstehen, warum die Räuber sich lieber mit Theon ablenkten, anstatt Wache zu stehen. Ihm war es mehr als recht. So behinderten wenigstens sie ihn nicht, eine geeignete Stelle zum Abseilen zu finden. Er hatte auch schon eine genaue Stelle im Kopf. Da ging es nicht ganz so tief runter, es gabe keine Zedern, die den Weg nach unten behinderten und auf halber höhe war eine dünne Wasserrinne, die aus der Wand ragte. Es war zwar noch immer eine wahnwitzige Idee, bei diesen Verhältnissen eine Flucht zu wagen. Doch sie mussten hier raus. Unbedingt. Der Meister und die anderen waren so nah. Lucero konnte sogar kurz einige Schatten ausmachen, die sich in die Dunkelheit der Felsen verzogen. Sie waren so nah.
Sie kamen jedoch noch nicht einmal dazu, das Seil zu befestigen, als Marlin sich duckte und Lilian dabei mit sich zog. Lucero folgte hastig der Bewegung. Tapferer Krieger. Während Lilian und er nur wie zwei traumtänzerische Mondkälber dahin gestarrt hatten, wo der Meister sein könnte, hatte Marlin über sie gewacht und warnte sie nun rechtzeitig. Vorsichtig krochen sie durch den Schnee und versteckten sich hinter einigen Kisten. Zwei Räuber überquerten den Hof, kamen in etwa in ihre Richtung. Das durfte nicht wahr sein. Angespannt riskierte Lucero immer wieder einen Blick. Nun so hinter den Kisten zu warten, liess sie spüren, wie eiskalt es wirklich war. Besonders, wenn man sich nicht bewegen durfte. Wenn das noch so weiter ging, starben sie an Unterkühlung.
Lilian lenkte ihn ab und deutete auf einen Pfosten, gleich bei ihnen so halb hinter den Kisten versteckt. Lucero nickte. Ja, der war geeignet. Rasch nahm er das freie Ende des Seiles und kroch zu dem Pfosten, schlang es mehrfach darum herum. Dabei verdrängte er krampfhaft die Gedanken, dass sie so gleich entdeckt werden könnten. Die Räuber kamen immer näher. Lucero hoffte, dass es ihm gelingen würde, sie zu überraschen und über die Zinnen in die Tiefe zu stürzen. Da vermeinte der Prinz ein lusterfülltes, lockendes Stöhnen von Theon zu hören. Gleich darauf wurde die Tür zum Wehrhäuschchen geöffnet und Charis beschwerte sich, dass Selon und er zurück gelassen wurden.
Erleichtert atmete Lucero auf und winkte Marlin zu sich heran, damit er unter seiner Anleitung den Knoten im Seil knüpfte. Lucero wusste zwar, wie das ging, doch Marlin war viel stärker als er und konnte die Knoten besser zuziehen. Lilian hatte derweil die kluge Idee, das Seil im Schnee zu verstecken. Lucero rieb sich die Hände warm und überlegte sich, wie er die beiden am Besten an dem Seil aus der Burg brachte, ohne dass sich jemand dabei das Genick brach. Als just in dem Moment das Feuer im Turm entdeckt wurde. Das war der ideale Moment, um zu fliehen. Er hielt sich gar nicht damit auf, zum Turm zu schauen, sondern warf den Eimer über die Mauer. Scheppernd knallte er weit unten gegen die Steine. Ein Geräusch, welches in der allgemeinen Aufregung wegen des Feuers unterging.
Dummerweise liessen sich die Räuber im Wehrhäuschen nicht mehr weiter von Theon ablenken und stürzten heraus, um zu sehen, was mit dem Feuer war. Lucero wartete nicht darauf, dass sie entdeckt wurden. Hart packte er Lilian am Handgelenk und riss sie mit sich weiter den Wehrgang entlang. Irgendwohin, wo es dunkel war und sie den Räubern auf dem Weg zum Turm nicht begegnetenn. Schliddernd zog er Lilian mit sich hinter ein paar grosse Fässer. Marlin warf sich gleich darauf dahinter. Weitere Räuber kamen in den Innenhof, Rufe wurden laut und es herrschte grosse Verwirrung. Nicht wenige von ihnen, waren nur halb angzogen oder nestelten an ihrem Hosenbund rum, um ihn zu schliessen. Für den Moment waren sie in Sicherheit. Doch nicht lang. Bestimmt würden die Räuber bald hier entlang stürmen. Ausserdem war es hier viel zu kalt. Sie mussten an einen geschützteren Ort. Sie sollten sich hinter die Räuber schleichen und erneut versuchen an das Seil zu kommen. Oder direkt das Tor öffnen, wenn alle vom Feuer abgelenkt wurden.
Prüfend blickte er auf das Dach der Scheune, kontrollierte noch einmal, ob er wirklich noch immer Zugang zu seinen Juwelen hatte. Alles war gut. Es sollte machbar sein. Denn auf dem Wehrgang konnten sie nicht bleiben. Sie konnten weder vor, noch zurück. Es blieb nur die Flucht zur Seite.
"Marlin, spring aufs Dach der Scheune", befahl er dem blonden Krieger. "Lilian wird dir folgen. Du musst sie auffangen." Marlin nickte knapp, auch wenn ihm die Angst ins Gesicht geschrieben sah. Dennoch schwang er sich ohne Umschweife über das Geländer und liess sich hinunter auf das Dach fallen. Lucero packte ihn grob mit der Kunst und bremste seinen Fall im letzten Moment ruckartig ab, damit er sich nichts brach beim Aufkommen. Es war nicht sehr elegant. Doch es musste reichen. Tat es auch. Marlin stand sofort bereit, streckte seine Hände nach oben, um Lilian aufzufangen.
"Los, jetzt du", forderte er sie auf und schob sie auf das Geländer zu. Sie hatten jetzte Zeit für Diskussionen. Zur Not würde er Lilian übers Geländer werfen. Doch auf seine Kampfgefährtin war verlass. Auch wenn sie nervös war, gehorchte sie. Erneuter Alarm wurde geschlagen. Lilian sprang. Rasch konzentrierte Lucero sich darauf, sie mit seiner Kunst zu umschliessen und hinunter in Marlins Arme gleiten zu lassen. Es wurde schon etwas sanfter, als bei Marlin. Er selbst folgte ihr nur einen Atemzug später. Sich selbst runterschweben zu lassen, war viel leichter.
"Runter mit euch", zischte er den anderen beiden zu. Flach warfen sie sich alle flach aufs Dach in den Schnee. Aufgeregt atmend blickte Lucero dorthin, wo sie das Seil zurück gelassen hatten. Vielleicht war der Meister ja daran hochgeklettert, weswegen der Alarm geleutet wurde, dass sie angegriffen würden. Doch da war niemand. Unsicher, was gerade passierte bedeutete er den anderen, ihm zu folgen. Vorsichtig robbten sie auf den Gibel des Daches, um in den Hof runter blicken zu können. Die Räuber im Hof schienen genau so verwirrt zu sein, woher der Angriff kam. Irgendwoher aus der Burg ertönten Schreie. Es war nicht so genau zu definieren, woher. Sie schienen von verschiedenen Orten zu kommen.
"Angriff? Was für ein Angriff, Mann?" wollte einer der Räuber lautstark wissen. "Ich seh nur das Feuer." Der Turm brannte inzwischen lichterloh und tauchte den Innenhof in diffuses, flackerndes Licht.
"Angriff", schrie der Mann an der Glocke erneut panisch. "Ein Dämon. Ein Dämon ist in die Gewölbe eingedrungen. Er metzelt alle nieder. Wir müssen hier raus. Wir werden alle sterben. Wir müssen hier raus." Verrückt vor Angst liess der Mann Krieger die Glocke sein und rannte zum Burgtor, um es zu öffnen und zu fliehen. Die anderen Räuber wussten nicht so recht, ob sie sich ihm anschliessen sollten, ihn auslachen sollten, oder sich um das Feuer kümmern sollten. Es entstand ein heilloses Durcheinander.
Und dann war es zu spät. Die schweren Flügel der grösseren Doppeltür aus massivem Holz und Eisen zum Haupteingang der Gebäude schwang wuchtig auf und krachte gegen die Mauern dahinter, als bestünden sie nur aus dünnen Holzbrettern. Rotglühende Ranken waren in der Finsternis der Öffnung zu sehen, ehe Alazier wirklich einem Dämonen gleich, der der Hölle entstieg aus dem Gebäude trat. Die Flügel bedrohlich ausgebreitet, das Breitschwert drohend und fest im griff. Seine eintätowierten Juwelen glimmten tödlich in seiner Haut und liessen ihn wild und tödlich wirken. Genau, was die Räuber verdient hatten. Alazier war so wunderschön, wie er sich mit einem wütenden Schrei auf die Räuber stürzte. Zurück in der dunklen Türöffnung blieb nur zart Priam, in sanftes, wenn auch fleckiges Weiss gehüllt.
Die Räuber wichen panisch vor ihm zurück. Einige versuchten ihr Glück mit dem Öffnen, des Burgtores, andere flohen weg zu anderen Türen und wieder andere hatten gar nicht mehr die Möglichkeit überhaupt zu reagieren. Eine weitere Tür fiel lautstark krachend aus den Angeln. Eine Seitentür, die zum Hof führte. Dahin, wo es zur Küche ging.
"Verdammt, Mann, jetzt lass mir doch auch welche übrig", schimpfte Kastor empört und schwang seinen mörderischen Kampfhammer. Während sich der Krieger gleich voller Begeisterung auf die Räuber stürzte, schob sich Terim hinter ihm vorsichtig aus der Tür. Lucero atmete erleichtert auf, drückte sich selbst tröstend fest Lilians Hand. Es tat so gut, alle fast beieinander zu zu sehen. Jetzt fehlte nur noch Theon.
Während er den Kopf noch dahin hochdrehte, wo Theon sein sollte, sah er, wie ein Räuber die hölzerne Treppe zum Wehrgang hochrannte. Ehe ein Pfeil in seiner Kehle stecken blieb und er an Ort und Stelle zusammen brach. Rasch verfolgte Lucero die Flugbahn des Pfeiles zurück. Sein Blick landete bei Yukarin, der dunkel, schweigsam und schlank auf dem Wehrgang stand, genau da, wo sie vorhin das Seil festgebunden hatten. Er hatte seinen besonderen Langbogen gespannt und verschoss nun fliessend und doch scheinbar in aller seelenruhe Pfeile auf all die Räuber, die sich auf den Wehrgang wagten. Javier schwang sich derweil gerade über die Zinnen, ehe er mit seinem Säbel und dem Dolch in der Hand auf das Wachhäuschen zueilte, um Theon zu retten.
Re: Gerettet
Verfasst: Sa 14. Mai 2022, 16:50
von Lilian
Lilian stockte der Atem. Dann landete sie sicher in Marlins Armen, der sie auffing. Lucero folgte dicht darauf und schwebte regelrecht vom Geländer aufs Dach. Lilian hatte nur kurz Zeit ihn zu bewundern, denn der Prinz zischte ihnen sofort zu, dass sie sich flach aufs Dach legen sollten. Obwohl kalter Schnee auf dem Bretterdach lag, presste sich Lilian hinunter. Der Schnee presste kalt und bald nass gegen ihr Kleid. Ihre Waden und Füße froren immer mehr, doch es gab nichts was sie dagegen hätten machen können. Dabei waren sie so kurz vor dem Seil gewesen. Sie hätten nur noch hinunter klettern müssen. Aber vielleicht hätten die Männer aus dem Wehrhäuschen sie alle erwischt, vielleicht gar das Seil durchtrennt, während sie daran hingen. Lilian mochte es sich gar nicht ausmalen. Nur war ihre Lage nicht viel besser geworden. Es war nur eine Frage der Zeit bis man sie entdeckte und sie vielleicht wieder einzusperren versuchte oder schlimmeres. Auf dem Dach durften sie bestimmt nicht sein. Daraus konnte man sich nicht herausreden. Hoffentlich hatte Lucero recht und sie mussten nur noch eine Weile durchhalten bis sie gerettet wurden. Aerys war so nah. Es durfte nicht so kurz vor dem Wiedersehen schief gehen. Es wäre nicht fair, wenn ihnen jetzt noch etwas passierte.
Aber das hier war keine Geschichte und keine heldenhafte Rettung mit garantiert glücklichem Ende und Lilian wusste leider nur zu gut, dass das Leben selten fair war. Besonders zu Leuten wie ihnen.
Trotzdem blieb sie schlotternd auf dem schneebedeckten Dach liegen und betete stumm zur Dunkelheit, dass sie ihnen bald Rettung schickte. Wenigstens irgendeinen Ausweg. Lucero begann zum Dachgiebel zu robben und Marlin und Lilian folgten ihm vorsichtig. Lilians Fingerkuppen waren ganz rosa geworden, aber oben am Giebel konnten sie wenigstens den Hof überblicken. Räuber rannten auf den Innenhof, brüllten sich gegenseitig an und diskutierten. Zwei hatten begonnen vom Brunnen in der Mitte des Hofes Wassereimer zu schöpfen, um das Feuer im Turm zu löschen, aber als dann die Rede von einem Angriff waren, hörten sie auf und waren verwirrt. Von irgendwo in der Burg hörte man Schreie. Was war da los? War Aerys und die anderen über einen anderen Weg in die Burg gedrungen?
Einer der Räuber schlug immer noch die Alarmglocke und schrie, dass ein Dämon im Gewölbe wäre, der alle niedermetzelte. Sie müssten hier raus, sonst würden sie alle sterben. Der Räuber rannte panisch zum Burgtor und begann es zu öffnen, während andere hingegen das Tor gegen Angreifer von außen verstärken wollten. Es war ein einziges Chaos. Niemand schien nach oben zum Scheunendach zu schauen oder sich zu fragen, wo die Gefangenen waren.
"Wir können doch nicht das Tor öffnen, wenn Angriff ist", rief einer und versuchte den aufgebrachten Räuber vom Tor wegzuziehen. Der große Riegel war trotzdem schon halb draußen. "Was für ein Dämon? Wir sind hier doch nicht in Dhemlan. Wir sind sicher, was-"
Da krachten die Torflügel des Hauptgebäudes auf, donnerten gegen die Mauern. Lilian entwich ein erschrockenes Keuchen. In der Dunkelheit sah man zunächst nur glimmende rote Ranken. Es wirkte tatsächlich sehr bedrohlich und dämonenhaft. Bis eine große Gestalt aus der Finsternis trat. Alazier! Lilians Augen leuchteten. Noch nie war sie so froh gewesen den Kriegerprinzen zu sehen. Der dunkelhäutige Blutige schwang ein riesiges Breitschwert und er hielt sich nicht damit auf sich lange umzusehen. Sofort griff er den nächsten Räuber an, war mit tödlicher Gewalt bei ihm. Lilian war so ergriffen von dem Anblick des Kriegerprinzen, dass ihm Priam im Hintergrund erst später auffiel. Dann hatte Alazier also Priam gefunden und gerettet. Er schien halbwegs wohlauf.
Dafür steckten die Räuber nun in Schwierigkeiten. Viele versuchten vor Alazier zu fliehen, waren eindeutig von dem Einfall in die Burg kalt erwischt worden. Lilian sah sogar einen Räuber, der keine Hose anhatte. Lilian kniff erschrocken die Augen zusammen, als Alazier einen der Männer überwältigte, der vergeblich versucht hatte mit einem Schwert gegen den Kriegerprinzen anzugehen. Es nahm kein schönes Ende.
Bevor die Hälfte der Bande überhaupt wusste was los war, flog eine weitere Türe regelrecht aus den Angeln, landete auf dem schneebedeckten Steinboden.
"Verdammt, Mann, jetzt lass mir doch auch welche übrig", vernahm Lilian Kastors polternde Stimme. Der Blutige trat über die Türe hinweg, in der einen Hand einen bluttropfenden Hammer, in der anderen ein Seil an dem ein gefährlich aussehender Haken baumelte. Kastor rannte zu den Räubern beim Tor und griff die ersten beiden an, verwickelte sie rasch in einen brutalen Kampf. Lilian war mehr als froh, dass diese beiden Männer auf ihrer Seite waren. Es würde alles wieder gut. Sie hatten sie gefunden. Lilian blinzelte einige Tränen fort. Lucero drückte ihre Hand und Lilian erkannte Terim, der hinter Kastor aufgetaucht war.
Lilian hätte ihm so gerne gewunken, doch sie traute sich nicht. Alazier und Kastor schienen wie übermächtige Naturgewalten, aber die Räuber waren weit zahlreicher und nach dem ersten Chaos begannen auch Machtbälle durch den Innenhof zu fliegen, schlugen krachend und brutzelnd in den Wänden ein. Lilian kauerte sich ängstlich zusammen. Im Hof hatte Kastor gerade einen flüchtenden Räuber mit dem Wurfhaken im Rücken getroffen, riss ihn kräftig vom Tor zurück. Lilian konnte nicht lange hinsehen. Es erinnerte ihn alles viel zu sehr an die einzige andere Schlacht in der er sich befunden hatte. In Raej..
Getrappel von Schritten war plötzlich auf der Holztreppe zum Wehrgang zu hören. Lilian folgte Luceros Blick. Einer der Räuber lag leblos über den Stufen. Und da, auf dem Wehrgang - Yukarin! Sein weißes langes Haar war teilweise zusammengebunden, der Wind spielte mit den Strähnen. Ruhig und anmutig stand er auf dem Wehrgang, einen großen geschwungenen Bogen in der Hand mit dem er Pfeile in fließenden Bewegungen verschoss. Lilian biss sich auf die Lippen.
Neben Yukarin kletterte soeben Javier über die Mauer, einen Dolch zwischen den Zähnen. Sie waren wirklich alle hier. Sie brachten sich alle wegen ihnen in Gefahr. Lilian unterdrückte ein Schluchzen. Eine von Aerys' Wachen schwang sich danach über die Mauer. Aber wo war Aerys selbst? Er musste in der Nähe sein. Lilian spürte seine Signatur jetzt so deutlich.
"Wo ist Aerys?", fragte sie Lucero. "Was sollen wir jetzt tun?"
Re: Gerettet
Verfasst: Sa 14. Mai 2022, 17:30
von Lucero
"Hoffentlich nicht hier in unmittelbarer Gefahr, sondern ausserhalb der Burg in einem sicheren Stützpunkt", betete Lucero auf Lilians Frage, wo denn der Meister sei. Aber so wie Lucero den Meister kannte, würde dieser gar nicht vernünftig sein und sich in Gefahr bringen, um sie zu retten. Dass er in Sicherheit war, hoffte er trotzdem. Jede Rettung würde nichts nutzen, wenn der Meister verletzt oder gar getötet werden würde. Das Selbige galt allerdings auch für Lilian, Marlin und ihn selbst.
"Wir verstecken und schön und passen dabei auf, dass wir niemandem im Weg stehen", riet Lucero Lilian, was sie tun sollten. "Nicht, dass wir jetzt noch im letzten Moment verletzt werden." Lucero fürchtete, dass Lilian noch vor lauter Sehnsucht nach dem Meister versuchen würde, vom Dach zu klettern und durch das Chaos im Hof zu ihm zu gelangen. Das war viel zu gefährlich. Besser sie blieben hier, versteckten sich und achteten darauf, nicht von Pfeilen oder Machtbällen getroffen zu werden. Was allerdings auch nicht so leicht war, da Lilians Signatur vor lauter Aufregung strahlte wie ein Leuchtfeuer.
Lilian und Marlin dicht an sich ziehend und im Arm haltend, erschuff er einen starken, kuppelförmigen Schild um sie drei herum. Das sollte reichen, bis die Räuber besiegt waren. Alazier hatte jedoch andere Pläne mit einem kräftigen Sprung unterstütz von mehreren Flügelschlägen sprach der Kriegerprinz zu ihnen aufs Scheunendach und schritt auf sie zu. Ignorierte dabei, dass das Dach gewaltig unter seinem Gewicht ächzte. Und auch Luceros Schutzschild.
"Hier hast du dich versteckt, kleines Krötlein", meinte er richtig sanft und liebevoll zu Lilian. "Tut gut, dich zu sehen. Du bist ja gar nicht mehr so hässlich, wie ich dich in Erinnerung hatte. Komm. Ich bring dich zum Meister." Ohne Umschweife pflückte er Lilian aus Luceros Arme und hob sie zu sich an seinen Oberkörper, damit sie ihre Arme um seinen Hals und ihre Beine um seinen Bauch schlingen konnte. Mit einem Arm hielt er sie gut fest und an sich gepresst, in der anderen hielt er sein brutales Breitschwert.
"Gut festhalten", befahl er ihr streng, ehe er sich zu Marlin und Lucero wandte. "Ihr bleibt schön hier. Euch komme ich nachher holen." Kräftig stiess er sich vom Dach ab, welches an dieser Stelle nun entgültig unter ihm nachgab. Ein gewaltiges Loch entstand in dem Gebälk. Alazier war jedoch schon weiter, beinahe an Yukarin über den Wehrgang hinaus, als einer der Räuber einen dunklen Machtball auf ihn schleuderte. Fluchend musste Alazier abrupt abdrehen. So sehr, dass Lilian erschrocken aufschreiend den Halt verlor. Schwer hing sie in dem einen Arm des Kriegerprinzen. Alazier blieb nichts anderes übrig, als eine Kurve zu fliegen und mit Lilian wieder den Wehrgang anzusteuern. Glücklicherweise wartete da bereits Yukarin auf die Beiden, um Lilian behutsam in Empfang zu nehmen. Kaum hatte er sie sicher vor sich auf den Boden gestellt, da stürzte Alazier sich schon wieder mit einem zornigen Schrei auf die Räuber im Hof.
"Lilian", grüsste Yukarin sie mit einem seiner seltenen, sanften Lächeln. "Denkst du nicht, dass du nun lange genug meinem Unterricht ferngeblieben bist? Du hast inzwischen viel nachzuholen." Der weisshaarige Krieger verzog bei dem Scherz kaum eine Miene, doch seine Augen leuchteten voller Erleichterung und Freude. Doch viel Zeit zur Begrüssung war ihnen nicht vergönnt. Einerseits kletterten immer mehr Wachen von Aerys und andere Kämpfer das Seil hoch und banden weitere Seile fest, um noch mehr Kämpfern den Weg nach oben zu erleichtern, andererseits, kamen nun auch Räuber von der anderen Seite des Wehrganges her. Da, wo die Tür zum Gebäude verschlossen gewesen war. Schneller, als das Auge es erlaubte zu sehen, wirbelte Yukarin zu ihnen herum und verschoss zielsicher drei Pfeile, während er sich gleichzeitig schützend vor Lilian stellte.
"Es, tut mir Leid, Lilian", entschuldigte er sich höflich. "Doch ich fürchte, du wirst nochmals einen anderen Weg nehmen müssen." Damit drehte er sie rücklings zum Innenhof und stiess sie mit der flachen Hand gegen ihr Brustbein, so dass sie weit nach hinten segelte. Noch in der selben Bewegung, liess er seinen Bogen verschwinden und rief stattdessen sein leicht gebogenes, elegant aussehendes, fremdländisches Schwert herbei, um mit geschmeidigen Bewegungen die Angriffe der Räuber abzuwehren. Lilian glitt derweil rückwärts in den Innenhof. Es war ein kontrolliertes Fallen. Direkt in Kastors starke Arme, der sie sanft auffing.
Re: Gerettet
Verfasst: Sa 14. Mai 2022, 21:22
von Lilian
Lucero wusste es auch nicht, doch er hoffte, dass Aerys bei einem sicheren Stützpunkt wäre und nicht in unmittelbarer Gefahr.
"Aber er hat auf diesen Räuber geschossen", gab Lilian zu bedenken, "Er ist in der Nähe." Dessen war sie sich sicher. Lilian wollte am liebsten sofort zu ihm, doch Lucero beschwor sie, dass sie auf dem Dach bleiben sollten. Es wäre besser, wenn sie sich weiterhin versteckten und niemandem im Weg waren. Sie dürften nicht im letzten Moment verletzt werden. Das Mädchen nickte. Das klang vernünftig. Aber ihr Herz wollte etwas ganz anderes. Nur traute sie sich auch nicht wirklich das Scheunendach hinunter. Im Innenhof herrschte großes Chaos, was vor allem an Kastor und Alazier lagen, die gegen mehrere der Räuber kämpften. Machtbälle schossen dicht über das Scheunendach, doch Lucero hatte Marlin und sie fester an sich gezogen. Lilian bibberte immer stärker. Nur noch ein bißchen durchhalten.
Da sprang Alazier plötzlich zu ihnen aufs Dach. Eisiger Wind stob unter seinen großen Flügeln auf. Das Dach knirschte bedenklich unter den schweren Schritten des großen Kriegerprinzen. Zuerst glaubte Lilian schon, dass der Blutige sie gar nicht bemerkt hätte wie sie hier im Schnee kauerten, als er zu ihnen hinunter blickte. Und dann nannte er sie kleines Krötlein und alles war gut. Lilian strahlte ihn an. Alazier hatte ihn schon einmal beschützt. Damals vor den suchenden hayllischen Soldaten.
"Tut gut, dich zu sehen. Du bist ja gar nicht mehr so hässlich, wie ich dich in Erinnerung hatte. Komm. Ich bring dich zum Meister", erklärte der Kriegerprinz.
"Alazier! Es ist das allerbeste dich zu sehen", erwiderte Lilian. Da wurde sie schon gepackt und Alazier pflückte sie regelrecht aus dem Schnee und aus Luceros Armen. Kurz darauf fand sich das Mädchen an die breite Brust des Eyriers gepresst. Lilian schlang schutzsuchend ihre Arme um seinen Hals, ihre schlanken Beine um den Bauch des Kriegerprinzen.
Alazier ermahnte sie sich gut festzuhalten und Lilian tat ihr bestes sich an ihn zu schmiegen. Aber was war mit Marlin und Lucero? Bevor sie fragen konnte, wandte sich der Blutige an die beiden und versprach sie nachher zu holen. Lilian konnte nur noch kurz zu seinen Freunden sehen, als sich Alazier schon mit Kraft vom Dach abstieß und in die Lüfte aufstieg. Die schwarzen Flügelschwingen trieben Schneeflocken in Lilians Gesicht und ließen sie heftig blinzeln. Unter ihnen war ein lautes Krachen zu hören. Lilian blickte keuchend nach unten.
Der Eyrier war so heftig vom Dach abgestoßen, dass er ein riesiges Loch hinein gerissen hatte. Lilian sah gerade noch wie Lucero mit Marlin in Sicherheit kroch. Zum Glück war ihnen nichts passiert. Dann verlor Lilian die beiden aus den Augen, als er an Alaziers Seite durch die Luft wirbelte. Der Hof drehte sich unter ihm, da war der Wehrgang und Yukarin und dahinter die Hänge und Felsen unter der Burg. Für einen Augenblick zog alles rasend schnell an Lilian vorüber, als der Blutige unversehens so stark nach rechts schwankte, dass das Mädchen den Halt verlor. Ein dunkler Machtball sauste nur gerade knapp an ihnen vorbei.
Lilian schrie erschrocken auf, spürte in einer Schrecksekunde wie sie aus den Armen des Kriegerprinzen entglitt. Er konnte sie gerade so noch an der Taille packen und an sich drücken. Lilian keuchte entsetzt, hilflos baumelten ihre kalten Füße in der Luft.
"Alazier!"
Der Kriegerprinz fluchte und sank näher zum Wehrgang, wo Yukarin schon auf sie zu warten schien und die Arme nach ihr ausstreckte. Bevor Lilian wusste was geschah, prallte sie bereits leicht gegen den weißhaarigen Blutigen und Alazier ließ sie los. Lilian sank für einen Moment an Yukarins Brust zusammen ehe der Blutige sie sicher vor sich abstellte. Während Alazier hinter ihnen bereits wieder abdrehte und zurück in den Innenhof sprang, dabei sein Breitschwert in tödlichem Bogen führend, lächelte Yukarin sie sanft an.
Lilian schluchzte glücklich auf und konnte nicht anders als ihn anzustrahlen.
"Lilian. Denkst du nicht, dass du nun lange genug meinem Unterricht ferngeblieben bist? Du hast inzwischen viel nachzuholen", bemerkte der Blutige ausgerechnet. Lilian musste leicht lachen, dabei war das alles so absurd.
"Ja, es tut mir leid, ich mag jetzt wieder Unterricht haben. Es tut mir leid, dass ich so lange gefehlt habe", erwiderte Lilian. Es war schon viel zu lange her, wo er doch auch Zeit gebraucht hatte Tuanas Untersuchung zu verarbeiten und was er jetzt war. Aber nun hätte Lilian alles dafür gegeben wieder in der Bibliothek zu sein und Yukarins Erklärungen zu lauschen. Es hatte wirklich viel Spaß gemacht und er vermisste es. Yukarin hatte ihm bestimmt noch viel beizubringen.
Neben ihnen kletterten weitere Wächter über die Mauer, doch dies hatten auch die Räuber bemerkt und kamen nun in einer großen Gruppe auf den Wehrgang gerannt, um die Eindringlinge abzuwehren. Yukarin drehte sich in einer schnellen Bewegungen herum, spannte noch gleichzeitig den Bogen und schoss auf die herannahenden Angreifer. Der Blutige hatte sich schützend vor sie gestellt, ein blutroter Mantel schwang in der Dunkelheit, befleckt von weißen Schneeflocken.
Yukarin wandte sich wieder ihm zu und bemerkte gelassen, dass Lilian wohl einen anderen Weg nehmen müsste.
"Aber.."
Der Blutige schob sie zum Rand des Wehrgangs und stieß ihr plötzlich mit der flachen Hand gegen die Brust. Das schützende Geländer schien an dieser Stelle bereits weggebrochen zu sein. Haltlos fiel Lilian nach hinten, sah mit geweiteten Augen hoch zu Yukarin, konnte noch sehen wie dieser sich bereits den Räubern zuwandte und seinen Bogen gegen ein gebogenes, langes Schwert ausgetauscht hatte.
Dann verschwand er aus Lilians Sicht und er landete in einer kräftigen Umarmung. Verwirrt blickte Lilian auf, hinein in Kastors breites Grinsen.
"Hallo, kleine Lady." Er hielt sie ganz sanft. "Hab gehört, du wirst beim Meister gebraucht."
Mit ihr im Arm, steuerte Kastor aufs Tor zu. "Wird vielleicht was ungemütlich, kleine Lady." Dann packte der Blutige ihn fester und begann zu rennen. Lilian keuchte und hielt sich verzweifelt fest. Kastor pflügte einfach so durch zwei Räuber hindurch, stieß sie aus dem Weg. Lilian fühlte sich nur noch wie ein kleiner Spielball in den Händen der Blutigen. Kastor schlug mit dem Hammer nach einer der Räuber. Blut spritzte auf, traf Lilians Wange. Der Jüngling keuchte auf, wandte den Blick ab.
Dann waren sie beim Tor, wo bereits Javier und einer der Wächter waren und in Bedrängnis schienen.
"Hier, halt mal." Kastor drückte Lilian einfach in Javiers Arme. Der schöne Blutige presste sie an sich, lächelte sie charmant an.
"Hey Nacktschneckchen, hast du mich vermisst?"
Lilian strahlte erleichtert. "Ja, ganz fest, Javier!", bekräftigte er. Lilian hatte viel an die anderen in der Villa gedacht. An Yukarins Tee und Apfelstücke, selbst an Horatio und Licus' Kleider, an Bariols Essen und an Javiers Zimmer, wo es immer Tee und Plätzchen gab und das doch viel gemütlicher war als er zu Beginn gedacht hatte.
Im Hintergrund stürzte sich Kastor mit einem Brüllen auf mehrere Räuber, die das Tor verteidigten. Javier schien das alles nicht zu stören und er bemerkte, dass Lilian dringend aus diesen nassen Sachen rausmüsste. Lilian nickte und schniefte gerührt.
"Wo ist Aerys?", fragte er.
Als Antwort ertönte ein lautes Bersten. Javiers wich mit ihr gerade noch gewandt zur Seite, als das große Burgtor aufbrach. Kastor hatte anscheinend keine Geduld mehr mit dem Torriegel selbst gehabt. Die schweren Seitenflügel stürzten zur Seite und Javier sprang mithilfe der Kunst in der Luft. Sie segelten scheinbar schwerelos über die Räuber und das Tor hinweg ehe sie mit einem Satz einige Meter dahinter auf dem Weg landeten.
Re: Gerettet
Verfasst: So 15. Mai 2022, 08:55
von Lucero
Lilian sicher in seinen starken Armen haltend, pflügte Kastor sich durch die Räuber als wären sie nur Strohhalme. Zielstrebig steuerte er auf das Haupttor der Burg zu. Wo Javier alle Hände voll damit zu tun hatte, Theon zu verteidigen, der verzweifelt versuchte den schweren Riegel aus seiner Halterung zu ziehen. Es gelang ihm nur langsam. Doch dann war Kastor da und drückte Lilian Javier kurzerhand in die Arme, ehe er sich mit Gebrüll auf die Räuber stürzte, die Theon bedrängten. Klugerweise traten Javier und Theon rasch beiseite, um Kastor nicht im Weg zu stehen.
Es dauerte auch gar nicht lange, da ertönte ein lautes Bersten und das mächtige Burgtor brach auf. Theon hatte sich in einer Nische in Sicherheit gebracht. Während die Räuber sich entsetzt vor Kastor verteidigen wollten. Gleichzeitig strömten nun von draussen weitere Kämpfer herein, die die Blutigen tatkräftig unterstützten. Javier kümmerte sich um all das nicht, sondern sprang mit Lilian einfach mit Hilfe der Kunst über all die Kämpfer hinweg und brachte Lilian nach draussen in Sicherheit.
Lucero seufzte erleichtert auf und hatte das Gefühl, ihm würde eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen. Aufmunternd wollte er Marlin zu lächeln, dass er der nächste wäre, der hier rausgeschafft werden würde. Doch als er sich dem Krieger zuwandte, sah er gerade noch, dessen Blondschopf in dem Loch des Scheunendaches verschwinden. Fluchend robbte er zu dem Loch hin.
"Marlin?" rief er ihm hinterher. "Marlin, was beim Feuer der Hölle tust du da? Alazier hat gesagt, wir sollen hier warten." Stattdessen kletterte Marlin am Gebälk hinunter in die Scheune. Wenn der Dummkopf nicht aufpasste, brach er sich dabei noch das Genick.
"Marlin!" brüllte Lucero besorgt und begann vorsichtig und mit klammen Gliedern dem Krieger nachzuklettern.
"Lilians Mondanhänger", rief Marlin zurück, als würde das alles erklären.
"Was?" fragte Lucero entsprechend verblüfft zurück.
"Den Anhänger, den sie vom Meister geschenkt bekommen hat", erklärte Marlin hastig. "Voxia hat ihn ihr abgenommen. Sie war so traurig deswegen. Ich muss in ihr holen." Damit hatte das weissgewandete Kunstwerk den Boden der Scheune erreicht. Sofort rannte er zur Scheunentür und lugte vorsichtig heraus. Lucero fluchte ungehalten. Das hatte doch Zeit, bis der Meister die Burg eingenommen hatte. Doch Marlin hörte nicht auf ihn. Es schien ihm eine fixe Idee zu sein, Lilians Mondanhänger zu retten und ihn ihr zu bringen. Fast so, als wolle er es dadurch wieder gutmachen, dass sie alle, wie er glaubte seinetwegen, gefangengenommen worden waren.
Als Lucero schliesslich selbst die Scheunentür erreicht hatte, sah er gerade noch, wie Marlin an Terim vorbei in die Burg jagte. Auf direktem Weg zu Voxias Gemächern, wie der Prinz vermutete. Lucero fluchte, nahm all seinen Mut zusammen und rannte Marlin hinterher. Auch Terim folgte ihm, auch wenn er nicht wusste, um was es ging. Was nett war, doch keiner von ihnen konnte Kämpfen, wenn sie auf einen der Räuber stiessen.
*Yukarin. Kastor*, sandte Lucero drängend wengistens zwei Kämpfern, eine Warnung, in der Hoffnung, dass wenigstens einer von den Beiden ihnen folgen konnte. Oder zumindest ihnen Wachen hinterher schicken konnte. Dann war auch er in der Burg verschwunden, schnell hinter Marlin und Terim herrennend. Es gab wenigstens warm, dachte sich der nüchterne Teil in ihm.
Re: Gerettet
Verfasst: So 15. Mai 2022, 11:19
von Kastor
Kastor schlug nach dem Räuber vor sich, verpasste ihm einen Haken. Der Kerl brüllte auf, als seine Wange weggerissen wurde. Kastor grinste dunkel. Es war eine gute Idee gewesen sich die Schlagringe anzuziehen. Die spitzen Krallen knisterten, bluttropfend und von Kunst umgeben. Er hatte ein paar Schläge gebraucht, aber irgendwann war das Schild des Entführers zusammengebrochen. Es war enttäuschend schnell gegangen. Dieser Abschaum sollte ihre Familie eine Woche lang haben festhalten können? Lächerlich.
Kastor holte erneut aus, trieb den Mann gegen die Reste des Tors. Es hatte einiges seiner Juwelenkraft gebraucht es aufzureißen, doch Kastor hatte dahinter die Signatur ihrer Verbündeten spüren können. Hauptmann Tharn und die Verstärkung sowie ein paar der Wachen von der Schwester des Meisters.
Genug, um Javier und ihn aus der Bedrängnis zu bringen. Kastor hatte sich weniger Sorgen um sie gemacht als um Theon, der in einer Nische zwischen Burgtor und einer Türe in ein Wachhaus daneben kauerte. Immer wieder hatte Kastor versucht die Räuber von Theon abzuhalten, den einige waren schlau genug, um genau zu wissen, dass man das Schäfchen als Druckmittel einsetzen könnte. Javier konnte ihm auch nicht helfen, denn der Blutige war mit Lilian im Arm über die Kämpfenden und das Tor gesprungen, um in einiger Entfernung auf dem Weg zur Burg zu landen. Ohne Zweifel, um Lilian zum Meister zu bringen. Das hatte Vorrang. Ansonsten würde der Meister sich noch in die Burg stürzen und sich noch stärker in Gefahr bringen als er es ohnehin schon tat. Bogenkünste halfen nicht mehr, wenn man von mehreren Angreifern eingekesselt war.
Mit einem Brüllen stürzte sich Kastor auf den nächsten, musste gleichzeitig einen zweiten Kerl abwehren und das war nicht so leicht mit einem Hammer. Damit verteidigte man nicht. Man griff an und zertrümmerte Knochen. Eine Dolchklinge fuhr in seinen Unterarm, nur halb gestoppt durch das Schild. Kastor grunzte und verzog das Gesicht. Der Räuber machte einen triumphierenden Laut, schien zu glauben, er wäre überlegen nur weil Kastor anfing zu bluten. Das war nicht die einzige Wunde und Prellung, die er hatte. Eine Platzwunde über seiner Braue behinderte schon länger immer wieder seine Sicht. Lästig.
Der Blutige riss seinen Arm zurück. Mit dem Dolch in seinem Fleisch.
Der nun unbewaffnete Räuber schaute verblüfft. Kastor stieß nach seinem Kumpanen, um sich dem vom Leib zu halten. Gegen mehrere Gegner gleichzeitig zu kämpfen, klang heroisch, aber es war auch verdammt kompliziert. Alazier ließ es nur so leicht ausschauen wie er da im Innenhof durch die Räuber wirbelte und eine Spur an Blut hinterließ. Kastor riss sich den Dolch aus dem Unterarm, schleuderte ihn dem Unbewaffneten ins Gesicht. Kurz davor verstärkte er die Klinge mit seiner Juwelenkraft und sie raste nur so durch das Auge des Kerles hindurch. Das andere erstarb sofort. Hmm, ein Problem weniger.
Sein Arm war allerdings eines. Kastor wechselte den Hammer in die Linke.
Mit einem lautlosen Satz war Javier plötzlich an seiner Seite.
"Wo bleibst du denn?", fragte Kastor. Javier witzelte, dass Kastor doch alle Räuber für sich alleine hatte haben wollen.
"Hmmm, sind genug für alle da", musste Kastor zugeben, als sie eine Weile Seite an Seite kämpfte. Doch dann entschuldigte sich Javier, dass es Zeit für ihn wäre wieder ein Leben zu retten. Damit wich er geschmeidig einem Räuber aus und tänzelte zwischen den Kämpfenden hindurch zu Theon, um ihn zu packen und ihn in Sicherheit zu bringen. Kastor brummte. Sah Javier ähnlich, dass er mal wieder den Helden spielte. Aber so war das Schäfchen wenigstens endlich außer Gefahr. Nervte Kastor schon die ganze Zeit über.
Sein blutiger Unterarm tropfte. Scheiße, er musste das verbinden, aber er bekam keine Zeit dazu. Und dann sandte ihm auch noch Lucero. Es klang drängend. Kastor hieb mit seinem Hammer nach einem Räuber, trieb ihn gegen die nächste Burgmauer. Der Blutige hatte einen kurzen freien Moment, um zum Scheunendach zu sehen. Dort hatte sich sein Bruder doch mit Marlin und Lilian versteckt gehabt, doch weder Marlin noch Lucero waren noch dort. Kastor sah über den Innenhof und entdeckte wie Lucero auf das Hauptgebäude der Burg zuhielt. Dort wo Terim gerade drin verschwand.
"He, das ist die falsche Richtung!", rief Kastor. Verdammt! Mit einem Schwinger trieb er zwei der Räuber zurück und eilte dann Lucero hinterher, der bereits in die Burg rannte. Kastor hatte keine Ahnung wieso, aber er vermutete, dass die Schäfchen mal wieder irgendeinen Unsinn anstellten und Lucero machte dabei viel zu oft mit. Man konnte schnell vergessen, dass Lucero noch nicht lange Blutiger war. Er hatte seine Ausbildung schnell gemacht, aber er war immer noch jung. Trotzdem hatte er es wohl geschafft die Schäfchen bei den Räubern zu beschützen. Alle lebten noch und keiner war schwer verletzt. Kastor hatte nicht daran geglaubt.
Der Blutige stieß zwei Männer beiseite, dann hechtete er in die Burg. Er keuchte schwer. Er hasste es seiner Beute nachzurennen. Jedenfalls nicht, während er verletzt war. Im Gehen riss sich Kastor ein Stofftuch vom Gürtel, versuchte es behelfsmäßig über den Arm zu schlingen.
"Was glaubt ihr, was ihr hier tut?", fragte Kastor, als er zum Fuße einer Steintreppe kam, wo er sowohl Marlin und Terim als auch Lucero aufgabelte. Der Blutige hatte sich schützend vor die beiden Krieger gestellt. Hatte sich trotz seiner kleinen Statur vor einem Räuber aufgebaut, der mindestens zwei Köpfe größer als er war.
"Ich hab euch extra einen Ausgang gemacht", beschwerte sich Kastor und trat vor Lucero. "Und was macht ihr?" Er verpasste dem Räuber einen Machtstoß und der Kerl flog gegen die Treppe, fluchte und versuchte sich aufzurappeln. Kastor beugte sich über ihm, ließ den Hammer runterkrachen. Mit einem Knistern prallte er an einem Schild ab. Der Blutige nahm die Gegenwehr grunzend zur Kenntnis.
"Ihr macht wohl einen Ausflug. Und ohne mich", fuhr Kastor fort. Der Räuber unter ihm versuchte sich wieder aufzurappeln. Kastor trat ihm mit schweren Stiefeln mitten in den Schritt, hörte es Knacken und kurz darauf das befriedigende Schreien des Mannes. Das Schild brach zusammen.
"Da kennt ihr den alten Kastor aber schlecht." Der Hammer sauste erneut hinunter. Blut spritzte auf. "Bin immer für einen Spaß zu haben." Die Schreie verklangen zu einem Gurgeln. Dann war es vorbei.
Blut rann über Kastors Unterarm, tropfte zu Boden. Der Blutige wog den Hammer prüfend in seiner linken Hand. "Hmm, muss mehr mit der Linken trainieren", stellte er fest. Er hatte die Kehle des Mannes nicht mittig erwischt. Nun, tot war er trotzdem.
"Verbind das." Er hielt Terim seinen rechten Arm hin, wischte sich mit dem anderen das Blut von der Braue.
Re: Gerettet
Verfasst: So 15. Mai 2022, 12:17
von Lucero
In der Burg war Marlin zum Glück nicht weit gekommen. Sonst hätte Lucero ihn vielleicht nicht so schnell gefunden. Dummerweise war Marlin deswegen nicht weit gekommen, weil ihn einer der Wächter am Arm gepackt hielt. Er schien ihn als Geisel nehmen zu wollen. Marlin wehrte sich mit Leibeskräften gegen den Krieger. Terim, der Marlin vor Lucero erreichte, packte ihn um die Taille und versuchte ihn wegzuziehen. Lucero gab sich Mühe, noch schneller zu rennen. Mit einem zornige Schrei prallte er voller Wucht gegen den grossen Entführer. Sein Aufprall war so hart, dass der Mann mit ihm zusammen umfiel und überrascht aufschreiend Marlin losliess. Terim zog ihn sofort weg von dem Räuber und legte einen Schutzschild um sie beide.
"Lucero!" rief Marlin überrascht und besorgt. Er schien ihm helfen zu wollen, wurde aber vernünftigerweise, von Terim aufgehalten. Marlin wusste ohnehin nicht, wie er gegen den Krieger hätte angehen sollen. Nicht, dass es Lucero wusste. Allerdings war der zierliche Prinz schnell, wenig und klug. Blitzschnell rollte er sich ausser Reichweite des Kriegers, während der noch benommen auf die Beine zu kommen versuchte. Sofort stellte Lucero sich zu Marlin und Terim, legte einen roten Schutzschild um sie alle drei und rief zwei der gefährlich aussehenden Küchenmesser aus dem Turm herbei. Es war nicht so, dass er wusste, was er mit denen hätte anfangen können. Er konnte nicht mehr tun, als furchbar gefährlich und grimmig auszuschauen zu versuchen, in der Hoffnung, dass der Räuber dachte, er wäre auch so ein Blutiger wie Javier oder Yukarin. Gefährlich und tödlich. Gleichzeitig versuchte er dabei einen Überblick über den Ort zu haben und einen Weg zu finden, von dem Räuber wegzukommen. Während er sich nichts sehnlicher wünschte, dass Kastor oder Yukarin sie retten käme.
Als hätte er ihn sich herbeigewünscht kam Kastor polternd hinzu und schimpfte mit ihnen, was sie den glaubten, hier zu machen. Er hätte ihnen extra einen Ausgang gemacht und sie würden nun einen Ausflug ohne ihn machen. Lucero grinste den Räuber diabolisch an. Wenn Kastor in dieser Stimmung war, würde es besonders elend für den Entführer ausgehen. Prompt bekam dieser von Kastor dessen Stiefel zwischen die Beine gedonnert. Kurz darauf war es auch schon vorbei mit ihm. Blut spritzte auf, als Kastor seinen Hammer hinunter sausen liess. Lucero erschauderte erleichtert, dass er den Schutzschild noch oben gelassen hatte. Er wäre sonst schon wieder in Blut gebadet worden.
"Wir wollten dich keinesfalls ausschliessen von dem Spass, Kastor", grinste Lucero selbstbewusst zur Begrüssung. "Marlin ist nur gerade etwas heissblütig und spontan." Damit senkte er seinen Schild, damit Terim Kastor den Arm verbinden konnte. Ohne Scheu kam der stille Krieger dem fürsorglich nach. Lucero beobachtete es mit einem kritischen Blick, ob es nicht vielleicht etwas zu ergeben und fürsorglich war. Terim Kastor bestimmt sehr dankbar, dass dieser ihn gerettet hatte, während Lucero ihm nur befohlen hatte, sich diesen widerwärtigen Räubern immer wieder und wieder hinzugeben und sich von ihnen vergewaltigen zu lassen. Er hätte sich besser auf Marlin konzentriert. Denn sobald der Schild unten und der Weg frei war, hielt den blonden Krieger nichts mehr auf.
"Ich muss ihn finden", erklärte flehentlich. "Bevor er verloren geht." Ohne auf ihre Antwort zu warten, rannte er los. Die Treppe hoch. Lucero fluchte.
"Er will ins Zimmer der Anführerin", rief Lucero entsetzt über Marlins Fanatismus und rannte ihm hinterher, um hoffentlich das Schlimmste zu verhindern. Gern hätte er mehr erklärt, doch ihm blieb keine Zeit. Terim würde jedoch wissen, wohin Marlin unterwegs war und konnte Kastor führen, sobald er dessen Arm verbunden hatte. Bis Kastor sie aufgeholt hatte, konnte Lucero hoffentlich jeden Schaden von Marlin abwehren.
Oben an der Treppe rannte Marlin den breiten, edlen Flur mit den Gästezimmern entlang. Lucero hetzte hinterher. Am anderen Ende gab es eine weitere Treppenflucht. Priam versteckte sich dort hinter einer Ecke, während Yukarin mit zwei Wachen kämpfte, die wohl zu Lady Valdarez Leibwache gehörten. Sie schienen gut ausgebildet zu sein und wussten, wie man kämpfte. Zielstrebiger. Anders als die Räuber, die vorallem drauf losprügelten. Yukarin schien das nicht zu kümmern. Er bewegte sich blitzschnell und doch ruhig und gezielt zwischen den beiden Wachen hin und her und setzte ihnen ordentlich zu. Sein wunderschön silbernes Haar hatte einige Blutflecken abbekommen und seine Kleidung sah angesengt aus.
Leider kam Lucero nicht dazu, Yukarin zu bewundern, geschweige denn, ihm beizustehen. Erstaunlich kaltblütig hatte sich Marlin an den Kämpfenden vorbei geschoben und rannte die nächste Treppe hoch. Fluchend folgte Lucero ihm. Hinter sich hörte er bereits Kastor heran poltern. Wenn Yukarin die beiden Wachen noch nicht erledigt hatte, bis der kräftige Krieger eingetroffen war, würde dieser ihm helfen. Lucero musste auf Marlin achtgeben. Was dachte der dumme Krieger sich nur dabei? Was dachte er, wie leer er Voxias Zimmer vorfinden würde?
Re: Gerettet
Verfasst: So 15. Mai 2022, 14:03
von Kastor
Lucero hatte die anderen derweil mit einem Schutzschild geschützt und bemerkte dann grinsend, dass sie Kastor nicht vom Spaß hätten ausschließen wollen. Oh, es tat gut Lucero wiederzusehen. Es schien als hätte der andere Blutige sein Bestes gegeben. Lucero konnte zwar nicht kämpfen, aber gegen eine Überzahl an Gegnern half auch kein einzelner Kämpfer. Nichtmal jemand wie Alazier. Dafür hatte der jüngste Blutige ein flottes Mundwerk und konnte sich aus allem möglichen herausreden.
"Marlin ist nur gerade etwas heissblütig und spontan", erzählte Lucero, während Terim zu Kastor kam, um ihm den blutigen Arm notdürftig zu verbinden.
"Unser Marlin? Das Heißblut soll er sich mal fürs Bett aufheben", bemerkte Kastor und lachte. Normalerweise war der Jugendliche doch viel zu ängstlich, um-
Schon war der blonde Krieger hervor gerannt und sagte, dass er ihn finden müsse bevor er verloren ging. Dann rannte er bereits die Treppe hoch. Kastor blickte ihm verblüfft nach. Was sollte das denn?
"He, Marlin!", rief er hinterher, aber der Jüngling ließ sich nicht aufhalten. Neben ihm fluchte Lucero und erklärte, dass Marlin ins Zimmer der Anführerin wollte.
"Was will er denn- he!", begann Kastor, als auch Lucero die Treppe hochrannte und Marlin hinterher. Kastor schnaubte. Da wurde man einfach mitten im Gespräch stehen gelassen. Er hätte die beiden ja auch gerne noch umarmt und ihnen einen Kuss gegeben. Aber die zwei waren mal wieder schwer beschäftigt und schienen sich nicht dafür zu interessieren, dass man sie retten wollten.
Wenigstens Terim blieb bei ihm und verband ihm den Arm. Im Innenhof hatte Kastor den stillen Krieger kurzzeitig aus den Augen verloren, doch sonst hatte er immer dafür gesorgt, dass Terim dicht bei ihm war, um ihn beschützen zu können. In den Höhlen hatte das prächtig geklappt und auch jetzt konnte Terim ihm den Weg zeigen.
"Will Marlin diese Anführerin selbst ausschalten?", fragte Kastor, "Ich glaub, der Meister hätte sie gern lebend."
Natürlich war die oberste Priorität alle Entführten wohlbehalten zurückzubringen. Wenn Kastor dafür die Anführerin töten musste, so würde ihm der Meister das verzeihen. Nur wenn sie am Ende lebend übrig bliebe.. oh, dann ließe sich sicher einiges mit ihr anstellen an dem der Meister interessiert wäre.
Terim zeigte ihm den Weg und Kastor eilte mit ihm die Treppe hoch, um die zwei noch irgendwie einzuholen. Der Blutige hatte wirklich keine Lust zu rennen, aber zum Glück war er ausdauernd und irgendwo schlummerten dann doch noch Reserven, die man mobilisieren konnte. Besonders wenn es darum ging dumme Schäfchen zu retten.
Sie rannten an mehreren geschlossenen Türen vorbei, eine Abzweigung und dann zu einer weiteren Treppe, wo Yukarin stand und gegen zwei gut gerüstete Kerle kämpfte, während Priam sich bei der Treppe versteckte. Yukarin hielt die zwei Männer in Schach, aber die Gänge waren schmal und eigneten sich nicht gut zum Ausweichen oder Ausholen. Dafür hätten die Männer Probleme Yukarin zu umringen.
Endlich hatten sie auch Marlin und Lucero eingeholt, doch der blonde Jugendliche ließ sich nichtmal von den zwei geübten Kämpfern aufhalten und schob sich in einem unbedachten Moment an ihnen vorbei als wären es bloß zwei Störenfriede, die im Weg standen. Also dieser freche Junge! Ihm hätte doch was passieren können. Luceros Fluch bewies ähnliche Gedanken. Trotzdem duckte sich der junge Blutige unter einem Schwertstreich hinweg und eilte die nächste Treppe rauf.
"Bleib zurück", wies Kastor Terim an und kam dann Yukarin zu Hilfe.
"Sehr schwer die beiden zu retten", bemerkte er zu seinem Bruder. Gemeinsam konnten sie die zwei Kämpfer zurückdrängen. Kastor merkte schon beim ersten Schlagabtausch, dass die Männer geübter waren und sie hatten auch ihre Klingen mit der Kunst verstärkt. Hier mussten sie aufpassen. Zum Glück ergänzten sich Yukarin und er im Kampf sehr gut. Kastor konnte die beiden Gegner ablenken und sie unter Druck setzen und Yukarin nutzte die entstandenen Lücken in der Verteidigung blitzschnell, um zuzustechen. Blut spritzte aus der Kehle hervor. Der verbleibende Krieger wurde von Kastor mit einem Schlag gegen die Wand gedonnert. Yukarin hatte gerade erst sein Schwert in einer fließenden Bewegung aus dem Toten gezogen ehe er es gleich in der Seite des Mannes verschwinden ließ. Ächzend ging der Kerl zu Boden.
Während Yukarin mit einer anmutigen Bewegung das Blut von seiner Waffe entfernte, ließ Kastor seinen Hammer tropfen.
"Sehen wir nach, was sie jetzt schon wieder anstellen." Kastor trat näher zu Priam. "Na, Süßer, gehts dir gut? Schön dich zu sehen." Er zog ihn aus dem Versteck und gab ihm einen kurzen, heißen Kuss.
"Kommt mit", sagte er Priam und Terim dann. Besser sie waren bei ihnen, wo sie sie beschützen konnten, selbst wenn es die falsche Richtung war. Gemeinsam gingen sie die Treppe hoch. Hoffentlich waren Lucero und Marlin nicht auf weitere Gegenwehr gestoßen.
Re: Gerettet
Verfasst: So 15. Mai 2022, 15:04
von Lucero
Keuchend wetzte Lucero Marlin hinterher. Er war zwar leicht, flink und wendig, doch Marlin hatte längere Beine, war kräftiger und genaus so ausdauernd wie der Prinz. So war der junge Blutige froh, dass er Marlin nicht verlor und dieser immer halbwegs in Sichtweite blieb. So könnte er ihn zur Not mit einem Schild schützen, sollte ihn jemand angreifen. Doch als der dumme Krieger dann geradewegs in Voxias Gemächer stürzte, packte ihn wieder das vertraute Gefühl des Entsetzen. Was dachte Marlin sich nur dabei? Voxia mochte keine Kämpferin sein, doch sie war gerissen und hatte im Gegensatz zu Marlin nicht nur dunkle Juwelen, sondern trug sie auch noch. Lucero mobilisierte noch einmal alle Kräfte, um zu Marlin aufzuholen.
Wie sich zeigte, nutzten es einem jedoch noch nicht einmal, dunkle Juwelen auf sich zu tragen, wenn Marlin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Lucero schoss nur kurz hinter Marlin in Voxias Gemächer herein. So bekam er gerade noch mit, wie der sonst so sanftmütige, blonde Krieger der überraschten Anführerin der Räuber an ihren vollen Busen langte und sich mit der linken Hand ihr Juwel krallte. Sofort stieg Rauch in Marlins Hand auf und Lucero stieg der Geruch von gebratenem Fleisch in die Hand. Marlin schien es nicht zu bemerken. Respektive war er schon so im Schwung, dass er Voxia mit der rechten Faust einen harten Hieb gegens Kinn verpasste. Mit einem überraschten, schmerzerfüllten Quicken sackte die Frau zu Boden. Marlin warf ihr Juwel, das ihm die linke Handfläche verbrannt hatte, achtlos hinter sich aus ihrer Reichweite. Sofort kniete er über ihr und verpasste ihr mit der rechten Rückhand eine Ohrfeige.
"Wo ist Lilians Mondanhänger?" wollte Marlin aufgebracht wissen. "Sag mir sofort wo Lilians Mondanhänger ist, oder ich schlage dich, weiter, bis du es mir sagst." Von Voxia kam jedoch nur ein entsetztes Wimmern, was ihr prompt eine weitere Ohrfeige einhandelte.
Da Marlin das mit Voxia offensichtlich gut im Griff hatte, mischte Lucero sich nicht ein, sondern konzentrierte sich auf die andere Person im Zimmer. Gordon stand auf der Seite und tat keinen Wank, um Voxia zu helfen. Stattdessen erhob er nun seine offenen Hände und ergab sie Lucero.
"Wie versprochen, ich tu euch nichts", versicherte er mit beschichtigender Stimme. "Ich tu euch nichts und ihr müsst mir nichts tun." Sicherheitshalber presste Lucero ihn mit Hilfe der Kunst dennoch gegen die Wand. Gordon wehrte sich nicht. Schaute stattdessen gelassen zu, wie Marlin Voxia bearbeitete. Es nützte nichts. Sie gab ihm keine Antwort. Marlin hatte wohl zu fest zugehauen, denn Voxia war ohnmächtig geworden.
"Sieh im Sekretär nach, Marlin", riet Lucero schliesslich dem wütenden Krieger. "Sie hat ihn darin verstaut. Vielleicht ist er noch da." Sofort liess Marlin Voxia links liegen und eilte zu dem wertvollen Möbelstück, um sich rücksichtslos durch die vielen kleinen Schubladen zu wühlen.