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Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 19:58
von Yukarin
Es dauerte noch eine Weile, bis alle wirklich eingeschlafen waren. Fergus war wie immer sehr quirlig, doch da sie heute Nachmittag vielen ausgiebigen Sex gehabt hatten, schlief er dann, trotz Lilian an seiner Seite, relativ rasch ein. Lucero und Terim brauchten etwas länger. Vorallem Terim, da Lucero ihn unter der Decke noch leise, dafür aber um so intensiver befummelte, dann aber einfach einschlief und den armen Krieger heftigst erregt zurück lies. Am längsten brauchte jedoch Marlin, bis er einschlafen konnte. Die Aufregung neben der süssen, hübschen Lilian im Bett liegen zu dürfen, machte ihn und seinen Körper ganz durcheinander. Doch schliesslich hörte Yukarin auch von ihm langsame, regelmässige und tiefe Atemzüge.
Selber gönnte Yukarin sich jedoch keinen Schlaf. Es war besser, wenn er darauf achtete, dass keines der anderen Kunstwerke in der Nacht aufwachte und auf die Idee kam, Dummheiten anstellen zu wollen. Besonders bei Lucero konnte man da nie so sicher sein und auch bei Marlin musste man aufpassen, so vernarrt wie der Krieger in Lilian war. Ausserdem war das Buch, indem er gerade las sehr spannend. Es machte Yukarin nichts aus, über die Nacht wach zu bleiben. Er gestattete sich höchstens ab und an ein leichtes Nickerchen.

In den frühen Morgenstunden, es zwängte sich gerade erst schwaches Licht am Rand der Vorhänge vorbei, erwachte Lilian wieder. Sie war so früh eingeschlafen, entsprechend wachte sie auch früher wieder auf. Mit halb geschlossenen Augen beobachtete Yukarin, wie sie sich vorsichtig aus der Decke schälte und behutsam, um die anderen nicht zu wecken, aus dem Bett krabbelte. Sie schien noch etwas orientierungslos zu sein, tappste dann zum Fenster, um raus zu schauen. Nur in ihrer kurzen Tunika und die Beine in langen, weissen Seidenstrümpfen verpackt. Neugierig musterte Yukarin sie nun genauer. Dass Lilian ihn dabei erwischte und für einen Moment erstarrte, störte ihn nicht.

"Guten Morgen, Lilian", grüsste er sie erst einmal höflich, nachdem sie ihren Schrecken überwunden und ihn angesprochen hatte. "Du hast bis jetzt noch niemanden geweckt." Die anderen schliefen weiter und er war schon wach gewesen. Zum Glück. Lilian so betrachten zu können, war überaus reizvoll. Besonders als sie dann auch noch versuchte, ihre Tunika in die länge zu ziehen.
"Es freut mich, dass du dich doch noch so weit entspannen konntest, dass du dachtest, du wärst in deinem Zimmer und so ruhig schlafen konntest", schmunzelte der Bibliothekar. Leise, um die anderen nicht zu wecken. "Ich habe dich in das Bett getragen, nachdem du auf dem Sofa eingeschlafen warst. Geh ruhig ins Bad", erlaubte er ruhig. "Du solltest ohnehin dein Kleid wieder anziehen, wenn du nicht wieder zurück ins Bett willst. Eine Zahnbürste kann ich dir nachher geben. Ich habe immer eine Ersatzzahnbürste in meinem Zimmer. Wir können nachher rüber gehen."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 19:59
von Lilian
Yukarin wünschte ihm einen guten Morgen und meinte, dass Lilian bisher niemanden geweckt hätte. Hatte der Blutige etwa nicht geschlafen? Hatte er die ganze Zeit im Sessel gesessen und.. was gemacht? Dem jungen Krieger war unbehaglich zumute, dass sie die einzigen beiden waren, die wach waren. Jetzt hätte Lilian gerne noch jemanden aufgeweckt, der ihm beistand. Der Junge versuchte sich damit zu beruhigen, dass er jederzeit laut rufen könne und es würde schon jemand wach werden, um ihm beizustehen.
Yukarin trug leider überhaupt nicht dazu bei, dass sich Lilians Nervosität senkte. Schmunzelnd erzählte der Bibliothekar, dass er derjenige gewesen wäre, der ihn ins Bett getragen hatte. Unbehaglich rieb sich Lilian über die nackten Arme. Er wusste nicht was er davon halten sollte.
"Daran kann ich mich nicht mehr erinnern", erwiderte er leise. Das stimmte ja auch. Lilian musste geträumt haben, dass Aerys ihn ins Bett getragen hatte. Nur Aerys war nicht hier. Es war so früh, bestimmt schlief der Adelige noch. Ob er weiterhin wütend war? Wie es wohl würde, wenn sie sich wiedersahen? Und wann konnte Lilian zurück in sein Zimmer? Er konnte immer noch nicht so recht fassen, dass Aerys ihn quasi verstoßen hatte. Der Jugendliche hatte den Kopf voller Fragen, doch er traute sich nicht, darüber mit Yukarin zu reden.
Dieser erlaubte ihm, ins Bad zu gehen. Er sollte auch sein Kleid wieder anziehen, wenn er nicht weiterschlafen wollte. Lilian schüttelte zaghaft den Kopf. Weder wollte er das eine noch das andere. Sicher würde er sich nicht vor Augen des Blutigen zurück ins Bett legen. Und dann auch noch zwischen Fergus und Marlin.
"Muss ich das Kleid wieder anziehen?", fragte der Junge widerstrebend. Denn das wollte er noch weniger, als wieder ins Bett zu gehen.
Yukarin wirkte so, als wäre es ihm relativ gleichgültig. Er sagte, dass Lilian selber wissen müsse, welche Anweisungen ihm der Meister gegeben hätte. Ihn würde der freizügige Blick auf die nackten Schenkel aber nicht stören, wenn Lilian weiter so rumlaufen wollte.
Der Jüngling errötete prompt verlegen, zupfte an der Tunika, aber die wollte beim besten Willen nicht alles verdecken. Und wieso hatte Yukarin das so betont? Starrte der Blutige etwa auf Lilians Schenkel?
"Ich glaub.. Aerys wär es lieber, wenn ich das Kleid trage", sagte er mit leider viel zu nervös heller Stimme. Aerys hatte nichts von einer Tunika gesagt, sondern dass Lilian in Zukunft nur noch das Leinenkleid tragen solle. Lilian mochte nicht. Das Kleid war lang und unhandlich, ein Symbol dessen was mit ihm passiert war und noch weiter passieren sollte. Trotzdem musste er es wohl tragen, wenn er keine weiteren Schläge wollte... der Junge ließ die Schultern mutlos hängen.

Yukarin hatte auch eine Ersatzzahnbürste. Allerdings war die in seinem Zimmer und dort wollte er gleich mit Lilian hingehen.
"In dein Zimmer?", fragte der Junge nervös und scharrte mit dem kleinen Fuß über den Boden. "Wo ist das denn?" War es direkt angrenzend? Er wollte nicht alleine mit Yukarin mitgehen. Hier im Salon waren wenigstens die anderen dabei und boten etwas Schutz. Er ging vorsichtig hinüber zum Tisch, um sich sein weißes Kleid zu nehmen. Der Tisch war aber auch direkt neben dem Sofa, wo Lucero und Terim schliefen. Lilian bräuchte nur den Arm auszustrecken, um Lucero ganz schnell wachzurütteln.
Der Bibliothekar erklärte, dass sein Zimmer im linken Flügel der Villa sei. Lilian stockte, presste das Kleid an sich.
"Das ist aber weit weg...", fiel ihm nur dazu ein. Er mochte nicht mit Yukarin mitgehen, besonders nicht so weit weg und ohne dass einer der anderen wusste, wo sie waren. "Ich brauch auch eine Haarbürste." Vielleicht hatte Yukarin so eine nicht. Lilians schwarzes Haar fiel ihm wild und ungekämmt über die Schultern. Nein, die hatte Yukarin auch. Bei sich im Zimmer. Schließlich hatte er auch lange Haare.
"Ja, deine sind so glatt und hübsch", entfuhr Lilian. Erschrocken klappte er daraufhin den Mund zu. "Ich.. geh erstmal ins Bad." Dann flüchtete der zierliche Jüngling mit dem Kleid ins Bad, um sich dort zu beruhigen. Wenn er extra lange fürs Waschen brauchte, würde beim Zurückkommen vielleicht schon jemand anderer wach sein.
Leider erfüllte sich die Hoffnung nicht. Lilian trug wieder das lange Kleid. Allein der Stoff auf dem Körper fühlte sich unangenehm an. Kratzig. Obwohl das sicherlich nicht stimmte. Der Junge musste den Saum raffen, um in kleinen Schritten gehen zu können. Da hielt er automatisch den Blick gesenkt. Und diese dummen Bänder um die Brust kamen ihm so einschnürend vor. Wieso sollte er da überhaupt etwas binden? Er hatte keine Brüste. Wieder dachte der Junge an die seltsame Diagnose der Heilerin. Es verunsicherte ihn zusätzlich und was einmal aus ihm werden würde. Er wollte sich eigentlich nicht verändern.
Zögerlich kam er aus dem Bad. Er hatte Aerys angebrüllt, dass er das scheußliche Kleid nie wieder tragen würde, aber wieder Mal hatte Lilian nichts erreicht und nur verloren.
Unglücklich blickte er Yukarin an. "Kommen wir danach wieder hierhin zurück? Oder kann ich zu Aerys gehen? Ich muss nochmal mit ihm reden, wegen dem Streit..", sagte er.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:01
von Yukarin
Er bekam von Lilian weder ebenfalls einen guten Morgen gewünscht, noch bedankte sie sich dafür, dass er sie ins Bett gelegt hatte, anstatt sie einfach auf dem unbequemem Sofa liegen zu lassen. Das war ganz schön unhöflich von ihr. Entsprechend passte es dann auch ganz gut dazu, dass Lilian quengelig fragte, ob sie ihr Kleid wieder anziehen müsste, nachdem Yukarin ihr den Ratschlag gegeben hatte, dies zu tun. Aber von ihm aus musste das nicht sein. Er genoss die Aussicht. Allerdings wusste er auch, dass der Meister und Lilian sich gestritten hatten und es besser war, wenn Lilian den Zorn des Meisters nicht weiter schürte, indem sie das Kleid nicht anzog. Denn schliesslich hatte der Meister das Kleid für sie entworfen und nicht die Tunika.
"Du musst selber wissen, welche Anweisungen der Meister dir gegeben hat", erinnerte er sie in gleichgültigem Tonfall, dass es womöglich keine gute Idee war, das Kleid nicht anzuziehen. "Mich stört es jedenfalls nicht, wenn du uns weiterhin so viel von deinen hübschen Schenkeln zeigen willst", gab er ihm noch einen sanften Schubs in die richtige Richtung. Prompt wurde Lilian auf zauberhafte Art ganz rot und zupfte nervös an ihrer Tunika, die jedoch leider einfach nicht länger werden wollte. So meinte sie schliesslich mit verlockend heller Stimme, dass es dem Meister, den sie ganz vertraulich beim Vornamen nannte, sicherlich lieber wäre, wenn sie das Kleid trüge." Yukarin nickte zustimmend. Ja, dabei hatte sie sicherlich recht. Gut, dass sie das erkannt hatte.

Bevor Lilian sich jedoch ins Bad zurück ziehen wollte, oder konnte, fragte sie nach einer Zahnbürste und anschliessend auch noch nach einer Haarbürste. Yukarin konnte ihr beides bieten. Allerdings hatte er die Sachen in seinem Zimmer. Gut, er hätte Lilian auch zu Coranis schicken können. Doch einerseits war der alte Verwalter bestimmt noch am Schlafen und andererseits wäre es bedeutend weniger prickelnd. Lilian geriet auch prompt in arge Not und scharrte mit ihrem hübschen Fuss über den Boden. Nervös wollte sie wissen, wo denn sein Zimmer sei und war ganz entsetzt, dass sich dies im linken Flügel befände. Anscheinend war eine Treppe und dreissig Meter ganz schön weit weg. Das war so süss. Zu seiner Überraschung bekam er von Lilian aber trotz ihrer Nervosität ein ganz niedliches Kompliment. Dass seine Haare so glatt und hübsch wären.

"Ich danke dir, Lilian", erwiderte er verwundert. Doch Lilian war viel zu erschrocken über ihre eigenen Worte, so dass sie regelrecht ins Bad flüchtete. Dort blieb sie einga ganze lange Weile. So lange, dass Yukarin sich überlegte, ob er nicht an die Tür anklopfen und sich vergewissern sollte, dass Lilian nicht ohnmächtig auf dem Boden lag oder so etwas ähnliches. Es war eine heikle Entscheidung. Zum Glück kam Lilian dann wieder ganz von alleine aus dem Bad. Zögerlich und sichtlich unwohl. Es war ihr anzusehen, dass sie noch nicht einmal geduscht hatte, denn ihre Haare waren noch immer ganz wild verwuschelt und trocken. Sie schien noch immer Angst zu haben. Grosse Angst. Das war schade. Yukarin mochte zwar eine gewisse Prickelnde Nervosität bei seinen Gegenüber, doch das was Lilian ausstrahlte, reizte ihn nicht. Im Gegenteil. Er fand es eher beleidigend. Dennoch erhob er sich aus seinem Sessel und bod Lilian höflich seinen Arm an, um sie zu seinem Zimmer zu geleiten, wo sie die Zahn- und Haarbürste benutzen konnte.

"Ich dachte eigentlich eher daran, dass wir nachher gemeinsam Frühstücken gehen könnten", schlug Yukarin vor, als Lilian unglücklich wissen wollte, ob sie danach wieder hier her zurück kommen würden. "Du hast gestern zum Abendessen kaum was anderes als Kekse zu dir genommen. Das ist nicht gesund. Du wirst nur schwächer und unglücklicher, wenn es deinem Körper nicht gut geht, Lilian." Sie sollte wirklich etwas essen. "Und du weisst doch, dass der Meister kaum vor dem Mittagessen aufstehen wird. Wenn er so wütend ist, bedrängst du ihn besser nicht, geschweige denn, dass du ihn weckst. Du machst damit höchstens noch alles schlimmer. Schreib im doch stattdessen einen Brief. Den kann er dann lesen, wenn er soweit ist, sich dir zu widmen."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:04
von Lilian
Yukarin hatte eine andere Idee, was sie machen könnten. Er wollte mit ihm gemeinsam frühstücken gehen. Unwillkürlich wurde der junge Dhemlaner noch etwas blasser. Er wollte nicht dem Blutigen, den er kaum kannte, essen gehen. Er wollte nichtmal mit in Yukarins Zimmer gehen. So ganz allein und ohne dass einer der anderen davon wusste. Dafür traute er dem Bibliothekar ganz und gar nicht. Wer wusste schon wie dieser sich verhalten würde, wenn sie erstmal alleine waren. Anderseits hatte Aerys auch gewollt, dass Lilian bei ihm im Salon schlief, was vielleicht hieß, dass Yukarin sich an die Regeln halten würde und er Lilian nicht bedrängen würde.
Die Unsicherheit blieb. Yukarin versuchte ihn nichtsdestotrotz von dem Frühstück zu überzeugen. Es wäre nicht gesund, wenn er ständig Kekse essen würde. Damit würde er nur schwächer und unglücklicher.
"Andere geben mir immer Kekse, wenn ich traurig bin", erklärte Lilian. Und er war oft traurig. Er fand, es wäre eine viel bessere Lösung, wenn er nicht mehr traurig sein müsste, doch dafür musste Aerys netter zu ihm sein und der war der Meinung, dass er nett genug war. Im Gegenteil, er wurde richtgehend bösartig, wenn man etwas anderes behauptete. Das war doch unlogisch.
Yukarin hielt es auch für keine gute Idee, wenn Lilian zum Adeligen ginge. Dieser würde erst viel später aufstehen und es wäre besser, wenn man ihn nicht weckte und bedrängte. Der Jugendliche saugte betreten an seiner Unterlippe. Er wusste auch gut, dass Aerys ein Langschläfer war, doch er hatte gehofft, so würde er sich aus dem Besuch von Yukarins Zimmer herauswinden können ohne allzu unhöflich zu sein. Fergus hatte gesagt, Yukarin mochte Unhöflichkeit ganz und gar nicht.
"Einen Brief? Ja, das ist eine gute Idee", musste Lilian zugeben. Aerys mochte es sehr, Briefe von ihm zu erhalten. Allerdings wusste der Junge nicht, ob der Prinz ein Brief über ihren Streit gefallen würde. Aber vielleicht würde es besser gehen, wenn er Aerys in Ruhe alles schreiben konnte. Ohne Unterbrechungen zwischendurch. Ohne Schläge... Lilian vertrieb den schmerzvollen Gedanken mühsam.
"Aber ich habe kein Papier und keine Schreibfeder", gab er zu Bedenken. Auch dafür hatte Yukarin eine Lösung. All dies befände sich in seinem Zimmer.
"Ohh... mmhh, aber wenn die anderen nicht wissen wo wir sind?", fragte Lilian und suchte immer noch nach einem Ausweg mit dem Blutigen nicht mitgehen zu müssen.
"Sie können jederzeit erspüren, wo wir uns befinden. Oder hast du vor, deine Signatur zu unterdrücken, wenn du bei mir bist?", fragte der Blutige zurück. Kleinlaut schüttelte der Jugendliche den Kopf.
"Ich weiß nicht wie das geht ohne meine Juwelen..", gab er zu. Er wusste nichtmal wo seine Juwelen war. Aerys wollte sie ihm nicht geben.

Yukarin wollte nun endlich losgehen. Zögerlich ging Lilian am Tisch vorbei. Wenn nichts anderes half, würde er eben unhöflich sein müssen, denn er wollte nicht alleine mitgehen, doch dann kam ihm eine andere Idee. Er musste nur einen der anderen aufwecken. Lucero. Der würde ihm helfen und beistehen. Außerdem war der Prinz ebenfalls ein Blutiger und er würde sich vielleicht eher gegen Yukarin stellen als einer der anderen. Und Lucero hatte ihm auch schon geholfen, obwohl es vermutlich gegen die Regeln gewesen war. Da, vor der Zeremonie...
So ließ sich Lilian extra viel Zeit, um am Tisch vorbeizugehen. Das Kleid machte sowieso keine größeren Schritte möglich. Möglichst verstohlen versuchte er gegen das Sofa zu stoßen und als das nicht klappte, täuschte Lilian etwas Stolpern vor, um mit der Hand an Luceros Arm zu landen. Er drückte ihn ganz fest, zerrte ein bißchen daran.
"Ohh.. oh, es tut mir so leid. Hab ich dich aufgeweckt?", fragte er Lucero extra laut, als dieser sich zunächst nur vage rührte. Wenigstens begann er nun zu blinzeln.
"Yukarin wollte mich mit in sein Zimmer nehmen, um mir eine Zahnbürste und Haarbürste und Feder und Papier zu geben", begann Lilian aufzuzählen. Oh, das war mittlerweile ganz schön viel, aber Lilian hatte nichts außerhalb seines Zimmers außer das Kleid an seinem Leib. Und das war ausgerechnet das einzige auf das der Jugendliche gerne verzichtet hätte.
"Weißt du, wir wollten da jetzt hingehen. So ganz alleine, weil ihr ja noch alle schlaft", verdeutlichte Lilian nervös, weil der Prinz ihm noch nicht so richtig aushalf. Verstand er den Hinweis nicht oder war er noch zu müde?

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:28
von Yukarin
"Das ist lieb, dass dich andere aufmuntern wollen und ich bin mir sicher, dass leckere Kekse dabei wunderbar helfen" stimmte der Bibliothekar sanft zu. "Aber dein Körper braucht auch noch andere Nahrung. Sonst werden die Kekse allein nicht mehr helfen. In einem gesunden Körper lebt auch ein gesunder Geist." Wenigstens beteuerte Lilian nicht mehr, dass sie keinen Hunger hätte. Vielleicht konnte Yukarin sie doch noch dazu bewegen, etwas gesundes zu essen. Sie schien sogar richtig erfreut don seinem Vorschlag zu sein, dass sie dem Meister einen Brief schreiben konnte. Zumindest so lange, bis ihr in den Sinn kam, dass sie doch gar kein Papier und Schreibfeder hatte.

"Keine Sorge, davon habe ich auch genug zur Verfügung", beruhigte er Lilian freundlich. Sowohl in seinem Zimmer, als auch in der Bibliothek. Merkwürdigerweise schien Lilian dies jedoch nicht zu freuen. Stattdessen fragte sie nur zögerlich, was denn wäre, wenn die Anderen nicht wüssten, wo sie wären. Verblüfft blickte Yukarin sie an. Eine Augenbraue zuckte leicht nach oben. "Sie können jederzeit erspüren, wo wir uns befinden", erklärte er verwundert und verstand nicht so recht, was Lilian beschäftigte. "Oder hast du vor, deine Signatur zu unterdrücken, wenn du bei mir bist?" Schämte sie sich, bei ihm zu sein? Sie schüttelte jedoch nur kleinlaut ihren Kopf und meinte, dass sie nicht wisse, wie das ginge ohne ihre Juwelen.
"Ja, das ist schwierig", gab er zu. "Nun denn, wollen wir?" Noch einmal bot er Lilian seinen Arm an. Lilian schüttelte weder ihren Kopf, noch nickte sie. Stattdessen kam sie ganz langsam auf ihn zu. Fast so, als würde sie unter Trance stehen. Es war ganz komisch. Bis sie unversehens stolperte und sich auf dem Sofa abstützte. Dabei schien er gegen Lucero zu stossen, der erschrocken etwas zuckte, aber soweit nicht aufzuwachen schien. Trotzdem entschuldigte Lilian sich ausgiebig bei ihm, dass sie ihn geweckt hätte. Womit sie ihn natürlich erst recht weckte. Lilian hatte den ganzen Morgen, ja sogar schon gestern Abend nicht so laut gesprochen, wie sie es jetzt tat. Lucero blinzelte verwirrt und auch Terim öffnete verschlafen seine Augen. Derweil erklärte Lilian dem Prinzen überdeutlich, was Yukarin ihm eben erst angeboten hatte. Ihre Stimme wurde dabei immer nervöser und allmählich begriff Yukarin, was Lilian da für ein Spiel spielte. Ganz im Gegensatz zu Lucero.

"Hmmm? Ja, geht nur", murmelte der Prinz verschlafen und zog Terim besitzergreifend in eine engere Umarmung. "Hast mich nicht geweckt."
"Sie wollte dich aber wecken, Lucero", erklärte Yukarin kühl. Allmählich fand er es unhöflich, dass Lilian ihn die ganze Zeit so verstohlen anfeindete, obwohl er überaus anständig zu ihr gewesen war. "Sie wollte, dass du mitkommst und sie vor mir beschützt."
"Äh... was?" fragte Lucero noch immer ziemlich verschlafen. Doch er richtete sich träge etwas auf.
"Aufstehen und mitkommen, Prinz", bohrte Yukarin weiter nach und liess dem Jüngling keinen Schlaf mehr. "Die Lady fordert deine Dienste als Begleiter und Beschützer."
"Oh!" meinte Lucero. "Was?" Er schien noch immer nicht wach genug zu sein, um das Misstrauen zu verstehen, dass Lilian gegen Yukarin hegte. Doch er erhob sich, da er begriff, dass Lilian ihn bei sich haben wollte und umarmte sie, als wäre sie ein Teddybär. "Guten Morgen Lilian", grüsste er sie nuschelnd. "Wohin gehen wir denn? Und warum so früh? Können wir nicht noch etwas weiter schlafen?"

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:34
von Lilian
Nein, Lucero begriff immer noch nicht richtig und wollte einfach nicht richtig aufwachen. Er zog den blinzelnden Terim in eine festere Umarmung und murmelte bloß, dass Lilian ruhig gehen solle. Dann schien der Blutige weiterschlafen zu wollen. Lilian gingen allmählich die Ideen aus wie er seinen Freund sonst noch versteckt auf seine Lage aufmerksam machen könnte.
Leider hatte jemand anderer im Raum genau begriffen was los war und war auch wesentlich wacher. Lilian zuckte ertappt zusammen, als Yukarin Lucero ganz offen aufklärte warum er absichtlich geweckt worden war. Nein, Yukarin hatte alles mitbekommen!
"Ich.. hab nich.. das war...", begann der Jugendliche haspelnd und wusste eindeutig nicht was für eine Ausrede er vorbringen sollte. Vor allem weil er sowieso nicht gut im Lügen war. Yukarin überging es einfach und fuhr damit fort, Lucero haarklein zu erklären wieso er mitkommen sollte. Lilian wolle einen Begleiter und Beschützer. Oh nein. Dem Jüngling stieg schnell die Röte ins Gesicht. Es war so peinlich. Er hatte ja nicht wirklich Schutz vor Yukarin gewollt... nur, naja, eine Absicherung. Er hatte keine Angst vor dem Blutigen. Doch, genau genommen hatte sehr viel Angst vor dem älteren Mann und alles wofür die blutrote Kleidung stand. Schmerzen, Unterwerfung, dieses ominöse Ausprobieren, Missbrauch...
Lilian wusste nicht, ob Yukarin etwas davon im Sinn hatte, aber er wollte es nicht herausfordern. Besonders, nachdem dieser seine nackten Schenkel erwähnt hatte.
Lucero war immer noch zu müde, um es zu begreifen, aber wenigstens ließ er Terim los und setzte sich auf. Dass ausgerechnet nun Yukarin derjenige war, der den Prinzen weiter aufweckte und ständig wiederholte, dass "die Lady" einen Beschützer wolle, machte es umso peinlicher. Lilian konnte dem Mann nicht mehr in die Augen schauen. Er wusste nicht was er sagen sollte. Wenn Yukarin aber darauf wartete, dass Lilian nun höflich die zusätzliche Begleitung ablehnte und behauptete, es wäre nicht so gemeint gewesen, konnte er lange warten. Lilian brachte diese Lüge erst recht nicht über sich.

Endlich war Lucero auf, aber er nutzte das erstmal, um Lilian feste zu umarmen und sich an sie zu kuscheln.
"Oh.. eh.. guten Morgen", stotterte Lilian und versuchte den verschlafenen Prinzen etwas von sich zu schieben. Lucero hatte immer noch nicht verstanden, wohin sie gingen. Er wollte weiterschlafen.
"Wir gehen etwas bei Yukarins Zimmer abholen", wiederholte Lilian und fühlte seine Wangen heiß brennen. Er starrte zu Boden und wünschte sich, dass der peinliche Moment einfach nur schnell vorbei war. "Ich brauch eine Zahnbürste und Haarbürste und ich wollte Aerys einen Brief schreiben... bitte, komm mit...", sagte er leise und viel zu piepsig. Es wurde bloß nich peinlicher in dieser Stimmlage. Lilian bekam es einfach nicht unter Kontrolle.
Er ließ zu, dass Lucero sich wieder an ihn schmuste und so verließen sie zu dritt das Zimmer. Es war wirklich noch früh und sie sahen sonst erst einmal niemanden. Yukarin ging voraus. Lilian folgte ihm langsamer, auch weil er wieder Mühe mit dem Kleid hatte. Es ließ keine schnellen Schritte zu und zerrte an den Nerven des Jugendlichen.
Bei einer Treppe lastete das Schweigen nun schon fast schmerzhaft auf ihnen. Lilian ging die Stufen hinter dem Bibliothekar hoch. Sollte er sich entschuldigen? Aber dann müsste er offen zugeben, dass er Yukarin nicht traute und glaubte, dieser würde ihm böses antun. Lilian kannte den Mann zu wenig, um zu wissen wie sich dieser nun fühlte. Ob er wütend war, dass Lilian so von ihm dachte oder ob er wütend war, weil seine Pläne vereitelt worden waren. Aber Lilian wusste, dass er sich lieber entschuldigen wollte, wenn der Bibliothekar ihn nicht streng niederstarrte.
Am besten jetzt auf der Treppe, aber Stufe für Stufe verstrichen viel zu schnell. Oh nein, sie waren schon bei der vorletzten.
"Ich.. ehm.. ich wollte nicht..", begann der Junge sowohl hastig als auch mit einer großen Portion Unsicherheit. "Das war nicht.. so gemeint... so gemein", flüsterte er.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:41
von Yukarin
"Du willst dem Meister einen Brief schreiben?" fragte Lucero noch ziemlich verwirrt. "Warum? Er ist doch auch hier. Du kannst doch einfach mit ihm sprechen." Yukarin schnaubte abfällig und drehte sich abrupt um, um aus dem Raum zu gehen. Als ob man jemandem nur schreiben konnte, wenn er sich in einem anderen Dorf befand. Dabei war es doch offensichtlich, dass Lilian sich zur Zeit dem Meister nicht nähern konnte. Allerdings war genau so offensichtlich, dass Lucero nicht die Absicht hatte, aufzuwachen. Lieber kuschelte er sich an Lilian, legte ihr seinen Kopf auf die Schulter und war gerade alles andere, als hilfreich.

"Willst du nachher auch mein Zimmer sehen?" fragte er verschmitzt. Yukarin hatte hingegen nicht vor, Lilian sein Zimmer zu zeigen. Sie konnte sich ihre Haare auch im Gang bürsten und Zahnbürste und Schreibzeug sollte sie lieber gleich mitnehmen. Danach brauchte sie ihn nicht weiter mit ihrem Misstrauen zu beleidigen. Gut vielleicht schautte er noch, dass sie aus dem Gang der Blutigen heil heraus kam. Aber danach war es ihm sowas von egal, ob sie frühstückte oder nicht. Yukarin würde erstmal seinen Schlaf nachholen, den er wegen diesem undankbaren Mädchen verpasst hatte. Am Liebsten hätte er es gleich hinter sich gebracht und wäre gerne zügig ausgeschritten. Doch leider hatte Lilian noch nicht gelernt, wie man in einem langen Kleid schnell ging, weswegen sich Yukarin mühsam beherrscht zurück halten musste.

Auf der Treppe holte Lilian ihn dann doch noch ein. Nervös flüsterte er auf ihn ein, dass er nicht wollte. Wobei er nicht genau aussprach, was sie nicht gewollt hatte. Yukarin konnte es sich auch so denken. Nämlich, dass sie bei ihrem Hilferuf nicht ertappt wurde und Yukarin nun sauer auf sie war. Nun, das war deutlich fehl geschlagen.
"Es mag nicht gemein gemeint gewesen sein, doch das war es, Lilian", kanzelte er sie eisig ab und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. "Ich habe dir keinerlei Anlass gegeben, mir derart zu misstrauen und war stets höflich zu dir. Etwas, was man von dir nicht behaupten kann." Sie waren oben auf der Treppe angekommen und Yukarin ging zügig weiter, bis sie am Ende des Ganges zu einer Tür kamen, die aus rotem Holz bestand. Yukarin öffnete sie. Dahinter ging der Gang weiter. Mehrere Türen zweigten nach links und nach rechts ab. Sie alle bestanden aus dem selben, kostbaren, roten Holz.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:43
von Lilian
"Er mag, wenn ich ihm Briefe schreibe, glaub ich", antwortete Lilian leise auf Luceros Nachfragen. Er verstand nicht wieso Lilian nicht einfach mit dem Adeligen sprach. Das hätte Lilian auch gerne getan, obwohl er sich vor der nächsten Begegnung fürchtete. Aber Fergus hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass der ganze Streit womöglich doch auf einem großen Missverständnis beruhte und Lilian den Prinzen nicht richtig verstanden hatte. Während der Auseinandersetzung hatte Aerys ihm nichts erklären wollen und war scheinbar nur zorniger geworden je mehr Lilian Fragen gestellt und die Wut und die Schläge nicht verstanden hatte. Hoffentlich würde es bei einem nächsten Gespräch besser werden und sich alles aufklären. Dann würde wieder alles gut. Aber vorher war die Idee mit dem Briefe schreiben nicht schlecht. Dort könnte Lilian seine Gedanken ungestört sortieren und würde Zeit haben, es so zu formulieren, dass es Aerys hoffentlich besänftigte. Dabei wäre es eigentlich die Aufgabe des Prinzen, dass dieser sich für die harten Schläge und die grobe Behandlung entschuldigte, dachte Lilian bei sich. Vermutlich würde er keine Entschuldigung bekommen. Ja, nichtmal eine Versicherung, dass es nie wieder passieren würde. Wann würde Aerys ihn das nächste Mal hauen und für was? Es waren keine schönen Gedanken. Der Jüngling war es nicht gewohnt, dass man in einem Streit auch handgreiflich wurde und er wusste nicht wie er nun damit umgehen sollte. Wie er sich in Zukunft bei Aerys verhalten sollte.
Lilian wurde die Gedanken daran nicht los und jetzt hatte er gleich noch jemanden verärgert. Es war nicht das erste Mal, das ihm dies im Anwesen passierte. Womöglich war es dann doch alles Lilians Schuld.
"Ja, vielleicht..", murmelte er nur abwesend auf Luceros Frage, der von Lilians Gewissensbissen nichts mitbekam. Der Junge überlegte immer noch, ob Yukarin ihm jetzt böse war und ob und wie er sich entschuldigen sollte. Vielleicht wäre es besser gewesen, es gar nicht mehr zu erwähnen, aber das war nicht Lilians Art und so sprach er es nervös auf der Treppe an. Holprig und unbeholfen, aber es kam dennoch eine Art Entschuldigung dabei heraus. Dass Yukarin ihn auf der Treppe nicht niederstarren konnte, stellte sich leider als falsch heraus. Der großgewachsene Bibliothekar überwand einfach mit einem großen Schritt die letzten zwei Stufen, um sich umzudrehen und Lilian ganz eisig und vernichtend anzuschauen. Der Jüngling fühlte sich gleich einen Kopf kleiner.
"Es mag nicht gemein gemeint gewesen sein, doch das war es, Lilian", machte der Blutige deutlich. Lilian biss sich auf die Lippen. Er hatte nicht beabsichtigt gemein zu Yukarin zu sein. Lilian hatte vor allem Schutz gesucht. Verstand der Mann das denn nicht? Yukarin fand ihn unhöflich. Der Blutige hätte nichts getan, dass man ihm misstrauen müsste. Die Worte verunsicherten den Jugendlichen weiter. Hatte er dem älteren Mann unrecht getan?
Lilian sah ihn zerknirscht und aus großen, roséfarbenen Augen an. Das weiße Kleid hing an dem zierlichen Körper herab.

"Es tut mir leid..", sagte er leise, doch Yukarin hatte sich wieder umgedreht und ging gleich mit ausholenden Schritten weiter, um dann eine große Türe aus rotem Holz zu öffnen. Auch dahinter waren an beiden Seiten des folgenden Ganges rote Türen. Lilian bekam ein mulmiges Gefühl und sein Blick huschte nervös hin und her.
"Wo sind wir denn hier?", fragte er und hielt sich nun ganz von selbst dicht bei Lucero. Dieser erklärte freimütig, dass sie beim Trakt der Blutigen wären, wo diese ihre Zimmer hatten. Lilian erblasste prompt.
"W-was? Aber... hier darf ich bestimmt nicht sein", wisperte er furchtsam. Und hier wollte er auch nicht sein. Ach, er hätte sich denken können, dass Yukarins Zimmer in der Nähe der anderen Blutigen war. Das war eine ganze dumme Idee gewesen hierher zu kommen. Hoffentlich begegneten sie keinen anderen Blutigen. So wie Alazier.
Es war auch nicht gut, dass Yukarin jetzt schlecht auf ihn zu sprechen war. Hinterher ließ er ihn hier ganz alleine und Lucero wirkte leider immer noch zu verschlafen. Während der Prinz an Lilians Seite hing, versuchte der Junge stolpernd zu Yukarin aufzuschließen, der jetzt bei einer Türe stehen geblieben war.
"Ich wollt nicht unhöflich sein... nur.. mir ist wichtiger mich zu schützen und zu wehren... Aerys hat ganz schlimme Dinge über euch Blutige gesagt. Dass die dafür da sind, einen zu bestrafen und zu.. züchtigen...", versuchte Lilian hastig zu erklären. "Und ich weiß nicht was jetzt aus mir wird und was für Regeln für mich gelten... er hat gesagt, ich krieg keine Sonderbehandlung mehr... dabei hab ich gar nichts gemacht. Hab mich nur gefreut über das Geschenk, aber das war auch nicht richtig", sprudelte aus ihm heraus. Yukarin wirkte zunächst nicht so, als würde ihn dies interessieren. Er schloss derweil sein Zimmer auf.
In dem Moment hörte Lilian wie sich auf dem Gang irgendwo eine weitere Türe öffnete und jemand nach draußen trat. Oh nein, noch ein Blutiger! Der Jugendliche bekam Panik. Hier wollte er nicht gesehen werden. Flink und ohne Nachzudenken schlüpfte er unter Yukarins Arm hindurch und durch den kleinen offenen Spalt ins dahinterliegende Zimmer. Sein Herz schlug wie verrückt und beinahe wäre er abermals auf den Saum des Kleides getreten. Es war einfach nicht dazu gemacht einen flinken, jungen Krieger zu halten.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 20:48
von Yukarin
Lilian schien unter seinen Worten zu schrumpfen und wirkte ehrlich zerknirscht über ihr Verhalten ihm gegenüber. Verzeihen konnte ihr der Bibliothekar deswegen nicht gleich, doch er nahm sich vor, es gut sein zu lassen und Lilian bei einer anderen Gelegenheit wieder eine neue Chance zu geben. Nur für heute hatte er eindeutig genug von ihr. Er würde ihr wie angeboten die Zahnbürste geben, das Schreibzeug und zur Not würde er ihr diesmal auch seine Haarbürste leihen. Doch dann wollte er seine Ruhe. Egal wie zerknirscht Lilian ihn schlank aus grossen, roséfarbenen Augen ansah.

"Na, im Trakt der Blutigen", antwortete Lucero offen und ziemlich erstaunt auf Lilians Frage, wo sie hier denn wären. Dabei war sie jetzt schon recht lange hier und kannte sich noch immer kein bisschen aus in der Villa. Offensichtlich war sie noch in der Phase, in der sie sich gegen alles und jeden sperrte und voller Vorurteile war. So wisperte sie nun auch ganz ängstlich, dass sie hier bestimmt nicht sein dürfe. Yukarin wusste nichts von so einem Verbot. Genervt von den Anstalten, die Lilian machte, reagierte er nicht auf ihre Worte, sondern ging schlicht zu seiner Zimmertür, um sie zu öffnen.
Lilian plapperte derweil auf ihn ein, dass sie nicht hätte unhöflich sein wollen. Ihr wäre nur wichtiger gewesen, sich zu schützen und zu wehren. Pikiert wanderte Yukarins Augenbraue wieder nach oben, während er Lilian mit eisigem Schweigen betrachtete. Er hatte Lilian keinen Grund gegeben, Angst vor ihm zu haben und selbst wenn, dann wäre es ja nur logisch, besonders höflich zu ihm zu sein, um ihn nicht zu verärgern. Nicht das Gegenteil. Der Meister hingegen hätte ganz schlimme Dinge über sie Blutige gesagt. Dass sie dafür da seien, um zu bestrafen und zu züchtigen. Yukarin verstand nicht, was daran so schlimm war. Eltern oder Lehrer machten das doch auch. Lilian war jedoch ganz durcheinander, weil sie keine Sonderbehandlung mehr bekäme, dabei hätte sie doch gar nichts gemacht. Sie hätte sich nur über das Geschenk gefreut, was aber auch nicht richtig gewesen sei.

Yukarin wurde ziemlich deutlich, dass ihm einiges an Informationen fehlte, um aus Lilians Worte schlau werden zu können. Doch er befand, dass er das gar nicht zu verstehen brauchte. Das waren alles keine Gründe, sondern scheinbar eher Ansporn, dass Lilian die grundlegendsten Höflichkeitsregeln beachtete. Warum sie es nicht tat, war nicht wichtig. Nur, dass dem so war. Yukarin öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Bevor er jedoch reingehen konnte, geschah jedoch alles ganz schnell. Das Öffnen einer weiteren Tür war zu hören und plötzlich tauchte Lilian ganz flink unter seinem Arm hindurch, trotz Kleides und zwängte sich durch den Spalt in sein Zimmer. Ganz ohne Erlaubnis.
"Lilian!" rief Lucero einigermassen überrascht und entsetzt. Yukarin erstarrte. Dieses Mädchen, welches gerade noch sehr unhöflich und gemein zu ihm gewesen war, dieses freche Ding, drang nun einfach ungefragt in sein Reich ein. Yukarin fühlte sich erneut verletzt. Dies war sein Zimmer und er überlegte sich genau, wen er dahinein einlud. Lilian gehörte definitiv nicht zu diesen Personen. Selbst wenn er ihr angeboten hatte, ihr einige Sachen daraus zu leihen.
"Lilian, komm da wieder raus", zischte Lucero ihr derweil besorgt zu, weil er genau wusste, wie sehr Yukarin ihr Verhalten missfiel.

"Guten Morgen Yukarin", kam derweil Horatio auf sie zu. "Lucero. Guten Morgen. Schon so früh auf? Oh, hast du etwa wieder in deiner Kleidung geschlafen. Tu das nicht. Sie steht dir doch so hübsch. Aber wenn du darin schläfst, wird sie ganz zerknautscht."
"Guten Morgen Horatio", nickte Yukarin dem älteren Schneider höflich zu, bevor er wieder seine halb geschlossene Tür anstarrte. Er sollte reingehen und Lilian rausschmeissen. Doch er wollte nicht sehen, wie dieses Gör in seiner eigenen, kleinen Bibliothek stand.
"Morgen Horatio", grüsste auch Lucero. "Es tut mir Leid wegen der Kleidung. Ich konnte sie für letzte Nacht nicht ausziehen. Sonst achte ich besser darauf. Versprochen."
"Ach, ich weiss doch, mein Kleiner", nickte der Schneider und blickte neugierig auf Yukarins Zimmertür. "Was ist denn los mit deinem Zimmer Yukarin?" fragte er verwundert. "Warum steht ihr hier und schaut euch die Tür an?"
"Lilian ist da drin", erklärte Lucero aufgeregt. "Lilian, komm da wieder raus. Du hast keine Erlaubnis oder Einladung, da rein zu gehen."
"Lilian? Wirklich? Was macht sie denn da? Bestimmt mal wieder nichts als Unfug."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Di 26. Jan 2021, 21:54
von Lilian
Lucero rief ihm noch entsetzt hinterher, doch da war Lilian bereits in dem Zimmer. Aufgeregt blickte er sich um. Alles war blitzblank aufgeräumt, viele Bücher waren sorgsam verstaut und sortiert und es gab auch ein paar elegante Möbelstücke, die Lilian noch nie zuvor gesehen hatte. Der Junge wagte jedoch nicht weiter in den Raum hineinzulaufen und blieb hinter der Türe. Es war ein armseliges Versteck, wo doch auch jeder gesehen hatte wie er ins Zimmer gerannt war. Es war eine ganz blöde Aktion gewesen, die sich nun auch noch als sehr peinlich herausstellte, da die zwei Blutigen scheinbar verwirrt vor der Türe blieben und sich fragten was das sollte. Lucero zischte ihm zu, dass er wieder rauskommen sollte, aber dazu konnte Lilian sich noch nicht überwinden. Zum einen, weil er nicht schon wieder den eisigen Blick des Bibliothekars abbekommen wollte und zum anderen, weil sich ja noch ein unbekannter Blutiger auf dem Gang befinden musste.
Lilian hörte dann auch bald, um wen es sich handelte. Es war nicht etwa der furchteinflößende Alazier, sondern Horatio, der auf ganz andere Art unangenehm sein konnte. Wenn er zum Beispiel einen beim Vermessen mit seinen langgliedrigen Fingern abtastete. Lilian hörte zu wie dieser sich mit Lucero unterhielt und sich über dessen verknitterte Kleidung sorgte. Bei den Worten fiel Lilian wieder deutlich der große Riss im Kleid ein. Der war zwar geflickt, doch Horatio würde vielleicht wütend werden, wenn er sah wie Lilian mit seinen Kreationen umging. Dabei war es gar keine Absicht gewesen.
Schließlich erkannte auch Horatio, dass es seltsam war wie sie so vor Yukarins Zimmer standen und nicht hineingingen. Lucero erklärte gleich alles und rief nochmal nach ihm. Er hätte keine Erlaubnis oder Einladung. Stimmt, das war wohl nicht sehr nett, doch Lilian wusste einfach nicht wie er sich bei den Blutigen verhalten sollte. Wieso hatte Aerys ihm so viel schlimmes über die erzählt? Und ein paar Begegnungen mit den Blutigen waren auch sehr beängstigend oder gar lebensbedrohlich gewesen. Meist, wenn sie Alazier beinhalteten. Er und andere Blutige waren wütend auf Lilian gewesen, weil er angeblich Aerys auf dem Ausflug in Gefahr gebracht hatte. Aber das war nicht seine Schuld gewesen. Und es war auch nicht seine Schuld, dass er sich schützen wollte vor den Männern, die ihn angeblich alle ausprobieren wollten. Oder stimmte es am Ende nicht was Aerys gesagt hatte? Vielleicht hatte er ihm nur Angst einjagen wollen. Würde er Lilian anlügen? Zu Beginn hatte der Adelige ihm auch vorgemacht, Lilian wäre nur zu Gast und er würde ihn nur in Sicherheit bringen. Erst später hatte Lilian erfahren, dass ihn der Mann gekauft hatte. Gekauft... es war alles so unvorstellbar.
Seitdem geriet der Jüngling von einer vollkommen fremden, unbekannten Situation in die nächste. Momentan schien er keine einzige davon gut zu meistern. Ach, er wollte hier weg. Die Villa war so ein seltsamer, verdrehter Ort. Zu Beginn hatte Lilian geglaubt, sie wäre wunderschön und friedlich. Dann wieder war ihm alles bedrohlich und wie das schlimmste Gefängnis vorgekommen in der er leiden sollte und jetzt... war alles so zwiegespalten.

Der Jugendliche gab sich einen Ruck. Er sollte sich lieber mit den Blutigen anfreunden und sie kennenlernen. Vielleicht würden sie ihm dann helfen oder ihm wenigstens nichts antun und ihn nicht ausprobieren wollen. Vielleicht stimmte das mit dem Ausprobieren auch nicht. Alazier fand auch, er sei eine hässliche Kröte. Vielleicht fanden die Männer ihn auch eher albern in der Mädchenkleidung, die er tragen musste und das war eher ein Faible von Aerys allein. Lilian wäre froh darum, wenn es "nur" Aerys war. Wenn dieser sich ihm näherte und ihn begehrte... manchmal war das sogar schön. Dabei wusste der Junge nicht, ob es nach den Schlägen je wieder schön sein könnte. Aber er ließ sich von Aerys ja auch anfassen, obwohl dieser ihn.. missbraucht hatte. Das war... es war alles so verdreht und nichts war richtig. Lilian schluckte schwer und vertrieb die schweren Gedanken mit aller Macht.
"Ich mach keinen Unfug", sagte er leise kleinlaut und schaute durch den Türspalt. Vorsichtig schob sich Lilian wieder hindurch und kam nach draußen. Beschämt sah er zu Boden, hatte die Finger ineinander verhakt und gegen seinen Schoß gedrückt. "Tut mir leid... ich hab mich erschrocken", versuchte er zu erklären. "Ich hab nichts angefasst." Vorsichtig hob er den Blick und sah prüfend zu Yukarin, den Kopf leicht schräg gelegt, um abwägen zu können wie wütend der Blutige inzwischen auf ihn war. Lilian wäre am liebsten gleich wieder ins Zimmer hineingeflohen angesichts dieser strengen Augen.
"Kann ich es irgendwie wieder gutmachen?", bot er an, in der Hoffnung, dass dies half.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 07:33
von Yukarin
Der Bibliothekar war ganz angespannt vor Wut. Er zitterte sogar leicht vor lauter Anspannung. Diese Unverschämtheiten von Lilian und nun dieses Eindringen in seine Privatspähre war ihm absolut zuviel. Finster starrte er die Tür an und suchte nach einem Weg, die Selbstbeherrschung zu wahren. Beinahe wäre es ihm komplett misslungen, als Lilian tatsächlich zu behaupten wagte, dass sie keinen Unfug betreiben würde. Das einzige, was sie davor bewahrte, dass sich sein Zorn heftig über sie entlud war, dass Yukarin einerseits ein überaus zurückhaltender Mensch war und dass Lilian nun doch wieder aus seinem Zimmer hinaus kam.
Ganz vorsichtig schob sie sich durch den Türspalt. Nervös entschuldigte sie sich und blickte dabei beschämt auf den Boden. Wenigstens sah sie ein, dass sie sich absolut daneben benommen hatte. Lilian erklärte es damit, dass sie sich erschrocken hätte. Es war wohl wieder diese Angst vor ihm. Oder vielmehr vor den Blutigen allgemein. Dabei hatte Yukarin ihr nun wirklich nichts angetan. Selbst wenn er andere bestrafte, dann hatten die es immer verdient und wünschten es sich eigentlich so. Lilian beteuerte jedenfalls eifrig, dass sie nichts in seinem Zimmer angefasst hätte. Das wäre auch noch schöner gewesen. Finster starrte er auf sie nieder und lies sich auch nicht durch die süsse Kopfhaltung oder die schimmernden, rosefarbenen Augen erweichen.
"Geh. Mir. Aus. Dem. Weg!" forderte Yukarin eisig, nachdem Lilian ihn gefragt hatte, ob sie es irgendwie wieder gut machen könne. Damit konnte sie es nicht wieder gut machen, doch wenigstens würde sie es nicht noch schlimmer machen, dachte Yukarin sich finster. Hoffte es. Lilian huschte dann auch rasch erschreckt an Luceros Seite, der tatsächlich beschützend einen Arm um sie legte. Yukarin ignorierte es. Straks ging er in sein Zimmer. Mit wenigen Handgriffen im Bad hatte er Haar- und Zahnbürste beisammen und ein kleiner Umweg zu seinem Schreibtisch brachte ihm Papier und Stift ein. Damit ging er wieder nach draussen in den Gang. Gerade als Horatio Lilian pikiert fragte, was sie denn mit ihrem Kleid gemacht hätte. Yukarin hatte es mitbekommen und wollte Lilians Erklärungen dazu gar nicht hören. So drückte er ihr einfach nur kühl die gewünschten Sachen in die Hand.
"Du gehst jetzt besser", riet er ihr, wandte ihr den Rücken zu, nachdem er Lucero und Horation noch einmal knapp zu genickt hatte und zog sich in sein Zimmer zurück. Leise aber nachdrücklich schloss er die Tür hinter sich. Was für ein kleines Monster, diese Lilian!

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 09:13
von Lilian
Yukarin starrte ihn nur angespannt an, die Augen finster zusammengekniffen und auf ihn herabblickend. Er wirkte nicht so, als hätte er Verständnis oder ließe sich durch eine Entschuldigung wieder erweichen. Er wurde aber auch nicht jähzornig und unbeherrscht wie Aerys, wenn er wütend war. Stattdessen verströmte der Bibliothekar eine eisige Aura der Ablehnung und Geringschätzung. Er zischte Lilian abgehackt an, dass er ihm aus dem Weg gehen sollte. Der Tonfall ließ nicht zu, dass man nochmal versuchte etwas einzuwenden oder zu erklären. Das merkte selbst der Jüngling. Erschrocken wich Lilian dem hochgewachsenen Blutigen aus und flüchtete sich an Luceros Seite, der sogar einen Arm um Lilian legte. Es fühlte sich ein bißchen tröstend und auch schützend an, erinnerte Lilian unwillkürlich an den Moment der Vorbereitung, wo Lucero ihn umarmt und gewiegt hatte. Aber da waren sie alleine gewesen und niemand wusste davon.
Während Lilian noch überlegte, was er Yukarin sagen könnte, um ihn wieder gewogen zu stimmen, ging dieser bereits in sein Zimmer. Der Jugendliche erwartete halb, dass der Mann die Türe hinter sich zuschmiss, doch es passierte nicht. Und was jetzt? Unwohl trat Lilian von einem Fuß auf den anderen.
"Ich wollte ihn nicht verärgern", sagte er Lucero leise. "Ich kenne ihn doch noch nicht gut." Er wusste nicht, ob Yukarin einer der "Guten" war. Ob man ihm trauen konnte oder nicht. Lilian wusste sowieso kaum wie er sich in Gegenwart anderer Männer verhalten sollte, nachdem ihm diese Versteigerung und die Entjungferung zugestoßen waren.
Horatio ergriff plötzlich das Wort und deutete mit seinem Finger auf Lilians Kleid, wollte gleich scharf wissen, was denn da passiert wäre. Schuldbewusst strich der Junge über den genähten Riss.
"Da bin ich gestolpert, als ich... ehm.. wegrennen wollte. Das Kleid ist so lang und ich bin auf den Saum getreten und hingefallen", erklärte er, "Es war keine Absicht. Ich wollte eure Arbeit nicht kaputt machen", beteuerte er dem Schneider zerknirscht. Noch jemand, der mit ihm schimpfte. Heute hörte es gar nicht mehr auf und Lilian war auch noch an allem Schuld.
Yukarin war wiedergekommen und Lilian war überrascht, dass der Bibliothekar tatsächlich die Bürsten und die Schreibsachen in seinen Händen hielt. Damit hatte der Jüngling nicht mehr gerechnet. Das hatte er doch gar nicht verdient. Yukarin ließ ihm keine Wahl und drückte ihm die Dinge entgegen.
"D-danke... vielen Dank. Das ist-", setzte Lilian an, bemüht jetzt besonders höflich und dankbar zu sein, doch Yukarin wandte sich sofort ab und verlangte, dass er ging. Der Bibliothekar verschwand in seinem Zimmer und dieses Mal machte er unmissverständlich die Türe hinter sich zu.
Lilian ließ die schmalen Schultern hängen, die ausgeliehenen Dinge an seine Brust gedrückt.
"Danke, dass du mir eine Gutenachtgeschichte vorgelesen und dich um mich gekümmert hast", sagte Lilian durch die Türe. "Es tut mir leid." Mehr fiel ihm nicht mehr ein und vielleicht war es wirklich besser, wenn er nun ging. Aber wohin? Ratlos blickte Lilian die beiden Blutigen an.
"Wohin kann ich denn jetzt gehen?", fragte er leise unsicher. "Können wir zurück zu den anderen?", bat er Lucero. Lilian blickte dann zu Horatio.
"Es tut mir auch leid wegen dem Riss. Ich hab es aber genäht. Marlin hat mir erklärt wie", erklärte er und hoffte, damit wäre es nicht so schlimm. Vielleicht hatte der Schneider ja sogar ein Einsehen, dass so ein langes Kleid einfach nichts für Lilian war.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:02
von Aerys
Er hätte schreien mögen. Lilian machte ihn so unglaublich wütend. Verwöhntes, undankbares Balg. Aerys hatte ihm das grösste Geschenk gemacht, welches er ihm machen konnte, ohne ihn zu verlieren. Doch Lilian war es nicht genug gewesen, hatte einfach nach mehr gegriffen und hatte dann zu allem Überfluss auch noch darauf beharrt und es nicht loslassen wollen, als Aerys klar gestellt hatte, dass er ihm etwas anderes geschenkt hatte. Oh, er hätte ihm gar nichts schenken sollen. Aerys wusste es doch besser. Er hatte Lilian nur auch so eine Freude machen wollen, wie dieser ihm eine Freude gemacht hatte. Aber jetzt war alles verdorben. Aerys konnte ihm nie wieder so etwas grandioses schenken. Lilian hatte alles kaputt gemacht. Er würde gar keine Geschenke mehr von ihm bekommen. Schlimmer noch, Aerys würde alle Geschenke wieder zurück nehmen, die er ihm bereits gemacht hatte. Lilian sollte gar nichts mehr haben. Und zwar nicht nur für ein paar Tage, sondern für richtig lange Zeit. So würde er besser lernen können bescheiden und dankbar zu sein.

Zornig tigerte Aerys durch die Villa. Er wollte getröstet werden. Der Schmerz in seiner Brust sollte ihm genommen werden. So etwas hatte er schon lange nicht mehr verspürt. Nicht umsonst hatte Aerys sich in diese Villa hier her zurück gezogen. Damit ihm nicht so weh getan wurde. Seine Kunstwerke waren nicht so grausam, wie die Menschen ausserhalb seiner kleinen Insel. Sie kamen auch prompt zu ihm. Scheu und besorgt wollten sie ihn verwöhnen und ihm etwas gutes tun. Aerys hiess es sehnsüchtig willkommen. Wobei es diesmal gar nicht so leicht war, ihn zu besänftigen. Immer wieder brodelte die Wut in ihm hoch und er sprang wieder auf. Aufgebracht ging er hin und her, versuchte unwirsch etwas zu malen, um sich zu beruhigen. Es dauerte jedes Mal lange, bis seine Lieblinge es wieder schafften, seinen Zorn zu mildern.

Dass Coranis und schliesslich auch Yukarin ihm Fragen zu Lilian sandten und wissen wollte, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollten, machte das ganze auch nicht leichter. Er wollte gerade absolut nichts mit Lilian zu tun haben. Sie konnten ihn von ihm aus im Keller vermodern lassen. Wobei er gleichzeitig auch nicht wollte, dass sich jemand an Lilian vergriff oder dieser gross Freundschaft mit jemandem schliessen konnte. Es war zum Schreien.
Am nächsten Tag wurde ihm ein Brief von Lilian überbracht. Das war speziell. Es war Aerys für einen Moment aus dem Konzept. Mit einem Brief von Lilian hatte er nicht gerechnet. Das war irgendwie süss. Trotzdem öffnete er ihn nicht. Er wollte nicht lesen, was darin stand. Bestimmt nur irgendwelche Vorwürfe, wie gemein und fordernd Aerys doch wäre. Das brauchte der Adelige nicht zu lesen. Genau so wenig wollte er lesen, wie Lilian sich entschuldigte, weil er etwas falsch verstanden hatte. Aerys hatte ihm genügend Möglichkeiten gegeben, das vorher schon festzustellen und nachzufragen. Es war vorbei. Verdorben. Und nur schon daran zu denken, liess Aerys Wut auflodern. Allerdings warf er den Brief auch nicht ins Feuer, sondern bewahrte ihn in seinem Schreibtisch auf.

So dauerte es einige Tage, bis Aerys wieder gelassen mit seinen Kunstwerken in einem Salon rumlümmeln konnte, obwohl er Lilians Signatur ganz in der Nähe des Salons spürte. Vielleicht war er sogar im Nebenzimmer. Die letzten Tage war er immer aufgebracht weggestürmt oder hatte Lilian wegbringen lassen und war torztdem aufgebracht gewesen. Das war ungewöhnlich für ihn. Normalerweise verschwand sein Zorn genau so schnell wieder, wie er gekommen war. Wobei er eigentlich sehr selten zornig wurde. In der Regel war er eher gelassen und ausgeglichen. Diese aufbrausende Wut begleitete ihn schon seit Jahrtausenden nicht mehr.
Diesmal störte jedoch jemand anderes den gemütlichen Nachmittag im Salon. Einer seiner Wächter kam reingestürmt. Er klopfte zwar, wartete dann aber nicht wirklich auf eine Antwort, sondern kam gleich mit seinen schweren Stiefeln in den hellen Salon gestapft. Angespannt und aufgeregt verneigte er sich.
"Prinz Verden", begann er auch gleich dringlich. "Mein Cousin aus der Stadt hat mir eine Warnung geschickt. Die hayllische Armee sendet Soldaten aus, um nach dhemlanischen Gefangenen zu suchen." Alamiert setzte sich Aerys auf.
"Warum?" wollte er wissen. Das klang seltsam. "Warum jetzt?"
"Das weiss mein Cousin nicht", schüttelte die Wache den Kopf. "Er konnte nur in Erfahrung bringen, dass sie vorallem nach frisch gemachten dhemlanischen Gefangenen suchen. Nach solchen, die in Raej gewesend sind. Vorallem nach denen, die dem Kommandostab angehört oder ihm direkt gedient hat. Es heisst, sie wüssten, was Sion mitten im Dschungel von Raej besonderes vor hatte."
"Lilian weiss nichts darüber", stellte Aerys klar. Auch wenn er wütend auf den Jungen war, so war er sich dessen sicher.
"Das ist egal", schüttelte der Wächter den Kopf. "Sie suchen nach allen und man munkelt, dass sie ziemlich rabiat dabei vorgehen. Sie halten sich gar nicht erst mit Fragen auf, sondern dringen direkt in den Geist der Gefangenen ein. Egal ob eine Schwarze Witwe dabei ist oder nicht. Sie sollen anscheinend nicht wenige mit gebrochenem Geist als sabbernde Idioten zurück lassen. Es macht ihnen Spass, die Dhemlaner zu quälen und dafür zu bestrafen, dass sie diesen riesigen Krieg angezettelt haben. Jedenfalls, Prinz Verden, sie durchsuchen jedes Haus. Sie werden auch hier her kommen. Wahrscheinlich ziemlich bald. Mein Cousin hat sich erst getraut, eine Nachricht los zu schicken, nachdem sie aus der Stadt wieder abgezogen waren."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:15
von Lilian
Lucero brachte ihn zurück zu den anderen im Salon, wo Lilian etwas frühstücken konnte. So wie Yukarin ihn ermahnt hatte, achtete der Jugendliche dieses Mal auf eine ausgewogene Ernäherung, doch der Bibliothekar war nicht dabei es zu beobachten. Die anderen konnten mal wieder nicht verstehen wieso Lilian Yukarin verärgert hatte. Er hatte es nicht mit Absicht getan, doch irgendwie konnte er sich in der Villa einfach nicht zurechtfinden.
Nach dem Frühstück putzte Lilian sich die Zähne und bürstete sich die Haare bis sie wieder glänzten. Heute würde Aerys ihn bestimmt wieder zurückholen. Der Junge hatte gedacht, es würde schon gestern abend passieren, doch nichts war geschehen. Es war irgendwie nicht so wie der Streit, wo er im Kerker gelandet war. Es war anders. Schlimmer. Dieses Mal hatte Lilian nicht nur ein gequetschtes Handgelenk und blaue Flecken bekommen. Aerys hatte ihn richtig hart geschlagen. Hätte Lady Ildris es nicht geheilt, hätte er sicher immer noch ein geschwollenes Auge. Vielleicht hätte er es nicht heilen lassen sollen. So fühlte sich der gestrige Streit so unwirklich an. Wie ein schlimmer Albtraum. War das wirklich passiert? Sollte Lilian es einfach vergessen, so wie alles andere was ihm hier bereits zugestoßen war?
Mit diesen Fragen quälte er sich herum, als er sich setzte, um den Brief an Aerys zu verfassen. Der Adelige schlief jetzt wahrscheinlich noch und Lilian wollte den Brief fertig haben bevor Aerys aufwachte. Wenn er den Brief las, würde er gewiss gleich zu Lilian kommen, sie könnten sich aussprechen und der Prinz würde nicht mehr wütend sein.
Es stellte sich heraus, dass das Briefe schreiben nicht so einfach war wie gedacht, da der Jüngling selbst noch verletzt war. Er konnte die Schläge nicht verwinden und dass Aerys ihn für ein Missverständnis herausgeschmissen hatte statt mit ihm darüber zu reden und es ihm zu erklären. Der Brief scheiterte schon an der Anrede. Lilian wollte nicht 'Lieber Aerys' schreiben. Das kam ihm irgendwie falsch vor, während er diese aufwühlenden Gefühle in sich hatte. Er war vielleicht auch noch wütend auf den Adeligen. Vor allem aber enttäuscht. Der Jugendliche hatte gutgläubigerweise gedacht, dass die Zeiten, wo Aerys ihm weh tat, vorbei wären, doch es war alles nur eine Illusion gewesen. Es hatte sich nichts geändert. Lilian kannte den Adeligen nicht besser als vor dem Ausflug...
Der Junge zerknüllte die ersten Versuche und lehnte sich seufzend über den kleinen Tisch im Salon, wo er hatte schreiben dürfen. Haarlocken kringelten sich über die geschriebenen Worten. Wie sollte es mit ihm weitergehen? Unglücklich blickte Lilian über das Tischholz und die verteilten Papiere hinweg. Er wollte nicht für ewig in dieser Villa gefangen sein. Er wollte kein Kunstwerk werden. Aber würde Aerys Rücksicht auf ihn nehmen? Vielleicht war das jetzt auch alles vorbei..

Hatte er in den ersten Briefen seine Wut und Enttäuschung in Worte gepackt darüber wie gemein sich Aerys ihm gegenüber verhalten hatte, raffte Lilian sich auf und versuchte es anders. Wenn er wollte, dass Aerys ihn wieder zurücknahm und sich an die Hoffnung klammerte, dass auch wieder gute Zeiten anbrachen, sollte er sich besser entschuldigen und alles tun, damit ihn der Adelige wieder mochte. Lilian musste seinen eigenen Zorn herunterschlucken und so tun, als wären die Schläge und das Verstoßen nichts gewesen. Einfach vergessen. Alle Schuld auf sich nehmen. Der Jugendliche quälte sich die Worte heraus und entschuldigte sich inständig für sein eigenes Benehmen und beteuerte Besserung. Lilian stockte, starrte auf den Brief. Es klang alles falsch. Er meinte es nicht richtig. Lilian fand nicht, dass er alles falsch gemacht hatte. Er hatte nicht alleinige Schuld. Seufzend lehnte der Junge sich zurück. Das war zu schwer. Er wusste nicht was er schreiben sollte und er fühlte sich vollkommen überfordert von der Situation.
Es zwang den Jungen jedoch sich intensiv mit dem Streit auseinanderzusetzen. Aerys hatte ihn nicht weggeben wollen und Lilian hatte sich zu sehr darüber gefreut. Er hatte es unbedingt hören wollen. Hatte er es falsch verstehen wollen? Aber Aerys hatte es auch nicht direkt korrigiert und ihn in dem Glauben gelassen, hatte zugelassen, dass sich Lilians Euphorie immer weiter gesteigert hatte. Lilian hätte mal besser zuhören sollen. Der Prinz würde ihn nie freilassen wollen. Aerys hatte ihn ja gern und wollte ihn für sich. Stimmte das noch? Also hatte Lilian sich zu viel über das falsche gefreut und das hatte Aerys gewiss verletzt. Weil Lilian ihn so dringend verlassen wollte. Aber der Prinz hätte es richtig stellen können. Gleich sofort. Stattdessen hatte er sich in Lilians ergebener Dankbarkeit gesonnt und sich auch einen Kuss geholt. Und obwohl Lilian sich falsch verhalten hatte, hätte Aerys ihn nicht schlagen müssen. Sie waren beide Schuld, kam Lilian zum Schluss. Aber das konnte er Aerys vermutlich nicht schreiben. Der Adelige würde es vermessen finden. Lilian durfte ihn nicht erzürnen. Er hatte nun genügend mitbekommen wie empfindlich der Adelige war und wie extrem er reagierte, wenn er verletzt war. Und Lilian hatte ihn verletzt. Viel zu sehr. Aber Lilian war auch verletzt. Wieso musste er immer darunter leiden und-
Der Junge schüttelte den Kopf und seufzte. Er hatte erwachsen werden wollen, aber nicht auf diese Weise und es war schwer der erwachsenere von beiden sein zu müssen. Lilian schrieb nochmal einen wütenden Brief, sogar mit bösen Schimpfwörtern, um sich allen Frust von der Seele zu schreiben. Den konnte er natürlich nicht abschicken, aber es half sich zu beruhigen, und er warf das Schriftstück rasch ins brennende Kaminfeuer.
Er zeigte auch nichts davon seinen Freunden, die ihn größtenteils in seinen Schreibversuchen alleine ließen. Sie merkten wohl, dass dies etwas war, was Lilian sich selbst erarbeiten musste. Er hatte aber nicht mehr viel Papier und bald mussten ihm die richtigen Worte einfallen. Der Jüngling musste an den Moment denken, wo er Aerys als Scheusal beschimpft hatte und ihm dieser gesagt hatte, dass er ihn immer noch lieb hatte. Lilian dachte eine Weile daran herum ehe er wieder zu schreiben begann.
Am Ende war es nur eine kleine Nachricht. Lilian hatte bei den vorherigen Versuchen gemerkt, dass seine zwiegespaltenen Gefühle rasch die Schreibfeder übernahmen und es bei einem längeren Brief ein wahres Chaos wurde, pendelnd zwischen Wut, Reue, Enttäuschung, gar Sehnsucht und einer Reihe anderer Gefühle, die er für den Prinzen empfand.

Als wir gestritten haben, da hätte ich Euch sagen sollen, dass ich Euch auch lieb habe. Vielleicht hätte das alles besser gemacht. Es tut mir leid, dass ich es nicht gesagt habe, denn ich hab Euch lieb.
Immer noch. Und ich werde Euch das auch immer sagen, wenn Ihr es hören wollt. Versprochen.

Eure Lilian


Es stimmte leider, was in der Nachricht stand. Lilian hatte den Adeligen weiterhin lieb. Er wusste nichtmal wieso. Wie konnte er einen Mann mögen, der ihn so quälte? Aber da war etwas zwischen ihnen und es wurde immer schwerer es zu leugnen. Lilian glaubte, er wüsste nun wieso Aerys ihn geschlagen hatte und das war nicht, weil er ihn nicht mochte, sondern weil er verletzt gewesen war und sich verstoßen gefühlt hatte. Weil er Lilian mochte.
Also würde es den Streit womöglich nur reparieren, wenn Lilian ihm sagte, dass er ihn immer noch mochte. Nach Stunden des Haderns hatte der Jüngling endlich die richtigen Worte gefunden wie er glaubte und er fühlte sich um einiges besser. Befreiter.
Jetzt war es auch Mittags und er übergab den Umschlag Fergus, der versprach ihn sofort abzuliefern. Aerys müsste nun auf sein. Er würde etwas essen und dann würde er den Brief bekommen. Es war der perfekte Zeitpunkt, es waren die richtigen Worte. Lilian saß mit bebenden Herzen auf dem Sofa und wartete darauf, dass der Prinz nach unten kam, um ihn zu sehen. Der Jugendliche konnte sich keine andere Reaktion vorstellen. Jetzt würde Aerys doch gewiss mit ihm reden wollen. Lilian fürchtete sich zwar weiterhin ein bißchen auf die sicherlich schwere Begegnung, aber dann hätte all die Anspannung wenigstens ein Ende.
Es passierte nichts. Auch Stunden später nicht. Fergus hatte ihm zweimal versichern müssen, dass der Brief wirklich seinen Weg zu Aerys gefunden hatte. Wieso kam er dann nicht? Lilian verstand es nicht. Er hatte sich den ganzen Vormittag so viel Mühe gegeben. Er fühlte sich so, als hätte er etwas anstrengendes geleistet, aber anscheinend war es nicht genug gewesen. Oder nicht richtig. Dem Jüngling kamen wieder die Zweifel. Je mehr Zeit verstrich, desto rastloser und unglücklicher wurde der Junge. Aerys mochte den Brief nicht. Er hasste ihn vielleicht sogar. Er war noch zu wütend gewesen. Er ließ sich nicht besänftigen. Lilians Gefühle rumorten. Wieder war etwas nicht so gelaufen wie er es sich vorgestellt hatte.
Der Junge legte sich auf das Sofa im Salon und rollte sich unglücklich zusammen. Seine Freunde versuchten ihn aufzumuntern und zu trösten, aber dann kam Coranis vorbei und schickte sie alle arbeiten. Lilian sollte auch. Coranis hatte leider keine Antwort auf die drängenden Fragen des zierlichen Jünglings, wieso Aerys nicht zu ihm kam.
Lilian bekam einen Besen und Staubwedel. Er sollte einige Flure reinigen. Niedergeschlagen kam der Junge dem nach und fegte über das Holzparkett, doch nachmittags hielt er es nicht mehr aus. Wenn Aerys nicht zu ihm kam, würde Lilian eben ihn aufsuchen. Wenn sie nochmal über den Streit reden könnten...
Der Junge folgte der anziehenden Signatur, doch kurz bevor er bei dem Adeligen war, traten ihm Lysander und ein anderer Wächter in den Weg. Dann entfernte sich die Signatur auch noch rasch. Lilian biss sich auf die sanfte Unterlippe. Wieso bestrafte Aerys ihn so? War es noch nicht genug?
Beim Abendessen saß der Jugendliche an einem von zwei langen Tischen mit Sitzbänken. Scheu saß das Nesthäkchen zwischen seinen Freunden, um sich wenigstens etwas sicherer in der fremden Situation zu fühlen. Er hatte das Gefühl, als würden ihn alle anstarren. Es waren fast alle Kunstwerke da, außer einige, die nicht in der Villa waren, gerade in der Küche arbeiteten oder bei Aerys waren. Zu letzteren zählte auch Darion. Es schmerzte Lilian besonders, denn gerade Darion hätte er gerne wiedergesehen.
Appetit hatte Lilian nicht und er nahm nur ein paar Bissen von dem Essen. Nach dem Essen gingen ein paar in den Innengarten, um frische Luft zu schnappen, doch als Lilian ihnen folgen wollte, wurde er von den Wächtern an der Glastüre zurückgehalten. Er dürfte nicht nach draußen.
Lilian wusste nicht, ob er schreien oder weinen sollte. Wieso wurde er so ungerecht behandelt? Marlin, Terim und Lucero blieben dann auch drinnen. Sie spielten Karten, doch Lilian saß nur teilnahmslos daneben, ein Kissen an sich gedrückt. Verdrossen starrte er ins Leere.
Später kam nochmal Coranis zu ihm, gab ihm einen kleinen Leinenbeutel mit Waschutensilien und dickeren, weißen Socken. Er schickte ihn in den Schlafsaal, wo auch Fergus lag. Lilian bekam große Angst vor der ersten Nacht. Er konnte sich neben Fergus legen, aber wohl fühlte er sich trotzdem nicht. Verschämt zog er sich unter der Decke um, denn das Gemeinschaftsbad war voller nackter Männer, die sich duschten und Lilian hatte sich nicht getraut sich vor ihnen auszuziehen.
Lilian rollte sich in seine Decke, zog sie dicht um sich, aber es war nur ein sehr dünnes Schutzschild und schmälerte nicht die Angst vor den Blutigen, die nachts in den Schlafsaal kommen würden.
Der Jüngling weinte leise unter der Decke, versuchte das Schluchzen zu dämpfen. Inmitten der vielen Männer fühlte er sich entsetzlich verloren. Lilian wusste nicht mehr weiter und war verzweifelt genug, dass er Aerys einen Speerfaden schickte. Zaghaft und schwach, weil er genau wusste, dass er ungefragt in Aerys' Geist eindrang. Jedenfalls kam es ihm so vor.
*Aerys? Ich kann nicht.. einschlafen, ich hab Angst... bitte...*
Angespannt lag Lilian in der Dunkelheit und wartete auf eine Reaktion, doch es kam nichts zurück. Vorsichtig sandte Lilian nochmals Aerys' Namen und da kam endlich eine Antwort. Leider nicht die, die sich der Junge erhofft hatte. Es war ein fast schmerzhafter Speerfaden, zischend und kalt, dass er ihn in Ruhe lassen sollte. Lilian schluchzte auf. Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Von dem Speerfaden bekam er Kopfschmerzen und allgemein fühlte er sich ganz elend.

Am anderen Morgen wollte er gar nicht richtig aufstehen. Er wusste nicht wozu. Die anderen bequatschten ihn, aber Lilian mochte nicht. Erst als Javier kam und scherzend vorschlug, er würde ihm helfen und auch mit ihm unter die Dusche gehen, raffte sich der Junge auf. Er wusste nicht, ob es ein Scherz gewesen war oder eine Drohung, doch er wollte es lieber nicht herausfinden. Da alle anderen schon fertig waren, war niemand mehr im Bad und Terim versprach, aufzupassen, dass niemand hereinkam.
Lilian bekam ein frisches Leinenkleid. Leider keine neue Unterwäsche und so wusch er sein Höschen mit Seife im Waschbecken. Terim half ihm mit einem Wärmezauber aus, obwohl Lilian zunächst peinlich war danach zu fragen. Aber lieber fragte er, als nackt herumzurennen. Dennoch war er nie glücklich oder unbeschwert in dem weißen Kleid und nicht das kleinste Lächeln war ihm zu entlocken. Der Junge wollte kaum essen und mehrmals versuchte er nochmal eine Begegnung mit Aerys zu erzwingen, doch dieser entfloh ihm jedes Mal. Es fühlte sich jedenfalls so an. Es war feige und es war gemein, dachte Lilian verletzt. Er mochte seine neue Lebenssituation noch weniger als die davor. Terim kämmte ihm die Haare, denn Lilian konnte sich nicht dazu aufraffen. Wozu? Was hatte es alles für einen Sinn? Es gab ja scheinbar nichts Schönes mehr in seiner Zukunft.
Nachts weinte er sich in den Schlaf, wenn er irgendwann nicht mehr zitterte jedes Mal, wenn er eine Bewegung an der Türe vermeinte. Aber die Blutigen blieben aus. Allgemein sah Lilian wenig von ihnen, außer Lucero oder mal Javier. Yukarin bekam er auch nicht mehr zu Gesicht, wobei Lilian sich gerne nochmals entschuldigt hätte.
Der Junge überlegte mehrmals, ob er einen neuen Brief an Aerys schreiben sollte, aber er wüsste nicht was. Wenn sein erster Brief nicht geholfen hatte, was sollte dann noch was ändern? So vergingen ein paar Tage in denen Lilian größtenteils seine Putzarbeiten erledigte und dann teilnahmslos und schweigend bei den anderen saß, während er nachts wieder heimlich unter der Decke weinte. Wobei es vielleicht nicht ganz so heimlich war, denn bei jedem Essen bekam er extra große Portionen mit lauter Dekorationen und einigen der letzten Herbstblumen aus dem Park. Es half alles nichts.
An einem dieser Tage wagte Lilian nochmal zu Aerys zu gehen. Der Jüngling trug wieder das Kleid mit dem genähten Riss und seine langen Strümpfe, doch auch die hatten mittlerweile durch das Schrubben von Böden weitere Risse bekommen. Selbst die Knie hatten kleine Rötungen bekommen, es war ihm egal. Nur für das Haar hatte Lilian sich aus einem weißen Tuch ein kleines Kopftuch gebastelt. Es war mehr ein breites Band, das er locker um seine Haare geschlossen und oben am Kopf mit einer Schleife verbunden hatte. So hing es ihm nicht andauernd das Haar im Gesicht, wenn er arbeitete.
Lilian hatte sich von der Arbeit weggeschlichen ein Holzparkett mit Politur einzureiben. Mittlerweile kannte der Junge sich besser in den Bereichen der Villa aus, wo er erlaubt war und so kam er ungehindert in die Nähe des Salons, wo Aerys sich aufhielt. Lilian war fest entschlossen sich dieses Mal nicht abwimmeln zu lassen. Dieses Mal würde Aerys nicht wegrennen. Der Jugendliche nahm sogar Schläge in Kauf. Die Angst vor denen war nicht mehr so groß wie allein gelassen zu werden.
Er war gerade näher gekommen, als er schon die Wächter heraneilen hörte. Verflixt! Der Junge schlüpfte in eine Besenkammer in der Nähe. Die Türe nur halb angelehnt, wartete er bis die Männer vorbei rannten. Leider waren sie jetzt vor ihm bei Aerys und nun wusste Lilian nicht wie er sich dem Adeligen noch nähern könnte. Lilian steckte den Kopf durch die Türe der Besenkammer. Die Wachen redeten ganz schön laut. Irgendetwas musste passiert sein. Sie klangen aufgebracht. Dabei hatten sie Lilian überhaupt nicht entdeckt. Neugierig geworden schlich der Junge näher zum Salon. Er bekam einzelne Wortfetzen mit. Soldaten suchten nach dhemlanischen Gefangenen. Was? Aber... das war er...
Lilian wurde nun auch aufgeregt. Man suchte nach ihm? Wollte man ihn befreien? Aber die Wachen sagten etwas ganz anderes. Dass sie in den Geist der Gefangenen eindringen und sie brechen würde, um die Dhemlaner für den Krieg zu bestrafen. Bald wären die Soldaten auch hier, um die Villa zu durchsuchen. Lilian sog erschrocken die Luft ein. Er wollte nicht zerbrochen werden! Erst jetzt begriff er, dass es darum ging, dass hayllische Soldaten nach dhemlanischen Gefangenen suchten. Um sie zu quälen. Vielleicht so wie bei der Versteigerung. Oh nein!
Die Wachen hatten sein kleines Keuchen gehört und einer von ihnen öffnete eine der Flügeltüren, um zu sehen wer es war. Wie erstarrt stand der junge Krieger an der Türschwelle, blickte mit großen, rosa Augen hinüber zu Aerys, der in einem Sessel saß, flankiert von zwei weißgewandten Kunstwerken mit Appetithäppchen und Getränken auf silbernen Tabletts.
Am liebsten wäre Lilian sofort zu Aerys gerannt, doch auch jetzt ließ das überlange Kleid nur kleine Schritte zu. Lilian raffte es vorne mit beiden Händen, man sah ein wenig der zerrissenen Strümpfe. Inzwischen hatte der Junge ein bißchen gelernt sich besser in dem Kleid zu bewegen, aber es war weiterhin nicht dazu geeignet, flink um zwei Wachen herumzurennen
Dabei wollte Lilian nichts lieber als in Aerys' Arme zu fliegen und dort Schutz zu suchen. Er wusste nicht was los war, aber die Nachricht der Männer bereitete ihm große Angst. Dieses Mal ließen die Wachen ihn aber durch und Lilian konnte zu dem Adeligen laufen, der inzwischen aufgestanden war.
"Die.. suchen nach mir?!", fragte Lilian ängstlich. "Müsst ihr mich abgeben? Ich will nicht zerbrochen werden!"
Kurz vor dem Adeligen war er zögerlich stehen geblieben, traute sich dann doch nicht näher zu ihm, wo alles so komisch zwischen ihnen war und der Prinz ihn so lange nicht hatte sehen wollen.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:25
von Aerys
Oh, nein! Sie würden ihm Lilian nicht wegnehmen. Der süsse Junge gehörte ihm. Und schon gar nicht wollte Aerys ihn an brutale Soldaten verlieren, die ihm weh taten und ihn zerbrachen. So wütend er auch auf Lilian war. Er hatte ihn doch lieb. Er musste sich etwas ausdenken, wie er verhindern konnte, dass sie Lilian entdeckten. Wie er sie verstecken konnte. Kurz dachte er an den geheimen, an den echten Kerker. Doch Lilian würde es da nicht aushalten. Es war viel zu riskant, dass sie Lilian dort doch entdeckten. Lilian musste verschwinden. So als hätte wäre er gar nie hier gewesen. Fieberhaft dachte er nach.

Die Aufregung und die Sorge um Lilian erfasste auch die anderen Kunstwerke. Nervös tuschelten sie miteinander, sandten den anderen, die sich nicht hier befand. Aerys spürte, wie sie alle in windeseile näher kamen. Doch als die Wache die Flügeltür zum Salon öffnete, weil sie wohl etwas gehört hatte, stand da erstmal nur Lilian. Mit schreckgeweiteten, wunderschönen, rosefarbenen Augen blickte er ihn hilfesuchend an. Ängstlich kam er herein, liess sich von den Wachen nicht abschrecken. Aerys gab ihnen diesmal auch nicht den Befehl, sie zurück zu halten. Stattdessen starrte er Lilian einfach nur an. Er sah aus wie das Lumpenmädchen, das von dem Prinzen gerettet werden musste. Oh und wie er ihn retten wollte. Sachte winkte er ihn näher und legte ihm sanft eine Hand auf die Wange.
"Keine Angst, Lilian", sprach er beruhigend auf ihn ein. "Sie werden dich nicht finden. Wir werden dich verstecken. Sie werden dich nicht zerbrechen. Ich weiss, dass du nichts über die bösartigen Pläne von Sion weisst." Er richtete sich auf und blickte sich suchend um. Inzwischen hatten sich mehr und mehr Kunstwerke in den Salon gedrängt.
"Marlin, Terim, kommt her", winkte er Lilians beide Vertrauten zu sich. "Nehmt Lilian mit unter die Dusche und bürstet sie ab, bis man nichts mehr von ihrer Signatur wahrnehmen kann. Lilian, du musst ab sofort unbedingt deine Signatur unterdrücken. Lucero! Zieh deine Gewandung aus. Lilian wird sie nachher anziehen. Deine Signatur soll die von ihr überdecken. Danach geh in Lilians Zimmer und zieh eines von ihren Kleidchens an." Der sonst so freche Prinz gehorchte anstandslos und begann sich schon auszuziehen, während Aerys noch erklärte, warum er das tun sollte.
"Ihr anderen, lüftet die Villa durch", wies Aerys die restlichen Anwesenden an. "Besonders da, wo Lilian gerade noch war. Danach füllt das Gebäude mit euren Signaturen. Lasst sie sprühen. Ein paar sollen Lucero in Lilians Zimmer begleiten. Lüftet sie aus und macht anschliessend eine Teeparty oder so. Lasst es so wirken, als würde Lucero schon immer darin wohnen. Javier, du bringst Lilian nach ihrer Dusche zum sichersten Ort in dieser Villa. Los, los, beeilt euch", trieb er die Kunstwerke mit einer wedelnden Handbewegung an. "Wer weiss, wie lange wir noch Zeit haben werden. Wahrscheinlich nur ein paar Minuten."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:26
von Lilian
Aerys wirkte im Moment jedenfalls nicht wütend. Er winkte ihn näher. Trotzdem zuckte Lilian unwillkürlich zusammen, als sich die Hand des Prinzen auf seine Wange legte. Nur für einen Augenblick, dann begann er leise zu wimmern. Er wusste selbst nicht, ob es wegen der drohenden Gefahr war oder dass er nach mehreren Tagen endlich wieder Aerys' Berührung spürte. Die warme, zärtliche Hand an seiner Wange. Genau dort, wo ihn Aerys so feste geschlagen hatte. Der Jugendliche war ganz durcheinander darüber. Es kam ihm so unwirklich vor. Kamen jetzt tatsächlich hayllische Soldaten und würden das Anwesen auf den Kopf stellen? Und dann würden sie ihn mitnehmen und quälen?
Aerys hatte aber nicht vor ihn freiwillig auszuhändigen. Er wollte ihn verstecken und davor bewahren, dass sie ihn zerbrachen. Er wüsste ja, dass Lilian nicht über Sions bösartige Pläne Bescheid wusste. Der Junge schüttelte verwirrt den Kopf.
"Nein, ich weiß nichts... ich war auch nicht lange in Raej", beteuerte er, "Wieso suchen die denn plötzlich nach mir? Die Hayllier waren doch erst die, die mich versklavt haben..." Er verstand das nicht. Aber konnte er nicht erstmal mit Aerys reden? Über ihren Streit? Lilian wollte ihn so viel fragen und ihm sagen. Unsicher blickte er mit großen Augen hoch zu dem Adeligen.
Aber anscheinend war die Situation viel dringlicher als dem Jugendlichen bewusst war. Mehrere der Kunstwerke waren zum Salon gekommen und Aerys begann rasch Anweisungen zu verteilen. Marlin und Terim waren auch da und Aerys wies sie an, dass sie Lilian unter der Dusche abbürsten sollten. Was??
"Kann ich nicht alleine duschen... können wir nicht lieber von hier wegfahren?", fragte er verwirrt ehe eine der Wachen sagten, dass die Soldaten schon bald hier sein würden. "Noch heute?" Den Teil hatte Lilian nicht mitbekommen. Er erblasste. Plötzlich war der ganze Salon voll mit besorgten Männern. Und Aerys verteilte immer noch Befehle. Lilian solle unbedingt seine Signatur unterdrücken. Jetzt gleich.
"Ich weiß nicht... ich kann das nicht so gut.. ohne Juwel", wandte der Jüngling betreten ein. Das war nie notwendig gewesen. "Die kommen wirklich jetzt gleich?" Es passierte so schnell. Die Bedrohung war aber noch nicht hier und so fühlte sich alles sehr unwirklich an. Lilian kam nicht ganz mit. Es schien nichtmal Zeit zu sein, sein Juwel zu holen.
Lucero sollte mit Lilian Kleidung tauschen, damit seine Signatur überdeckt wurde. Der Blutige erhob keine Einwände und begann sich mitten vor allem auszuziehen. Erschrocken wandte Lilian den Blick ab. Wenigstens behielt Aerys vollkommne Ruhe und erklärte den anderen, dass Lucero sich in Lilians Zimmer aufhalten sollte, um dort seine Signatur zu vertreiben. Sogar die komplette Villa sollte durchlüftet werden. Gerade da, wo Lilian gewesen war.
"Grad eben hab ich mich in der Besenkammer versteckt", fiel dem Jungen dazu kleinlaut ein. Das war vielleicht wichtig.

"Javier, du bringst Lilian nach ihrer Dusche zum sichersten Ort in dieser Villa. Los, los, beeilt euch", drängte der Prinz. Marlin und Terim griffen nach Lilian, um ihn mitzunehmen. Der Junge griff rasch nach Aerys' Hand.
"Bitte, ich mag bei euch bleiben", bat er. Er bekam allmählich große Angst von all diesen aufwendigen Maßnahmen ihn zu verstecken. So viel Aufwand machte man nur, wenn auch die Gefahr entsprechend groß war. Aber Lilian fand, dass der sicherste Ort doch bei Aerys war. Der Adelige würde ihn beschützen. So wie während des Gewitters beim Ausflug.
Aerys drängte, dass sie wahrscheinlich nur ein paar Minuten hätten. Minuten?! Lilian konnte es kaum fassen. In ein paar Minuten könnte er sich niemals gut verstecken. Jedenfalls nicht alleine und deswegen wies Aerys wohl alle dazu an mitzuhelfen.
"Es tut mir leid, dass ich wegwollte", brachte Lilian verzweifelt hervor, "Aber ich will auch nicht mit den hayllischen Soldaten. Die letzten haben ganz viel geschlagen", erinnerte er sich ängstlich. Er wusste instinktiv, dass sein Schicksal dann hier trotz all seiner unglücklichen Gefühle besser war als in den Händen der Soldaten. Er wollte jetzt bei Aerys bleiben.
Der Junge klammerte sich an den Prinzen, aber dieser schob ihn von sich und auch Marlin und Terim zogen ihn in die andere Richtung. Lilians zarte Hand glitt aus der des Adeligen.
"Aerys!"

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:32
von Marlin
Aufregung erfasste die Villa. Es war wie ein Wispern des Blutes. Etwas passierte gerade. Marlin wusste nicht was. Nur, dass es wichtig war. Rasch legte er das Geschirr beiseite, welches er gerade am Waschen gewesen war, trocknete sich die Hände ab und trat neugierig auf den Gang hinaus. Er sah noch niemanden. Also ging er ziestrebig und zusehend schneller werdend auf die Signatur des Meisters zu. Terim begegnete ihm als erster. Unwillkürlich schob der Krieger seine Hand in die von Marlin, drückte sie sanft. Doch er wusste auch nicht, was los war. Fergus holte sie ein. Er schien ganz atemlos und seine Wangen glühten.
"Soldaten aus der Armee wollen uns Lilian wegnehmen", rief er aufgeregt und eilte weiter. Marlin sog erschrocken die Luft ein. Fragend und erschreckt starrte er Terim an. Doch dieser schaute nur genau so besorgt zurück. Dann rannten sie los. Leise und anmutig. Trotzdem, einfach nur noch gehen, hielten sie nicht aus. Den anderen Kunstwerken ging es ähnlich und bald schon sammelten sich alle aufgeregt so halb in und um den Salon, indem der Meister sich gerade befand und sich mit zwei Wachen unterhielt. Lilian war auch da und wirkte ganz aufgelöst. Noch aufgelöster als in den letzten Tagen, wo der Meister sie hatte spüren lassen, dass er kein Interesse an ihr hatte, weil sie ihn so verärgert hatte.

Kaum waren Terim und er angekommen, rief der Meister sie auch gleich zu sich. Behutsam drängelten sie sich zwischen den anderen Kunstwerken hervor und hörten mit Besorgnis zu, dass sie Lilian bei der Dusche helfen sollten, damit sie auch ja kein bisschen Signatur von sich ausstrahlte. Das klang fast so, als müsse man einen Duftbeutel auswaschen. Nichts, was man normalerweise tat und ohnehin kaum möglich. Auch Lilian war ganz verwirrt. Sie wollte lieber alleine duschen gehen, oder noch besser, von hier wegfahren. Ausserdem wisse sie gar nicht, wie sie ihre Signatur unterdrücken solle so ohne Juwel. Es schien jedoch weder die Zeit zu bleiben, fortzufahren, noch um Erklärungen zu bitten. Anscheinend standen die Soldaten praktisch schon vor der Tür.

Angst erfasste Marlin. Sie durften Lilian nicht mitnehmen und noch weniger durften sie ihr wehtun. Das wollte er keinesfalls. Er würde alles in seiner bescheidenen Macht stehende tun, um das zu verhindern. Viel war es nicht. Doch er griff gleich aufgeregt nach Lilians Arm, um sie mit sich zu ziehen, damit sie gleich ins nächste Bad rennen konnten. Terim half ihm gleich mit, während Lucero sich gehorsam auszog und ganz ohne Widerworte bereit war, Lilian seine Kleidung zu leihen. Das war wirklich etwas ganz besonderes, was der Prinz zu geben bereit war. Marlin war sich nicht sicher, ob er selber so anstandslos hätte gehorchen können. Er wäre wohl eher wie Lilian gewesen und hätte sich bettelnd gewunden.

Sie wollte lieber bei dem Meister bleiben, erklärte sie flehend, nachdem sie noch darauf hingewiesen hatte, dass sie sich eben noch in einer Besenkammer versteckt hätte. Der Meister nickte auch gleich einem von ihnen zu, damit dieser loshuschte, um sie von Lilians Signatur zu säubern. Lilian griff derweil nach der Hand des Meisters, wollte ihn umarmen, sich an ihn schmiegen und bei ihm Schutz suchen. Marlin konnte das gut verstehen. Beim Meister schien es ihm auch am sichersten zu sein. Verzweifelt entschuldigte Lilian sich dafür, dass sie weggewollt hätte. Doch sie wolle nicht mit den hayllischen Soldaten mit. Die letzten hätten sie ganz viel geschlagen. Oh, das klang ja furchtbar. Ebenfalls ganz ängstlich trat Marlin zu ihr, nahm sie wieder am Arm und versuchte sie mit sich zu ziehen, damit sie sie endlich waschen gehen konnten. Der Meister schob sie jedoch Terim und ihm entgegen, damit sie sich eilten. Es blieb nicht mehr fiel Zeit. Lilians Hand rutschte aus der des Meisters. Verzweifelt versuchte sie nach ihm zu greifen, rief herzzerreissend nach ihm. Marlin erschauderte. Es berührte ihn tief und tat ihm so leid für Lilian.

Auch der Meister hielt inne in seinen Vorbereitungen und blickte Lilian liebevoll an. Er trat nun zu ihr und nahm sie sanft in seine Arme, um sie fest an sich zu drücken. Marlin lächelte. Das sah so schön aus. Da wäre er nun auch am liebsten gewesen. Sachte gab der Meister Lilian einen sanften Kuss auf den Scheitel.
"Es wird alles wieder gut, Lilian", versprach er ihr fürsorglich und ruhig. "Du musst keine Angst haben. Wir werden dich gut verstecken. Aber du musst tun, was ich sage, sonst fällt den Soldaten womöglich etwas auf, was ihnen nicht auffallen darf. Deswegen kannst du jetzt auch nicht bei mir bleiben. Denn ich werde die Soldaten als Herr des Hauses empfangen und sie von dir ablenken. Du weisst doch, ich bin ein prima Blitzableiter", konnte der Meister trotz der Aufregung sogar noch scherzen, staunte Marlin. Doch er fühlte sich selber auch gleich ruhiger, als der Meister Lilian verschmitzt zuwinkerte. "Keine Sorge. Du wirst in Sicherheit sein Lilian. Ich wüsste absolut keinen Ort, wo ich dich mehr anvertrauen würde."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:35
von Lilian
Bevor sie ihn wegbringen konnten, kam Aerys nochmal auf ihn zu und zog ihn in eine innige Umarmung. Der Streit, die viele Wut und der Schmerz waren für den Augenblick vergessen und Lilian kuschelte sich nur wimmernd in die Arme des Prinzen. Am liebsten wollte er in der Umarmung verschwinden. Verwirrt genoss er die nahe Signatur und auch den Duft des Adeligen. Lilian gefiel beides unheimlich gut und er wusste nicht wieso. Er verstand auch nicht die plötzliche Aufregung und dass auf einmal alles so schnell gehen musste.
Der zarte Jüngling schluchzte auf, als Aerys ihm einen Kuss auf den Scheitel gab. Das tat er doch sonst nur, wenn alles gut war und er zufrieden mit ihm war. Aber gerade war doch überhaupt nichts gut. Und bis vor kurzem hatte der Prinz ihn überhaupt nicht sehen wollen und ihn verstoßen. Dafür war er jetzt überraschend lieb und ruhig. Es passte so gar nicht zu dem letzten Verhalten, was Lilian von ihm erlebt hatte. War das alles nicht passiert oder gerade nur in den Hintergrund getreten? Der Junge kämpfte mit der Unsicherheit und Angst. Aerys beruhigte ihn, dass alles wieder gut würde. Er müsse keine Angst haben.
"Ja..", sagte der zierliche Junge kläglich, als der Adelige ihm einschärfte, genau das zu tun was er ihm sagte. Ansonsten würden ihn die Soldaten finden. Er könnte auch nicht bei Aerys bleiben, da er mit den Soldaten reden und sie ablenken würde.
"Du weisst doch, ich bin ein prima Blitzableiter", scherzte der Prinz und zwinkerte ihm zu. Wieso war er denn jetzt so nett? Lilian schniefte und blickte ihn an. Das erste Mal seit langer Zeit gab er ein schwaches Lächeln von sich. Er erinnerte sich noch genau an das schlimme Gewitter und wie Aerys sich in die Wucht des Blitzeinschlages gedreht hatte, um ihn zu schützen. Fast genauso wie jetzt. Das wollte der Prinz sicherlich damit sagen.
"Aber ihr habt euch furchtbar weh getan beim Blitzeinschlag", erinnerte ihn Lilian besorgt. Das würde doch nicht wieder passieren oder? Dass die Soldaten stattdessen Aerys mitnahmen?
Der Prinz schickte ihn wieder fort und beruhigte ihn, dass alles gut würde. Er würde an einen absolut sicheren Ort kommen. Lilian nickte zaghaft. Auch die anderen drängten, dass sie jetzt los mussten. Der Junge ließ sich endlich von Aerys fortziehen. Aufgeregt stolperte er hinter Marlin und Terim her. Es war nicht so einfach das Kleid zu raffen und sich gleichzeitig bei beiden Freunden festhalten zu wollen. Lilian sah auch nochmal über die Schulter, als sie aus dem Salon gingen. Aerys verteilte weitere Aufgaben an die umstehenden Männer. Er wirkte so, als ob er alles unter Kontrolle hatte. Ob er auch Angst hatte? Jemand reichte ihm neue Kleidung. Oh, war das, weil sie sich umarmt hatten?

Dann zogen ihn Marlin und Terim schon weiter und Lilian stolperte ungelenk in ihrer Mitte. Er war viel zu aufgeregt, um sich auf die feinen Gangarten zu konzentrieren.
"Was passiert denn jetzt?", fragte er, "Wisst ihr wo das Versteck ist? Kann ich nicht alleine duschen? Ich bin auch ganz schnell", beteuerte er. Nur anscheinend war es nicht so einfach, jemanden so weit wie möglich von seiner eigenen Signatur zu befreien. Wie sollte Lilian das auch unterdrücken? Er war doch.. er. Lilian konnte nicht plötzlich aufhören nicht er selbst zu sein.
Seine Freunde brachten ihn in das Gemeinschaftsbad, da dort ohnehin viele andere Signaturen zu spüren waren. Schüchtern begann Lilian sein Kleid abzustreifen, aber wohl war ihm nicht dabei. Wenigstens kannte er Marlin und Terim und die würden ihm ja nicht weh tun oder starren.
"Was passiert denn mit meiner Kleidung? Die hat ja auch meine Signatur", fragte er. Lilian hätte ja nichts dagegen, wenn man das weiße Kleid leider vernichten müsste. Allerdings hatte er Aerys noch gar nicht den genähten Riss zeigen können. Dem Prinzen war vielleicht nicht aufgefallen, dass Lilians Kleidung überall kaputt war. Er öffnete sich sein Kopftüchlein und nahm es ab.
Es blieb kaum Zeit sich zu zieren und sich Gedanken darüber zu machen wie entblößt er war. Er musste alles ausziehen und sich unter die Dusche stellen.
"Es kommt doch niemand rein oder?", fragte Lilian trotzdem. Vorhin im Salon waren plötzlich auch aus allen Ecken und Gängen Kunstwerke aufgetaucht. Es war fast unheimlich gewesen wie schnell die sich zusammengefunden hatten. Er hatte sein Höschen zaghaft abgestreift und versuchte seine Blöße mit den Händen zu bedecken.

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:38
von Marlin
Das der Meister Lilian so lieb in den Arm nahm, schien Lilian schlussendlich doch noch genügend zu beruhigen, so dass sie sie mitnehmen konnten. Sie bestürrmte sie mit unzähligen Fragen, die sie gar nicht so schnell beantworten konnten, wie sie gestellt wurden. Zumal Terim und er gleichzeitig noch damit beschäftigt waren, Lilian mit ihrem Kleid zu helfen und sie ins nächste Gemeinschaftsbad zu führen.
"Wir müssen deine Signatur abbekommen", schüttelte Marlin seinen Kopf auf die Frage, ob sie nicht alleine Duschen könne. Das ist nicht wie ein normales sich waschen. Du bekommst auch eine ganz spezielle Seife. Die ist etwas scharf. Versuch doch schon einmal, deine Signatur zu unterdrücken. Je früher das geht, desto besser."
"Nein, wir wissen nicht, wo das Versteck ist", erklärte Terim danach leise. Ja, Marlin wusste auch nicht wo das sein sollte. Sehr speziell, dieses Geheimversteck.

"So, hier in der Gemeinschaftsdusche wird deine Signatur hoffentlich untergehen", überlegte Marlin, als sie angekommen waren. Terim ging auch gleich zu einem der Duschkränen und stellte schön angenehm warmes Wasser ein. Dabei achtete er nicht darauf, dass seine eigene Kleidung ganz durchnässt wurde dabei. Marlin ging derweil zum Spiegelschrank und suchte nach der besonderen Seife. Manchmal, wenn ein Besucher das wünschte, mussten sie auch ganz ohne Signatur sein.
"Deine Kleidung?" Oh! Daran hatte er gar nicht gedacht. Fragend blickte er hinüber zu Terim, der ganz unwohl von einem Bein auf das andere trat. "Ich weiss nicht. Ob es reicht, das in die Wäsche zu geben. Vielleicht... oh, Lilian, es tut mir Leid, aber wenn es ganz schlimm kommt, dann müssen wir es vielleicht sogar verbrennen." Betroffen trat er zu Lilian hin und blickte ihr entschuldigend in die Augen und das obwohl sie fast nackt vor ihm stand. Gerade hatte er viel zu viel Mitleid, um auf dumme Gedanken zu kommen. "Aber das wäre noch immer besser, als wenn dich die Soldaten in die Finger bekämen, oder?" Um Verständnis heischend blickte er sie an.

"Sie bekommen dich schon nicht", beruhigte auch Terim. "Das wird der Meister nicht zulassen. Es kommt auch niemand hier rein. Niemand soll noch in deine Nähe kommen, solange deine Signatur noch so abfärbt."
"Ja, wir sind hier ganz alleine. Keine Angst", beteuerte auch Marlin. Die Seife hatte er längst gefunden und nun hielt er Terim einen der Bürsten hin. Anschliessend seiften sie die Bürstenköpfe ordentlich ein. "Damit werden wir dich so richtig abschrubben", erklärte er grinsend. "Wie eine Statue oder so. Aber keine Sorge, die Bürsten sind nicht so grob und hart, wie sie aussehen. Eigentlich sind sie sogar ganz angenehm. Lass uns nur machen."

Re: Erster Unterricht

Verfasst: Mi 27. Jan 2021, 13:39
von Lilian
Leider konnte Lilian nicht alleine duschen, da er Hilfe benötigte sich von seiner Signatur zu befreien. Dafür gäbe es eine spezielle Seife, die allerdings auch etwas scharf sei, warnte Marlin. Lilian sah ihn skeptisch an. Scharf? Würde die auf der Haut brennen? Das klang gar nicht schön, aber es musste wohl so sein und Lilian wollte sich auch nicht dagegen wehren egal wie unangenehm es ihm war.
Marlin bat ihn auch, seine Signatur zu unterdrücken. Je früher desto besser.
Das Nesthäkchen strich sich verhalten über den Arm. "Ich versuchs... aber ich hab das noch nie ohne Juwel gemacht und... ich bin so aufgeregt." Er konnte sich kaum konzentrieren und so wollte es nicht gelingen. Lilians Signatur hatte in letzter Zeit ohnehin so ein Eigenleben entwickelt. Der Jugendliche bekam manchmal das Gefühl, als hätte er sie gar nicht richtig unter Kontrolle. Manchmal fühlte sie sich so feminin an... aber da das peinlich war, traute er sich nicht, darüber zu reden. Und es hemmte ihn zusätzlich sich auf seine Signatur zu konzentrieren. Er hatte Angst, dass sie dann plötzlich wie ein Mädchen wirkte.
"Es geht nicht...", entschuldigte er sich zerknirscht. Lilian konzentrierte sich lieber aufs Ausziehen, während Marlin nach der Seife suchte und Terim schon das Wasser aufdrehte. Dabei wurde er selbst ganz nass. Vermutlich mussten sich die beiden nachher auch waschen, weil sie Lilian doch jetzt so viel berühren würden. Der Junge wurde noch aufgeregter.
Er hatte fast alle Kleidung abgelegt und fragte, was mit ihr passieren würde. Marlin wusste es im ersten Moment auch nicht und befürchtete dann, dass es nicht ausreichen würde, sie zu waschen. Der blonde Krieger glaubte immer noch, dass Lilian das Kleid mochte und tröstete ihn, dass sie es womöglich verbrennen müssten.
"Echt?" Lilians Gesicht hellte sich auf. "Ja, das Kleid zu verbrennen wär viel besser, als von den Soldaten entdeckt zu werden. Es sollte bestimmt verbrannt werden. Sicher ist sicher", stimmte er begeistert zu, "Am besten auch die anderen beiden, die jetzt gerade in der Wäsche sind. Die hab ich doch in den letzten Tagen dauernd getragen. Da kann noch ganz viel von meiner Signatur dran sein", überlegte er. Vielleicht würde am Ende sogar etwas gutes beim Besuch der Soldaten herauskommen, hoffte er. Für den Moment vergaß der Jüngling sogar seine Angst, doch dann musste er an den Kampf mit den hayllischen Soldaten denken und wie er sich dort gefühlt hatte. Er hatte gedacht, er würde sterben und er hatte sooo viel Angst gehabt, als sie ihn gefangen genommen hatten. Bei Aerys zu leben machte ihn zwar auch oft traurig, aber es war hier bestimmt besser als bei den Soldaten. So viel begriff auch der Jugendliche.

Terim kontrollierte nochmal, dass niemand in die Dusche kam und dann bereitete er mit Marlin die Bürsten vor. Marlin grinste darüber sogar und dass sie ihn jetzt wie eine Statue richtig abbürsten würden.
"Ich bin aber nicht aus Stein", wehrte Lilian verhalten ab.
Der zierliche Jüngling war inzwischen nackt unter den Duschkran getreten. Verschämt hielt er sich eine Hand vor sein Gemächt, versuchte sich leicht zur Seite zu drehen. Hoffentlich mussten sie ihn dort nicht auch so kräftig schrubben. Das Wasser wurde langsam warm, trotzdem zitterte er leicht. Es war mehr vor Aufregung. Lilian versuchte krampfhaft seine Signatur zu unterdrücken, aber Terim und Marlin lenkten ihn ab wie sie nun mit den eingeseiften Bürsten zu ihm kamen.
Im ersten Moment fühlte sich das Schrubben trotzdem sehr kräftig an. Vor allem weil gleich beide loslegten und hastig schrubbten. Lilian verzog das Gesicht, wandt sich angespannt. Erst ein wenig später fühlte er die Wirkung der Seife und wie sie überall einzog und warm in der Haut brannte. Es war ein komisches Gefühl. Es roch nach etwas ätherisches und stach ein bißchen in der Nase.
"Ahh, nicht da!", quietschte der Junge erschrocken, als eine Bürste auf seinem kleinen Hintern landete. Terim erklärte, dass das leider sein müsste. Lilian errötete heftig, doch das passte wenigstens zur lebhaften Rötung vom Rest des Körpers. Er fühlte sich wie durch eine Mangel gedreht. Bestimmt waren die Bürsten und so eine ätherische Seife mal angenehm, aber nicht wenn man von zwei Seiten gleichzeitig damit bearbeitet wurde und beide Helfer mächtig unter Zeitdruck standen.
"Ich kann doch den Rest alleine...", versuchte Lilian die zu intimen Stellen abzuwehren. Wenigstens durfte er sich vorne selber waschen, aber das war gar nicht so einfach, während Terim und Marlin noch so dicht um ihn herum standen. So peinlich.
Aber es war keine Zeit für Peinlichkeiten. Marlin schäumte ihm rasch die Haare ein, als die beiden Weißgewandten stockten und nach einem kurzen Augenblick um so überstürzter weitermachten. Lilian wurde kurz abgebraust und dann zerrten sie ihn unter der Dusche hervor.
"Was... nicht so schnell", keuchte der Junge. Der nasse Boden war so rutschig.
Terim informierte ihn, dass sie einen Speerfaden bekommen hätten. Die Wachen am Tor hätten die Soldaten am Horizont gesichtet. Sie wären fast hier. Lilian erstarrte.
"W-wirklich? Sie kommen wirklich hierher? Jetzt?", fragte er fassungslos. Bis dahin hatte sich das Ganze immer noch nicht echt angefühlt, doch jetzt rückte die Bedrohung näher, wurde greifbarer. Es kamen tatsächlich Soldaten, um ihn zu holen. Weil er gar nicht hier sein durfte und eigentlich weiterhin ein Gefangener der Soldaten sein sollte? Der Jugendliche verstand das nicht, aber wollte auch nicht zu den Soldaten gehen, um sie zu fragen.
Nach der Dusche fühlte Lilian sich ganz komisch. Als würde etwas von ihm fehlen. Er wankte leicht. Seine Haut brannte und prickelte noch etwas. Marlin und Terim nutzen einen Zauber, um ihn flugs abzutrocknen und dann bekam er schon Luceros rote Kleidung in die Hände gedrückt.
"Und das darf ich wirklich anziehen?", fragte Lilian. Nicht nur, dass sein weißes Kleid verbrannt wurde, jetzt sollte er Kleidung der Blutigen tragen. Er suchte nach einer Unterhose, aber Terim hielt ihm zuerst die kurze Hose hin. Damit sollte er wohl anfagen. Hosen. Lilian starrte sie an ehe er hastig hineinschlüpfte und überrascht war, dass es sich seltsam ungewohnt anfühlte. Fast fremd. Verwirrt schob er das Gefühl beiseite. Endlich Hosen. Darauf hatte er so lange gewartet. Sie waren nicht maßgeschneidert für ihn wie Lilians Kleider, aber sie passten gut genug.
Danach folgte ein hellrotes, kurzärmeliges Hemd. Marlin band ihm eine sehr schmale Schleife vorne, wobei Lilian fand, dass sie dafür keine Zeit hatten. Gleichzeitig half Terim ihm bei den karierten Kniesocken und den Schuhen.
Lilian kam sich wie verwandelt vor. Er lächelte, trotz der drohenden Angst. "Seh ich wieder wie ein Junge aus?", fragte er hoffnungsvoll, aber er wusste nicht, dass sein Gesicht weiterhin sanft feminin war und auch die Taille wirkte eine Spur schmaler als die eines Jungen. Mehr noch als vielleicht zu Beginn seiner Zeit hier.