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Re: In Sions Armee

Verfasst: Do 24. Aug 2023, 17:50
von Laree
Obwohl sie eigentlich stets neugierig war, hatte Laree sich auf das Bett zurücksinken lassen, ihr Kopf voller wirrer Gedanken, weil sie nicht wußte wie sie das Geschehen draußen einordnen sollte. Irgendwann war auch Regensang gegangen, weil sie dem verletzten Pferdedieb heilen sollte und die Hexe blieb alleine zurück, nachdem die Heilerin sich vergewissert hatte, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ging. Laree starrte nach oben an die Decke, wünschte sich eine stuckverzierte weiße Decke aus dem hayllischen Palast her. Sie vermisste sogar Ayden, obwohl sie wußte, dass er sie vermutlich umbringen würde dafür dass sie fortgelaufen war, ihn verraten hatte. Man kehrte einem Ayden Asar nicht einfach so den Rücken. Als Laree auf der Handelsgaleere gestanden hatte, war sie noch zuversichtlich gewesen, sie hatte Malateste bloß fragen wollen, um Gewissheit zu bekommen, vielleicht hätte sie sich sogar getraut ihm zu sagen, dass sie ihn gern hatte. Und wenn er sie dann wenigstens auch ein bißchen gern hatte...
Laree zog die Beine an, nagte an ihrer Unterlippe. Ein neues Leben hatte sie anfangen wollen. Ja, jetzt hast du dein neues Leben... und sie fühlte sich so leer... was hatte es einen Sinn irgendetwas zu wollen oder zu hoffen, wenn sowieso stets alles einstürzte. Wenn egal was sie tat, es dazu führte, dass man ihr weh tat. Aber alleine wollte sie auch nicht sein, nicht mehr so alleine wie sie sich bei den Räubern gefühlt hatte. Also zurück zu Ayden...
Sie verzerrte ihr Gesicht wie als würde sie anfangen zu weinen, doch dann tat sie es doch nicht, sank bloß wieder zurück auf die Kissen. Laree dämmerte sogar in einen erschöpften Schlaf hinüber, der abrupt endete als sie jemand an der Schulter fasste. Sofort war sie hellwach, versuchte denjenigen hart zu treten, egal ob sie Schmerzen im Bein hatte oder nicht, riss ihre Hand hoch um dem Mann das Gesicht zu zerkratzen. Tiger packte sie noch rasch am Handgelenk, kassierte aber ihren Tritt.
"Ganz ruhig... wir brechen gleich auf. Regensang und zwei andere Soldaten werden dich zum Fort bringen." Er ließ vorsichtig ihren Arm los, den Laree gleich an sich presste, ihn finster anstarrte. "Ich wollte dich nur wecken."
Tiger zog sich zurück, spritzte sich von einer Wasserschale auf dem Tisch etwas ins Gesicht und streifte sich seine Uniformsjacke über. Wassertropfen bahnten sich noch leicht ihren Weg über den gestreiften Flaum an seinen muskulösen Oberarmen. Laree versuchte lieber die Abzeichen auf der Jacke zu identifizieren, er mußte sogar ein Leutnant sein. Langsam erhob sich die Hexe, humpelte neben den Kriegerprinzen, um sich ebenfalls zu waschen.
"Korporal Espwin, ich und der Rest werden das Räuberlager suchen. Kannst du dich erinnern wo genau es ist..." Er wandte den Kopf zu ihr und die Haylliern mußte sich bemühen seinem Blick stand zu halten. Verflucht, wieso hatte sie bloß das schlechte Gefühl, er wußte, dass sie log was dort passiert war. Aber die Scheune war jetzt bestimmt schon ganz heruntergebrannt, hoffentlich konnte man keine Rückschlüsse mehr ziehen was geschehen war.
"Ich weiß es nicht... ich bin erst wieder aufgewacht als der Schnitter mich in einen Bach geworfen hat", sagte sie leise und das war alles was der Mischling aus ihr herausbekam. Laree hatte zu dem Zeitpunkt gedacht, der Schnitter wolle sie ertränken, doch eigentlich war es nur die letzte Möglichkeit gewesen ihr extrem hohes Fieber gewaltsam zu senken. Laree hatte sich bereits die Uniform von Regensang angezogen, bürstete ihr schwarzes kurzes Haar und wollte dann das Zimmer humpelnd verlassen. Der halbe Tigerlaner kam ihr in agilen Schritten nach.

"Ich helf dir die Treppe runter. Unten gibts vielleicht noch was Frühstück", sagte er. Laree verdrehte die Augen, sie wollte alleine gehen und brauchte bestimmt nicht die Hilfe von diesem Kerl. Appetit hatte sie auch keinen und so humpelte sie stoisch weiter, hielt sich mit beiden Händen am Treppengeländer fest und hüpfte regelrecht nach unten. "Ich hoffe, du weißt, dass das total unnötig ist, Venka."
"Ja, weiß ich", schnappte sie störrisch und versuchte ruhig zu atmen, obwohl sie der Treppenabstieg schon Kraft kostete. Als sie unten war, zitterte sie am ganzen Leib, doch zum Glück sagte Tiger nichts dazu. Dafür führte er sie wortlos zu einem der Tische, wo noch zwei andere Soldaten saßen, drückte sie auf einen Stuhl und ging zur Bar. Laree barg ihren leichten Lockenkopf vollkommen erschöpft zwischen ihren Armen, während sie hörte wie der Kriegerprinz mit irgendjemanden sprach. Ebenso versuchte sie das Geflüster der zwei Männer ihr gegenüber zu ignorieren. "Ich weiß, dass die Uniform mir zu eng ist", sagte sie matt ohne aufzusehen. Das Geflüster erstarb.
Irgendwann kam Tiger zurück mit einer Kanne Tee und etwas Graubrot sowie einigen Scheiben Käse. Allein beim Anblick vergaß Laree jeglichen Hunger. Sie dachte an das gemeinsame Frühstück mit Gualterio nachdem sie in seinem Bett aufgewacht war. Den Morgen nach Veticar. Der Kriegerprinz hatte ihr fürsorglich ein Brot mit Honig bestrichen und ihm zuliebe hatte sie dieses ganze Honigbrot aufgegessen, obwohl sie sich dazu hatte zwingen müssen. Aber er hatte sie ja auch die ganze Zeit anlächeln und so erwartungsvoll anblicken müssen...
Laree griff doch nach einem Stück Graubrot, knabberte lustlos daran herum und trank dazu den lauwarmen Tee. Zwischendurch kam nun auch Galdos in den Schankraum, ebenso Regensang, beide holten ihre Sachen von oben. "Die Pferde sind bereit. Regensang, entscheide du ob ihr durchreiten wollt bis Loraka oder vorher rastet. Je... nach Zustand der beiden", fügte er mit einem Blick auf Laree hinzu. Wen meinte er mit 'beiden'? Sie blickte sich um. Soweit sie es erkennen konnte, waren fast alle Soldaten hier und schlangen rasch das Frühstück herunter. Aber wo war Gualterio? Würde er mit zum Fort reiten oder auch das Lager inspizieren? Die Hexe wußte nicht was ihr lieber gewesen war, vor beidem fürchtete sie sich. Einerseits vor seiner Nähe und anderseits davor, dass er erfahren würde was sie getan hatte. So oder so, fühlte sie sich schäbig und verwundbar. Dabei sollte man doch meinen, dass es keine einzige Stelle mehr an ihrer Seele und ihrem Körper gab, die noch unversehrt gewesen wäre.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Do 24. Aug 2023, 17:58
von Malateste
Wäre ihm mehr Zeit geblieben hätte sich zwischen der Schwarzen Witwe und Malateste ein höchst interessanter Disput über die Zukunft, Schicksalsgestaltung und mögliche daraus resultierende Paradoxen entwickeln können. Ihre Antwort auf seine rhetorischen Fragen war höchst interessant. Sie verglich ihre Visionen im Netz mit einer Essenz aus vielen Möglichkeiten. Es würde Zukünfte geben die mehr vorherbestimmt waren als Andere. Das war ein faszinierender Gedanken. Gualterio stellte sich Knotenpunkte im Schicksal vor, Ereignisse die so sehr vorherbestimmt waren das unzählige, verschiedene Zukünfte immer wieder zu demselben Ergebnis kommen würde. Eigentlich war es eine einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung. Würde sein Marmeladenbrot vom Tisch fallen, würde es vielleicht in sechs von zehn Fällen auf der bestrichenen Seite landen, in weiteren drei Fällen würde auf der nichtgeschmierten Seite landen und lediglich in einem Fall wäre seine Reaktion schnell genug das Brot aufzufangen bevor es auf den Boden traf. Das Schicksal des Brotes würde also mit grosser Wahrscheinlichkeit darin bestehen auf den Boden zu fallen. Das war bestimmt ein sehr simples Beispiel, aber man konnte diesen Mechanismus auch auf komplexe Abläufe hochrechnen.
Brennender interessierte den Kriegerprinzen die Antwort der Alten auf seine Beziehung zu Laree. Was er zu hören bekam war nicht das was er sich zu hören erhofft hatte. Mit keinem Wort erwähnte die Alte was Laree für ihn empfand. Dann setzte sie noch einen drauf und meinte, es würde viele Wege geben die sie auseinanderführten, und nur einige wenige mit einer gemeinsamen Zukunft. Gualterio schnaubte abfällig und die Schwarze Witwe neckte ihn beinahe mit seinen eigenen Worten, er wäre doch der Meinung jeder könne sein Schicksal selbst bestimmen. Und wenn er nichts dafür täte, würde jede Vorherbestimmung nichts nützen. Und da hatte sie verdammt Recht! Er würde dafür sorgen das Larees zukünftiger Weg mit seinem verknüpft war. Um etwas kämpfen, das mochte er, damit kannte er sich aus.

Resolut erklärte die Alte Frau das sie jetzt weitermachen würde bevor sie den sprichwörtlichen Faden verlor und machte damit klar, dass sie jetzt keine weiteren Fragen und Unterbrechungen dulden würde. Erst hatte sie Mühe mit dem Wiedereinstieg, machte ihm einen Vorwurf, zu viele schwarze Träume würden sein Hirn in Quark verwandeln. Ärgerlich zog Gualterio die Brauen zusammen.
„Das dauert hoffentlich noch eine Weile“, murmelte er zerknirscht. Nun war Tiger an der Reihe, Freund oder Feind, nichts dazwischen. Gualterio hegte Sympathien für Tiger, inzwischen waren sie sogar durch Schwarztraum Leidensgenossen und er hätte ihn lieber zum Freund als zum Feind, doch das hing davon ab ob Tiger sich gegen ihn stellte oder nicht. Gualterios Neugier wuchs, Tiger war also auf der Flucht, aber vor was oder von wem? Und er schien ein Kind zu haben von dem er nichts wusste. Stand der Tod hier immer noch für den Schnitter? Das würde bedeuten, dass er im Kampf gegen den Schnitter fallen würde wenn er nicht rechtzeitig von seinem Kind erfuhr. Malateste knetete nachdenklich seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. Tiger hatte nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegen den Schnitter gemacht, aber wenn die beiden sich kannten, hätte der Schnitter da nicht anders reagiert? Wieso sollte Tiger dann doch den Kampf bis zum Tod mit dem Schnitter suchen?
Noch verworrener waren die Hinweise der Schwarzen Witwe zu Regensang. Doch soviel wurde klar, Regensang hatte getötet. Aus Hilflosigkeit und sie würde es wieder tun wenn nötig. Vielleicht war es passiert beim Versuch ihre Familie zu beschützen? Familie war ihr so wichtig, dass sie sie bis aufs Blut verteidigte. Malateste vermutete Regensangs neue Familie war die sechste, so hatte er eigentlich schon alle Angehörigen der sechsten Kompanie eingeschätzt.
Draussen waren inzwischen Schritte und Stimmen zu vernehmen, Geräusche von hektischem Treiben die Malateste nur zu gut als Aufbruch erkannte. War die Zeit wirklich so verflogen in dem Raum?
Unwillkürlich spannte sich der Körper des Kriegerprinzen an, als die Finger der Schwarzen Witwe über die Fäden des Netzes zurück zu dem Rose Knoten glitten. Was war noch mit Laree? Sie deutete auf einen Knoten ganz in der Nähe zu Larees. Ein Schatten sei dies für sie, ein Mann dessen Namen mit ‚A‘ begann. Malateste presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, er wusste nur zu gut wer damit gemeint war. Sie glaubte Wege zu erkennen in denen der Schatten verschwinden würde, in einem Weg würde er sogar durch Malatestes Hand sterben, doch in diesem Falle würde eine grosse Leere zwischen ihm und Laree zurückbleiben.
Oft schon hatte sich Gualterio vorgestellt Ayden zu töten, doch dies würde zu einem unüberwindlichen Bruch zwischen ihm und Laree führen. Tief drin war ihm dies immer bewusst gewesen. Aber es schien noch andere Wege zu geben damit sich Laree von Ayden löste. Doch welche?
Die Finger der alten Frau verharrten über einer anderen Lücke in Larees Nähe.
"Ein Junge... sein Geist ist immer noch da. Aber macht euch keine Sorgen." Sie lächelte ihn sanft an. "Das ist eines der Dinge, die kaum abwendbar sind. Nicht wenn ich von einem Jungen schon so viele Eindrücke bekomme. Er wird früher in eurem Leben sein als ihr glaubt." Malatestes Hand krampfte sich um den blechernen Kaffeebecher und er wäre beinahe vom Stuhl aufgesprungen. Meinte sie das Kind das Laree verloren hatte, ihr und sein Kind? Er musste an seinen Traum mit dem Abgrung denken, den Jungen den er gesehen und als seinen Sohn erkannt hatte, und nun sprach diese Frau auch von einem Jungen. Und was meinte sie damit er würde früher in seinem und Larees Leben sein als er glaubte? Das Kind war im Mutterleib gestorben! Gualterio wollte die Alte mit Fragen bestürmen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt und schon fuhr die Schwarze Witwe unerbittlich weiter. Es schien kein Ende zu nehmen und wurde nur noch verworrener.
Sie fragte ihn ob Brombeeren irgendeine Bedeutung für ihn hätten und Gualterio konnte lediglich den Kopf schütteln. Er hatte eben etwas über seinen ungeborenen, verlorenen Sohn gehört und wollte nicht an blöde Brombeeren denken, oder an ein Cello. Entgeistert riss er die Augen auf als ihm erklärt wurde er solle lernen wie man leckere Pfannkuchen zubereitet. Und diese Pfannkuchen schienen sogar wichtig zu sein, denn die Alte wies noch einmal ausdrücklich darauf hin.
Dann war das Gespräch beendet, die Alte Frau erhob sich mühsam und erklärte sein Trupp sei abreisebereit. Sie tröstete ihn beinahe das ihm vieles verwirrend vorkommen mochte und fuhr dann mit der Hand durch das Netz. Die Fäden lösten sich auf und segelten langsam zu Boden.
Mechanisch erhob sich auch der Kriegerprinz. Sein Kopf drohte zu platzen vor Eindrücken und Bildern, und immer wieder kroch das Bild des Kindes aus dem Traum in seinen Verstand.
„Jetzt weiss ich auch wieso ich Schwarzen Witwen meist aus dem Weg gehe. Nichts erscheint mir mehr schlicht und einfach. Ich wünsche euch lange Tage und angenehme Nächte.“
Die Hand des Kriegerprinzen lag schon am Türknauf als die Alte hinter ihm noch leise etwas murmelte. "Der Hund wird bald erwachen..."
Der Grosse Kriegerprinz liess den leeren Becher fallen und wirbelte zur Alten herum mit Panik in den Augen.
„Nein, das wird er nicht!“ Dann riss er die Tür auf und trat in den Schankraum. Der Kriegerprinz war aufgewühlt und verwirrt. Automatisch irrte sein Blick durch den Raum und beruhigte sich erst als er Laree entdeckte die bei zwei Soldaten an einem Tisch sass. Malatestes Züge wurden weicher als er die Hexe erblickte die erschöpft an einem Stück Brot knabberte. Er war zuversichtlich bald einen Moment zu finden in dem er sich mit ihr unterhalten konnte. Zwischen ihnen mussten dringend einige Dinge geklärt werden, und je länger sie dies nicht konnten, desto schwerer würde es werden. Er kannte sich und er kannte Laree, und beide waren, gelinde gesagt, kompliziert.
Gualterio riss seinen Blick von Laree los und schnappte sich ein Stück Brot und einen Apfel aus einer Schale die auf einem Tisch stand und ging dann nach draussen. Er ass das karge Frühstück auf dem Weg zum Stall und führte dann Zorn am Zügel nach draussen zum Brunnen. Erneut füllte er den Wassereimer und tränkte dann sein Schlachtross. Während das Pferd aus dem Eimer trank tätschelte er ihm die Flanken, überprüfte noch einmal Zaumzeug und Sattelgurte und setzte sich dann auf den Brunnenrand um die Sporen über die ledernen Reitstiefel zu schnallen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Do 24. Aug 2023, 18:02
von Laree
Während sie sich noch bemühte irgendetwas in den Magen zu bekommen, kam irgendwann auch Gualterio von einem hinteren Teil der Herberge in den Schankraum. Laree sah zu ihm, doch da hatte der Kriegerprinz schon seinen Blick abgewandt. Immer noch kam ihr sein verändertes Gesicht so fremd vor, nur sein Mund war der gleiche... gerade jetzt wirkte er jedoch hart, verschlossen und wie als hätte er einen Geist gesehen. Der Hayllier nahm sich bloß einen Apfel und etwas Brot, ging dann ohne ein Wort nach draußen. Laree mußte der Versuchung widerstehen ihm nachzueilen, er wollte bestimmt allein sein, außerdem zögerte sie noch aus anderen Gründen, seine Signatur fühlte sich seltsam anders an, nicht mehr so vertraut wie noch am Abend. Womöglich war er viel zu überrascht sie hier anzutreffen, sicher störte sie ihn in seinen Plänen und Vorhaben. Ob er sich eine Frau in Loraka gesucht hatte? Bestimmt... sie vertrieb die unsinnigen Gedanken rasch.
"Frostseel wird sich freuen, dass die Räuber tot sind", bemerkte ein Soldat beim Frühstück. Tiger bleckte kurz die Zähne, offenbarte seine scharfen Reißzähne, er aß zum Frühstück bloß ein paar Streifen gebratenen Speck, die er sich irgendwo ergattert hatte.
"Sie verleiht dem Schnitter bestimmt nen Orden", knurrte er. Laree wußte wegen der Spionageberichte, die sie von Ayden studiert hatte, dass Cal Frostseel die Kommandeurin im Fort war. Frau hin oder her, sie klang nach keinem angenehmen Zeitgenossen. Die Hexe erhob sich wacklig, nachdem sie den Kanten Brot aufgegessen hatte und nahm sich ebenfalls einen Apfel.
"Mir ist schlecht, ich brauch etwas frische Luft...", entschuldigte sie sich und humpelte nach draußen, bemüht ihr verletztes Bein nicht zu belasten. Die Hexe ging vorsichtig um die Veranda herum und fand Gualterio wieder beim Brunnen, sein großes Schlachtross stand neben ihm und trank aus einem Wassereimer. Laree starrte jedoch eher auf die Sporen, sie war schon einmal mit solchen getreten und traktiert worden, rasch wandte sie den Blick ab. Dann sah sie den Pferdedieb, ein junger Mann mit dunkelbraunem Haar, der an einem der Pfosten gefesselt war, die den Balkon im obersten Stock stützten. Sie war ein bißchen überrascht den Mann noch lebend zu sehen, kurz musterte sie ihn prüfend, ob er ihr gar bekannt vorkam, doch sie erinnerte sich nicht.
Laree humpelte weiter zum Brunnen, holte dann aus einer Jackentasche das zusammengeklappte Rasiermesser mit Perlmuttgriff hervor und hielt es Gualterio hin. "Ich wollte euch das zurückgeben, Sir", sagte sie leise, wagte nicht vertraut mit ihm zu sprechen, da jederzeit die anderen nach draußen kommen könnten. Danach wußte sie nichts mehr zu sagen, kam sich seltsam unbehaglich vor, wie als würde sie ihn tatsächlich gerade erst kennenlernen. Jason Bonderus zumindest. "Werdet ihr mit zum Fort zurückreiten oder die anderen begleiten?", fragte sie ihn neugierig. Dann fuhr ihr Kopf aber gleich herum und ihr Körper spannte sich an, als sie die Türe hörte. Erst als sie die Gruppe Soldaten sah, die noch Ausrüstung in die Satteltaschen der Pferde packten, entspannte sie sich wieder.
Die Tiere wieherten unruhig, wichen zurück, als Tiger auf sein Reittier zuging. Es versuchte nach ihm zu schnappen, doch er bewegte sich geschmeidig zur Seite, schwang sich auf den Rappen, der gleich vorwärts preschen wollte und nur von seinem festen Schenkeldruck zurückgehalten wurde. Tiger blickte hinüber zu Gualterio, nickte ihm zu wie als wollte er sagen, er solle bloß auf die zwei Frauen aufpassen.
"Korporal Bonderus", Galdos war ebenfalls nach draußen getreten, streifte sich die Handschuhe über, "Erstattet bitte der Kommandeurin Bericht. Sagt ihr wir sind in ungefähr zwei Tagen zurückzuerwarten." Alle Männer saßen auf. Ein dhemlanischer Soldat, der wohl mit nach Loraka reiten würde, nahm den verschnürten Pferdedieb auf sein Pferd.
"Du kannst zusammen mit mir reiten, Venka", bot Regensang an und half Laree auch aufs Pferd. Galdos, Tiger und die anderen ritten bereits los. Die Hexe richtete ihren Blick in die Ferne. Loraka.. bald würde sie da sein. In den letzten Tagen hatte bloß dieses eine Ziel gegolten und nun wo sie endlich da sein würde, wußte sie absolut nicht was sie dort anfangen sollte.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Do 24. Aug 2023, 18:04
von Malateste
Es dauerte nicht lange da spürte Malateste die für ihn unverkennbare Signatur Larees und einen Augenblick später trat sie in sein Blickfeld. Er schloss den letzten Riemen der Sporen und hob dann den Kopf um zu beobachten wie die Hexe zu ihm humpelte. Aufzustehen und sie zu stützen wäre falsch, das wusste er. Es wäre auffällig und zudem würde es sie in ihrem sturen Ivores-Stolz verletzen. Also blieb er am Brunnenrand sitzen und wartete bis Laree bei ihm angekommen war, neugierig was sie von ihm wollte.
"Ich wollte euch das zurückgeben, Sir", sagte sie leise und hielt dem Kriegerprinzen sein Rasiermesser hin. Es war seltsam sie so förmlich sprechen zu hören und erinnerte ihn nur fester an die Vertrautheit die sie im fernen Hayll genossen hatten. Endlich hatte er Zeit Laree richtig ins Gesicht zu schauen und sie nicht nur verstohlen aus den Augenwinkeln zu betrachten. Sie wirkte noch sehr erschöpft, aber sie war für ihn trotzdem wunderschön mit ihren grossen goldenen Augen und dem vollen kurzgeschnittenen Haar. Und da er auf dem Brunnenrand sass hatte Malateste eben eine verlockende Aussicht und kam nicht umhin zu bemerken das Larees Uniform nicht gerade unvorteilhaft zu klein sass und ihre festen Brüste regelrecht hochpresste. Gualterio ertappte sich dabei wie er zum ersten Mal seit Tagen an Sex dachte und er schämte sich dafür. Laree hatte die Hölle durchgemacht, war verletzt und vermutlich geschändet worden und er dachte daran wie es sich wohl anfühlte ihre Brüste in der Uniform zu streicheln.
Schnell erhob er sich und stand auf.
„Danke Rekrutin Venka, hätte ich beinahe vergessen. Ich bin sehr erleichtert das wir euch lebend gefunden haben.“ Sein Blick war zärtlich, verlangend und beinahe verlor sich Malateste in den grossen Rehaugen der Hexe. Er streckte seine Hand aus um das Messer entgegenzunehmen und streichelte dabei mit seinen Fingerspitzen über die weiche Haut ihres Handrückens ehe er das Rasiermesser entgegennahm. Mehr als diese versteckte Berührung konnte sich der Hayllier nicht erlauben, aber sie hatte gereicht um ihm einen prickelnden Schauer über den Rücken zu jagen. Laree fragte dann ob er mit ihnen zurückreiten oder die anderen begleiten würde. Ehe Malateste antworten konnte war von der Tür ein Geräusch zu hören und Laree zuckte erschrocken zusammen. Erst als sie die Soldaten sah entspannte sich ihre Haltung wieder. Das Erlebte hatte sich tief in die Hexe eingebrannt. Gualterio wollte ihr helfen die Erlebnisse zu verarbeiten ehe Laree sich noch mehr abkapselte und so einen weiteren Schritt in Richtung Schnitterschülerin tun würde.
Leider war der kurze Moment zu zweit schon verflogen, denn nun strömte der Trupp aus dem Haus um letzte Handgriffe an Pferden und Ausrüstung vorzunehmen. Tiger kämpfte wieder mit seinem Pferd das vor ihm scheute, hatte es aber nach kurzen Augenblicken unter Kontrolle. Dann warf er Malateste einem vielsagengen Blick zu. Der Hayllier erwiderte ihn und nickte. Er würde die Frauen mit seinem Leben verteidigen.
"Korporal Bonderus", Galdos streifte sich gerade die Handschuhe über, "Erstattet bitte der Kommandeurin Bericht. Sagt ihr wir sind in ungefähr zwei Tagen zurückzuerwarten."
Malateste trat von Laree weg. „Ich werde Kommandeurin Frostseel über alles in Kenntnis setzen. Viel Glück Korporal Espwin, ich bin gespannt mit was für Nachrichten ihr zurückkehrt.“ Der grosse Hayllier nahm das Langschwert in der Scheide zur Hand und schob es auf der linken Seite in den Sattel. Nachdem Gualterio Helm und Plattenhandschuhe angezogen hatte stieg er wie alle anderen aufs Pferd. Laree teilte sich das Reittier mit Regensang, der verschnürte Gefangene wurde auf das Pferd des Soldaten der noch mit ihnen ritt bugsiert.

Der Trupp ritt noch ein Stück Weg gemeinsam, ehe sie sich bei einer Weggabelung trennten. Malateste winkte Galdos noch kurz zu und schlug dann die Strasse zurück nach Loraka ein.
„Wir werden im Kanter reiten um die Pferde zu schonen“, wies er den Soldaten und Regensang an, nahm dann den leichten Sitz ein und liess Zorn am langen Zügel in den Kanter fallen. Dann blickte er über die Schulter zu der Heilerin und nutzte die Gelegenheit dabei Laree anzuschauen.
„Regensang, wenn es zu viel werden sollte für Venka und den neuen ‚Rekruten‘ werden wir Rast einlegen, bitte behalte sie im Auge, ich möchte sie nicht übermässig belasten.“
Der kleine Trupp ritt dann stumm in den erwachenden Morgen. Inzwischen war es hell, aber noch immer früh. Er war froh so früh aufgebrochen zu sein, vielleicht schafften sie es dadurch noch vor Einbruch der Nacht zurück ins Fort.
Gualterio übernahm die Spitze und nutzte den Ritt um über die Worte der schwarzen Witwe nachzudenken, dabei liess er es jedoch nicht an Aufmerksamkeit mangeln. Seine Sinne prüften ständig die Umgebung. Ab und an glaubte er schwache Signaturspuren zu spüren und einmal liess er sogar anhalten. Der Kriegerprinz hatte über die Jahrhunderte gelernt auf seinen Instinkt zu hören. Er stieg von seinem Schlachtross und trat einige Schritte vorwärts. Mitten auf dem Weg ging er in die Hocke. Auf der festgetretenen Erde waren Spuren eines grösseren Trupps zu erkennen der hier von links nach rechts über die Strasse geritten war. Einige der Pferde waren nicht beschlagen gewesen. Die Signaturen hingen nur noch sehr schwach in der Luft, was bedeutete, dass dies schon einige Zeit her war. Einigermassen beruhigt erhob er sich und musterte noch mal intensiv die Landschaft beidseits der Strasse.
„Wir reiten weiter, je eher wir im Fort sind desto besser.“
Und wieder kreisten seine Gedanken um die vielen Eindrücke des Morgens. Pfannkuchen? Kochen hatte er nie gelernt und eigentlich hatte er es auch nicht vorgehabt. Aber vielleicht fragte er mal Isobel? Ach was! Die Schwarze Witwe hatte sich bestimmt nur einen Spass mit ihm erlaubt. Was sollte er mit Pfannkuchen? Und dann diese Brombeeren. Standen sie vielleicht für ein Wappen? Vor seinen inneren Augen liess er unzählige Familienwappen vorbeiziehen. Da gab es Disteln, Lilien, Rosen, sogar einen Bierkrug aber Brombeeren hatte niemand im Wappen. Leise erklang Meister Oguls Altmännerstimme an seinem Ohr. „Das wird dich deiner Herzdame näherbringen, ganz bestimmt.“
Gualterio riss die Augen auf. Wie konnte er das bloss übersehen, das war bestimmt kein Zufall! Mit einem kurzen Sporendruck liess er Zorn etwas mehr Distanz zwischen sich und die anderen bringen um dann die filigrane Schmuckdose in seiner Hand erscheinen zu lassen. Von hinten konnten die anderen nur seinen breiten Rücken erkennen. Und da lag sie in seiner Hand, die Schmuckdose in Form einer Brombeere mit der rosa Blüte obendrauf. Schnell packte er sie wieder in sein Juwelengepäck. Das ihm Meister Ogul dieses Ding in die Hand gedrückt hatte, sich nun bei der Schwarzen Witwe ein Hinweis darauf fand und Laree überraschend hier auftauchte, war eine Häufung von Zufällen die nicht mehr zufällig sein konnten. Ihn fröstelte bei dem Gedanken und Malateste kam sich plötzlich wie eine Spielfigur auf einem kosmischen Schachbrett vor. Ein unangenehmes Gefühl.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:15
von Laree
Gualterios Gesicht verschwand halb unter einem Helm, Larees Blick glitt über die schweren Plattenhandschuhe und dachte noch daran wie die Hände, die darin steckten sie vorhin bei der Zurückgabe des Messers leicht und zärtlich gestreichelt hatten. Sie zweifelte nicht daran, dass die gleichen Hände in diesen Plattenhandschuhen jemanden den Kiefer durch einen einzigen Schlag wegreißen konnten. Plötzlich fühlte sie sich ein Stück sicherer und trotzdem furchtsamer, weil sie Angst hatte, er könnte sie auch einmal so heftig schlagen. In Hayll hatte sie noch geglaubt, sie wüßte, dass er das nie machen würde, aber alles an was sie einst geglaubt hatte, war ins Wanken geraten. Sie traute sich selbst nicht mehr und sie wußte nicht wie sie ihre alte Sicherheit zurückerlangen sollte.
Sie ritten mit den anderen zusammen los bis zur Gabelung wo sich ihre Wege trennten und die anderen weiter in den Norden Raejs ritten. Hoffentlich finden sie es nicht, dachte Laree, hoffentlich ist alles abgebrannt. Ihr Blick ging noch kurz zu Tiger, der mit seinem Pferd vorauspreschte, und ihre Hoffnungen schwanden. Dann richtete sie ihr Gesicht wieder gen Süden dort wo sie entlang ritten. Malateste ritt voraus, der andere Soldat dagegen zuletzt. Als der Kriegerprinz anwies, sie sollten im Kanter reiten, blickte Regensang etwas verwirrt drein.
"Den was?", murmelte sie.
"Leichter Galopp", flüsterte Laree ihr zu, langte um die Heilerin herum und lockerte den Griff der Zügel. So ritten sie eine Weile im langsamen Galopp dahin, während die Sonne allmählich aufstieg. Es war früh, die Luft noch kalt und in der Ferne zeigten sich dunkle Wolken, die wohl noch schwer über dem Meer hingen. Die Hexe rätselte noch, was Gualterio mit dem neuen Rekruten meinte. Sollte der Pferdedieb etwa in die Armee? Wer hielt ihn davon ab nicht gleich wieder abzuhauen? Aber Laree hatte auch gehört, dass die Strafe auf Fahnenflucht der Tod war. Sie wollte ebensowenig in der Armee bleiben, doch sie wollte auch nicht sterben.
Zwischendurch hielt Gualterio immer mal wieder an, überprüfte die Straße, sah sich wachsam um und musterte die Umgebung ehe er wieder aufsaß und sie weiterritten. Laree versuchte nicht die ganze Zeit auf den breiten Rücken des Haylliers zu starren, der voraus ritt und sich etwas von ihnen entfernt hatte. Wäre sie doch nie hierher gekommen. Sie belastete ihn bestimmt und gleichzeitig hatte sie solch eine Sehnsucht nach ihm, wollte sich liebend gerne einreden, dass nun wieder alles gut würde. Klar, denn alles was man zum glücklich sein brauchte war ein Mann, dachte sie bitter.
Ihre Gedanken glitten zurück zu der Spritze, die Gualterio sich heute früh gesetzt hatte. Was war da drin gewesen? Er wirkte gar nicht so als ob er krank wäre. Eine vorbeugende Maßnahme? Laree wurde daraus einfach nicht schlau, sie gab auf darüber nachzudenken, verfiel in einen dämmrigen Schlaf weil sie immer noch erschöpft war.

Erst am späten Mittag rasteten sie, damit Pferd und Reiter sich kurz ausruhen konnten. Laree setzte sich auf einen Steinsbrocken am Wegesrand, sah in den Himmel, der sich noch mehr zugezogen hatte.
"Wie weit ist es noch?", fragte sie Regensang, die ihr gerade eines der belegten Brote reichte. Eigentlich verspürte die Hexe keinen Hunger, sie aß erst einmal den Apfel, den sie noch von der Herberge mitgenommen hatte. Der Fruchtsaft lief ihr übers Kinn und sie wischte ihn rasch weg, leckte ihre Finger ab.
"Wenn wir zügig weiterreiten, schaffen wir es heute abend da zu sein. Dann bringen wir dich zu Lady Winters, sie leitet die Krankenstation im Fort", erklärte die kleine Soldatin. Laree sah mit nicht sehr viel Vorfreude dahin. Zur Abwechslung also landete sie mal in einer Krankenstation, die nicht in einem Schloß oder Anwesen war.
"Und dann?", fragte sie weiter. Regensang blickte sie kurz ratlos an, nahm einen Bissen ihres Brotes.
"Ich weiß auch nicht... Lady Winters wird entscheiden wann du erholt genug bist, dass du am Rekrutentraining teilnehmen kannst. Oder Galdos entscheidet es, bin mir nicht sicher, ich kenn mich mit dem Kram der Zweiten nich so aus", wiegelte sie ab und aß weiter. Rekrutentraining... Laree fragte sich was da von ihr verlangt wurde. Aber sie wollte so schnell wie möglich raus aus der Krankenstation. Für ihren Geschmack hatte sie schon zu oft in welchen gelegen.
"Krieg ich auch was zu essen? Ich hab seit gestern nichts mehr gehabt", meldete sich der verschnürte Dieb zu Wort, sein Magen knurrte. Der dhemlanische Soldat, ein Obergefreiter, blickte ihn bloß abschätzig an.
"Hör mal zu, du kannst froh sein, dass du noch am Leben bist, Rekrut", maßregelte er ihn. "Bedank dich bei Korporal Bonderus."
"Er kann meins haben", mischte sich Laree ein, "Ich hab sowieso keinen Hunger." Sie saß immer noch auf dem Stein, beugte sich zu dem Gefesselten hinüber, der nur wenig entfernt davon auf dem Gras saß. Sie hielt ihm das Brot hin und kaum hatte er danach gegriffen, zog sie ihre Finger hastig vor, den Körperkontakt scheuend. Das Brot fiel zu Boden, doch der Dieb hob es rasch auf und biss hungrig hinein. Kurz blickte Laree ihm mit glattpolierten kalten Augen zu ehe sie sich weiter auf dem Stein zurückzog.
Der Dhemlaner lachte. "Da hast du dein Essen, Rekrut." Die Hexe wandte sich ab, versuchte das kalte Feuer in ihr zu vertreiben. Sie hatte gedacht, sie wäre es mit dem Feuer der Scheune endlich losgeworden, aber es ließ sich nicht abschütteln. Die Hexe strich sich durchs schwarze Haare, die wilden Strähnen rahmten ihr Gesicht ein. Sehr bemüht nicht zu Gualterio zu schauen, starrte sie in die Ferne zu den dunklen Wolken und wartete darauf, dass sie wieder aufbrachen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:17
von Malateste
Erst am späteren Mittag hob Malateste die Hand als Zeichen zum Halt und liess die kleine Gruppe rasten. Am liebsten wäre er durchgeritten, hätte Laree so schnell wie möglich zu Maeve gebracht, doch die Pferde und auch Laree würden eine Pause brauchen. Vermutlich auch der Gefangene, aber dieser hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung des Kriegerprinzen. Die Luft war frisch und kühl und von den Nüstern der Pferde stiegen leichte Atemwolken auf. Am Morgen hatten sich in der Ferne Wolken zusammengezogen, irgendwo über dem Meer, und sie hatten sich im Laufe des Tages verdichtet und waren ins Landesinnere gezogen. Es roch nach Regen.

Laree hatte sich auf einen Stein am Wegesrand gesetzt und unterhielt sich mit Regensang, der Obergefreite hievte den Gefangenen vom Pferd und liess ihn unsanft in die Wiese plumpsen. Malateste ging einige Meter zu einem Baum um Wasser abzuschlagen. Als er zurückkehrte maulte der Pferdedieb gerade das er Hunger hätte und fragte nach Essen.
Der Soldat liess den Gefangenen wissen er könne froh sein überhaupt noch am Leben zu sein und dafür könne er sich bei Korporal Bonderus bedanken, und damit hatte er noch nicht mal Unrecht. Laree mischte sich in das Gespräch ein und bot dem Dieb ihr gestrichenes Brot an. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Malateste was sich dann abspielte, wie Laree den Gefangenen nicht berühren konnte und sich gleichzeitig von ihm zurückzog bis sie auf dem Stein wie auf einer kleinen Insel sass und den Pferdedieb mit einem Ausdruck von Ekel beobachtete. Das Brot war kurz ins Gras gefallen und der Soldat verspottete den Gefangenen. Das registrierte Gualterio nur am Rande, seine Aufmerksamkeit galt ganz Larees Ausdruck in den Augen, er kannte diesen Blick nur zu gut, hatte ihn schon in einigen Augen gesehen an der Front, immer dann wenn der Punkt erreicht war an dem ein Mensch entweder zerbrach oder weitermachte und nie mehr so wie früher war.

Und es gab ein Wesen das mit diesem Blick geboren worden war. Ohne das Gualterio es bemerkte schlich es in seinen Geist, die Augen des Haylliers wurden schwarz wie Kohle und seine Züge hart wie Stein. Zum ersten Mal zeigte der Kriegshund so etwas wie Interesse an der Hexe für die Gualterio in seiner menschlichen Schwäche so viel empfand. Der Kriegshund erkannte Seelen die genau wie er das Siegel des Krieges trugen und vom Tod geküsst geworden, aber am Leben geblieben sind. Und Gualterios kleine Hexe gehörte jetzt auch dazu. Wann Gualterio dieses Siegel bekam, hatte er vergessen und verdrängt, die Erinnerung war tief vergraben unter dem Schlamm des Schlachtfeldes auf dem er zwischen tausenden von Toten im Sterben lag während die Krähen sich schon am Festschmaus labten der sich um ihn herum türmte. Gualterio konnte sich nicht mehr daran erinnern, doch der Kriegshund tat es, denn in dieser Stunde wurde er geboren. Er schaffte es den zerschundenen Körper des Kriegerprinzen zu erheben, Kräfte anzuzapfen die Gualterio verschlossen gewesen waren. Seine Männer hatten ihn schon für tot gehalten, niemand hätte dieses Inferno eigentlich überleben dürfen, und so glaubten sie erst einen Geist oder Dämonentoten zu sehen als ihr Kommandant rot vor Blut mit ungezählten Wunden ins Lager schritt und sie dabei mit diesem Blick musterte der Höllenfeuer zu Eis gefrieren lassen konnte. Denn manchmal, nicht sehr häufig, schafft es auch der Tod etwas zu gebären. Der Kriegshund lächelte als er die neue Jüngerin erblickte, jetzt ging er mit Gualterio einig, diese Laree war etwas Spezielles. Der Kriegshund verschwand, nur einige Augenblicke war er da gewesen um seine Neugier zu stillen. Doch bevor er ging hatte er das Gefühl das irgend etwas mit Gualterios Körper nicht in Ordnung war, aber der Kriegshund beachtete dies nicht weiter, Gualterio hatte immer gut für ihren Körper gesorgt.

Gualterio hingegen sorgte sich, Laree musste dieses traumatische Erlebnis verarbeiten und das Einzige was aus ihrem alten Leben gerade hier war, war er und er wusste noch nicht einmal was ihr passiert war.
„Wir brechen in fünf Minuten auf, ich möchte vor dem Regen ankommen.“ Malatestes Stimme grollte über die Strasse zu dem kleinen Trupp ohne auf das Geschehen einzugehen.
„Rekrutin Venka, ich will mit dir reden.“ Er deutete an einen Punkt einige Meter der Strasse entlang. „Unter vier Augen.“

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:18
von Laree
Laree war immer noch sehr bemüht nicht in Gualterios Richtung zu blicken, sie wollte nicht wissen wie er sie ansah, vielleicht distanziert oder verurteilend, oder noch schlimmer: so mitleidsvoll. Die Gedanken daran verdrängend wie sie bei den Räubern auch um Essen hatte betteln müssen, starrte die Hexe weiterhin in die Ferne, dort wo hinter mehreren Weiden und Hügeln das Meer sein mußte. Die dunklen Wolken, die dort schwer und dumpf über dem Wasser trieben wie ein Raubvogel auf Beutezug, erinnerten sie an die eigenen dunklen Gefühle, die in ihr aufgezogen worden waren. Wenn Veticar nicht gewesen wäre, wäre sie jetzt nicht hier. Laree ballte unbemerkt eine Hand fest zur Faust, die weißen Knöchel zeichneten sich unter der Haut ab. Aber Veticar war bereits tot dessen war sie sich sicher. Und vermutlich mußte sie nur hinter sich blicken um seinen Mörder zu sehen. Oder träumte er bloß davon? Oder war es ihm schlicht egal? Larees Sicherheit schwand wieder. Es spielte ja keine Rolle, niemand wurde von Veticars Tod lebendig, niemand von dem Tod der vielen Räuber. Aber man konnte doch wenigstens hoffen. Die Hexe wünschte sich, sie könnte die Räuber noch einmal töten, um ein weiteres Mal das Gefühl zu durchleben wie es gewesen war sie zu töten. Denn das Gefühl entglitt ihr und sie wußte kaum noch wie sie dabei empfunden hatte...
Gleich darauf schämte sie sich für den Gedanken. Was war nur mit ihr los? Sie erkannte sich selbst nicht mehr wieder. Unbedingt wollte sie jetzt zurück nach Hayll in der Hoffnung dort würde ihr altes Ich auf sie warten. Laree atmete tief die kalte Luft ein, schmeckte fast den kommenden Regen auf ihrer Zunge.
Nichtmal als sie die vertraute Stimme des Kriegerprinzen hörte, wandte die Hayllierin sich um. Da sie in fünf Minuten aufbrechen sollten, packten Regensang und der Dhemlaner, dessen Namen sie nicht wußte, zusammen. Erst als Gualterio sagte, er wolle mit ihr reden, sah sie zu ihm. Mit dem Panzerhandschuh deutete er nach vorne zur Straße. Über was wollte er mit ihr reden? Laree erhob sich trotzdem langsam, kam auf ihn zu, wobei sie immer noch leicht humpelte. Wenn er erwartete sie würde ihm in fünf Minuten ihre Unglücksgeschichte erzählen wie und warum sie hierher gekommen war, hatte er sich aber gründlich getäuscht. Das konnte Gualterio doch unmöglich von ihr erwarten und zwingen konnte er sie auch nicht.
Laree presste die Lippen aufeinander, humpelte langsam zu der angewiesenen Stelle. Oder war es weil sie den Gefangenen nicht mal an der Hand hatte berühren können? Würde er ihr vorwerfen das man das nicht tat? Dem Kerl irgendwelche Dolche in Beine und Arme zu rammen, war natürlich vollkommen in Ordnung, dachte sie sarkastisch. Kurzum, Laree war nicht sehr erpicht darauf jetzt Malateste Rede und Antwort zu stehen. Für einen Moment sah sie noch nach vorne die Straße entlang ehe sie den Blick widerstrebend zu dem Kriegerprinzen wandte.
"Ihr wolltet mit mir sprechen, Sir?", fragte sie ihn leise, in ihren goldenen Rehaugen glimmte ein wenig Trotz. Auch wenn sie womöglich außer Hörweite der anderen waren, versteifte Laree sich weiter auf die korrekte Ansprache eines Vorgesetzten. Zum einen konnten sie immer noch belauscht werden, zum anderen war es fast so etwas wie ein Schutz für sie, damit er nicht so schnell an sie herankam. Dennoch... ein Teil von ihr sehnte sich so furchtbar schmerzhaft nach ihm. Aber Laree wußte nicht mehr wie sie das zeigen konnte. Außerdem konnte sie ihm ja hier wohl kaum heulend in die Arme fallen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:19
von Malateste
„Ja Rekrutin, ich hätte da eine Frage.“ Malateste verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blickte kurz zu Regensang, dem Soldaten und dem Gefangenen ehe er Laree mit unergründlichem Blick musterte. Der Kriegerprinz war sich bewusst, dass zumindest Regensang ihn sicherlich heimlich beobachten würde, weswegen er sich keinerlei Gefühlsregungen anmerken liess. Die Oberfläche des grauen Beckens geriet kurz in Wallung als Malateste einen Hörschutz um Laree und ihn aufbaute. Regensang mochte versuchen zu lauschen und sich fragen was sie besprachen, aber sie würde sich nicht wundern über seine Massnahme. In der Sechsten hatte jeder selbst genug Geheimnisse.

Die Hexe hatte erst woanders hingeblickt bevor sie es schaffte ihm in die Augen zu blicken. Gualterio erkannte darin Trotz. Er wusste nicht was Laree von ihm erwartete oder befürchtete, aber sie sah aus als ob sie sich verteidigen wollte.
„Wir haben nicht viel Zeit“, begann Gualterio, „und das ist vielleicht die letze Möglichkeit vor dem Fort kurz mit dir alleine zu sprechen, also hör bitte gut zu, es ist wichtig. Wie du inzwischen erfahren hast ist nicht nur die Zweite Kompanie in Loraka stationiert, sondern auch die Sechste. Regensang und Tiger gehören dazu und du siehst schon, die Sechste ist anders. Sie ist eine Strafkompanie die sich aus Sträflingen zusammensetzt. Sie geben nichts auf Ränge und halten zusammen wie Pech und Schwefel. Die von der Zweiten meiden sie meist. Keiner von ihnen benutzt seinen wahren Namen, alle tragen diese seltsamen Übernamen. Ihr Kommandant ist Rashar Karsail, ein Eyrier ohne Flügel. Ich weiss noch nichts über ihn. Unsere Kommandantin, Cal Frostseel hingegen ist eine feurige Anhängerin Sions. Ich glaube nicht, dass sie eine Sadistin ist, aber sie ist eine strenge Vollblutsoldatin. Dann ist da noch Hauptmann Orekh. Er leitet das Fort im administrativen Bereich und ist ein Ordnungsfanatiker. Er mag die Routine und er hasst alles was diese stört, da kann er auch mal einen cholerischen Anfall bekommen. Wenn du es mit ihm zu tun hast, sorge dafür das deine Uniform perfekt sitzt, salutiere und steh stramm, dann hast du keine Probleme.“
Kurz wurde Gualterios Blick bohrend und seine Stimme eindringlich.
„Dann gibt es noch die Feldewbel Lorcann und Bovert, beide von der Zweiten. Vor ihnen musst du dich in acht nehmen, vor allem vor Lorcann! Ich bin mir ziemlich sicher das er ein Sadist ist und zudem versessen auf Karriere. Und er bildet die Rekruten aus. Versuche nicht seine Aufmerksamkeit zu erregen, er stellt gerne Frauen nach und ich glaube es macht ihm Spass Rekruten zu quälen.“ Kurz schwieg Malateste und seine Stimme wurde beim nächsten Satz eisig kalt.
„Ich möchte, dass du mir sagst wenn Lorcann dich nur krumm anschaut.“ So wie er Laree kannte würde sie ihm nicht erzählen wenn Lorcann sie belästigte, aber Malateste würde dafür sorgen das er es erfuhr. Gualterios Stimme wurde wieder weicher, aber sie blieb eindringlich. „Das sind viele Informationen ich weiss, aber eine wichtige Sache ist da noch. Bald wirst du Maeve Winters die Leiterin der Krankenstation kennen lernen. Sie hält sich streng ans Reglement und sie ist die Gefährtin von Lorcann. Pass also auf was du ihr erzählst! Und noch was, sie hat eine Affaire mit Tiger was eigentlich überhaupt nicht zu ihr passt. Wenn Lorcann das erfahren würde wär die Kacke am Dampfen.“
Malateste blickte hinüber zu den Pferden. Der Soldat und der Gefangene sassen auf dem Pferd und auch Regensang hatte ihr und Larees Reittier bereit.
„Bei Problemen halte dich an die Sechste, denn sie glauben du bist eine von ihnen.“
Malateste atmete tief ein.
„Es kann nichts mehr daran geändert werden, du bist hier, ich weiss nicht wieso oder weshalb du hier bist, aber es ist einfach so. Und ich brauche deine Hilfe. Ich komme nicht weiter dort wo du es könntest. Darf ich dich um deine Hilfe bitten?“

Am liebsten hätte er Laree über die Wangen gestreichelt oder sie in den Arm genommen. Stattdessen war er drauf und dran sie noch tiefer mit hineinzuziehen. Aber vielleicht war dies sogar das Richtige? Wenn Laree eine Aufgabe hatte auf die sie sich konzentrierte, könnte sie das von ihrem Schmerz und ihrer Leere ablenken. Wenn er etwas über Laree gelernt hatte, dann das sie nicht schwach sein wollte. Und sie war stark, also würde er ihre Stärke hervorholen. Es war Paradox, er war ein Kriegerprinz, geboren zum Beschützen, doch wenn er diese Hexe hier zu beschützen versuchte, würde sie sich schwach und hilflos fühlen und nur weiter in der Abwärstsspirale ihrer Ängste auf den Abgrund zutreiben.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:20
von Laree
Gualterio hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sah zu ihr wie als würde er nun tatsächlich eine Anklage an sie richten. Laree machte instinktiv einen kleinen Schritt zurück, obwohl es Unsinn war, er würde ihr ja nichts tun. Da er gleich wieder sehr vertraut mit ihr sprach, nahm sie an, dass er doch einen Hörschutz errichtet hatte, denn statt einer Anklage folgte ein Bericht was er wohl bisher alles rausgefunden hatte und was für Personen Laree im Fort erwarteten. Zum einen gab es im Fort die sechste, die eine Strafkompanie war, und die zweite, der der große Teil der Soldaten im Fort angehörten. Rashar Karssail... die Hexe versuchte sich alle unbekannten Namen einzuprägen, doch es kamen immer mehr Informationen und sie fragte sich allmählich warum Malateste ihr das alles erzählte. Fast fühlte sie sich in Aydens Büro zurückversetzt, einen Notizblock in der Hand und eifrig alles stenographisch mitschreibend was er so von sich gab. Aber hier ging es nicht um die Essvorlieben von irgendwelchen Adeligen bei einem Empfang oder um Ausgaben und Einnahmen, das hier schien Laree viel ernster. Wenn sie aufflog, dann würde man sie bestimmt foltern und anschließend töten. Sie hatte schon für Ayden spioniert, aber nur in Hayll, dort wo sie sich auskannte und sicher fühlte. Was erwartete Gualterio von ihr?
Es folgte eine Beschreibung von einem pedantischen Hauptmann und danach blickte der Kriegerprinz sie stechend an. Der Grund seiner Miene erfuhr Laree prompt, als die Rede von zwei sadistischen Feldwebeln war. Besonders vor Lorcann warnte Gualterio sie eindringlich, er würde auch die Rekruten ausbilden und sie solle ja nicht seine Aufmerksamkeit erregen, er würde Frauen nachstellen und gerne bloß zum Spaß Rekruten quälen. Und Laree war nunmal eine weibliche Rekrutin. Machte Gualterio das Sorgen? Zwar rief seine eisige Stimme bei der Ermahnung, sie solle ihm sagen wenn Lorcann sie bloß krumm anschaue, einen kalten Schauder in ihr hervor, doch Laree würde gewiss nicht wegen jedem kleinen Problem zu dem Kriegerprinzen rennen. Sie wollte sich nicht auf ihn verlassen, denn er konnte sie auch nicht vor allem beschützen. Trotzdem sah Laree den großgewachsenen starken Hayllier vor sich an und nickte artig.
Sie bekam auch keine Gelegenheit irgendeinen Kommentar dazu abzugeben, denn Malateste fuhr gleich, nun wieder in etwas milderem Tonfall, fort. Nun erfuhr Laree von der Heilerin Maeve Winters, die anscheinend Gefährtin dieses Lorcanns war und trotzdem eine Affäre mit Tiger hatte. Bei der Bemerkung, das würde gar nicht zu Maeve passen, zeigte sich zum ersten Mal ein leichtes Grinsen auf ihren Lippen. Tiger hatte schließlich so eine Art... sie konnte es zumindest verstehen, genausosehr wie sie verstehen konnte, dass Maeve sich einem Sadisten zugewandt hatte. Laree wußte aus eigener Erfahrung wie leicht es war in solch eine "Beziehung" zu geraten und dann nicht mehr herauszufinden. Lorcann dürfe also auf keinen Fall erfahren, dass seine Gefährtin ihn betrog... wieviel ihr das Geheimnis wohl wert war?
"Von wem weißt du das überhaupt?", fragte sie nach und wollte herausfinden, wer eine Ahnung hatte, dass Gualterio Bescheid wußte. Einer der beiden mußte sich ihm ja anvertraut haben oder hatte es der Kriegerprinz gar beobachtet?

Malateste sah hinüber zu den anderen und auch Laree folgte seinem Blick. Der Rest war bereit zum Aufbruch, als Gualterio noch etwas seltsames sagte. "Bei Problemen halte dich an die Sechste, denn sie glauben du bist eine von ihnen." Verwirrung huschte kurz über ihr hübsches Gesicht. Wieso glaubten sie das? Weil sie so viel durchgemacht hatte?
"Heißt das, ich komme in die Sechste, wenn ich keine Rekrutin mehr bin?", fragte sie überlegend, obwohl sie nicht wußte wie lange so eine Ausbildung dauerte. Vielleicht würden sie gar nicht solange dableiben, doch Gualterio konnte erst ein paar Tage beim Fort sein, nicht genug um Schwachstellen herauszufinden und ob sich Verräter oder Rebellen in den Reihen der Armee befanden. Der Kriegerprinz schloss, dass nichts mehr daran geändert werden konnte, dass sie hier wäre. Laree schluckte leer, biss sich auf die Lippen, zum ersten Mal sah man ihre blanke Unsicherheit in ihren goldenen Augen widergespiegelt.
"Würdest du denn daran etwas ändern wollen?", fragte sie leise, "Ich bin sicher nur eine Last... es tut mir leid... es ist meine Schuld, dass ich hier bin, ich...." Sie schaffte es nicht weiter zu reden, nicht jetzt. Außerdem hatte sie immer noch zu viel Angst vor seiner Antwort. Schon eher erstaunte es sie, dass Gualterio sie um ihre Hilfe bat, sie könne dort weiterkommen wo er es nicht konnte. Zweifelnd blickte sie ihn an, überlegte was er damit genau meinte. Wo er nicht weiter konnte...
Larees Blick verhärtete sich. "Ja, ich helfe dir", entschied sie schließlich, "Sag mir einfach wen ich verführen soll und ich machs", erwiderte sie bloß, wandte sich ab und humpelte zurück zu den anderen. Vielleicht war es bloß eine gemeine Unterstellung, doch Laree konnte sich nicht helfen. Außerdem machte es nun wirklich keinen Unterschied mehr, ob noch irgendein anderer Mann über ihren Körper verfügte. Die Hexe dachte seufzend daran wie es wäre wenn Gualterio derjenige wäre... in der Hoffnung, er würde all die schlimmen Erinnerungen überdecken und sie könnte in seinen Armen Erlösung finden. Wenigstens für ein paar Atemzüge...

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:21
von Malateste
Es musste eine Flut von Informationen für Laree sein die auf sei einprasselte, wo sie doch erst gestern noch dem Tode nahe gewesen war. Malateste versuchte zu filtern und zu raffen, aber es wurde doch eine ganze Menge. Als er die Hexe eindringlich vor Lorcann warnte, nickte sie zwar, aber Gualterio kaufte es ihr nicht ab.
Erst als er über Tiger und Maeve sprach zeigte sich ein Lächeln auf dem schönen Gesicht der Hexe, die erste Gefühlsregung ihm gegenüber die nicht Trotz oder Furcht war. Und dieses Lächeln erntete nicht er, sondern Tiger. Einen Augenblick verkrampfte sich der Magen des Haylliers vor Eifersucht auf den tierhaften Kriegerprinzen. Wenn Tiger versuchen würde mit Laree anzubändeln, oder umgekehrt, dann war es mit den Sympathien vorbei. Freund oder Feind hatte die schwarze Witwe gemeint, und Gualterio erkannte das es weitaus mehr Möglichkeiten gab wie Tiger zum Feind werden konnte als er sich vorgestellt hatte. Das Schwarztraum wirkte glücklicherweise stark genug um Gualterio zu helfen einen klaren Kopf zu behalten, und sich nicht zu sehr von seinen Gefühlen lenken zu lassen. Als er am Ende seiner Mutmassungen über Maeve, Tiger und Lorcann angelangt war, fragte Laree nach von wem er dies wisse. Der Kriegerprinz zog einen Mundwinkel zu einer Andeutung eines Lächelns hoch.
„Ich habe nur eins und eins zusammengezählt. Dir wäre es bestimmt auch bald aufgefallen, du musst nur Tiger und Maeve beobachten wenn sie zusammen in einem Raum sind. Tiger weiss das ich es herausgefunden habe, Winters noch nicht.“
Gualterios angedeutetes Lächeln erstarb als er sich fragte ob zwischen ihm und Laree genauso viele versteckte, teilweise unbewusste Signale ausgetauscht wurden die ein aufmerksamer Beobachter bemerken konnte? Maeve und Tiger versuchen es zu verbergen und trotzdem war es ihm aufgefallen. Er musste noch vorsichtiger werden, aber es fiel ihm so unglaublich schwer Laree als Fremde zu behandeln oder sie zu ignorieren.
Schnell fuhr der Hayllier in seiner Aufzählung weiter und riet Laree sich an die Sechste zu wenden, da diese sie als eine der ihre betrachteten. Dies veranlasste Laree zur Zwischenfrage ob sie denn auch zu der Sechsten kommen würde wenn ihre Ausbildung vorbei wäre.
„Vermutlich nicht“, antwortete Malateste. „Die Sechste soll ausgeblutet werden, es gibt für sie keinen Nachschub und du bist auch keine verurteilte Verbrecherin.“ Nachdenklich betrachtete er Laree und suchte nach Spuren dieses Blickes denn sie vorhin dem Gefangenen zugeworfen hatte. „Nein, die von der Sechsten halten dich für einen der ihren weil du, wie sie, zu viel erlebt und keine Angst mehr vor dem Tod hast.“
Es laut auszusprechen was er glaubte klang noch bedrückender und Malateste liess Laree keine Möglichkeit darauf einzugehen, überlegte stattdessen wie sie nun weiter vorgehen sollten, jetzt da Laree hier und dies eine Tatsache war.
"Würdest du denn daran etwas ändern wollen?", fragte sie leise und die Unsicherheit in ihren Augen war unverkennbar, "Ich bin sicher nur eine Last... es tut mir leid... es ist meine Schuld, dass ich hier bin, ich...."
Gualterio hätte alles darum gegeben Laree in diesem Moment tröstend in die Arme zu nehmen. Aber er musste Korporal Bonderus sein der mit einer Rekrutin sprach. Er hatte nur leise Worte die er geben konnte und keine Zeit dafür.
„Das kann nicht mehr geändert werden, ich hätte dich gerne in Sicherheit gewusst, aber, verdammt, Hayll ist genauso gefährlich wie Raej für dich…“, er zögerte einen Moment, „…und eigentlich habe ich oft gewünscht das du hier wärst. Und du bist vermutlich sogar die bessere Agentin als ich.“ Er blinzelte ihr verstohlen und aufmunternd zu.
Laree konnte vielleicht genau die Lücken der Ermittlungen füllen die sich für ihn problematisch erwiesen. Die Hexe überlegte einige Augebnblicke und antwortete mit hartem Blick.
"Ja, ich helfe dir, sag mir einfach wen ich verführen soll und ich machs." Ohne dem sprachlosen Kriegerprinzen die Möglichkeit zum Antworten zu geben drehte die Hexe ihm den Rücken zu und hinkte zu den Anderen hinüber. Gualterio hätte am Liebsten seinen Frust hinausgebrüllt, stattdessen konnte er nur auf die Zähne beissen. Was ihn am meisten verletzte war der Umstand, dass Laree ihn auf eine Stufe mit Asar stellte. Ehe Malateste sich versah, schickte er der Hexe einen geschützten Speerfaden hinterher.
*Du glaubst das würde ich von dir verlangen? Jetzt weiss ich zumindest wie du mich einschätzt.*

„Weiter geht’s“, knurrte Malateste nachdem Laree und Regensang auf ihrem Pferd sassen, schwang sich mit wutumwölkten Gesicht auf Zorns Rücken und gab ihm die Sporen. Wie schaffte es diese vermaldeite Hexe bloss ihn jedesmal auf die Palme zu bringen? Und wie zur Hölle hatte er dies früher ohne Schwarztraum ausgehalten?
Als der Regen einsetzte war der Truppe glücklicherweise nicht mehr weit vom Ziel entfernt. Ein lauter Donner grollte über das Land, und mit ihm viel der erste schwere Regentropfen aus der dunklen Wolkenbank die sich ins Land schob auf Gualterios Helm dem gleich die nächsten folgten,und bald schon prasselte der Regen auf den kleinen Trupp nieder. Gualterio zügelte das mächtige Schlachtross bist Regensang zu ihm aufgeschlossen hatte und drückte ihr wortlos, ohne Laree anzublicken, seinen dicken Wollumhang in die Hand ehe er zum Soldaten und dem Pferdedieb ritt.
Kalt musterte er den Gefangenen. „Dein Leben hängt an einem seidenen Faden. Vielleicht hat Lorcann das Verlangen deinen Kadaver von der Palisade zu hängen. Du solltest dich besser sehr kooperativ zeigen. Das könnte deine Chance erhöhen in die Armee aufgenommen zu werden, was übrigens deine einzige Möglichkeit ist dein armseliges Leben zu behalten.“
Der Kriegerprinz liess sein Pferd schneller traben und holte Regensang und Laree wieder auf. Er musste die Stimme erheben um den Regen zu übertönen der auf die Reiter niederprasselte. Stetig sammelte sich Wasser am Rand seines hochgeklappten Visiers ehe es als grosse Tropfen niederfiel. Der Uniformrock war schon klitschnass und langsam begann sich auch das abgesteppte Leder darunter vollzusaugen.
„Bald sollten wir es geschafft haben. Ich werde als erstes Venka bei Maeve abliefern. Danke das du mitgekommen bist Regensang.“ Ohne die Heilerin würde er jetzt vielleicht eine tote Laree quer über das Pferd hängen haben. Zumindest diese Zukunft war gestern abgewendet worden.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:23
von Laree
"Nein, die von der Sechsten halten dich für einen der ihren weil du, wie sie, zu viel erlebt und keine Angst mehr vor dem Tod hast." Die Worte Malatestes hallten noch in ihrem Geist nach. Wie kam er darauf, dass sie den Tod nicht mehr fürchtete? Oder hatte er am Ende Recht? Es gab Episoden, wo Laree alles egal war, die Gründe warum sie hier war oder was noch weiter mit ihr passieren würde. Aber sie hatte doch immer gekämpft zu überleben, wenigstens das. Obgleich Gualterio rasch weitersprach, um ihr keine Möglichkeit zu geben dazu etwas zu sagen, hätte Laree ohnehin keine Absicht sich zu erklären. Vor dem Kriegerprinzen mußte sie sich nicht rechtfertigen. Trotzdem zeigte sie ihm wenig später wie unsicher sie war, ob er sie überhaupt hier haben wollte, es wäre alles nur ihre Schuld. Der Mann vor ihr gab zurück, sie könnten das beide nicht mehr ändern, er hätte sie lieber in Sicherheit gewußt, nur wäre Hayll wohl genauso gefährlich für sie wie Raej. Laree sah ihn mit großen Augen an, versuchte ihre Sehnsucht nach ihm weit weg zu sperren. Womöglich war die Sicherheit, die sie brauchte, an seiner Seite... wie gern wollte sie das glauben. Nur eine Andeutung eines Lächelns zeigte sich als Gualterio ihr gestand, er hätte sich oft gewünscht sie wäre hier.
Dann jedoch bat er sie um ihre Hilfe und die Hexe war unfähig diese Frage vorbehaltlos zu nehmen. Sie konnte keinem Mann vertrauen, auch nicht ihm, und so stieß sie ihn wieder von sich. Wenn er ihr nicht zu nahe kam, konnte er sie auch nicht so schlimm verletzen. Obwohl Laree nach ihren harten Worten ihm abgewandt zu den anderen humpelte, meinte sie Malatestes aufsteigende Wut zu spüren, seine Blicke bohrten sich regelrecht in ihren Rücken.
Es erreichte sie noch ein verletzter Speerfaden, ob sie wirklich glaube, dass er verlangen würde ihren Körper erneut zu verkaufen. Nun wüßte er wenigstens wie sie ihn einschätzte.
Laree biss sich auf die Lippen, sah zu Boden und konnte ihm nicht mehr in die Augen blicken. War sie zu weit gegangen? Aber Ende müßte sie vielleicht doch das tun was er jetzt nicht von ihr verlangen wollte. Noch nicht... sie war ihm bloß zuvor gekommen. Härte schlich sich zurück in ihre Augen als sie wieder auf dem Pferd saß und sie weiterritten. Auch wenn sie zuvor die Reise über geschwiegen hatten, kam es Laree jetzt noch erdrückender vor. Gualterios große Gestalt auf seinem Schlachtross, sein breiter abgewandter Rücken fast anklagend. Außerdem hatte er ihre Frage nicht beantwortet. Ob er den Umstand dass sie hier war, würde ändern wollen. Sie glaubte nun fast, dass es so war.
Passend zu ihrer Stimmung begann es irgendwann zu regnen, man hörte das Prasseln auf den Helmen der zwei Soldaten, und aus der Ferne war Donnerkrachen zu hören. Es veranlasste Gualterio kurz auf den Rest zu warten bis er Regensang seinen Wollumhang reichte und dabei Laree immer noch mit Nichtbeachtung strafte. Sie tat es ihm gleich, obwohl sie ihre harschen Worte eigentlich schon bereute. Zumindest, dass sie jene laut ausgesprochen hatte. Die Heilerin reichte ihr den Umhang weiter, den Laree sich widerstrebend umlegte. Der Geruch und die Signatur Malatestes haftete überdeutlich dem schweren Stoff an, Laree atmete tiefer ein, kam sich gleichzeitig schwach vor.
Bevor der Kriegerprinz wieder voranritt, schärfte er dem Pferdedieb noch ein, er solle sich kooperativ zeigen, wenn sie im Fort ankamen, denn sein Leben würde davon abhängen. Der Gefesselte drückte die blassen Lippen zusammen, schlotterte unter dem kalten Regen, nickte aber. Schließlich setzte sich der Hayllier wieder an die Spitze, nachdem er sich bei Regensang bedankte.
"Ich kann euch Kerle doch nicht allein rumlaufen lassen", entgegnete sie mit einem linken Grinsen ehe sie das Pferd wieder in einen leichten Galopp brachte.

Trotz der zugezogenen Wolkendecke konnte Laree irgendwann in der Ferne die dunklen Schatten einer Stadt am Meer erkennen, dem sie auch immer näher gekommen war. Stark blies der Wind nun vom Osten her, trieb den Regen übers Land. Es dauerte noch eine Weile bis die Hexe mehr von Loraka erkennen konnte, die Schiffe und Fischersboote im Hafen, die Häuserdächer, die sich fast schützend vor dem Wetter dicht zusammendrängten. Sie ritten in die Stadt ein, es war wegen dem Wetter nicht viel auf den Straßen los, auch war es inzwischen Abends geworden. Wohl sah man aber in mehreren Fenstern Lichter brennen oder aus einer Kneipe ein klimperndes Klavier ertönen. Doch sie ritten zügig weiter bis sie auf einen Hügel kamen, wo das Fort sich dunkel vom Himmel abzeichnete mit nach oben gereckten Holzpalisaden. Das Tor zwischen zwei Wachtürmen war noch geöffnet und Laree sah sich neugierig auf der erhöhten Position des Pferdes um. Sie sah ein einziges Gutshaus aus Stein, dann gab es noch Scheunen, Ställe und der Rest schien aus aneinandergereihten dunklen Zelten zu bestehen. Durch den Regen war die Erde ganz schlammig und aufgeweicht, Holzplanken waren aneinandergelegt, um Wege zwischen den Zeltreihen anzudeuten. Hier sollte sie leben? Ihr Blick glitt zu einem Wehrgang auf der linken Seite des Forts, die in schwarz gehüllte Gestalt mit der Maske kam ihr sehr bekannt vor. Der Schnitter fing ihren Blick auf, doch das war das einzige was er tat. Die Gruppe ritt zu dem Gutshaus, das vorne eine überdachte Veranda hatte. Das Wasser rann plätschernd über das geschrägte Dach, wurde von Regentonnen aufgefangen.
"Rashar!", rief Regensang erfreut aus als sie den flügellosen Kommandeur mit vor der Brust verschränkten Armen auf der Veranda sah. Der Mann lächelte sie an, aber seine goldenen Augen spiegelten eine gleiche Härte und schlecht verborgene Sorgen wieder. "Ich sehe, die Mission war erfolgreich." Er blickte sich um. "Wo sind die anderen?"
Die Heilerin rutschte vom Pferd, half Laree hinunter. "Beim Räuberlager. Es geht ihnen gut", schob Regensang hinterher. Rashar nickte und fuhr der kleinen Heilerin dann strubbelnd durch die Haare, als sie mit der Hexe Richtung Tür ging. Inzwischen war auch der Dhemlaner abgestiegen, hatte den Pferdedieb wie ein schlecht verschnürtes Packet auf die Veranda abgeladen. Der Kommandeur der Sechsten trat näher.
"Und für wen ist dieses Präsent?", fragte er. "Einer der Räuber?"
Den Rest der Unterhaltung bekam Laree nicht mehr mit, denn Regensang half ihr bereits ins Haus, durch einen Flur und eine Treppe hinauf bis sie die Krankenstation betraten. Nicht nur Laree blickte erstaunt in den Raum. Überall standen Paletten von kleinen Ampullen und Fläschchen, selbst auf dem Boden. Dazwischen eilten zwei Heilerinnen hin und her, während eine dritte auf dem Boden kniete und gerade eine weitere Kiste mit Ampullen begutachtete. Sie trug ein weißes gestärktes Kleid, hatte die kastanienbraunen Haare hochgesteckt und ein Spitzenhäubchen auf. An dem Revers des Kleides war wie ein Blutstropfen eine rote Hydra eingestickt. War das Maeve Winters? Wenn, dann konnte Laree sowohl Lorcann als auch Tiger verstehen.
"Oh, entschuldigt die schreckliche Unordnung", sagte Maeve. "Ich sehe furchtbar aus." Eine einzelne Haarsträhne war nicht hochgesteckt, sondern kringelte sich hinter ihrem Ohr. Laree und Regensang tauschten einen skeptischen Blick aus was so viel besagte wie, dass konnte doch nicht ernst von der Frau gemeint sein.
"Lady Winters? Das ist Rekrutin Venka Ives, sie ist verletzt, ich hab sie bereits geheilt so gut ich konnte, aber es wäre gut wenn ihr sie euch nochmal anseht", erklärte Regensang, von ihren Haaren und ihrer Kleidung tropfte unablässig Regen, während sich um ihre Stiefel eine Schlammpfütze gebildet hatte was Maeve missbilligend zur Kenntnis nahm.
"Oh ja, natürlich. Setzt euch bitte dort aufs Bett, Rekrutin. Könnt ihr gehen?", fragte die Heilerin und erhob sich, strich sich ihr weißes Kostüm glatt. Laree nickte und bahnte sich einen Weg an den Röhrchen und Ampullen vorbei, um sich auf eines der leeren Betten zu setzen, wo sie weiterhin den Umhang eng um sich geschlungen hatte, da ihr sehr kalt geworden war.
"Was ist hier eigentlich los?", wollte Regensang verwundert wissen. Maeve seufzte und kurz verzog sich ihr ebenes Gesicht vor Zorn.
"Jemand hat alle Verhütungstränke mit einem Zauber unbrauchbar gemacht", erklärte sie, "Alle. Damit meine ich ein Kontigent für mehrere Tage für das gesamte Fort. Ich hab überhaupt nichts mehr. Und jetzt muss ich alle anderen Mixturen und Heiltränke überprüfen, ob sie ebenfalls verunreinigt worden sind." Laree riss die Augen auf. Wer machte denn so etwas? Und wo würde sie ihre Verhütungstränke herbekommen? Sie hatte alle aufgebracht auf der Reise. "Ist Korporal Bonderus auch wieder zurückgekehrt? Ich muss mit ihm reden."

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:24
von Malateste
Mit stoischer Ruhe erduldete Malateste den Regen. Als Soldat lernte man mit jeder Witterung umzugehen. Erst als Loraka in Sicht gekommen war hatte sich der Hayllier erlaubt kurz erleichtert aufzuatmen. Glücklicherweise waren sie vor einem Hinterhalt verschont geblieben. Durch das starke Gewitter wurde es noch früher Dunkel als üblich und die Dämmerung war hereingebrochen als sie endlich durch das Tor des Forts ritten. Der Regen hatte innert kürzester Zeit den Hof in eine riesige Matschpfütze verwandelt. Die wenigen Soldaten die das Pech hatten etwas draussen erledigen zu müssen rannten in dicke Umhänge gehüllt über die ausgelegten Holzplanken. Gualterio war nicht der Einzige der nicht viel um den Regen gab. Auf einem Wehrgang bemerkte er die Vertraute Gestalt des Schnitters der in ihre Richtung zu blicken schien.
Vor der Veranda des Gutshauses hielt der kleine Trupp an. Unter dem trockenen Vordach wurden sie bereits von Kommandeur Kahrsail erwartet der mit vor der Brust verschränkten Armen ihre Ankunft beobachtete. Regensang rief den Kommandanten erfreut beim Vornamen und beim Anblick der kleinen Heilerin schlich sich ein Lächeln auf sein hartes Gesicht.
Der Eyrier bemerkte die Mission sei sichtlich erfolgreich verlaufen und fragte wo der Rest des Trupps sei. Regensang rutschte vom Pferd und half dann Laree herunter. Die Heilerin antwortete der Rest sei beim Räuberlager und es ginge ihnen gut. Woher sie diese Sicherheite wohl nahm? Dort draussen konnte alles passiert sein.
Regensang führte Laree gleich zur Eingangstür und nahm Malateste die Gelegeneheit die hayllische Hexe selbst hochzubringen. Wann würde er Laree wieder sehen? Wenn er im Umland stationiert war, und sie bei den Rekruten, bekamen sie sich vielleicht kaum mehr zu Gesicht. Und wegen Larees Reaktion vorhin hatte er auch keine Chance gehabt ihr zu erklären wie sie ihm helfen konnte.
Mit grimmiger Miene schwang sich der Kriegerprinz vom Sattel und fluchte lautstark als er knöcheltief im Schlamm versank. Mit einem lauten Schmatzen zog er die Stiefel aus dem Schlamm und reichte die Zügel einem der Stall-Soldaten die widerwillig aus der trockenen Wärme des Stalles herübergeeilt waren um die drei Pferde in Empfang zu nehmen.
„Sorgt dafür das die Pferde richtig trocken gerieben werden, klar?“, maulte er einen der Soldaten an um wenigstens ansatzweise seinen Frust loszuwerden.
Als der grosse Kriegerprinz die Verandastufen hoch schritt, konnte er gerade noch erkennen wie der Eyrier liebevoll Regensangs Haar zerzauste, beinahe wie ein grosser Bruder die Haare seiner kleinen Schwester zerstrubbeln würde. Die Sechste konnte man nicht wirklich als militärische Einheit bezeichnen. Sie war wohl eher eine Schicksalsgemeinschaft.
"Und für wen ist dieses Präsent? Einer der Räuber?" Karssail trat näher und betrachtete den gefesselten Mann der vom Soldaten auf der Veranda abgelegt worden war.
„Nicht ganz, eher ein Bauer mit einer kurzen Karriere als Pferdedieb.“ Malateste trat heran, zog den Helm aus und klemmte ihn sich unter den Arm. „Er hat versucht mit einem Kumpanen vor dem Morgengrauen unsere Pferde zu stehlen. Den hier habe ich erledigt, sein Freund hatte weniger Glück und ist dem dort drüben begegnet.“ Der Hayllier nickte in Richtung der schwarzen Gestalt des Schnitters auf dem Palisadenwehrgang ehe er wieder Rashad musterte. „Ich war der Meinung er könnte uns als lebendiger Rekrut mehr nützen denn als aufgehängter Dieb.“ Er salutierte kurz vor dem Kommandanten der Sechsten.
„Übrigens, ich bin Korporal Jason Bonderus von der Zweiten. Wir hatten letzthin keine Gelegenheit uns vorzustellen.“

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:25
von NSC
Kommandeur Rashar Karssail - Prinz - Fara

Obwohl es noch nicht Nacht war, lag das Fort bereits in Dunkelheit gehüllt da. Rashar beobachtete den stetig fallenden Regen wie er vor dem Verandadach niederströmte. Das monotone Prasseln mischte sich unter seine alles andere als monotone Gedanken. Es war kalt und trotzdem trug er bloß seine abgetragene schwarze Uniform, die Arme vor der Brust verschränkt. Die äußere Kälte erreichte ihn nicht, ihm war immer kalt. Zwar hatte der Eyrier keinen bestimmten Fleck in der Ferne fixiert und doch behielt er stets den Schnitter im Auge. Seine Anwesenheit war gar nicht gut, oh nein. Allerdings war der Schnitter noch Rashars geringste Sorge und das wollte schon was heißen. Mit der Verstärkung würde bald jemand von der Internen kommen, aber der Kommandeur hatte nichtmal richtig Gelegenheit sich darum zu sorgen angesichts der neusten Einsatzbefehle, die eindeutig so gestellt waren, dass kaum einer von ihnen ihre nächste Mission überleben würde. Ein weiteres Selbstmordkommando, ein weiteres Mal wurden sie wie Zinnsoldaten gegen das Gewitter geschmissen.
So galt Rashars größte Sorge dem wie er die Mission erfolgreich beenden konnte ohne dass all seine Leute dabei draufgingen. Und schließlich und letztendlich war da noch ein Problem aufgetreten mit dem er niemals gerechnet hatte....
Seine tiefen Gedanken zerstoben als Rashar spürte wie einige Soldaten auf das Fort zugeritten kamen, darunter zu seiner Freude auch Regensang. Zur Freude mischte sich gleich Sorge, weil er nichts von Tiger spürte. Doch sein alter Freund war noch am leben, andernfalls hätte es der Eyrier gemerkt. Drei Pferde hielten vor der Veranda, zwei der Reiter gehörten der Zweiten an, die Hexe bei Regensang auf dem Pferd mußte die gerettete Rekrutin sein. Nur der gefesselte Mann entzog sich erst einmal Rashars Schlußfolgerungen so fragte er gleich danach, nachdem er sich knapp bei der Heilerin nach den anderen erkundigt hatte. Später würden sie alleine genauer darüber reden.
Fürsorglich strich er dem Mädchen noch über den Kopf als sie mit der Rekrutin nach drinnen ging ehe er sich den drei Männern zuwandte. Korporal Bonderus war ebenfalls auf die Veranda getreten nachdem er die Pferde einem jungen Soldaten übergeben hatte. "Nicht ganz, eher ein Bauer mit einer kurzen Karriere als Pferdedieb", erklärte der Kriegerprinz und fuhr fort zu berichten wie der Pferdedieb nun bei ihnen gelandet war. Rashar sah nicht einmal zum Schnitter herüber als dieser erwähnt wurde.

"Manche Leute verärgert man lieber nicht", kommentierte der Eyrier dies nur. "Rekruten können wir immer gebrauchen." Noch mehr Kanonenfutter. So würden die anderen darüber denken. Dann richtete er seinen Blick auf den Korporal, der vor ihm salutierte. Rashar erwiderte den Gruß. "Ja, ich erinnere mich. Kommandeur Rashar Karssail. Leicht zu merken weil ich der einzige Hund in der Sechsten bin, der noch seinen richtigen Namen trägt", antwortete er mit einem leichten Schmunzeln.
"Soll ich den Dieb Feldwebel Lorcann übergeben?", fragte der dhemlanische Soldat. Rashar schüttelte den Kopf.
"Ihr könnt abtreten, das hier übernehme ich schon", winkte er ab und ging zu dem gefesselten Mann, um die Knoten der Fesseln zu lösen. "Wie heißt du?"
"Gralon Edern... Sir", antwortete der junge Mann und rieb sich die Knöchel.
"Gralon, willst du der Armee beitreten?", fragte Rashar ihn weiter, machte eine Geste, dass der Mann sich erheben könne. Er trug bloß Tigerauge und mußte schon sehr töricht sein mitten im Fort Dummheiten zu begehen. Gralon fragte zögerlich zurück, ob er denn eine Wahl hätte. "Nein, nicht wirklich. Mir hat man damals die gleiche Frage gestellt und sieh wo ich jetzt bin." Er deutete auf die Schulterklappen. "Das sind die Kommandeursstreifen übrigens." Rashar verschwieg, dass niemand anderer in der Sechsten sie hatte haben wollen. Keiner wollte im Richtstrahl all der anderen Soldaten stehen und den immensen Druck aushalten. Es war kein Privileg, es war eine Bürde. "Der Sold ist gut, Junge, du bekommst eine ordentliche Ausbildung, eine Unterkunft und immer etwas zu essen." Der zukünftige Rekrut schien noch zu zögern. "Das ist mehr als du in der Hölle bekommen würdest wenn du tot bist", fügte Rashar hinzu und da nickte der Mann schließlich. "Ich werde dich gleich zu deinem zukünftigen Ausbilder schicken. Kein besonders netter Mann, aber wenn er Ärger macht, kommst du zu mir." Er klopfte dem Rekruten auf die Schulter. Nein, die sechste würde offiziell keine Rekruten mehr bekommen. Aber es bedeutete nicht, dass Rashar nicht versuchen konnte so viele der neuen Rekruten auf sich zu eichen wie er konnte. Irgendwann würde vielleicht der Moment kommen wo er ihnen sagen konnte, ja, jetzt habt ihr eine Wahl. Folgt mir oder folgt den anderen.
Der Eyrier blickte wieder zu Korporal Bonderus. Seine Leute hatten ihm schon viel über diesen Mann erzählt, man konnte ihn noch nicht richtig einordnen. "Ich hab gehört, Kommandeurin Frostseel überträgt euch mehr Verantwortung, Glückwunsch. Und ihr seid einer der wenigen aus der Zweiten, die sich bis in den Schwarzen Kessel getraut haben. Vielleicht sieht man sich dort mal bei Feierabend..." Das war eine inoffizielle Einladung, die der Kriegerprinz hoffentlich verstand. In dem Moment kam Regensang wieder aus dem Gutshaus, schüttelte den Kopf.
"Was ist denn mit der los?", fragte sie.
"Das ist keine Kleinigkeit, Regensang. Gut möglich, dass sich sogar der Mann der Internen damit beschäftigen wird, wenn er hier eintrifft", entgegnete Rashar ernst. "Nicht auszudenken wenn auch noch die Heilmittel davon betroffen sind. Das ist schwere Sabotage und kein Kavaliersdelikt", betonte er mit aller Strenge. Und war verdammt nochmal mehr Aufmerksamkeit, die er absolut nicht gebrauchen konnte. Regensang schwieg kurz, wandte sich dann an Bonderus.
"Ach, Jason, Lady Winters will dich sehen. Ist anscheinend dringend." Die schmächtige Heilerin zuckte mit den Schultern.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:27
von Malateste
Der dhemlanische Soldat hastete durch den Regen davon, suchte sich vermutlich einen warmen Platz um aus seinen klammen Kleidern zu kommen. Manche Leute verärgert man lieber nicht, hatte Karssail vorhin gemeint. Kannte der Schnitter überhaupt solch profane Gefühle wie Ärger, und grollte dieser ihm jetzt weil er ihm heute Morgen keinen Respekt gezollt hatte? Er hatte sowieso nicht vorgehabt sich mit dem Schnitter anzufreunden, als Zechkumpan taugte er nicht und die Gespräche wären auch sehr einseitig. Aber vermutlich war er ein guter Zuhörer...
Gualterio schob seinen Galgenhumor zur Seite und betrachtete neugierig wie Rashar mit dem Gefangenen verfuhr. Er löste ihm die Fesseln, half ihm auf die Beine und fragte ihn nach den Namen. Gralon Edern zögerte erst noch, aber Karssail offenbarte ihm das es in seinem Falle keine andere Option gab als der Armee beizutreten. Er führte das Gespräch freundlich, klopfte Edern am Ende auf die Schultern und der neue Rekrut würde sich in Zukunft daran erinnern wie nett der Kommandant der Sechsten zu ihm gewesen war. An Malateste würde er sich nur erinnern als der Kerl der ihn mit Dolchen gespickt, über den Boden geschleift und auf ein Pferd gebunden hatte, aber nicht als der Mann dem er wirklich sein Leben zu verdanken hatte. Nun, Edern soll sich eine Nummer ziehen und in der Schlange der Leute die Malateste nicht mochten hinten einreihen.
Dann musterten sich Rashar und Gualterio gegenseitig. Es machte den Eindruck als ob beide Männer versuchten ihr Gegenüber einzuschätzen, wie ein stummes Abtasten ehe Kharssail ein kurzes Gespräch eröffnete.
"Ich hab gehört, Kommandeurin Frostseel überträgt euch mehr Verantwortung, Glückwunsch. Und ihr seid einer der wenigen aus der Zweiten, die sich bis in den Schwarzen Kessel getraut haben. Vielleicht sieht man sich dort mal bei Feierabend..."
Die versteckte Einladung war nicht zu überhören, zum zweiten Mal schon. Hatte er doch noch nicht alle Karten bei der Sechsten verspielt? Wenn nicht ein Interesse an seiner Person bestünde, wäre er kaum von Rashar in den schwarzen Kessel beordert worden.
„Die Glückwünsche sind etwas verfrüht, Sir. Kommandeurin Frostseel möchte mich wohl eher erst einschätzen können bevor sie sich überlegt mir wirklich mehr Verantwortung zu übertragen.“ Der Hayllier unterstrich seine Worte mit einem schiefen Lächeln als Regensang schon wieder zurückkehrte.
"Was ist denn mit der los?“, fragte die kleine Heilerin mit dem zerzausten Haar. Erst glaubte Malateste sie spreche von Laree, aber als Rashar antwortete das dies keine Kleinigkeit mehr wäre, kein Kavaliersdelikt sondern Sabotage und der Mann von der internen sich vielleicht darum kümmerte, wurde dem Hayllier klar, dass es nicht um Laree ging. Und als er hörte, dass hoffentlich nicht noch mehr Heilmittel davon betroffen sind, keimte ein leiser Verdacht in ihm. Als dann Regensang meinte, Maeve würde ihn gerne sehen, liess der Kriegerprinz die Gelegenheit nicht entgehen sich selbst ein Bild von der Angelegenheit zu machen. Er nahm einen Reisigbesen zur Hand der neben der Verandatür an der Wand lehnte und schabte sich damit den gröbsten Schmutz von den Stiefeln.
„Ihr entschuldigt mich Kommandeur?“ Gualterio tippte sich an die Stirn als angedeuteter Salut. „Ich werde kommen, einen grossen Krug Bier lass ich mir nichte entgehen.“
Mit grossen Schritten eilte Gualterio durch den Eingangsbereich und die Treppe hoch in Richtung Krankenstation. Er war sehr gespannt was er vorfand, und er hoffte gleichzeitig noch einmal in der Nähe von Laree sein zu können. Die Tür zur Krankenstation stand offen und der grosse Kriegerprinz blieb im Türrahmen stehen um nicht in die Bescherung zu trampeln. Mit grossen Augen betrachtete er die Auslegeordnung. Auf dem ganzen Boden waren Kisten und Paletten ausgelegt, voll mit Flaschen und Fläschchen. Hektisches Treiben herrschte. Heilerinnen holten einzelne Flaschen heraus und machten sich Notizen auf Klemmbrettern. Mitten drin, bei Laree, stand Maeve. Wie immer gab die schöne Heilerin in ihrer Krankenschwesteruniform einen umwerfendes Bild ab, die Hektik war ihr nicht wirklich anzumerken.
Dies konnte doch nicht wirklich mit den Verhütungstränken zu tun haben? Bovert und Lorcann hatten im Bella Sera als Scherz gesagt Maeves Verhütungstränke unschädlich zu machen. Das Lorcann dies wirklich tat hätte Gualterio nie gedacht, und wenn, hätte Malateste vermutet das er sich nur über Maeves persönlichen Vorrat hermachte. Aber dieser Aufruhr hier war schlicht purer Wahnsinn!
Der Kriegerprinz räusperte sich.
„Guten Tag Lady Winters. Ihr wolltet mich sprechen?“ Er deutete auf die Auslegeordnung. „Inventur?“

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:29
von NSC
Maeve

Maeve Winters ließ ihre Hände über das Bein der verletzten Rekrutin schweben. Die ungepflegte Regensang hatte Recht gehabt, die Frau war bereits gut versorgt worden. Trotzdem hatte Maeve Mühe das gebrochene Bein ein weiteres Mal zu heilen und die heilenden Netze zu verstärken. Am Ende bat sie eine ihrer Gehilfinnen darum die Rekrutin weiter zu heilen. Jene ließ alles stoisch über sich ergehen, obwohl es schmerzhaft sein mußte. Ihre schwarzen Haare waren leicht feucht, zusammengesunken lag sie auf dem Bett, immer noch einen schweren Wollumhang umklammert, ihr Gesicht blass und ihre Augen kühl wie poliertes Metall.
Die Heilerin atmete nach der Behandlung durch, nahm ein Klemmbrett mit einer neuen Akte an sich, um ihre zitternden Hände zu kaschieren. "Es sieht alles gut aus, ihr werdet noch drei Tage Heilmittel bekommen, die euren Körper unterstützen sich zu regenerieren und ihr werdet heute hier schlafen", informierte sie Venka, notierte auf der Akte die Krankheitsgeschichte.
"Danke... und wann kann ich hier wieder raus?", wollte die Hayllierin gleich wissen. Maeve zögerte kurz.
"Ihr könnt auf keinen Fall die nächsten drei Tage am vollständigen Ausbildungstraining teilnehmen. Nichts was euer Bein belastet", erwiderte sie, "Aber ich kann eurem Ausbilder mitteilen, dass ihr zumindest schon beim Fernkampf mitmachen könnt. Er soll euch besonders schonen." Sie lächelte aufmunternd. "Doch jetzt solltet ihr erst einmal aus den nassen Sachen heraus und ein heißes Bad nehmen. Meine Gehilfinnen werden euch das Bad zeigen."
Venka warf ein, dass sie keine Ausrüstung mehr besäße und somit auch keine eigene Uniform mehr, doch Maeve versicherte ihr, dass für entsprechenden Ersatz gesorgt werden würde. In dem Augenblick kam Korporal Bonderus herein, blieb jedoch an der Türschwelle erst einmal stehen, da überall Kisten und Paletten mit Fläschchen standen und den Weg teilweise blockierten.
"Entschuldigt mich, Rekrutin, Mädchen, helft ihr ins Bad", wies sie ihre zwei Gehilfinnen an. Jene versuchten zwar Venka zu stützen, doch die Hexe wehrte die Hilfe ab, folgte den Frauen bloß in einen Nebenraum. Dort war ein Labor, eine kleine Küche und auch ein Bad. Nun konnte sich Maeve dem Kriegerprinzen zuwenden. Soweit sie wußte, war er dabei gewesen jene Rekrutin vor Räubern zu retten. Und auch Tiger... aber ihn spürte sie nirgendwo.
"Verzeiht die Unordnung", entschuldigte sie sich beim Korporal und räumte ein paar Paletten woanders hin, damit der Mann sie beim Eintreten nicht beschädigte. Seufzend blickte Maeve auf die dreckigen Stiefel des Soldaten. "Würdet ihr die bitte ausziehen und mitkommen?", bat sie ihn und ging die hölzerne Wendeltreppe nach oben zu ihrer Kammer, wo sie schlief, las oder Handarbeiten machte. Die Kammer war blitzblank sauber, in hellen Tönen gehalten. Nur auf dem frisch bezogenen Bett zeigten sich zwei Falten und ein Stuhl stand vielleicht nicht ganz korrekt bei einem schmalen Tisch. "Ich hatte keine Zeit aufzuräumen... es ist auch eigentlich nicht meine Art einen fremden Mann mit hier raufzunehmen.." Alexis durfte es bloß nicht mitbekommen, aber sie war immer vorsichtig gewesen. Maeve überprüfte ihre hochgesteckte Frisur. "Aber... ihr hattet recht, Korporal. Ich konnte es selbst zunächst nicht glauben. Wißt ihr, ich überprüfe jeden Trank. Entweder wenn ich sie geliefert bekomme oder, wenn ich sie selbst gebraut habe, direkt nach Fertigstellung. Und dann überprüfe ich sie zwei Wochen später noch einmal ob sie noch haltbar sind. Doch das hier..." Müde und immer noch etwas fassungslos lehnte sie sich an eine Kommode. "Jemand hat alle Verhütungstränke unbrauchbar werden lassen. Soweit ich bisher feststellen konnte, sind die anderen Mixturen nicht davon betroffen." Ihr Blick wurde hilfloser, eindringlich sah sie Bonderus an. "Bitte, ihr müßt mir unbedingt sagen, woher ihr das gewußt habt. Ich bin für die Krankenstation verantwortlich und das alles in Ordnung ist. Die Kommandeurin hat mir bereits eine Abmahnung erteilt und..." Maeve unterbrach sich selbst. "Ich will selbst herausfinden wer das getan hat", sagte sie entschlossen, "Hättet ihr nichts gesagt, hätte ich es vielleicht erst viel später festgestellt. Bitte, könnt ihr mir nicht weiterhelfen, Korporal? Irgendwoher müßt ihr doch diesen Verdacht gehabt haben..."

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 19:33
von Malateste
Lady Winters bat ihn um etwas Geduld und begann einige Kisten auf dem Boden umher zu schieben, um so etwas wie eine freie Bahn für ihn zu schaffen. Er wäre auch so durchgekommen, aber Maeve schien zu glauben er könne er nur breitbeinig durch die Gegend trampeln. Nun ja, mit Tigers Eleganz konnte er nicht mithalten, aber so steif wie ein Belagerungsturm war er hoffentlich nicht. Während Maeve beschäftigt war glitt Gualterios Blick unwillkürlich zu Laree. Leider wurde sie gerade von Maeves Gehilfinnen aus dem Raum geführt. Er bemerkte wie sie sich mit bleichem Gesicht gegen die Hilfe wehrte, und wie die Hexe noch immer seinen Wollumhang, den er während seiner Anreise oft getragen hatte, eng um sich geschlungen trug. Sehnte sie sich nach ihm, so wie er sich nach ihr verzehrte? Der Kriegerprinz hoffte es.

Maeve warf seufzend einen Blick auf seine Stiefel, bat ihn diese auszuziehen und ihr dann zu folgen. Gualterio blickte zu seinen Füssen, um die sich eine Wasser- und Schmutzlache gebildet hatte. Er bückte sich um die Sporen abzuschnallen und versuchte dann auf einem Bein aus dem ersten nassen Stiefel zu schlüpfen. Dabei hüpfte er etwas hin und her bis sich mit einem lauten Schmatzen der Stulpenstiefel widerspenstig vom Fuss löste. Er fragte sich wie er da nachher wieder hineingelangte? Der zweite Stiefel war noch widerspenstiger und Malateste liess einen zünftigen Fluch vom Stapel. Seltsamerweise brachte ihn die Erkenntnis diesen Fluch vor der tadellosen Lady Winters ausgestossen zu haben zum Erröten.
„Entschuldigt meine Wortwahl Lady Winters“, murmelte er verlegen nachdem der zweite Stiefel auch kapituliert hatte. Mit seinen gestrickten Socken, glücklicherweise beide ohne Loch, folgte er der Heilerin eben jene Treppe hoch, die sie bei ihrer ersten Begegnung heruntergeschwebt gekommen war.
Am Ende der Treppe fand sich eine kleine, in hellen Tönen gestrichene Kammer. Das Zimmer war tadellos aufgeräumt und musste Maeves Wohn- und Schlafraum sein.
"Ich hatte keine Zeit aufzuräumen...“, begann Lady Winters, „es ist auch eigentlich nicht meine Art einen fremden Mann mit hier raufzunehmen.“ Gualterio blickte sich in der Kammer um. Was zur Hölle hätte sie den aufräumen wollen? Und was verstand Maeve wohl unter ‚fremder Mann’? Kurz blieb sein Blick am Bett hängen. Vergnügte sie sich hier mit Lorcann? Und mit Tiger? Malateste konnte sich gar nicht vorstellen, dass diese unnahbare Frau überhaupt Sex hatte. Geschweige denn, dass sie Sex mit Tiger hatte. Ob sie wohl den Sitz ihrer Frisur auch überprüfte während sie mit Männern schlief?

Die Gedanken des Kriegerprinzen schweiften ungebührlich ab, wurden dann aber von Lady Winters schnell wieder auf Spur gebracht, als sie ihm offenbarte was vorgefallen war. Lady Winters hatte auf sein Anraten die Verhütungstränke überprüft und jemand hatte tatsächlich alle, wirklich alle Verhütungstränke in der Station unbrauchbar gemacht. Und da sie den Hinweis von ihm bekommen hatte, war es nicht verwunderlich das Maeve mehr darüber wissen wollte. Sie bat ihn um Hilfe bei der Aufklärung, sie wirkte verzweifelt und sie hatte von Frostseel schon eine Abmahnung bekommen. Das musste für die perfekte Lady Winters eine Katastrophe sein. Aber als sie meinte, sie wolle den Schuldigen selber finden wirkte sie sehr entschlossen.
Gualterio dachte nach und seine Finger streichelten dabei beiläufig den Griff des Falchions an seiner linken Seite. Wenn er erzählte was er im Bella Sera gehört hatte, würde Maeve Lorcann vielleicht mit den Vorwürfen konfrontieren. Und da er neu war würde Lorcanns schnell vermuten, dass er ihn verpfiffen hatte. Dann hätte er Lorcann und Bovert gegen sich, was ihm das Leben im Fort ordentlich erschweren könnte. Aber auf der anderen Seite konnte er auch Vorteile daraus ziehen...
Eindringlich musterte er die schöne Lady Winters und wog Vor- gegen Nachteile ab.
„Wenn ich euch helfe könnte das für mich in Nachteilen resultieren“, begann der Kriegerprinz dann, „aber da ihr mir von Beginn weg entgegengekommen sind, wäre ich bereit zu helfen. Aber ihr müsst mir zwei Dinge versprechen: erstens...“, er hob den Zeigefinger der Rechten in die Höhe, „...keine übereilten Schritte, wir werden die Angelegenheit erst zu zweit untersuchen bevor wir jemanden anschuldigen, und zweitens...“, der Mittelfinger ging neben dem Zeigefinger in die Höhe, „...ihr seid mir im Gegenzug einen Gefallen schuldig. Einverstanden?“ Fragend musterte Gualterio Maeve mit seinen ungleichen Augen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 21:37
von NSC
Maeve

Der Korporal schwieg recht lange nachdem Maeve ihm alles erklärt hatte und sie befürchtete schon, er würde nicht verraten woher er das mit den Verhütungstränken gewußt hatte. Währenddessen musterte Bonderus sie die ganze Zeit über eindringlich, langsam kam die Heilerin sich unbehaglich unter den Blicken vor bis der Kriegerprinz endlich anhub zu sprechen und erst einmal einwandte, dass er durch seine Mithilfe selbst Schaden davon tragen könnte. Maeve begann zu überlegen wer seine Quelle war. Ob er jemanden belauscht hatte? Ob er eine Notiz abgefangen oder gar Teil einer Verschwörung war und Gewissensbisse bekommen hatte? Ihre Gedanken überschlugen sich, sie kam einfach auf keine vernünftige Lösung. Am allerwenigsten auf eine, die sie Kommandeurin Frostseel präsentieren konnte.
"Ich bin sehr diskret", bemerkte Maeve und glaubte, dass sie das gerade bei dem Kriegerprinzen schon unter Beweis gestellt hatte. Obwohl es ihr schwer gefallen war, hatte sie nichts in ihren Akten verlautbaren lassen, dass Bonderus erst seit kurzem Schwarztraum nahm. Aber Tiger hatte sie in einem Gespräch darum gebeten, auch wenn er seine Gründe nicht erklärt hatte.
Jetzt schien es sich bezahlt zu machen, denn der Korporal fuhr fort, da sie ihm schon in der Vergangenheit geholfen hätte, würde er ebenfalls bereit sein ihr zu helfen. Nur müßte sie zwei Dinge dafür versprechen. Maeve sah ihn abwartend an, schwieg bis der Mann von selbst erklärte was er wollte. Sie solle nichts überstürzen bevor sie jemanden beschuldigte, sie würden die Angelegenheit zunächst gemeinsam untersuchen. Zweitens wäre sie ihm im Gegenzug auch einen Gefallen schuldig. Die Heilerin überlegte kurz, wog nun wie er Vor- und Nachteile ab, fragte sich was für ein Gefallen er fordern könnte. Gewiss doch nur einen, den sie auch erfüllen konnte. Schließlich nickte sie.
"In Ordnung. Ihr habt etwas gut bei mir", sagte sie, "Und ich werde gewiss nichts überstürzen, aber ihr seid euch doch der Schwere dieser Tat bewußt oder?", fragte Maeve nach. "Für die männlichen Soldaten ist ein Vorrat an Tränken vielleicht nicht so wichtig, aber die weiblichen Soldaten können es sich nicht leisten schwanger zu werden. Sie werden sonst zurück nach Dhemlan geschickt", erklärte sie. Nicht genug, dass man schwanger auch über seine Juwelenkraft nicht verfügte und somit gerade als Soldatin sehr verletzlich war. "Und sie verlassen sich auf meine Verhütungstränke... ich habe auch einige überprüft, die ich ausgeteilt hatte, sie waren ebenfalls verunreinigt. Meine letzte zweiwöchentliche Überprüfung war aber erst vor ein paar Tagen, es muss unmittelbar danach passiert sein... hättet ihr nicht rechtzeitig etwas gesagt..." Maeve schüttelte den Kopf, sah Bonderus entschlossen und mit innerer Anspannung an. "Also was wißt ihr, Korporal?", fragte sie ihn.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 21:39
von Malateste
Das Maeve diskret war hatte sie bewiesen. Sie hatte ihn beim Schwarztraum gedeckt obwohl sie es nicht hätte tun müssen. Wieso eigentlich? Die Heilerin überlegte dann auch einige Zeit, stimmte am Ende aber Malatestes beiden Bedingungen zu. Sie fragte ob er sich der Schwere dieser Tat bewusst sei. Wie weit die Folgen reichten hatte der Kriegerprinz noch gar nicht überlegt, aber er hatte es auch nicht aus der Sicht einer Frau betrachtet.
„Jetzt wo ihr mir die Folgen aufgezeigt habt, wird es mir erst richtig klar“, gab der Kriegerprinz dann zu. „Also, beginnen wir bei den Fakten. Bei meinem ersten Besuch im ‚Bella Sera‘ vor einigen Abenden traf ich am Bakkaratisch Feldwebel Bovert und euren Gefährten Lorcann. Es waren noch andere Offiziere am Tisch, es floss viel Alkohol.“ Gualterio versuchte sich an die Details des Abends zu erinnern. „Gegen Ende meinte euer Gefährte das er ein Kind von euch wolle sobald er befördert werde. Ihr hättet schon mehrmals darüber gesprochen, aber ihr, Lady Winters, wolltet kein Kind wegen eurer eigenen Karriere.“ Neugierig mass Malateste Lady Winters mit seinem Blick. „Überrascht, dass euer Gefährte solch intime Details lauthals herumposaunt?“ Hatte Maeve wirklich noch nicht bemerkt was für ein Arschloch sie sich als Gefährten ausgesucht hatte?
„Aber lassen wir das. Bovert hat daraufhin scherzhaft gemeint, wenn Alexis so scharf auf Nachwuchs sei, soll er doch einfach eure Verhütungstränke austauschen. Dieser Spruch hat allgemeine Erheiterung unter den Anwesenden Offizieren ausgelöst.“
Der grosse Kriegerprinz schritt einmal auf und ab während er erzählte und stellte sich dann so in den Türrahmen, dass Lady Winters nicht an ihm vorbeikommen würde wenn sie auf die Idee käme, loszurennen um Lorcann in die Eier zu treten. Aber eigentlich schätzte er die Heilerin nicht so ein.
Der Fall schien klar, Lorcanns Karriere war am Ende. Aber während Gualterio die Geschichte erzählte kam sie ihm plötzlich sehr faul vor.
„Das waren die Fakten. Euer Gefährte steckt bis zum Hals in der…“, Gualterio stockte „…ähm, ich meine er hat arge Probleme.“
Der Kriegerprinz lächelte und tippte sich an die Schläfe. „Ich sehe zwar nicht so aus, aber der Apparat da oben funktioniert noch tadellos, ich nehme Schwarztraum noch nicht so lange das mein Hirn komplett zu Quark geworden wäre. Wir haben jetzt zwei Verdächtige.“ Malateste kam in Fahrt, plötzlich schoben sich die Puzzlesteine zusammen.
„Der erste Verdächtige ist euer Gefährte. Aber das ist zu offensichtlich, es stinkt! Alexis wäre bestimmt nicht so blöd die kompletten Verhütungstränke zu sabotieren nachdem die Hälfte der Offiziere im ‚Bella Sera‘ davon gehört hat. Ihm müsste klar sein das ihr irgendwann die Sabotage der Tränke bemerkt, Nachforschungen würden dann sehr schnell ihn als Verdächtigen identifizieren. Das würde bedeuten, jemand versucht es ihm in die Schuhe zu schieben. Aber wer?“
Der grosse Hayllier lächelte grimmig. „Wie wäre es mit dem der den Vorschlag gebracht hat? Verdächtiger zwei: Feldwebel Bovert. Er scheint zwar Lorcanns Busenfreund zu sein, aber er ist genauso auf Karriere versessen wie Alexis, und euer Gefährte hat im Rennen um den Aufstieg die Nase eine Spur vorne. Wenn er in Ungnade fiele wäre der Weg für Bovert frei. Wir haben hier also ein Motiv.“
Es ergab alles einen Sinn. Gualterio wollte schon zufrieden die Arme verschränken als ihn eine Erkenntnis wie der Blitz traf. „Es gibt noch einen dritten Verdächtigen…“, entfuhr es Malateste bevor er im Satz stoppte. Wenn Maeve von Tiger schwanger würde, wäre sie gezwungen mit Lorcann zu brechen und sich für Tiger zu entscheiden. Vielleicht konnte Tiger nicht mehr so weitermachen, als heimlicher Geliebter, und Maeve würde von sich aus nie ihre perfekte Welt zerstören und Lorcann verlassen. Er dachte an den Abend an dem er Tiger zu einem Stelldichein mit Maeve verholfen hatte. Was, wenn der Kriegerprinz der Sechsten an dem Abend nicht nur Schwarztraum geklaut hatte für ihn? Er war vor Ort, er hätte es tun können…
Plötzlich fiel es Gualterio wie Schuppen von den Augen, auch Tigers seltsamer Satz auf der Veranda der Herberge passte. Hast du schon mal ne Frau gekannt, die dich so richtig in die Scheiße geritten hat?, hatte Tiger Malateste gefragt. Und die schwarze Witwe hatte prophezeit, dass Tiger im Kampf gegen den Tod falle, wenn er nicht rechtzeitig von seinem Tigerjungen erfuhr. Verdammt, wieso sollte Tiger schon ein Kind haben? Vielleicht wurde er erst Vater!
Schnell trat Malateste in Richtung Maeve und Legte ihr die Hand auf den Bauch. Eigentlich legte er sie nicht richtig auf den Bauch der Heilerin, sondern verharrte einen Zentimeter davor.
„Lady Winters…“, eindringlich bohrte sich sein Blick in die Augen der Heilerin als er leise weitersprach, „keimt neues Leben in euch? Ihr seid Heilerin, ihr werdet es spüren wenn ihr danach sucht.“ In Gedanken formte er noch einen weiteren Satz. Und ich werde in deinen Augen und deiner Stimme die Wahreit erkennen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 21:40
von NSC
Maeve

Bonderus wollte also mit den Fakten beginnen. Aber was waren die Fakten und konnte sie ihm überhaupt vertrauen, dass er die Wahrheit sprach? Maeve kannte ihn noch nicht sonderlich lange, wußte so gut wie gar nichts über ihn. So fiel es ihr auch schwer zu glauben was dann kam und wie der Korporal einem Gespräch im Bella Sera beigewohnt hatte, wo Alexis gesagt hatte, er wolle ein Kind von ihr nachdem er befördert worden war. "Überrascht, dass euer Gefährte solch intime Details lauthals herumposaunt?", fragte der Kriegerprinz mit dem blinden Auge. Die Heilerin schüttelte entschieden den Kopf.
"Ihr kennt Alexis nicht so wie ich ihn kenne. Natürlich muss er sich vor den anderen hart geben", entgegnete sie. Und erst einmal fand sie nichts dabei, dass ihr Gefährte offen aussprach, dass er eine Familie mit ihr gründen wollte. Trotzdem begann in ihr ein übler Verdacht zu keimen, es mußte ja Gründe haben, dass Bonderus ausgerechnet von diesem Abend erzählte. So ging es auch weiter, dass Ernald Bovert in jenem Gespräch vorgeschlagen hätte, Alexis solle ihre Verhütungstränke austauschen. Der Spruch wäre sehr erheiternd gewesen.
Maeve atmete tief durch, ballte eine ihrer Hände zur Faust. "Ich hätte nie für möglich gehalten..." Sie brach fassungslos ab. Ernald... er war an einem Schuld, dauernd stiftete er ihren Gefährten zu solchen Dingen an. Aber das konnte doch niemals wirklich passiert sein, Alexis würde ihr das nicht antun. Auch Bonderus kam zu dem gleichen Schluss, wenn auch aus anderen Gründen, es wäre zu offensichtlich gewesen, denn jeder der anderen Offiziere im Bella Sera hätten ihn gehört. Maeve würde ihren Freund trotzdem zur Rede stellen, sie mußte wissen was passiert war. Tief atmete sie durch, um sich wieder zu beruhigen.
Verdächtiger Nummer Zwei wäre Bovert, denn er wäre genauso karriereversessen und könnte ein Motiv haben, Alexis alles in die Schuhe zu schieben, damit er in Ungnade fallen würde. Es ergab Sinn, nur wäre Ernald so kaltblütig? Alexis würde ihn in der Luft zerreißen, wenn er es herausfand. Maeve konnte es plötzlich kaum erwarten ihren Gefährten zu sehen. Nur gewiss nicht weil sie ihn so vermisste...
Dann aber meinte der Korporal, es gäbe noch einen dritten Verdächtigungen und die Heilerin sah ihn zweifelnd an. Wen meinte er? Sie begann selbst zu überlegen. Aber er konnte doch nicht... nein... niemand hätte das vorhersehen können... aber mit ihm mußte sie auch reden sobald er zurück war.
Bevor sie reagieren konnte, war der Kriegerprinz auf sie zugetreten und seine Hand schwebte knapp über ihren flachen Bauch. Mit festem Blick sah der Soldat sie an, fragte sie, ob neues Leben in ihr keimen würde. Er hatte also die richtigen Schlüsse gezogen. Maeve hatte gehofft, sie könne es verbergen. Rasch machte sie einen Schritt zur Seite, trat zum Fenster und schob die selbst geklöppelten Vorhänge aus weißer Spitze etwas beiseite um nach draußen zu sehen.

"Ja... das war das erste was ich überprüft habe nachdem sich herausstellte, dass die Tränke unbrauchbar sind...." Sie seufzte, drehte sich wieder zu ihm um. "Bitte... sagt es nicht der Kommandeurin. Ich habe noch ein paar Wochen bis es sich zeigt, bis dahin kann ich meine Juwelenkraft noch benutzen. Und... ich brauche die Zeit, bitte, Korporal." Auch weil sie keine Ahnung hatte was sie tun sollte. Sie würde zurück nach Dhemlan geschickt werden, für die Dauer der Schwangerschaft und auch danach noch vom Dienst freigestellt. Auf der einen Seite wäre das bestimmt gut, aber sie wollte nicht gehen. Dann würde sie Alexis für eine lange Zeit nicht mehr sehen und Tiger... vielleicht nie mehr. Sie hatte schon jetzt jedesmal furchtbare Angst, wenn er das Fort verließ weil sie auch wußte, dass die Sechste nie leichte Missionen hatten. Einmal war es so schlimm gewesen, dass er mehrere Tage schwer verletzt auf der Krankenstation gelegen hatte und so hatten sie sich kennengelernt... und wenn sie ganz aus der Armee austrat? Wenn sie sich stattdessen eine Anstellung in Zamora am Hofe der verbündeten Königin suchte? Es war von Loraka nicht soweit weg und ein weiteres Fort wurde gerade dort errichtet. Allerdings war die Entfernung nicht weit genug wenn Alexis erfuhr, dass er nicht der Vater des Kindes war.
"Oh Dunkelheit..." Die Heilerin barg ihr Gesicht kurz in ihren Händen, blickte dann müde auf. "Bonderus, ich weiß nicht was ich tun soll. Eigentlich wollte ich immer ein Kind. Mit Alexis." Sie lächelte schwach. "Ich bin nicht nur wegen meiner Karriere hierher gekommen, auch damit unsere Beziehung unter der Entfernung nicht leidet..." Maeve schüttelte leicht den Kopf. Das Gegenteil war wohl eingetreten. Sie erinnerte sich auch an die Gespräche, die sie mit ihrem Gefährten über die Familienplanung geführt hatte. Sie hatten übereingestimmt zunächst zu verhüten solange sie in Loraka waren. Als Alexis seine Meinung geändert hatte, hatte er natürlich nicht verstehen können, dass Maeve die Tränke partout nicht mehr absetzen wollte. Sie hatte ihn darauf vertröstet wenn die Lage in Raej sicherer wäre und er Hauptmann.
"Ich kann nicht glauben, dass mein Gefährte dahinter steckt. Bevor eurer Worte hätte ich das nichtmal in Betracht gezogen. Ich dachte auch nicht, dass es hier um mich geht", bemerkte sie, nun war sie es, die Bonderus eindringlich ansah. "Ich dachte, das Ziel wäre Cal Frostseel. Wäre das nicht logischer? Sie bekommt auch Verhütungstränke von mir und sie wollte, nachdem ich ihr gestern alles erzählt habe, eine Untersuchung ob sie schwanger ist oder nicht. Sie ist es zum Glück nicht", schloss die Heilerin ihren Bericht. "Aber ich glaube, bis dahin weiß nichtmal irgendeiner im Fort, dass sie überhaupt Verkehr hat." Doch mindestens ein Mann mußte es ja gewußt haben. Ihr Blick wurde etwas ernster. "Eine Frage habe ich aber noch an euch, Korporal." Maeve legte eine Hand an ihre Hüfte. "Ihr sagtet das Gespräch im Bella Sera wäre vor ein paar Abenden gewesen. Warum seid ihr nicht sofort zu mir gekommen?", wollte sie wissen.

Re: In Sions Armee

Verfasst: Fr 25. Aug 2023, 21:43
von Malateste
Die Reaktion der Heilerin hätte schon ausgereicht um Malatestes Verdacht zu bestätigen, aber sie gab es dann überraschenderweise sogar zu. Nicht nur das sie schwanger war, sondern auch das sie Tigers Kind unter ihrem Herzen trug. Lady Winters hatte sich ans Fenster gestellt und hinausgeblickt, ehe sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte. Kurz brach ihre Beherrschung und Maeve verbarg ihr Gesicht in den Händen. Die Situation in der sie steckte war mehr als unangenehm, ihr komplettes Leben brach zusammen. Vorhin hatte sie auch etwas über sich und die Beziehung zu Lorcann preisgegeben. Es machte beinahe den Eindruck Maeve hätte jemanden gebraucht um sich ihre Ängste von der Seele zu reden, auch wenn es nur ein fremder Mann war.
Schweigend hörte Gualterio erst einmal zu und unterbrach die Heilerin nicht. Er empfand Mitleid für Lady Winters. Irgendwie war ihre verfahrene Situation nicht unähnlich derer in welcher Laree steckte. War Laree nicht auch hin- und hergerissen zwischen zwei Männern? Und waren Ayden und Lorcann nicht von ähnlichem Schlag? Wobei Lorcann gegenüber Asar ein blutiger Anfänger war was Intrigen und Sadismus anbelangte. Malateste schluckte leer, beinahe wäre Laree in derselben Lage wie Maeve gewesen, doch sie hatte das Kind verloren. Welchen Weg hätte die Zukunft eingeschlagen wenn das Kind nicht gestorben wäre?

Doch trotz der Probleme die sich innert weniger Stunden vor Lady Winters aufgetürmt hatten, arbeitete ihr Verstand mit bewundernswerter Schärfe wie Malateste nicht ohne Respekt bemerkte. Natürlich zweifelte sie an Alexis Schuld, sie liebte ihn tatsächlich. Irgendwie. Doch stellte Maeve eine komplett neue Theorie auf, nämlich die, dass nicht sie das Ziel der Sabotage gewesen war, sondern Cal Frostseel. Nachdenklich runzelte der grosse Kriegerprinz die Stirn.
„Hm, daran habe ich nicht gedacht. Zeitlich würden die Sabotage und ihre Rückkehr im Fort zusammenpassen. Ich habe zwar meine Ohren gespitzt, blicke aber noch nicht in alle Zusammenhänge hinein. Da ergäben sich einige Fragen. Wer hätte Interesse Kommandeurin Frostseel auf diese Art zu schaden? Wer weiss, dass sie einen Geliebten hat? Nicht mal ihr wusstet das. Es müsste also jemand sein der extrem gut informiert ist und Zugang zum Fort hat. Und war es dann nur ein dummer Zufall das Boverts scherzhafter Rat an Lorcann die Tränke auszutauschen zeitlich so perfekt passt? Oder kam das jemandem grad gelegen?“ Er hielt kurz inne. „Und ich habe nicht vor Frostseel etwas darüber zu erzählen, zumindest darum braucht ihr euch nicht zu sorgen.“
Leise begann Gualterio einen Rhythmus auf dem Holz des Türrahmens zu trommeln während er weiter überlegte.
„Und ich denke Tiger scheidet als Verdächtiger aus. Denn genauso gut hätte die Chance bestanden, dass ihr von eurem Gefährten schwanger geworden wärt.“

Maeve legte eine Hand an die Hüfte und eröffnete, sie hätte noch eine frage an ihn. "Ihr sagtet das Gespräch im Bella Sera wäre vor ein paar Abenden gewesen. Warum seid ihr nicht sofort zu mir gekommen?"
Gualterio unterbrach das Trommeln seiner Finger und drehte leicht den Kopf zu Maeve. „Vermutlich aus demselben Grund weshalb keiner der anderen Offiziere zu euch gekommen ist die an dem Abend dort waren. Ich hielt es für einen schlechten Scherz.“ Sollte er ihr von der Stimmung an dem Abend erzählen, dem Saufen und wie ihr geliebter Alexis der Kellnerin seine Finger in den Schlitz gesteckt hatte? Oder davon das man nie zu früh eine gute Karte ausspielen sollte? „Und gleich werdet ihr mich fragen wieso ich es euch dann trotzdem gesagt habe wenn ich es für ein Scherz hielt, nicht wahr?“ Er zuckte mit seinen breiten Schultern. „Erst als ich euch vor meiner Abreise gesehen habe, dachte ich wieder daran. Vorher hatte ich es schlicht vergessen. Und da ihr nett zu mir gewesen seid fühlte ich mich euch gegenüber dazu verpflichtet.“
Er trat einen Schritt auf die Heilerin zu.
„Maeve, es tut mir Leid in was für Schwierigkeiten sie jetzt stecken. Werdet ihr das Kind behalten? Ich weiss, dies würde eine ungewisse Zukunft für euch bereithalten und vermutlich das Ende der Beziehung zu Lorcann bedeuten. Ich kann euch da keinen Rat geben, aber ich glaube Tiger liebt euch. Und ein Kind ist ein Geschenk welches man nicht einfach so wegwerfen sollte.“ Maeve und Tiger hatten die Chance das zu erleben, was ihm und Laree verwehrt geblieben war.