Kaereille

Lilian wurde gleich verlegen, als Aerys bemerkte, dass er nicht hätte lange genug zuschauen können. Er löste sich vom Türrahmen an dem er gelehnt hatte und kam näher. Anscheinend hatte er den feinen Anzug extra für den Tanzunterricht angezogen. Ohje, das klang so als würde sich der Prinz viel vom Tanzen erhoffen. Wieso machte er sich sonst so fein? Extra für Lilian? Der Jugendliche wusste nicht genau wie er damit umgehen sollte, denn er wollte Aerys' Bemühungen auch nicht schmälern. Es war ihm nicht mehr egal, ob er den Adeligen verletzte und Lilian verspürte ein inneres Sträuben Aerys zu enttäuschen. Ach, vielleicht war es auch nur als Schutz vor den Schlägen.
"Der Anzug sieht sehr hübsch aus", wiederholte Lilian nochmals. Er war längst nicht soweit es so zu formulieren, dass er den Prinzen hübsch genannt hätte. Eher hätte der Jugendliche gerne selbst solch einen edlen Anzug getragen. So etwas gutes hatte sich seine Familie aber nie leisten können. Und jetzt trug er maßgeschneiderte Kleidung, die vermutlich ein kleines Vermögen wert war. Aber es war nicht die richtige Kleidung...
Trotzdem bot Lilian an, dass er sich umziehen könnte. Aerys hielt es nicht für nötig und meinte zwinkernd, er könne die Hosen anbehalten. Lilian blickte an sich herab.
"Es fühlt sich nicht an wie richtige Hosen", entgegnete er nachdenklich. Das hatte er nicht gemeint, als er auf Hosen für den Sportunterricht gehofft hatte. Diese waren so eng wie eine zweite Haut und dann auch noch der blasspinke Einteiler, der mit einem hoch geschnittenen Höschen über der Hose kam. Es war sehr ungewohnt. Anderseits trug Darion ebenfalls eng anliegende Kleidung, die Lilians nicht so unähnlich war.
Aerys lenkte ihn ab indem er seine Hand ergriff und sich vor ihm verneigte. Lilian bekam ein kleines Küsschen auf den Handrücken. Solch eine formvollendete Begrüßung hatten sie schon länger nicht mehr gehabt... wenn der Prinz ihn aus den Mittagspausen entführte, dann landeten sie mittlerweile ziemlich schnell beim Küssen. Es erinnerte den Jugendlichen tatsächlich an seine Schule und wie Pärchen sich in der Pause davongestohlen hatten, um sich irgendwo auf einer Bank im Schulhof zu küssen. Da fiel es Lilian leichter auszublenden, dass Aerys kein gleichwertiger Partner war, sondern ein älterer reicher Mann, der ihn zudem noch gekauft hatte.
Sie waren kein Pärchen. Jedenfalls nicht richtig. Ob Aerys es werden wollte?

"Wie war der Unterricht bei Darion?", erkundigte sich der Prinz.
"Sehr spannend", antwortete Lilian gleich. "Wir haben uns lange gedehnt und aufgewärmt." Es hatte fast die Hälfte der Zeit angenommen. Lilian hatte nicht gewusst, dass es solch einen Stellenwert einnahm. "Und dann durfte ich Purzelbäume machen. Die konnte ich noch aus meiner alten Schule. Danach hat er mir die Hechtrolle gezeigt, aber darin bin ich noch nicht so gut. Darion ist soo gelenkig und bei ihm sieht alles toll aus", erzählte der zarte Jüngling alles. "Daneben komm ich mir wie ein Klotz vor", scherzte er leicht. Er ließ aber die Gespräche in den Pausen aus. Lilian war noch nicht bereit darüber mit Aerys zu reden. Er wusste nicht, ob und wann er den Prinzen fragen wollte.
Jetzt musste er erst einmal das Tanzen bewältigen. Bisher war das meistens nicht gut ausgegangen und Lilian oft dabei betrunken gewesen. Er wusste gar nicht ob er nüchtern tanzen konnte. Aerys ließ ihm erstaunlicherweise die Wahl und fragte, ob Lilian noch etwas mehr Sport machen wolle. Sie könnten auch eine Pause einlegen.
"Es geht schon", versicherte Lilian, "Darion und ich hatten zwischendrin ein paar Pausen. Ich glaub.. ich bin etwas aus der Übung."
Aerys hielt ihm den Arm entgegen und Lilian legte seine Hand vorsichtig darauf so wie es ihm beigebracht worden war. Gerade schien der Prinz viel Wert auf Förmlichkeit legen zu wollen. Sie begaben sich in die Mitte des Saales, wo Darion die Matten weggeräumt hatte.
Dann ließ Aerys ihm auch noch die Wahl des Tanzes. Lilian stockte. Es war schön, dass Aerys immer öfter seine Meinung hören wollte. Der Jugendliche hatte auch nicht mehr so viel Angst vor dem Tanzen wie zu Anfang seiner Zeit. Schließlich konnte er ruhig neben Aerys im Bett einschlafen oder sich von diesem umarmen lassen. Er sollte auch einen Tanz schaffen oder?
"Ich kenne mich da nicht so gut aus... könnten wir etwas flottes tanzen?", schlug Lilian vor und blickte mit hell violetten Augen hoch zu dem Prinzen. Er wollte langsame Tänze lieber vermeiden, wo man sich viel zu sehr bewusst wurde wie nah man einander war.

Da musste er Lilian schon recht geben, dass seine sogenannten Hosen, die er jetzt trug, nicht wirklich wie Hosen wirkten. Vielmehr wie eine zweite Haut. Trotzdem wirkte es nicht richtig nackt. So oder so sah es sehr verführerisch aus und Aerys hätte nichts dagegen, seine Finger über diese zweite Haut gleiten zu lassen. Leider würde Lilian zu ihm kein Vertrauen aufbauen, wenn Aerys das nun tat. Besser er fragte ihn nach dem Unterricht. Da war Lilian auch gleich begeistert dabei, davon zu erzählen. Was er alles schon aus der Schule früher gekonnt hatte und was er von Darion gelernt hatte.
"Aber das sah doch schon sehr gut aus", wehrte Aerys ehrlich ab, als Lilian scherzte, dass er sich neben darion wie ein Klotz vorgekommen sei. "Doch du hast recht, bei Darion sieht das schon umwerfend aus. Als würde er sich normalerweise so fortbewegen und nicht durch gehen. Besser du vergleichst dich da nicht mit ihm. Schliesslich hat er darin Jahrzehnte lange Übung. Da muss er doch besser in Akrobatik sein, als alle andern."
Lilian war ganz sicher kein Klotz. Höchstens ungeübt und sich Sport womöglich auch nicht so gewohnt. Aerys wusste nicht, wie es vorher gewesen war, doch in den letzten paar Monden bei ihm, hatte er ihm nicht viel Gelegenheit gegeben, sich körperlich zu verausgaben. Deswegen fragte er ihn auch, ob er schon bereit für den nächsten Kurs war. Laut Lilian war er das. Er hätte bei Darion auch schon Pausen gemacht. Weil er fürchtete, dass er etwas aus der Übung wäre. Aerys nickte verstehend. Ja, so Kondition ging wahnsinnig schnell verloren. Galant bot er Lilian seinen Arm, um ihn in die Mitte des Tanzsaales zu führen.

"Etwas flottes? Hmm, du scheinst ja richtig begierig auf Bewegung zu sein", schmunzelte Aerys. "Dann lass uns mit dem schnellen Walzer beginnen. Der hat einfache Schritte und bringt Tempo. Fast so, wie durch den Park rennen." Lilian hatte ihm gegenüber einmal erwähnt, dass er gerne diese Art von Sport machen würde.
"Damit du ein Bild und ein Gefühl für den Tanz bekommst, dachte ich mir, dass ich zuerst einmal mit Darion eine Runde durch den Raum walzere", schlug Aerys vor. "Es ist immer gut, wenn man weiss, wie das überhaupt aussehen soll, was man am lernen ist. Danach machen wir zwei uns in aller Ruhe daran, die einzelnen Bewegungsabläufe zu üben." Lilian schien etwas verblüfft zu sein, wandte aber nichts dagegen ein. So löste sich Aerys von ihm und verneigte sich erneut, bevor er ihn mitten im Saal stehen liess, um zum Musikständer zu gehen und da eine andere Kugel aufzulegen.
Sobald das Intro eines schnellen Walzers erklang, fasste er Darion sanft und doch bestimmend an der Hand und führte ihn mit einer weitschweifenden Bewegung auf die Tanzfläche. Dort liess er ihn los und verneigte sich tief vor ihm, während Darion einen noch tieferen Knicks machte. Danach stellten sie sich aufrecht voreinander hin. Das war der Moment, wo Aerys Darion in die richtige Tanzhaltung nahm, schön seitlich versetzt auf seiner rechten Seite, wo sich Darion geschmeidig über seine rechte Hand nach hinten beugte, während Aerys seinen eigenen Schwerpunkt schön links gelagert hielt.
Einen Atemzug später walzerte er mit Darion auch schon los. Lilian hatte recht. Der Krieger war unglaublich geschmeidig und auch sehr feinfühlig. Er liess sich federleicht führen und setzte jeden Fuss exakt dahin, wo er hingehörte, ohne dabei hektisch zu wirken. Sie schwebten nahezu über das Parkett. Aerys achtete dabei darauf, dass er Darion so führte, dass Lilian ihm gut zuschauen konnte, was er für Schritte machte. Erst bei der zweiten Runde durch den Saal begann er andere Figuren ausser der Rechtsdrehung einzubauen. Lilian sollte schliesslich auch sehen können, was später noch auf ihn zu kam. Nicht, dass er den Tanz für langweilig und öde hielt.
Nach zwei Runden und eingen einfachen Figuren hielt er jedoch wieder inne mit Tanzen, obwohl das Lied noch nicht fertig war. Erneut verneigte er sich vor Darion und dieser knickste tief. Lächelnd ging Aerys zu Lilian und ignorierte seine Kunstwerke, die nun immer weniger versteckt in den Tanzsaal schauten und es sich in den Türen sogar schon etwas bequem gemacht hatten, damit sie ihnen beim Tanzen zuschauen konnten.
"Na, was meinst du, Lilian", wollte Aerys gut gelaunt wissen. "Ist der Tanz flott genug für dich?" Auch wenn der schnelle Walzer sehr elegant wirken konnte, hatte er doch einige recht schnelle Drehungen zwischendurch und es gab so einigen Schwung, den man kontrollieren musste.

Aerys ermunterte ihn, dass er sich nicht ungeschickt angestellt hätte. Darion hätte Jahrzehnte lange Übung und wäre deswegen natürlich viel besser. Lilian sollte sich lieber nicht mit ihm vergleichen. Dem Jüngling war dies auch klar, doch er bewunderte den älteren Krieger sehr und was dieser alles so konnte, imponierte Lilian durchaus. Vielleicht war Akrobatik und Ballett dann doch nicht so doof.
Nun musste er sich zunächst dem Tanzen mit Aerys stellen. Lilian hoffte, dass ein flotterer Tanz besser zu verkraften wäre, da sie sich dort nicht so dicht gegenüberstanden und in die Augen sehen mussten. Aerys schien es eher so zu interpretieren, dass Lilian sich noch mehr bewegen wollte. Der Jüngling nickte, da es auch der Wahrheit entsprach. Es war schön nach so langer Zeit endlich wieder Sport treiben zu können. Nicht, dass er früher ständig trainiert hätte, doch der Ausgleich war ihm wichtig. Zudem konnte er sich beim Sport ganz auf die Bewegungen konzentrieren und all die schweren Gedanken wenigstens für eine Weile vertreiben. Der Prinz schlug einen schnellen Walzer mit einfachen Schritten vor. Es wäre fast so, als würden sie durch den Park rennen. Lilian lächelte bei der Erwähnung. Aerys hatte sich an ihre Unterhaltung erinnert.
"Das klingt gut", stimmte er zu. Bevor sie aber begannen, wollte Aerys dann zunächst mit Darion tanzen. Mit Darion? Aber ging es nicht darum, dass Aerys mit ihm tanzen wollte? Der Adelige erklärte es damit, dass er ihm ein Gefühl für den Tanz geben wollte und so könnte Lilian sehen wie der Walzer am Ende richtig aussehen sollte. Der Jugendliche nickte überrumpelt. Was sollte er auch dagegen sagen? Aerys löste sich von ihm und verneigte sich. Unsicher blickte Lilian dem Prinzen hinterher, der zu einem Musikständer ging. Und was sollte Lilian nun machen? Er fühlte sich sehr bloßgestellt so mitten im Saal. Vorsichtig ging der Junge etwas zur Seite, als die Musik erklang und Aerys Darion für den Tanz fasste. Bevor sie begannen, machte der Prinz eine formelle Verneigung und Darion einen tiefen Knicks. Lilian strich sich unwohl über seinen Arm. Bei Darion sah selbst der Knicks anmutig sah. Lilian konnte den bestimmt nicht so gut.
Dann begannen die beiden zu tanzen. Es war wirklich sehr flott. Lilian konnte kaum richtig sehen, wo die zwei sich gegenseitig festhielten. Sie drehten sich immer wieder geschmeidig durch den Saal. Es war seltsam da zuzugucken. Der Jüngling fühlte sich etwas fehl am Platz. Aerys hatte so viele Kunstwerke, die mit ihm tanzen und schlafen wollten. Wieso brauchte er dann noch Lilian? Aber er sollte froh sein, dass es so viele andere gab. So war Lilian nicht alleine den Wünschen und Bedürfnissen des Prinzen ausgeliefert.
Die schweren Gedanken wallten sofort wieder auf. Er wusste nicht wie es ihm helfen sollte zu sehen wie perfekt Aerys und Darion miteinander tanzten. Lilian würde das nie so hinbekommen. Jahrzehntelange Übung. Sollte er etwa Jahrzehnte hier bleiben? Würde er irgendwann so wie Darion sein, nur als Mädchen? Vielleicht wollte er ihm doch nicht alles nacheifern...

Plötzlich war der Tanz vorbei und die beiden verneigten und knicksten wieder voreinander. Während Darion sich etwas zurückzog, kam Aerys auf ihn zu. Der zierliche Jüngling strich sich immer noch unwohl über den eigenen Arm und wurde nervöser je näher der Adelige kam. Er fragte ihn, ob der Tanz flott genug wäre.
"Ja, bestimmt...", erwiderte Lilian zurückhaltend. Er hatte nicht alle Bewegungen gut verfolgen können, geschweige denn dass er noch wusste was genau er da gesehen hatte. Seine Blicke huschten hin und her, als er bemerkte, dass sich noch weitere Männer an den Türen des Tanzsaales versammelt hatten.
"Gucken die alle zu?", fragte Lilian zögernd. Bisher hatten sie nur privat getanzt und es hatte sich für Lilian auch sehr privat angefühlt. Nun so öffentlich zu tanzen, kostete Überwindung. Der Jugendliche wollte nicht, dass man ihn dabei anstarrte, aber vielleicht waren die Kunstwerke auch für Aerys hier. Lilian wollte jedenfalls keine Vorführung geben. Es erinnerte ihn zu sehr an das Starren bei der Versteigerung. Etwas was er nichtmal annähernd hatte verarbeiten können, denn es war immer wieder neues auf ihn eingeprasselt. Er wagte aber auch nicht zu fordern, dass man die Türen schloss, denn dann hätten ihn die anderen vielleicht nicht mehr gemocht und ihn für eine Diva gehalten.
"Tanzt ihr oft mit euren Kunstwerken?", fragte Lilian, um seine Unsicherheit zu überspielen und den Beginn des Tanzes noch etwas hinauszuzögern.

Aus irgend einem Grund schien Lilian nicht so begeistert von dem Tanz zu sein. Leise antwortete er zwar, dass der Walzer sicherlich flott genug gewesen wäre, doch Lilian wirkte gar nicht so, als würde er den nun erlernen wollen. Das dämpfte Aerys Laune schon ein wenig und er fragte sich, was er denn nun schon wieder falsch gemacht hatte. Dabei hatte er sich so Mühe gegeben, damit Lilian sich wohl fühlte. Als dieser ihn unvermittelt fragte, ob die alle zugucken würden. Verblüfft schaute er sich um und bemerkte erst jetzt ihre vielen Zuschauer. Einige grinsten ihn ertappt an, ander senkten verlegen den Blick und wieder andere lächelten einfach nur verliebt, als Aerys Blick auf sie fiel.

"Nein, nicht so oft", erklärte Aerys beruhigt und war froh, dass Lilian nur wegen der vielen Zuschauer so zurückhaltend wirkte. "Deswegen sind sie wohl auch schauen gekommen. Weil sie neugierig sind. Nimm es ihnen nicht böse." Aerys richtete sich an seine Kunstwerke. "Das hier ist keine Tanzvorführung", erinnerte er sie. "Lasst Lilian in Ruhe üben. Ihr habt bestimmt auch noch andere Dinge zu tun." Wenn wohl auch nichts, was gerade so interessant wirkte. Trotzdem erhoben sich seine Kunstwerke rasch und liessen sie in Ruh. Wobei die letzten jeweils sogar noch die Saaltüren schlossen.

"So, jetzt haben wir etwas mehr Privatsphäre", lächelte Aerys aufmunternd, als er nur noch mit Lilian und Darion in dem Raum war. Seinem Tanzgehilfen, bedeutete er, dass er die Musik erst einmal ausschalten sollte. Dann wandte er sich wieder an Lilian.
"Also der schnelle Walzer, wird im Grossen und Ganzen eigentlich auf einer geraden Linie getanzt", begann er zu erklären. "In einem Ballsaal bedeutet das natürlich, dass man an den Enden leicht die Richtung wechseln muss, weil man sonst in die Wand saust." Frech grinste er Lilian zu, in der Hoffnung, er könne ihn so wieder etwas auflockern. "Doch für den Anfang üben wir einfach nur die Schritte auf einer geraden Linie. Siehst du hier auf dem Parkett? Da kannst du dich an einem der Holzbretter orientieren. Anfangen tust du mit dem rechten Fuss und machst einen normalen Schritt nach vorne. Dann machst du mit dem linken Fuss einen grösseren Schritt nach vorne, wobei du erstmal nur den Fussballen aufsetzt. Danach kommt der dritte Schritt. Das ist eigentlich nur noch ein Nachziehen des rechten Fusses. Nur dass du dabei zusätzlich eine halbe Drehung im Raum machst. Siehst du." Langsam zeigte Aerys Lilian vor, was er meinte.
"Das sind die ersten drei Schritte", fuhr er fort. "Danach kommen nochmals drei Schritte, bevor es wieder von vorne beginnt. Das sind kleine Schritte, die beinahe an Ort getanzt werden. Mit dem linken Fuss gehst du seitwärts etwas zurück. Den rechte Fuss macht einen kleinen Seitschritt und dann schliesst du deine Füsse wieder." Aerys zeigte auch diese Schritte vor, bevor er alles aneinander setzte. Schön langsam und gemütlich. "Probier das einmal aus, Lilian."

Der Prinz erklärte er, dass er nicht oft mit seinen Kunstwerken tanzen würde und das wäre auch der Grund warum sie ihnen zuschauen würden. Sie wären neugierig und Lilian solle es ihnen nicht übel nehmen. Der Jüngling nickte und versuchte sich innerlich gegen die Blicke zu wappnen. Darion hatte ihm auch erklärt, dass man es als Kompliment auffassen sollte und die anderen Männer wollten einfach etwas schönes ansehen. Das klang einleuchtend und nicht beängstigend, doch Lilian bekam gleichzeitig die Bilder der starrenden Adeligen nicht mehr aus dem Kopf und wie sie auf ihn geboten hatten. Unwillkürlich verkrampfte er sich und wollte sich vor den Blicken abschirmen. Aber das wäre nicht fair gegenüber den Männern hier, die damit nichts zu tun hatten. So versuchte Lilian es einfach einigermaßen zu ertragen. Mittlerweile war er es ohnehin gewohnt sich längere Zeit in unangenehmen Situationen zu befinden.
Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war dass Aerys sein unausgesprochenes Unwohlsein gleich bemerkte und die Kunstwerke tatsächlich fortschickte. Lilian solle in Ruhe üben können. Erstaunt blickte der Jüngling auf. Ohne Proteste entfernten sich die Männer rasch aus den Türeingängen und die letzten schlossen selbst die Saaltüren. Aerys meinte, dass sie jetzt mehr Privatsphäre hätten und lächelte ihn an.
"D-danke..", stotterte Lilian überwältigt und bekam das Bedürfnis den Prinzen von sich aus zu küssen. Er traute sich dann doch nicht, weil auch noch Darion dabei war. Dieser stellte die Musik ab, was Lilian zunächst wunderte. Brauchten sie nicht Musik zum Tanzen? Aerys wollte ihm aber zuerst einiges erklären und wie man sich in einem Ballsaal bewegte ohne in die Wand zu sausen. Was? Vorsichtig lächelte der Junge bei dem Scherz. Gerade hatte er Aerys unheimlich gern. Ob er ihn an der Hand berühren konnte?
Der Adelige war allerdings damit beschäftigt ihm alles genau zu erklären. Oh, was hatte er gesagt? Lilian hatte ihn zu lange angestarrt. Aerys drehte sich auf dem Holzparkett und machte einige Schritte vor. Er sah wirklich sehr edel in dem Anzug aus und so wie er gerade über diese imaginäre Linie schwebte.
"Das sind die ersten drei Schritte", schloss Aerys. Oh, was? Der Jüngling nickte trotzdem. Er hatte Schwierigkeiten all den Erklärungen über die Bewegung der Füße zu folgen. Er bekam sofort das Gefühl, dass er darüber vergessen hatte wie man überhaupt ging.

Schließlich sollte Lilian es selbst ausprobieren. Vorsichtig kam er zu Aerys und stellte sich dicht vor ihn.
"W-wo soll ich denn meine Hände hintun?", fragte er nervös, als der Prinz ihm nochmals erklärte, dass er alleine üben sollte. "Oh.. ja.. natürlich." Oh nein, war das peinlich. Der unerfahrene Junge wurde rot und ging hastig wieder auf Abstand. Ratlos stand er auf dem Parkett. "Ich hab vergessen wie der Anfang ging...", musste er gestehen. Aerys machte es ihm wieder vor und ungelenk versuchte Lilian es gleich nachzumachen. Aber gleichzeitig zuschauen und dann wieder auf seine Füße war gar nicht so einfach. Lilian bewegte sich wacklig über den Boden. Er hatte echt vergessen wie man ging! Jetzt war er nochmal so froh, dass ihnen niemand zusah. Außer Aerys und Darion.
"N-nicht lachen", bat er. Aerys fragte ihn stattdessen warum er denn seine Arme ausgebreitet hatte. Oh... hatte er? Tatsächlich, unwillkürlich hatte der zierliche Junge seine schlanken Arme ausgebreitet. Hastig ließ er sie wieder runtersinken.
"Ihr macht mich ganz durcheinander", beschwerte er sich. Außerdem wollte Lilian natürlich nicht von der geraden Linie abbkommen an die er sich sehr genau hielt. Er kam sich sehr albern vor. Wieder schaute er was Aerys neben ihm vormachte und wiederholte es ungelenk aber eifrig. "Ich war im Tanzen noch nie gut", warnte er den Prinzen. "Wann tanzen wir denn zusammen?" Dabei hatte er sich vorhin noch gesorgt dass sie dicht voreinander stehen könnten, doch nun wollte er es irgendwie. Vielleicht würde es dann besser funktionieren.

Obwohl Aerys die ungebetenen Zuschauer weggeschickt hatte, schien Lilian weiterhin nervös und abgelenkt zu sein. Dabei gab Aerys sich wirklich Mühe, dem Jüngling nicht zu nahe zu kommen, was früher oft der Streitpunkt während des Tanzunterrichts gewesen war. Lilian sollte alleine probieren und üben können, bis er dann vielleicht doch Lust hatte, mit ihm zu tanzen. Stattdessen kam Lilian nun ganz von sich aus zu ihm getippelt und stellte sich dicht vor ihn hin. Während Aerys sich noch wunderte, fragte der Jüngling nervös, wo er seine Hände hintun sollte. Oh, Aerys wollte am liebsten gleich mit ihm lostanzen. Dabei wirkte Lilian, obwohl er nun freiwillig zu ihm gekommen war, noch nicht im mindesten bereit dafür. Weder Schritttechnisch noch emotional.

"Du kannst die Schritte erst einmal alleine üben, Lilian", erklärte Aerys sanft. Prompt ging der Junge hastig auf Abstand. Schade. Doch Aerys hatte gewusst, dass er sich von dieser ersten Tanzstunde nicht zuviel erhoffen durfte. Lilian war tatsächlich auch alles andere als bei der Sache. Entsprechend gestand er dann auch, dass er den Anfang vergessen hätte.
"Mit dem rechten Fuss, machst du einen Schritt vorwärts", gab Aerys sich Mühe, ruhig Starthilfe zu geben. "Vorwärts, vorwärts, schliessen und drehen. Rückwärts, seitwärts, schliessen. Eins, zwei, drei... vier, fünf, sechs." Langsam und gleichmässig machte er die Schritte vor und wiederholte sie immer wieder, bis er die kurze Bahn im Tanzsaal abgetanzt hatte. Da blieb er stehen und zählte die Schritte weiter, bis Lilian zu ihm aufgeschlossen hatte.

"Nein, ich lache nicht", beteuerte Aerys lieb und wunderte sich, dass Lilian das beschäftigte. Damit hatte der Prinz nicht gerechnet, dass Lilian Angst davor hatte, dass er von ihm ausgelacht würde. Lilian schien wirklich etwas daran zu liegen, dass er das Tanzen gut hinbekam. Aerys lächelte erfreut.
"Ich frage mich nur, warum du deine Arme so ausgebreitet hast?" Prompt liess der Jüngling sie runter sinken. "Oh, du kannst sie schon oben lassen. Am besten gleich in der Tanzhaltung." Er zeigte Lilian vor, wie das ging. "Es kann dir helfen, das Gleichgewicht zu behalten. Allerdings musst du aufpassen, dass dabei den Schwerpunkt nicht zu hoch wird. Sonst verlierst du dein Gleichgewicht und taumelst. Selbst wenn du auf den Zehenspitzen tanzt, darf dein Schwerpunkt nicht im Kopf oben sein, sondern im Brust oder gar Beckenbereich. Darion soll das nächstes Mal in der Turnstunde mit dir üben. Jetzt konzentrieren wir uns einfach nur auf die Schritte." Er fing wieder an zu zählen und tanzte die Bahn in ruhigem Tempo wieder zurück, so dass Lilian mehr Gelegenheit bekam zum Üben.

"Vielleicht hattest du bisher einfach nicht den richtigen Lehrer", beruhigte er Lilian, der sich sorgte, dass er noch nie gut im Tanzen gewesen sei. Aerys konnte es sich grad vorstellen. Zwanzig Jugendliche in einem Raum, die tanzen lernen sollten, dabei aber eigentlich nur nervös waren, weil sie dem anderen Geschlecht näher kommen sollten. So konnte man doch gar nicht tanzen lernen. Erfreulicherweise schien Lilian es auch kaum erwarten zu können, mit ihm zusammen zu tanzen. Oh! ausser natürlich er fürchtete sich davor und wollte wissen, ab wann es ernst wurde.
"Sobald du weisst, wohin du deine Schritte setzen musst", gab Aerys sich Mühe freundlich und gelassen zu bleiben. "Und sobald du dein Gleichgewicht gefunden hast. Beim Tanzen ist es wichtig, dass du dich selbst halten kannst und immer dein Gleichgewicht hast. So, dass du jederzeit mitten in einer Bewegung aufhören könntest, wenn du müsstest. Dazu braucht es viel Körperbeherrschung. Allerdings je mehr man davon hat, desto schöner sieht der Tanz aus und desto besser fühlt er sich an. Deswegen lass uns noch ein paar Bahnen machen und dann zeige ich dir, wie man das zu zweit macht." Momentan hatte Lilian ja noch Mühe damit, wo er wann seine Füsse hinsetzen sollte.

Mit der Zeit wurde es jedoch besser. Wobei Lilian sich oft selber behinderte, weil er alle Bewegungen sehr exakt machen und ganz genau auf der imaginären Linie bleiben wollte. Wie damals beim Stricken, als er sein Strickgut auch dauernd wieder aufgemacht hatte. Hier konnte er wenigstens nichts rückgängig machen, sondern musste einfach immer weiter probieren, bis die Bewegungen geschmeidiger gingen und er wusste, welcher Schritt wann kam. Sobald es dann etwas besser ging, probierten sie das Selbe noch zu Musik. Jeder einzeln auf seiner Bahn, hin und her und natürlich zu einem langsameren von den schnellen Walzer. Das war wieder schwieriger für Lilian. Doch sie hatten viel Zeit zum Üben. Das Stück war schön lang. Danach liess Darion die Musik wieder verstummen und Aerys rief den schönen Krieger zu sich.

"So, ich denke, ich kann dir nun in den ersten, einfachen Grundzügen zeigen, wie man das zusammen tanzt", lächelte Aerys aufmunternd und stellte sich dicht vor Darion. "Wichtig dabei ist, dass du immer an der linken Seite deines Tanzpartners bleibst Lilian. Siehst du wie Darion und ich versetzt zueinander stehen. Auf dieser Seite musst du immer bleiben, selbst wenn du denkst, dass dein Tanzpartner falsch tanzt. Dass er falsche Schritte macht oder in der falschen Grösse. Es ist nicht an dir, dies zu korrigieren. Das muss dein Partner selber merken. Was du tun musst, ist auf dieser Seite bleiben, deinen Schwerpunkt links halten und gut aussehen. Das sind deine Aufgaben. Und natürlich dich führen lassen. Das brauch viel Aufmerksamkeit und Feingefühl, damit du weisst, was als nächstes kommt. Damit du weisst, was als nächstes kommt. Sieh zu." Langsam wiegte er sich mit Darion von links nach rechts, bevor es dann plötzlich vorwärts und zurück ging und dann wieder links rechts. Dabei konnte man deutlich beobachten, dass Darion seine Bewegung immer einen halben Wimpernschlag später als Aerys machte und sich ihm dann exakt in Tempo und Länge anpasste. Egal in welche Richtung Aerys steuerte, Darion folgte ihm gehorsam und blieb immer an seiner Seite.

"Das ist sehr schwierig für dich", erklärte Aerys geduldig. "Deswegen ist es nicht schlecht, wenn du die Schritte kennst und dich dann nur noch der Schrittlänge anpassen musst. Wichtig ist auch, dass du deine Schritte so machst, wie wir sie geübt haben und nicht versuchst, meinen Füssen auszuweichen oder darum herum zu tanzen. Alle Tänze sind so aufgebaut, dass man sich nicht gegenseitig auf die Füsse tritt, wenn man richtig führt oder sich führen lässt. Wenn du auszuweichen versuchst kann es passieren, dass es erst recht ein Unfall gibt. Deswegen die Schritte genau so machen, wie wir es geübt haben. Denn sie sind so konzipiert, dass wir uns gegenseitig aus dem Weg gehen. Schau her." Aerys machte einen Schritt vorwärts und schien Darion regelrecht umrennen zu wollen. Da Darion aber immer an seiner linken Seite blieb und darauf achtete, dass der Abstand zwischen ihnen, und mochte der noch so klein war, sich nicht änderte, glitt der Krieger wie von selbst aus dem Weg. Danach war Aerys wieder dran mit Ausweichen und dann wieder Darion. So kamen sie federleicht aneinander vorbei. Nach ein paar Schritten löste Aerys sich wieder von Darion und blickte Lilian erwartungsvoll an.
"Na, was meinst du, bist du bereit es auszuprobieren?" lud er Lilian ein. "Oder möchtest du lieber noch einige Trockenübungen alleine machen?"

Der Prinz war sehr geduldig mit ihm und beteuerte auch, er würde nicht über ihn lachen. Dabei hatte Lilian das Gefühl, als würde er sich gerade furchtbar dumm anstellen. Als er die Arme wieder hinunternehmen wollte, schlug Aerys stattdessen vor sie in Tanzhaltung oben zu lassen. Dann könnte er auch sein Gleichgewicht besser halten. Aerys zeigte ihm die richtige Armhaltung vor und Lilian bemühte sich es irgendwie nachzumachen. Es war nicht so leicht die Arme so in dieser Stellung zu behalten, während er gleichzeitig noch auf seine Füße achtete. Aerys redete etwas vom Schwerpunkt seines Körpers und das der nicht im Kopf sein dürfte. Lilian verstand nicht ganz was er meinte.
"Ich weiß nicht wo mein Schwerpunkt ist. Wie fühlt man das?", fragte er besorgt. Vermutlich war der doch zu weit oben so wie er taumelte. Der Jüngling hatte aber auch keine Ahnung wie er es korrigieren könnte. Aerys wollte, dass Lilian in der nächsten Turnstunde mit Darion übte, doch jetzt sollte Lilian sich besser auf die Schritte konzentrieren. Sie übten weiter die genaue Abfolge und der Jüngling versuchte mit dem Prinzen Schritt zu halten bei dem das alles so einfach aussah. Lilian musste immer wieder auf seine Füße gucken - oder auf die des Adeligen - und dann verhaspelte er sich erst recht.
Uff, wieso war das so schwer? Bestimmt hatte er einfach kein Rhythmusgefühl. Aerys vermutete eher, dass er bisher nicht den richtigen Lehrer gehabt hätte.
"Ihr seid sehr geduldig", erwiderte Lilian scheu. Mittlerweile war Aerys das wirklich. Bei den früheren Tanzversuchen war ihm der Adelige viel ungehaltener vorgekommen, wenn Lilian sich dumm angestellt hatte, aber vielleicht hatte Lilian das nur so empfunden weil er zu viel Angst gehabt hatte - und überhaupt nicht mit dem älteren Mann hatte tanzen wollen. Jetzt war das irgendwie anders. Er hatte nicht nur weniger Angst vor dem Tanzen, er... wollte es sogar? Nein, das konnte nicht stimmen.
Der Adelige erklärte derweil immer wieder auf was man achten musste und wie Lilian seine Füßchen zu setzen hatte. Gemeinsam tanzen wollte Aerys erst, wenn Lilian die Schritte könnte und sein Gleichgewicht gefunden hätte. Der Jüngling befürchtete, dass sie dann noch sehr lange warten müssten denn er fühlte sich überhaupt nicht im Gleichgewicht.
"I-ich versuchs..", beteuerte er und folgte Aerys erneut langsam durch den Saal. Lilian wollte genau auf der geraden Linie bleiben, aber dadurch kam er oft aus dem Takt oder er schwankte wie ein Seiltänzer hoch oben in der Luft.
Irgendwann gelang es ihm etwas besser und als Darion die Musik dazu anmachte, fiel es dem Jungen gleich viel leichter. Der Takt der Musik wirkte sehr unterstützend. Wie als hätten seine Füße begriffen wozu sie das alles machten. Erst als Aerys plötzlich schneller die Bahn hinunter tanzte, tat sich Lilian wieder schwerer. Dabei hatte er sich gerade heimlich gefreut, dass er die langsame Schrittfolge allmählich verinnerlich hatte.

Irgendwann verstummte die Musik wieder und Aerys pausierte, worüber Lilian ganz froh war, denn die vielen Bewegungen auf und ab begannen anstrengend zu werden. Trotzdem wollte er gleich zu Aerys gehen, als dieser ihm anbot, dass er ihm nun zeigen könne wie man zusammen tanzte. Der Jugendliche stockte, als er viel zu spät bemerkte, dass Aerys das wieder mit Darion zeigen wollte. Die beiden standen dicht voreinander, während Aerys erklärte wo man zu stehen hatte und wie man zusammen tanzte. Lilian saugte an seiner Unterlippe. Er hatte gedacht, sie würden zusammen tanzen, aber jetzt tanzte der Prinz nur mit Darion..
Ob die anderen auch manchmal so dachten, wenn Aerys ihm Aufmerksamkeit schenkte? Lilian sollte froh sein, dass Darion noch hier war, denn so verhielt sich Aerys sehr anständig und lenkte ihn nicht dauernd vom Unterricht ab. Nein, im Gegensatz zum Etiketteunterricht wo sie nur geschmust und gedöst hatten, wirkte der Prinz hier voll bei der Sache.
Lilian versuchte sich wieder zu konzentrieren, aber er konnte sich nicht viel darunter vorstellen wie er seinen Schwerpunkt links halten sollte. Oder wie er sich führen lassen sollte. Darion machte es dann mit Aerys vor und sah mal wieder vollkommen perfekt aus. Woher wusste Darion bloß in welche Richtung Aerys wollte und was als nächstes kam? Lilian sah überfordert zu und hatte auch keinerlei Einwände, dass dies schwierig für ihn werden würde.
Aerys riet ihm, dass er gar nicht erst versuchen sollte den Füßen seines Tanzparters auszuweichen. Wenn man es richtig mache, würde man sich nie auf die Füße treten. Der Prinz machte es noch einmal mit Darion vor und tatsächlich gerieten sie sich nie gegenseitig in die Quere. Lilian konnte sich nicht vorstellen wie das funktionieren sollte. Er war Aerys bereits öfter auf die Füße getreten oder sie hatten angetrunken etwas miteinander geschunkelt. Aber nie hatten sie so etwas schnelles getanzt und dann in solch einem förmlichen Rahmen.
Dementsprechend nervös war der Junge als Aerys ihn erwartungsvoll ansah und ihn fragte, ob er es ausprobieren wollte.
"Schon..." Lilian scharrte mit dem Fuß über das Parkett. "Aber ich kann das nicht so gut wie Darion", schob er hinterher. Trotzdem kam er leichten Schrittes näher. "Kann ich denn auchmal führen?", fragte er, denn dies kam ihm wie der leichtere Part vor. Nervös streckte er seine Arme aus so wie Aerys es ihm gezeigt hatte, traute sich aber noch nicht ganz den Prinzen anzufassen. Das ging viel besser wenn er etwas getrunken hatte.

"Das musst du auch nicht", versicherte Aerys Lilian beruhigend. Der Jüngling wollte die Schritte gern einmal zu zweit ausprobieren, befürchtete jedoch, dass er nicht so gut wie Darion sein würde. Er wirkte furchtbar nervös und Aerys fragte sich, wie Lilian auf den Gedanken kam, dass er so gut wie Darion sein müsste. Womöglich war das sein eigener Perfektionismus, der ihn so antrieb.
"Jetzt geht es nur darum auszuprobieren, wie das Tanzen so funktioniert", versuchte er lieb Lilians Nervosität abzuschwächen. "Darum, dass du deine Schritte üben kannst, bis sie dir in Fleisch und Blut übergehen und du nicht mehr so viel nachdenken musst beim Tanzen. Aber das machen wir ganz langsam. Schön Schritt für Schritt." Sein Mut machen schien zu wirken. So gut sogar, dass Lilian eifrig wissen wollte, ob er denn auch mal führen könne.
"Nicht so stürmisch", musste Aerys nun doch lachen. "Lern erst einmal die Schrittabfolge und sich führen zu lassen. Das ist schon schwierig genug. Zu führen ist dann gleich noch einmal etwas schwerer. Denn da muss jeder Schritt sitzen, jede Bewegung des Oberkörpers muss ganz bewusst gemacht werden und man muss beim führen im Kopf immer schon ein oder zwei Takte weiter sein, als die Füsse gerade noch tanzen. Sonst gibt es ein grosses Durcheinander. Besser du hebst dir diese Herausforderung für ein andermal auf." Wobei Aerys ja eigentlich wollte, dass Lilian den Mädchenpart übernahm. Er hatte es ganz und gar nicht eilig, ihm das Führen beim Tanzen zu zeigen. Mit wem sollte Lilian denn dann auch tanzen?

Rasch verdrängte er das Bild, wie Lilian mit einem seiner anderen Kunstwerke tanzte und trat dicht vor Lilian hin, der unsicher seine Arme in der Tanzhaltung hielt. Lächelnd fasste er mit seiner linken Hand die rechte von Lilian. Er würde ihm ein andermal beibringen, dass er die Arme erst heben musste, wenn Aerys ihn berührte. Seine rechte Hand legte er behutsam von unten an Lilians linkes Schulterblatt, so dass dessen Arm ganz von alleine auf dem seinen zu ruhen kam.
"Siehst du, jetzt stehen wir schön versetzt zueinander. Schau mal auf deine Füsse." Da er Lilian noch nicht in die eigentliche enge Tanzhaltung gezogen hatte und sie beide schön schlank waren, konnten sie zwischen sich hinunter auf den Boden sehen. "All unsere Füsse sind schön versetzt zueinander. Ganz aussen kommt dein linker Fuss, dann mein rechter, dann dein rechter und schlussendlich noch mein linker Fuss. Das sind wie vier schmale Bahnen, die schön aneinander vorbei gehen. Wenn du einen Schritt vorwärts machst, machst du den zwichen meine Beine und wenn ich einen Schritt vorwärts mache, mache ich den zwischen deine Beine. Und da du dann gleichzeitig auch etwas rückwärts gehst, machst du mir damit mit deinem Oberkörper Platz oder eben umgekehrt. Wichtig ist nur, dass du darauf achtest, dass du schön vor meiner rechten Schulter bleibst. Das ist dein Fixpunkt." zumindest für den Anfang. Wobei Aerys schon vorhatte, Lilian darin zu unterstützen. Er war stark genug und würde ihn gar nicht erst in eine andere Position lassen, bis der Jüngling dazu fähig war, sich selber richtig in Position zu halten.

Behutsam fingen sie an, die Schritte gemeinsam zu üben. Zu Anfang noch sehr langsam und oft auch ohne regelmässigen Takt. Doch das war auch gar noch nicht so wichtig. Erst einmal musste Lilian sich an seine Nähe gewöhnen und wissen, was er mit seinen Füssen tun sollte. Aerys folgte ihm dann jeweils anmutig, wenn Lilian seinen nächsten Schritt setzte. Trotz allem ging es dann nicht ohne stolpern oder dass Lilian auch mal gegen ihn prallte, was der Prinz natürlich heimlich genoss.
"Das geht doch gar nicht so schlecht", lobte er aufmunternd. "Jetzt versuche doch mal, nicht auf deine Füsse zu starren. Du kannst dich mit deinem Blick an meiner rechten Schulter festhalten. Oder irgendwo dahinter im Raum." Walzer war ohnehin kein Tanz, bei dem man sich in die Augen schaute, was Lilian jetzt wohl erst recht nervös gemacht hätte. "Versuche die Schritte in deinem Geist zu sehen. Stelle dir schön einen nach dem anderen vor. Vorstellen, machen, atmen. Weisst du, du darfst ruhig atmen beim Tanzen Lilian", grinste er frech. Lilian war manchmal so konzentriert, dass er fast so wirkte, als würde er zwischendurch vergessen zu atmen.
"Und wenn du dich mit den Schritten sicher genug fühlst, versuche dich auch noch auf meinen Körper zu konzentrieren", fügte er nach einer Weile eine weitere Aufgabe hinzu. "Versuche zu spüren, ob er sich vor oder zurück bewegt." Ohne Schritte zu machen, deutete er die Bewegungen an. "Oder ob er sich nach links oder rechts dreht." Erneut deutete er die Bewegungen an. "Wenn du das spürst, versuche bei der Bewegung mit zu machen. Einfach was geht. Nicht mehr und auch nicht übertrieben. Damit du mich spüren kannst, braucht es ein gewissen Grad an Spannung in deinen Armen und deiner Rückenpartie. Spannung und Konzentration. Vorallem aber Spannung. Dann gehen meine Bewegungen wie von selbst in deinen Körper über. Wenn es hilft, kannst du die Augen auch für eine Weile ganz schliessen und dich so einfach nur auf das konzentrieren, was dein Körper spührt."

Aerys beruhigte ihn, dass er zunächst nur ausprobieren sollte wie das Tanzen gemeinsam gehen könnte. Sie würden die Schritte üben bis sie Lilian in Fleisch und Blut übergegangen wären und dann würde er auch nicht mehr so viel Nachdenken während des Tanzens. Lilian befürchtete insgeheim, dass er dies später immer noch machen würde, einfach weil er Aerys so nahe war. Dessen Nähe löste in dem Jüngling oft widersprüchliche Gefühle aus und stürzte ihn von einer Verwirrung in die nächste.
Wenigstens wollte der Adelige es langsam angesehen und dies erstreckte sich auch aufs Tanzen. Schön Schritt für Schritt. Lilian nickte erleichtert und wollte schon loslegen. Selbst Führen durfte er leider nicht. Zunächst sollte er sich führen lassen und die Schritte dafür lernen. Zu Führen wäre ungleich schwerer, denn da müsse man sehr gut tanzen können und bereits gedanklich mehrere Takte weiter sein. Lilian sollte sich diese Herausforderung lieber für später aufheben. Der Jugendliche nickte zustimmend. Das was er jetzt lernen sollte, kam ihm bereits genug vor. Musste er das wirklich alles können nur um mit dem Prinzen tanzen zu können? Sie tanzten doch auch nur für sich manchmal vor dem Abendessen und dort hatte sich Aerys bisher nie über Lilians unzureichenden Tanzkünsten beschwert. Oder wollte Aerys irgendwann woanders mit ihm tanzen, wo er besser sein musste?
Der Prinz war dicht zu ihm getreten und gleich schlug Lilians Herz schneller. Mit großen Augen blickte er hoch zu Aerys, der lächelnd nach seiner Hand griff. Die andere Hand landete hinten an Lilians Rücken. Der zierliche Jüngling zuckte kurz zusammen und trat nervös von einem Fuß auf den nächsten. Aerys war beschäftigt damit ihm zu erklären wo ihre Füße zu stehen hatten. Lilian blickte nach unten und sah seine eigenen zarten Füße zwischen den schwarzen Schuhen des Prinzen. Es war ein seltsamer Anblick.
"Wie vier Bahnen... okay", wiederholte Lilian. Das konnte er sich plötzlich viel besser vorstellen. Aerys erklärte es wirklich sehr gut und allmählich konnte der Junge sich besser konzentrieren, obwohl der Adelige ihm so nahe war.
Dann begannen die eigentlichen Schritte. Es war sehr langsam, mehr als gingen sie behutsam hin und her. Hastig versuchte Lilian bei der Schrittfolge zu bleiben, stolperte ab und zu über seine eigenen Füße. Beim nächsten Mal prallte er gar gegen Aerys' Brust. Mit roten Wangen löste der zarte Jüngling sich wieder.
"Oh.. tut mir leid...", nuschelte er.
Er zitterte und versuchte es erneut. Um dieses Mal absolut sicher zu gehen, achtete er sorgsam auf seine Füße und was die so anstellten. Zudem war dies wesentlicher einfacher als Aerys in die Augen zu schauen. Der Prinz lobte ihn, nachdem es eine Weile ohne Stolpern geglückt war. Allerdings hatte er auch gemerkt, dass Lilian die ganze Zeit auf seine Füße starrte. Stattdessen sollte er lieber auf Aerys' Schulter schauen.
Lilian schlug die dichten Wimpern auf, sein Blick huschte hin und her. "Aber sonst weiß ich nicht was meine Füße machen", erklärte er kleinlaut.

Aerys hatte dafür einen anderen mysteriösen Tipp. Er solle die Schritte in seinem Geist vorhersehen. Einen nach dem anderen. Es vorstellen, ausführen und atmen.
"Weisst du, du darfst ruhig atmen beim Tanzen, Lilian", scherzte der Prinz. Lilian nickte hektisch, lächelte scheu.
"Ja, ich versuchs... ihr.. ihr macht mich zu nervös", gab er leise zu und blickte lieber zu Boden dort wo seine unfähigen Füße waren. Ach nein, er hatte auf Aerys' Schulter sehen sollen. Lilian straffte sich und bemühte sich nicht irgendetwas zu vergessen. Schritte vorstellen, atmen, gehen, Aerys' Hände an seinem Körper...
Nach ein paar Holpern gelang es dem Jüngling allerdings besser auch ohne dass er auf seine Füße achtete. Er durfte einfach nicht so viele Sorgen haben. Aerys riet ihm nach einer Weile, dass Lilian sich auch auf den Körper des Adeligen konzentrieren sollte. Er sollte erspüren, ob Aerys sich vor- oder zurückbewege, sich nach links oder rechts drehe. Der Prinz schien da etwas anzudeuten, aber genau konnte es Lilian noch nicht erfassen.
"Damit du mich spüren kannst, braucht es ein gewissen Grad an Spannung in deinen Armen und deiner Rückenpartie. Spannung und Konzentration. Vorallem aber Spannung. Dann gehen meine Bewegungen wie von selbst in deinen Körper über", fuhr Aerys fort und empfahl ihm, die Augen dabei zu schließen und sich auf das zu konzentrieren, was sein Körper spürte. Das klang für Lilian reichlich abstrakt, doch er wollte es wenigstens versuchen.
Lilian schloss die Augen, konzentrierte sich allein auf seine Schritte und das was er von Aerys' Körper spürte. Sich so auf ihn zu konzentrieren war sehr seltsam. Der Jüngling war angespannt, aber je länger er sich so konzentrierte desto ruhiger ging seine Atmung und desto weniger verhaspelte er sich mit seinen Schritten. Es war wie Aerys gesagt hatte.. er konnte spüren was dieser vorhatte, wohin er sich bewegte... und noch mehr... noch weiter darunter liegend. Pochend, pulsierend, kraftvoll...
Der zierliche Jüngling öffnete leicht die sanften Lippen, atmete hörbarer. Er musste an Aerys denken, der überall um ihn herum schien. Seine Gedanken glitten zu dem purpurnen Geburtsjuwel, das mit seiner Atmung zu pochen schien. Schritte vor, zurück, zur Seite... plötzlich fiel es ihm sehr leicht sich von Aerys führen zu lassen. Der Junge setzte seine Füße fast einen Bruchteil bevor es der Adelige tat.
Lilian schlug die Augen wieder auf, die von einem tiefen Purpur zu glänzen schienen. Er fühlte das Juwel nach ihm rufen. Er konnte es sich nicht erklären. Er hatte das Gefühl, er würde gleich in einen Abgrund fallen. Es zog mit aller Macht. Der Jüngling schwankte. Erschrocken riss er sich los und blinzelte.
"I-ch.. ich mag mich nicht so.. konzentrieren.. auf euch. Das fühlt sich komisch an...", wehrte er aufgewühlt ab. "Mir ist schwindlig.." Er hielt sich den Kopf. Was war das gewesen?

"Etwas Nervosität beim Tanzen ist gar nicht schlecht", versicherte er Lilian schumzelnd, der sich süss bei ihm beschwerte, dass er ihn ganz nervös machen würde. "Das erhöht die Aufmerksamkeit." So wie das Lampenfieber vor einer Präsentation. Wobei es beim Tanzen natürlich noch eine andere Nervosität gab. Die Art von Nervosität, die aus der Nähe zum Tanzpartner entstand. Es war eine wundervolle, prickelnde Nervosität, die man leicht in Erregung umwandeln konnte. Doch das verriet er Lilian lieber noch nicht. Sonst erschreckte er den Jüngling nur so sehr, dass er wieder vor ihm floh. Lieber verführte er ihn einfach auf der Tanzfläche und genoss es, wie Lilian verwirrt und nervös war. Wie er so dicht bei ihm war und ihn unter dichten Wimpern hervor scheu anblickte.

Dass Lilian beim Tanzen noch viele Fehler machte, immer mal wieder stolperte und noch nicht einmal eine Ahnung von der korrekten Tanzhaltung hatte, störte Aerys nicht im Geringsten. Er wusste, dass tanzen lernen schwierig war. Alles was zählte war, dass Lilian sich nicht gegen ihn sperrte und ehrlich versuchte das umzusetzen, was Aerys ihm riet. Trotz seiner Nervosität gab er sich tapfer alle Mühe. Gar nicht so, wie bei den früheren Tanzlektionen, wo Lilian sich lustslos dagegen gesperrt hatte und selbst mit Erpressung kaum dazu zu bringen gewesen war, sich dem Unterricht zu beugen. Jetzt hingegen ging es richtig leicht. Mit der Zeit entspannte Lilian sich sogar und vergass auch nicht mehr zu atmen. Mit geschlossenen Augen liess er sich auf ihn ein. Liess sich nach links und nach rechts, nach vorne und nach hinten führen.
Versonnen betrachtete Aerys den hübschen Jugendlichen. Er wirkte wunderschön, wie er da so entspannt in seinem Arm stand. Aerys spürte es prickeln und pochen in sich drin. Zu gerne hätte er Lilian nun zu mehr verführt. Es gab doch so viele schöne Dinge, die er ihm zeigen wollte. Dabei wollte er ihn einhüllen und beschützen. Am Besten in sein Geburtsjuwel, das Lilian so gefiel. Das ihn heftigst erregte, wenn Lilian mit seinen schlanken Finger darüber glitt. Allein die Erinnerung daran, liess es kraftvoll in seiner Lendengegend ziehen. Er konnte sein Geburtsjuwel förmlich spüren. Wie es kraftvoll pulsierte. Wie seine Macht durch seine Adern schoss.

Unvermittelt öffnete Lilian seine Lider und blickte ihn aus tief purpurnen Augen an. Aerys kam es so vor, als würde er direkt in sein eigenes Geburtsjuwel schauen. Es zog an ihm. Forderte ihn. Augenblicklich wurde der Prinz steinhart und er war kurz davor, Lilian an sich zu pressen und ihn zu überwältigen. Besonders als der Jüngling zu schwanken begann. Es war ein erschreckend heftiges Gefühl. Aerys war fast schon froh, dass Lilian sich da von ihm wegriss und ihm Freiraum zum Atmen gab. Überrascht über diese seltsame Intensität nickte er nur langsam darauf, dass Lilian meinte, er wolle sich nicht so auf ihn konzentrieren. Es wäre komisch. Ja, die ganze Situation war komisch. Nicht nur das aufeinander konzentrieren.
"Ja, lass uns eine Pause machen", stimmte er rasch zu, als Lilian sich den Kopf hielt und meinte, dass ihm schwindlig wäre. Streng riss er sich selbst zusammen und erschuff um seine Männlichkeit eine Illusion, um zu verbergen, wie erregt er war. Wohl weisslich tat er das mit seinem Aufstiegsjuwel und nicht mit seinem Geburtsjuwel. Lilian erkannte ihm eine Spur zu oft, was er damit tat.
"Vielleicht reicht das ohnehin für heute", überlegte Aerys und fasste Lilian sanft an der Hand, um ihn zu den Wasserflaschen zu geleiten. "Besser wir machen mit dem Tanzen schluss und du übst nachher mit Darion einfach noch das mit dem Schwerpunkt verlagern." Aerys wusste ohnehin nicht, wie er jetzt noch weiter tanzen sollte. Seine Männlichkeit pochte schmerzhaft hart in seiner Hose. Er brauchte dringend Linderung. Lang und ausgiebig."

Erstaunlicherweise war Aerys über diese Zurückweisung dieses Mal nicht verärgert. Er wirkte gar... erleichtert? Ob er auch etwas gespürt hatte? Lilian traute sich nicht, den Prinzen danach zu fragen. Oft war es nur Lilian, die von irgendetwas Seltsamen, das von Aerys' Geburtsjuwel ausging, überwältigt wurde und damit zu kämpfen hatte. Aerys hatte immer gesagt, er würde da nichts spüren. Dieses Mal hatte Lilian das Purpur aber nichtmal angefasst geschweige denn gesehen. Er hatte auch nicht gespürt wie Aerys die Kunst eingesetzt hatte. Der Jüngling hatte sich nur... ja, was? Intensiv auf Aerys' Körper und dessen Bewegungen und Atmung konzentriert. Oh, das war seltsam. Irgendetwas stimmte doch nicht mit ihm. Lilian wollte die morgige Untersuchung immer dringender, obwohl er eine Heidenangst davor hatte.
Aerys schlug eine Pause vor, worüber Lilian sehr dankbar war. Er wollte nicht mehr so dicht tanzen. Gerade wollte er nicht einmal mehr im Umfeld des Adeligen sein. Es war zu... gefährlich. Der Jugendliche versuchte sich zu fangen und das seltsame Gefühl des Ziehens und Fallens abzuschütteln. Aerys brachte ihn hinüber zu den Bänken und den Wasserflaschen. Lilian ließ ihn hastig los sobald sie bei der Bank waren und setzte sich wacklig.
Aerys erklärte den Tanzunterricht für beendet und meinte, es würde für heute reichen. Das sah Lilian ganz ähnlich. Eigentlich wollte er nicht mal mehr mit Darion üben, der ihm nun noch zeigen sollte wie man seinen eigenen Schwerpunkt kontrollierte. Der Junge hatte das Gefühl, dass sein eigener Schwerpunkt gerade ziemlich zusammengebrochen war. Es war, als wäre dieser nicht mehr bei ihm gewesen sondern bei Aerys. Wie war das möglich?
"Ich mag mich etwas ausruhen..", sagte Lilian leise. Er hatte seit heute früh fast durchgehend Unterricht. Es war ein langer Tag und er war müde. Genau, das hatte alles nichts mit Aerys zu tun. Ihm war nur kurz vor Erschöpfung schwindlig geworden. Er griff nach einer der Wasserflaschen und trank durstig. Zum Glück warteten nun zwei freie Tage auf ihn, so dass er nicht gleich heute alle Hausaufgaben erledigen musste, die Yukarin ihm gegeben hatte. Es waren viele. Ob der Blutige ihn testen wollte wie ernst es ihm mit dem Unterricht war? Lilian würde seine freien Tage bestimmt allesamt in der Bibliothek verbringen, nun wo er nichtmal seine Schulbücher mehr mit aufs Zimmer nehmen durfte.

Als Aerys sich schon abwenden wollte, berührte Lilian ihn nochmal rasch an der Hand.
"Ü-übernachtet ihr heute bei mir?", fragte er. Trotz des komischen Gefühls wollte der Junge nicht ausgerechnet diese Nacht alleine sein. "Wegen der Untersuchung morgen..", gestand er leise und blickte den Prinzen aus großen, verlorenen Augen an. Die Intensität des Purpur war abgeschwächt und nun glänzten sie wieder in hellem Rosé. Vielleicht lag es auch an dem einfallenden Licht aus den großen Fenstern kommend.
"Ich hab was Angst..." Und er wusste, dass Aerys das auch hatte. Ob er auch nicht alleine sein wollte? Anderseits hatte der Adelige eine große Auswahl an Kunstwerken, die mit ihm das Bett teilen könnten. Lilian hatte das nicht. Er hatte Aerys. Wenn dieser ihn alleine ließ, dann hatte Lilian niemanden den er selbstständig einladen könnte und erst recht nicht für eine Übernachtung. Der Adelige schien sehr eigen wieviele Personen sich in Lilians Zimmern aufhalten durften und vor allem wie lange.

Der Meister und Lilian sahen wunderschön miteinander aus, wie sie so gemeinsam tanzten. Darion betrachtete sie mit einem glücklichen Lächeln und freute sich, dass er dem zusehen sollte. Denn trotz allem Stolpern und gegeneinander prallen, wirkte die Szene sehr friedlich und innig. Bis auf einmal etwas sehr seltsames passierte. Darion konnte es nicht so recht fassen. Eine Spannung baute sich zwischen dem Meister und Lilian auf. Etwas sehr intensives, prickelndes. Darion bekam davon Gänsehaut, weil es so intensiv war. Nichts negatives. Eher im Gegenteil. Bevor er es jedoch fassen konnte, wankte Lilian leicht, ehe er sich abrupt, fast schon unhöflich von dem Meister löste.

Zu seiner Verwunderung war der Meister rasch der selben Meinung, dass sie aufhören sollten zu tanzen und beendete den Tanzunterricht für heute. Dabei war sich Darion ziemlich sicher, dass der Prinz sehr erregt war. Doch als er genauer hinsah konnte er nichts verräterisches erkennen. Fürsorglich brachte der Meister Lilian zur Bank, wo er sich ausruhen konnte und meinte, dass Darion den Unterricht fortsetzen sollte.
"Ja, ruh dich nur aus", nickte er dennoch, als Lilian einwandte, dass er gar nicht mehr mochte. Es war seltsam, dass der Meister diesen Einwand gelten liess. Es wirkte ganz so, als wäre es ihm erstmal egal. Hauptsache er könne nun gehen. Er liess sich jedoch trotzdem nochmals von Lilian zurück halten, der ihn fragte, ob er heute Nacht bei ihm übernachtete. Der Jüngling wirkte ganz verloren und eingeschüchtert. Sofort trat Aerys näher zu ihm, streichelte ihm über die Wange und drückte ihm sanft seine Hand.
"Ja", beruhigte er ihn liebevoll. "Ja, natürlich übernachte ich heute bei dir. Ruh dich nur erst etwas aus. Iss etwas, erhole dich und am Abend bin ich dann wieder bei dir. Du musst keine Angst haben." Noch einmal streichelte er ihm sanft über den Kopf. "Ich komme morgen mit dir mit und helfe dir. Jetzt ruh dich erst einmal aus. Wir sehen uns gleich wieder." Erneut drückte er Lilians Hand, bevor er den Tanzsaal zügig verliess.

Aus einem Instinkt heraus, sandte Darion Priam und Theon, die sich relativ nahe befanden, dass sie sich um den Meister kümmern sollten. Selber ging er vorsichtig näher zu Lilian und setzte sich neben ihm auf die Bank. Anmutig reichte er ihm eine Wasserflasche, damit er nach dem vielen Sport wieder Flüssigkeit zu sich nehmen konnte.
"Ist alles in Ordnung, Lilian?" fragte er etwas besorgt. "Soll ich dich nach oben in deine Zimmer begleiten?"

Aerys bestand zum Glück nicht darauf, dass Lilian weiter trainieren sollte und riet ihm, sich auszuruhen. Er wollte irgendwie schnell gehen, doch dann musste der Jüngling ihn einfach nochmal zurückhalten und fragen, ob er übernachten würde. Vor allem wegen morgen. Aerys kam wieder näher. Seine Hand strich über Lilians Wange, ließ ihn unbewusst erschaudern. Der Jüngling erwiderte den Händedruck zärtlich und sah den Prinzen mit fast versteckter Sehnsucht an. Lilian war sehr erleichtert, als Aerys zustimmte heute bei ihm zu übernachten. Es war mal anders gewesen. Da hatte er die Nähe des Adeligen so anstrengend und gar unerträglich gefunden. Gerade konnte er anscheinend nicht ohne sie. Was passierte nur mit ihm?
Der Prinz sagte ihm, er solle etwas essen und sich erholen. Am Abend würde er wiederkommen und Lilian müsse keine Angst haben. Der zierliche Junge nickte, doch so schnell ging die Angst vor morgen nicht weg. Es half allerdings, dass Aerys ihm bei der bevorstehenden Untersuchung beistehen wollte. Der Adelige streichelte ihm liebevoll über den Kopf und versicherte, dass sie sich gleich wiedersehen würden.
"Okay... danke...", nuschelte Lilian. Dann entzog sich ihm die beruhigende Hand des Prinzen und er verließ den Ballsaal raschen Schrittes, das schwarze Jacket wehend. Lilian blickte ihm nachdenklich hinterher, als Darion sich zu ihm setzte und ihm eine neue Wasserflasche hinhielt. Scheu nahm sie der Jugendliche entgegen und trank einen weiteren Schluck. Wieviel Darion wohl mitbekommen hatte? Ob er gemerkt hatte was los war? Dabei wusste Lilian das nichtmal selbst.
Darion fragte auch gleich, ob alles in Ordnung sei.
"Ich weiß nicht...", gab Lilian zu, "Es ist kompliziert..." Er wollte Darion gerne alles erzählen, doch er wusste nichtmal wo er ansetzen sollte und es war ein schwieriges Thema. Was würde Darion von ihm denken, wenn er davon hörte? Der ältere Krieger hatte so hart darum gekämpft wieder perfekt zu sein und wenn Lilian nun morgen erfuhr, dass er alles andere als das war? Wenn er innen drin furchtbar kaputt und zwiegespalten war? Aber Aerys würde ihn trotzdem lieb haben... das durfte er nicht vergessen.
Der Jüngling trank erneut, wischte sich über die sanften Lippen.

Darion bot an ihn nach oben zu seinen Zimmern zu begleiten. Lilian blickte ihn zögerlich an. "Dürfen wir das?", fragte er. Vorhin hatte der andere Krieger angemerkt, dass es zu heikel wäre wenn er ihn jetzt schon besuchen käme und dass der Adelige eifersüchtig werden könnte. Darion räumte ein, dass er ihn bis zur Türe begleiten könnte, aber besser nicht bis hinein. Lilian nickte und erhob sich. Er wollte jetzt auf keinen Fall herausfordern, dass Aerys wütend auf ihn wurde.
"Ja, das wäre nett", stimmte er zu. Vielleicht würde ihm nochmal schwindlig und dann wäre es gut, wenn jemand bei ihm war. Lilian sammelte seine Schuluniform ein. "Weißt du... vielleicht stimmt was nicht mit mir", begann er dabei. Er presste das Bündel Kleidung verletzlich an sich.
"Morgen hab ich eine Untersuchung bei Lady Ildris... sie hatte mich schon einmal untersucht, weil ich es seltsam fand, dass ich so viel geblutet hatte bei... bei der Zeremonie." Er konnte es immer noch nicht ohne Zittern in der Stimme aussprechen. "Sie hat gesagt, ich wär vielleicht so ein Zwischenwesen. Halb Frau, halb Mann. Nichts richtiges..." Lilian schluckte. "Aber um das genau festzustellen, müsste man mich genauer untersuchen und sie noch Nachforschungen anstellen. Dann ist lange nichts passiert und ich wollte es ignorieren und vergessen..." Er konnte das nicht sein. Er war ein normaler Junge.
"Aber wenn ich bei Aerys bin... dann manchmal.. da verändert sich meine Signatur. Zu.. zu der eines Mädchens..", wisperte er. "Zu einer Hexe.. und dann denk ich auch so als sei ich eins und alles ist durcheinander..." Betreten blickte er auf seine Fußspitzen. Er konnte Darion dabei nicht in die Augen blicken.

Es schien Lilian eindeutig nicht gut zu gehen, wenn er nicht wusste, ob alles in Ordnung sei. Er wusste nur, dass es kompliziert sei. Darion akzeptierte die Antwort und bohrte nicht weiter nach. Stattdessen bot er Lilian an, ihn nach oben zu seinen Zimmern zu begleiten. Der Jüngling wirkte ganz danach, als bräuchte er den sicheren Rahmen seiner Gemächer, wo er sich nach einer Dusche gemütlich in seine Decke kuscheln konnte.
"Wenn ich dich nur bis zu seiner Tür begleite, dürfen wir das bestimmt", lächelte Darion beruhigend, weil Lilian sich Sorgen machte, ob Darion ihn überhaupt begleiten durfte. Dann aber nickte er scheu und erhob sich rasch, um seine Kleidung zusammen zu suchen. Fest presste er sie an sich und wirkte dabei ganz zart und verletztlich. Darion erhob sich ebenfalls anmutig und griff nach seinem seidenen Bademantel. Den zog er jedoch nicht an, sondern legte ihn Lilian um die Schulter, damit er sich noch etwas geschützter fühlte.

Langsam verliessen sie den Tanzsaal, um nach oben zu gehen. Diesmal begegnete ihnen kein Kunstwerk, obwohl sie sich vorhin kaum an ihnen hatten satt sehen können. Schweigend gingen sie nebeneinander, als Lilian plötztlich damit anfing, dass er eine Untersuchung bei der Heilerin hätte. Er wollte das so, weil er es seltsam fände, dass er bei der Zeremonie so viel geblutet hatte. Darion schwieg. Viel wusste er darüber ohnehin nicht. Tuana hingegen hatte Lilian gesagt, dass er womöglich ein Zwischenwesen sei. Halb Frau und halb Mann. Nichts richtiges.
Verwundert blickte Darion Lilian an und wollte ihn schon fragen, ob es sowas wirklich gäbe. Doch der Jüngling fuhr fort, dass man ihn erst weiter untersuchen und Nachforschungen anstellen müsse, damit man mehr wisse. Nur sei dann lange nichts passiert und er hätte es ignorieren und vergessen wollen. Inzwischen musste sich da jedoch etwas geändert haben, erkannte Darion. Sonst würde Lilian diese Untersuchung nicht wollen. Prompt stammelte Lilian dann auch kaum hörbar, dass sich manchmal seine Signatur veränderte, wenn er bei dem Meister wäre. Dass seine Signatur zu der einer Hexe werden würde und er dann sogar so dachte, als wäre er ein Mädchen.

"Das... klingt wirklich kompliziert", staunte Darion und konnte sich das ganze gar nicht so recht vorstellen. Bestimmt war das sehr erschreckend für Lilian. "Gibt es das denn Wirklich? Menschen, die sowohl Frauen als auch Männer sind? Könnte es nicht auch einfach sein, dass du verwirrt bist, weil der Meister von dir verlangt, Mädchenkleidung zu tragen. Du siehst sehr hübsch darin aus und ich glaube, allmählich erkennst du das auch. Vielleicht bringt dich das ganz durcheinander und dein Geist denkt unbewusst, dass du ein Mädchen sein sollst, weil der Meister dich so lieber hat als Mädchen." Dabei wusste Darion, dass es genau umgekehrt war. Der Adlige war bei der Versteigerung erst an Lilian interessiert gewesen, als er erfahren hatte, dass es sich um einen zierlichen Jungen handelte. Unwillkürlich fragte er sich, wie der Meister das aufnehmen würde, sollte sich herausstellen, dass Lilian nicht nur ein Junge war, sondern auch ein Mädchen. Das würde ihm bestimmt nicht gefallen.

Sie gingen bereits nach oben, als Lilian endlich den Mut fand Darion von der morgigen Untersuchung zu erzählen und dass er vielleicht kein richtiger Junge war. Es war nicht leicht darüber zu sprechen und Lilian hatte große Angst wie andere im Anwesen darauf reagieren könnten. Aber seine Freunde würden ihn weiter mögen egal was passierte oder? Aber würde er sich selbst noch mögen? Das war eine viel schwierigere Frage. Vermutlich machte er nur sich selbst verrückt und morgen war alles wieder normal. Wahrscheinlich wäre Lady Ildris sogar verärgert, dass er sie wegen so einem Unsinn belästigte.
Aber wenn doch? Die kleine Stimme in seinem Hinterkopf blieb nagend.
Der Jüngling zog den seidenglatten Bademantel Darions enger um sich. Das fühlte sich schön tröstend an und er roch auch ein bißchen nach dem älteren Krieger. Es war da wohl besser wenn Lilian es bald zurückgab, denn Aerys würde sicherlich nicht begeistert über eine andere Signatur an ihm oder in den Zimmern sein. Er hatte sehr aufgebracht reagiert, als er Lilian verdächtigt hatte sich mit jemand anderen im Badezimmer vergnügt zu haben.
Darion sagte zunächst nichts und hörte einfach nur zu, was sehr half dass Lilian über sich reden konnte. Erst am Ende gab der andere Krieger zu, dass es wirklich kompliziert klänge. Lilian nickte zustimmend. Seit Tagen beschäftigte ihn dies und jeden Tag ein Stück mehr bis die Ungewissheit nun nicht mehr auszuhalten war. Darion fragte nach, ob es Menschen gäbe, die sowohl Frauen als auch Männer wären.
"Javier hat gesagt, das gibt es. Und ganz viele verschiedene Varianten davon", antwortete der Jugendliche. "Dass die anderen Attribute nach innen gewachsen sind so dass man es nicht gleich sieht.." Ihm schauderte wenn er nur daran dachte. Javier hatte ihn aber auch darauf gebracht, dass er nun fest entschlossen war sich Gewissheit zu verschaffen. Er hatte schon länger Fragen zu seinem eigenen Körper gehabt, doch nun war er soweit sich auch den Antworten zu stellen. Hoffentlich.
Darion vermutete eher, dass seine veränderte Signatur daran liegen könnte, weil Lilian verwirrt war. Er würde hübsch als Mädchen aussehen und dies allmählich auch erkennen. Vielleicht wolle er unbewusst mehr wie ein Mädchen sein, um Aerys zu gefallen. Der Junge schob dabei trotzig die Unterlippe vor. Er wollte nicht so abhängig von den Wünschen des Prinzen sein. Zwar befürchtete er schon länger, dass ihn dies alles zu sehr beeinflusste, doch dass er gleich die Signatur änderte? Hatte er denn nichts eigenes mehr?

"Javier hat auch gesagt, dass es etwas geistiges sein könne, dass sich meine Signatur ändert. Es passiert immer wenn ich Aerys... nahe bin." Lilian wurde leicht rot. "Javier meinte, Schnecken passen sich auch ihrem Partner an... aber ich will das bestimmt nicht und Aerys mag mich als Jungen. Das mit der Kleidung ist nur ein Schauspiel..."
Aber vielleicht hatte Darion recht und Lilian verinnerlicherte es zu sehr. Besonders wo er den Adeligen mittlerweile lieb gewonnen hatte. Ob es alles aufhören würde wenn er fortrannte?
"Aber das erklärt nicht meine neue Augenfarbe." Lilian deutete auf eben rosefarbigen Augen, die Darion nun groß und fragend anblickten. Das war eindeutig etwas körperliches. "Vor der Zeremonie waren sie golden." Das wusste Darion sicherlich noch. "Und dann die Sache, dass etwas bei mir eingerissen ist während.. also als Aerys... bei der Zeremonie", konnte er es wieder nicht richtig benennen. Es tat zu weh. Wenn er zu lange daran dachte, konnte er Aerys vielleicht nicht mehr gern haben.
Die beiden Krieger gingen die Treppe hinauf und durchquerten noch weitere Gänge bis sie sich den Gemächern des Adeligen näherten. Lilian spürte ihn dort nicht.
"Ich wünschte, alles wäre normal mit mir", seufzte der Jüngling. "Vielleicht kann Lady Ildris meine alte Augenfarbe wiederherstellen."

Anscheinend gab es sogar viele verschiedene Möglichkeiten wie ein Mensch Frau und Mann zugleich sein konnte. Darion hatte das nicht gewusst und um ehrlich zu sein, interessierte es ihn auch nicht. Es war ihm egal, was für ein Geschlecht sein Gegenüber hatte, dem er sich hingab. Alles was dann zählte war, sich vollends hinzugeben und süsseste Freuden zu verschenken. Lilian war jedoch noch nicht soweit und so verwirrte ihn das verständlicherweise. Hilfsbereit bot Darion ihm eine einfache Erklärung an, damit Lilian sich deswegen nicht mehr unglücklich fühlen musste.
Javier schien ihm schon so etwas ähnliches gesagt zu haben. Lilian wurde leicht rot und gestand, dass es immer passieren würde, wenn er Aerys nahe sei. Die Art wie er es sagte, liess Darion plötzlich vermuten, das Lilian eigentlich intim meinte. Dass es passieren würde, wenne r mit dem Meister intim war. Und laut Javier würde sich Schnecken auch ihrem Partner anpassen. Darion blinzelte verblüfft, da er nicht wusste, wie er sich das mit den Schnecken vorstellen musste. Davon abgesehen, dass er Schnecken alles andere als schön fand.

"Das tut er bestimmt", konnte er Lilian jedoch mit einem beruhigenden Lächeln versichern, dass der Meister Lilian als Jungen mochte. Deswegen hatte er Lilian ja überhaupt ersteigert. Gerade weil er ein Junge war. Selbst wenn er wie ein Mädchen aussah, wenn er entsprechende Kleider trug. Gerade diese Mischung, schien den Meister zu faszinieren. Dass Lilian wie ein Mädchen aussah, unter seinen süssen, braven Röckchen aber trotzdem eine Männlichkeit hart werden konnte.

"Der Geist kann sehr viel mit dem Körper anstellen", erwiderte Darion nachdenklich auf Lilians Verwunderung, dass seine Augenfarbe sich verändert hatte. "Die Zeremonie war sehr einschneidend für dich. Du warst so nervös und verängstigt deswegen. Es würde mich nicht überraschen, wenn das eine Reaktion deines Geistes ist, mit der ganzen Situation umzugehen. Tuana hat inzwischen bestimmt mehr herausgefunden. Du kannst sie morgen fragen." Höflich hielt er Lilian die Tür auf, um ihn durch die Gemächer des Meisters zu führen und ihn zu seiner eigenen Tür zu geleiten. Wo er allerdings nicht zu lange bleiben sollte. Nicht dass der Meister die Signatur zu stark wahrnahm.
"Deine rosafarbenen Augen sind sehr süss", versicherte er Lilian liebevoll. "Aber Tuana kann sie dir bestimmt wieder umfärben. Die hayllischen Adligen und Reichen lassen das manchmal für einen Maskenball oder einen speziellen Anlass mit sich machen. Die Augenfarbe ändern. Weil das so exotisch und besonders aussieht." Das hielt in der Regel jedoch nicht so lange an, wie es das bei Lilian tat.

Darion schien auch etwas überrumpelt von diesen Neuigkeiten zu sein, denn er wirkte sehr nachdenklich. Dabei hätte Lilian liebend gerne seine Meinung darüber gehört und noch viel länger mit ihm darüber geredet. Leider näherten sie sich den Gemächern immer schneller und standen dann bereits vor der Türe. Darion sagte, dass auch der Geist Einfluss auf den Körper ausüben könnte und gerade die Zeremonie wäre sehr einschneidend für Lilian gewesen.
"Ich wünschte, sie wäre nie passiert", sagte der Jüngling betrübt. Es hatte so viel kaputt gemacht und es war für ihn immer noch Barriere, die zwischen Aerys und ihm stand. Wenn es die Zeremonie nicht gegeben hätte, wie wären sie nun stattdessen zueinander? Sie würden nie mehr herausfinden können, ob sie sich anderweitig hätten annähern und verständigen können. Ob Lilian dann immer noch so seltsam auf Aerys' Geburtsjuwel reagiert hätte? Kam es alles nur von der Zeremonie?
Darion vermutete jedenfalls, dass die Reaktionen seines Geistes und diese Seltsamkeiten Lilians Art wären mit der Situation umzugehen.
"Ich weiß aber nicht wie ich damit umgehen soll. Ich hab nicht gewollt...", sagte er verloren. "Und ich kann nicht richtig mit ihm darüber reden, weil dann einer von uns immer wütend wird... ich weiß nicht was ich machen soll."
Der ältere Krieger hielt ihm die Türe auf und tröstete ihn, dass Tuana morgen sicherlich mehr wüsste. Aber hätte sie eine Antwort darauf wie Lilian die schreckliche Entjungferung überwinden konnte? Die Heilerin hatte ja sogar mitgeholfen und ihm mehrfach ein Betäubungsmittel gegeben. War es ihr da nicht egal wie es ihm deswegen ging? Oder hatte sie einfach das getan was Aerys ihr aufgetragen hatte?
Wenigstens glaubte Darion auch, dass man die Augenfarbe wieder ändern könne. Manche Adelige täten dies auch als Verkleidung. Anscheinend war es nichts besonderes in Hayll.
"Ich hoffe, Aerys lässt es zu..", bemerkte Lilian nachdenklich. Das war noch eine ganz andere Sache. Vielleicht wollte der Adelige gar nicht, dass Lilian seine Augenfarbe wieder zurückändern ließ. Am Ende bestimmte Aerys leider über sein gesamtes Aussehen...
Was gehörte denn noch Lilian? Nichtmal sein eigener Körper. Er hatte gar nichts mehr. Er fühlte sich so einsam.

Der Junge biss sich auf die Lippen. Darion hatte ihn zur Zimmertüre gebracht. Der Krieger beteuerte, er würde gerne noch weiter mit ihm darüber reden, doch er dürfte nicht länger bleiben..
"Ja, ich weiß. Danke, dass du mich begleitet hast. Danke auch für den Unterricht. Der hat echt Spaß gemacht", erwiderte der Jüngling freundlich und verabschiedete sich von Darion. Er versuchte sich zusammenzureißen und stark zu sein, doch sobald er in seinem Zimmer war und die Türe hinter sich geschlossen hatte musste er verzweifelt aufschluchzen.
Lilian lehnte sich gegen die Türe und blickte in das für ein adeliges Mädchen eingerichtete Zimmer. Wo war er? Wie kam er hier wieder weg? Vielleicht wurde alles besser wenn er floh. Er wollte so sehr zurück in sein altes Leben. Niemand konnte von ihm erwarten, dass er das hier durchstand. Er war nicht so stark.
Aber momentan gab es keine Fluchtmöglichkeiten und vor allem nicht vor der morgigen Untersuchung. Lilian ging ins Bad und zog die neue Gymnastikkleidung aus, um unter die Dusche zu gehen. Er ließ sich lange so vom Wasser berieseln und versuchte alle Gedanken auszublenden. Aber irgendwann musste er doch aus der Dusche raus. Er sollte nicht so viel Wasser verschwenden. Der Junge streifte sich den weißgrauen Pullover über, den Marlin für ihn gestrickt hatte. Dieses Mal zog er dazu aber noch den knielangen Karorock an. Lilian wanderte rastlos durchs Zimmer. Er wusste nicht wie er sich die Zeit vertreiben sollte. Ausruhen und Erholen hatte Aerys gesagt.
Der Junge stellte sich ans Fenster und blickte hinaus auf den Park. Dunkle Wolken zogen sich in der Ferne zusammen. Lilian legte sich aufs Sofa und fischte das Strickzeug aus einem Korb daneben. Er könnte etwas üben. Während der Jüngling sich mit dem Wollknäuel und den vielen Nadeln mühte, blickte er nach oben zur weißen Decke. Seine Füße baumelten locker über die Sofalehne. Die dunklen, langen Haare kräuselten sich in feinen Locken über dem Zierkissen.
Ob er je herausfinden konnte wer er war und was er sein konnte?