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Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Di 18. Feb 2020, 20:37
von Kosta
"Nein, wirklich nicht", bestätigte Kosta Eneas Aussage mit einem süssen Lächeln, dass Andiël nicht gerade für seine Pünktlichkeit bekannt wäre. Dazu liess sich der Prinz viel zu gerne von netten Gelegenheiten ablenken. Aber selbst wenn Andiël pünktlich käme, wollte Kosta Zucker jetzt auf keinen Fall unterbrechen. Der Prinz hatte noch nie von sich aus von dem Ritual erzählt und was da passiert war. Höchstens einmal ein flappsiger Spruch war drin gelegen. Diesmal schien es Zucker jedoch ernst zu sein und es war so wichtig, dass er über seine Erlebnisse sprach. Über die Verluste, die er hatte erleiden müssen. Rashar und Tiger, die er gern gehabt hatte und die jetzt wahrscheinlich nicht mehr lebten.

Geduldig warteten Eneas und Kosta, bis Zucker sich soweit gesammelt hatte, um davon zu erzählen. Erstmal wusste er nicht, wie er anfangen solle und er täte es auch nur, um die Mannschaft zu warnen. Aber vielleicht wäre auch gar nichts passiert und er würde es umsonst sagen. Wobei er bisher eigentlich noch gar nichts gesagt hatte. Fragend blickten Kosta und Eneas sich an, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Zucker lenkten. In der Hoffnung, dass Zucker deutlicher wurde.
Leider erzählte er nur umständlich, dass es im Dschungel chaotisch gewesen wäre. Von Rashars Plan und dem Tor mitten im Dschungel. Von Sions Ritual und dessen Pläne. Zucker wusste nicht, woher Rashar davon gewusst hätte, doch eigentlich war das egal. Kosta wollte viel lieber wissen, was Zucker erlebt hatte. Damit fing Zucker jedoch gar nicht an. Sondern versuchte nur zu erklären, warum Rashar das Tor hat zerstören wollen.

"Zucker", unterbrach er ihn deswegen schliesslich und fasste ihn sanft an der Hand, um ihn zu beruhigen. Es war offensichtlich, dass dem Prinzen etwas gewaltig zu schaffen machte. "Es tut mir so wahnsinnig leid, dass wir euch so verraten und verkauft haben. Ich bin mir sicher, dass Timaris euch alles wie versprochen geschickt hätte, hätte sie früher davon erfahen. Auch sie wollte auf keinen Fall zulassen, dass Sion noch mächtiger wurde. Sie wäre eher gestorben, als sich ihm zu beugen." Und Kosta war bereit gewesen, es zu zu lassen, allein, um an Eneas Seite sein zu können. Schuldbewusst schloss er kurz die Augen, um diesen schmerzenden Gedanken zu verdrängen.
"Doch was hat das alles mit unseren Freunden zu tun?" fragte er behutsam jedoch nachdrücklich nach. "Sie werden zur See fahren und nicht in den Dschungel von Raej reisen. Wovor möchtest du sie warnen? Bitte. Sag es uns. Wir möchten nicht, dass sie in Gefahr geraten."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Di 18. Feb 2020, 22:04
von Yadriël
Nun wurde er auch von Kosta an der Hand gefasst. Nicht zum ersten Mal entschuldigte sich der Krieger dafür, dass sie die 6. Kompanie so verraten und verkauft hätten. Wenigstens schaffte Kosta es mittlerweile sich ruhiger zu entschuldigen und bot nicht mehr sein eigenes Leben als Ausgleich an. Er schien auch eingesehen zu haben, dass er nicht alleinige Schuld trug. Der Krieger fuhr fort, dass Timaris ihnen bestimmt alles geliefert hätte, was versprochen worden war. Sie hätte ebenfalls niemals zugelassen, dass Sion noch mächtiger würde.
"Tja... Rashars Plan hatte von Anfang an so viel Erfolgschancen wien Schneeball in der Hölle. Das wussten wir alle. Es wären so oder so viele draufgegangen." Es war schwer abzuschätzen wie es abgelaufen wäre, wenn Kosta und dieser Asar nie aufgekreuzt wären. Aber es brachte nichts darüber nachzudenken. Es war passiert und niemand von ihnen konnte irgendetwas rückgängig machen. Egal wie sehr man es wollte. Yadriël hatte auch die ein oder anderen Momente in seinem Leben wo er sich wünschte, er hätte sich anders entschieden.
Kosta stellte dann die eigentliche Frage, was das mit den Piraten zu tun hätte. Sie würden zur See fahren und nicht in den Dschungel gelangen. Was gäbe es da, wovor man sie warnen müsse?
"Ja, ich komm gleich dazu. Ich bin nicht gut in Geschichten erzählen." Er hatte keine Ahnung wo er am besten anfangen sollte und zudem wollte er auch nicht über alles reden. Was brachte es, das nochmal durchzukauen und daran zu denken? Es war eine scheiß Situation gewesen.
"Jedenfalls brauchte Rashar immer noch ne Priesterin für das Tor", setzte der Dhemlaner wieder an. "Der Dschungel war voll mit Soldaten und Rebellen. Raejer, Dhemlaner, Hayllier. Eine Priesterin hatten wir durch Sions Leute verloren, eine starb aus Versehen in nem Kampf, eine hatten uns die Hayllier abgenommen. Ugh, es war ein verdammtes Chaos. Bis wir endlich Minh de Tavares hatten." Er war froh, sass er sich noch an ihren Namen erinnerte, wo er indirekt schuld daran war, dass sie gestorben war.
"Das ist die Heldin. Ich hab sie nur dazu überredet. Wir waren auf dem Weg zum Tor zurück. Bisher wars nur ne überwucherte Ausgrabungsstätte. Dann wurden wir angegriffen, scheiß Schnitter, und Rashar hat mir aufgetragen, Minh wegzubringen. Das ist das was ich gemacht hab und das was ich wusste. Alles andere... das hab ich mir irgendwie aus den Fingern gesaugt. Es war nich groß Zeit drüber nachzudenken", räumte er ein. Er hatte echt nicht über mögliche Konsequenzen nachgedacht, als ihm die Idee mit dem Unterwassertor gekommen war.
"Ich verstehe immer noch nicht was das-", begann Eneas. Yadriël wedelte ungeduldig mit der Hand.
"Ja, gleich. Wollt ihr das jetzt hören oder nicht?"
Die beiden Krieger nickten.

"Okay, wir waren beim Tor. Wobei es noch nicht wie ein Tor aussah. Nurn paar moosige Steine, halb in der Erde versunken. Wir hatten schon angefangen es freizulegen. Das ist meine heroische Tat, die ich die meiste Zeit im Dschungel gemacht hab. Scheiß Erde schaufeln", fasste Yadriël zusammen. "Ich hab Minh allein zum Tor gebracht, aber es war schon wer vor uns da. Hayllier, die mitten auf der Stätte campierten. Nix für ungut, aber eure Leute hatten echt keine Ahnung was sie in diesem Dschungel machten. Die meiste Zeit waren sie sehr lästig. Zum Glück auch für Sions Teil der Armee."
Yadriël überlegte kurz, entschied sich dann aber dagegen zu erzählen wie er Minh nach und nach überredet hatte sich zu opfern. Er war nicht stolz drauf, aber er war geübt darin Frauen zu überreden mitzumachen...
"Dann fing das Erdbeben an. Sions Leute schickten es durch den Dschungel. Die Erde bebte, Regen platzte auf uns runter. Es war miserable. Ich wusste nicht ob Rashar noch lebte, also hab ich die hayllischen Soldaten reingelegt. Hab sie glauben lassen, ich wär einer von ihnen und das wir das Tor aktivieren wollen, um eyrische Verstärkung kommen zu lassen. Die waren so verzweifelt, dass sie den Unsinn gern glauben wollten." Er sah zu Kosta und lächelte matt. "Ich habe eine Gruppe von hayllischen Soldaten verarscht und betrogen, um sie für ein größeres Ziel zu opfern. Glaub mir, die Ironie ist mir auch nicht entgangen."
Schließlich hatte Kosta das gleiche mit Yadriëls eigener Einheit getan.
"Jedenfalls waren sie gut im graben. Und dann hat einer von ihnen ein zweites vergrabenes Tor entdeckt."
Eneas sah ihn überrascht an. "Ein zweites Tor? Ich habe noch nie von Toren gehört, die zusammen stehen. Zum Welten durchqueren benötigt man nur eines."
"He, dank der Dunkelheit, dass es so war, sonst würd Sion vielleicht noch leben. Ich weiß nicht, obs Delirium war von der Zeit im Dschungel, man wird da regelrecht durchgeweicht, aber ich wusst Rashars Plan nicht, also hatte ich meinen eigenen verrückten Einfall. Leider... also, ungünstigerweise habe ich dafür das Unterwassertor gebraucht, das ihr bei der Rückfahrt nach Hayll benutzt habt", gab Yadriël zu und kam so endlich zu dem Punkt, wieso es die Piraten betreffen konnte.
"Unterwassertor? Es gibt kein-", versuchte Eneas es noch abzustreiten.
Yadriël schnalzte mit der Zunge. "Ich bin zwar nurn einfacher Fußsoldat, aber ich bin nicht dämlich. Es gibt keinen Seeweg vom dunklen Dhemlan nach Hayll."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mi 19. Feb 2020, 07:26
von Kosta
Zucker liess sich nicht beirren. Anstatt seine Warnung auszusprechen, wollte er unbedingt die Geschichte vom Dschungel erzählen. Die Geschichte, wie er geholfen hatte Sions Ritual zu vereiteln. Kosta nickte und hielt wieder still. Die Crew war schliesslich nicht in unmittelbarerer Gefahr, so dass sie die Warnung dringend gebraucht hätten. Es war gut, wenn Zucker erzählte, was in Raej passiert war. Sowohl für den Prinzen, als auch für die Angehörigen derer, die im Dschungel gestorben waren. Es würde ihnen allen helfen, Frieden zu finden.

Zuallererst für Zucker, der sich endlich von der Seele sprechen konnte, was es für ein Chaos gewesen war. Kosta konnte ihm mitfühlen. Diese riesigen, alten Bäume im Dschungel von Raej, so viele Verstecke. So viele Gefahren von Feinden aufgelauert zu werden. Raejer, Dhemlaner, Hayllier, Rebellen und Soldaten. Nie wusste man, wem man gegenüber stand. Freund oder Feind. Dazu kam die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die elenden Moskitos, die einem zerfrassen.
Durch dieses ganze Chaos hätten sie eine Priesterin zu dem versteckten Tor bringen müssen. Ein Plan, der drei Mal hintereinander scheiterte, weil die Frauen getötet oder gefangen genommen worden waren. Bis sie schliesslich eine gefunden hätten. Minh de Tavares. Sie wäre die eigentliche Helding gewesen. Zucker erklärte, dass er sie nur dazu überredet hätte. Nachdenklich blickte Kosta den Prinzen an und fragte sich, wie dieses Überreden vonstatten gegangen war. Er glaubte nicht mit Gewalt. Zucker hatte eine viel perfidere Art, einem zu locken. Eine, wo man selbst daran glaubte, dass es gut war, wenn man tat, was er vorschlug. Auch wenn es womöglich nicht so war. Kosta vermutete, dass Zucker ihnen deswegen diese ganze Geschichte erzählte. Weil er beichten wollte, was er der Priesterin angetan hatte, um Sion zu stürzen.

Es schien jedoch noch mehr zu geben, was er erzählen wollte und wofür er die Warnung als Vorwand nehmen konnte. Denn als Eneas nochmals einwenden wollte, dass er noch immer nicht verstand, weswegen die Piraten gewarnt werden sollten, wurde er abgewürgt. Brav nickten Eneas und Kosta. Ja, sie wollten die ganze Geschichte hören. Selbst wenn sie nicht gewarnt werden mussten.
Also erzählte Zucker weiter, wie sie zum Tor gelangt waren, die erstmal noch nur ein paar moosige Steine halb in der Erde versunken gewesen waren. Sie hätten begonnen, sie freizulegen. Etwas, was offensichtlich sehr prägend gewesen war, denn Zucker stellte noch einmal klar, dass das seine Tat in Raej gewesen sei. Heldenhaft Erde schaufeln. Kosta musste schmunzeln. Er war sich sicher, dass das nicht das einzige gewesen war, was Zucker da getan hatte. Immerhin hatte er die Priesterin zum Tor gebracht, obwohl er seinen Kommandanten und seine Verbündeten verloren hatte.
Dummerweise hätte dann ein Trupp Hallier mitten auf der Stätte campiert, die leider keinerlei Ahnung von dem Tor und dem Plan, es zu zerstören gehabt hatten. Kosta lächelte schief. Solche Informationen hatten oft nur wichtige Führungsleute. Einfache Soldaten, versprengte Truppen kannten nur einen Befehl. Sich auf den Feind zu stürzen. Bevor Zucker jedoch sich deswegen hätte gross Gedanken oder Pläne machen können, hätte das Erdbeben angefangen. Es hätte geregnet und er hatte nicht gewusst, ob er Rashar noch lebte. Also hatte er seine eigene Idee gehabt. Er hatte die hayllischen Soldaten dazu überredet das Tor freizulegen, um es für eyrische Verstärkung zu aktivieren. Er hätte sie verarscht und betrogen. Genau so, wie Kosta es mit der 6. gemacht hatte. Matt lächelte Zucker Kosta dabei an und dem Krieger brach es das Herz. Er wusste wie furchtbar es sich anfühlte, so einen Betrug zu begehen. Egal wie edel das Ziel war. Es tat ihm so leid, dass Zucker das ebenfalls hatte erfahren müssen. Kosta konnte nicht anders. Erneut fasste er Zuckers Hand, drückte sie und streichelte mit dem Daumen tröstend darüber.

Dabei hätte er Zucker viel lieber ganz fest umarmt. Doch der Prinz hatte noch mehr zu erzählten. Also hielt Kosta einfach weiter seine Hand und hörte zu, wie Zucker und die hayllischen Soldaten ein zweites, vergrabenes Tor entdeckt hätten. Eneas und Kosta staunten nicht schlecht. Von so etwas hatten sie noch nie gehört. Es machte keinen Sinn. Schliesslich brauchte man nur eines, um die Welten zu durchqueren. Zucker wusste auch keine Erklärung dafür. Er war nur froh, dass es so gewesen wäre, denn dann würde Sion vielleicht noch leben. Schliesslich hatte er Rashars Plan nicht gekannt und hatte nur auf seinen eigenen, verrückten Einfall zurück greifen können. Immerhin einer, der funktioniert hatte.
"Nein, du bist weder dämlich noch ein einfacher Fussoldat, Zucker", musste Kosta lachen, als der Prinz mit einem ungeduldigen Zungenschnalzen, Eneas Versuch das Unterwassertor abzustreiten, beiseite fegte. Dieses Tor zu leugnen war offensichtlich zwecklos. "Du glaubst also, dass dieses Tor beschädigt worden sein könnte, als ihr versucht habt, das Doppeltor zu zerstören?" Wie auch immer das vonstatten gegangen sein sollte. Das ergäbe auf jeden Fall einen Sinn, weswegen Zucker die Mannschaft hatte warnen wollen.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mi 19. Feb 2020, 11:42
von Yadriël
Kosta stimmte lachend zu, dass Yadriël weder dämlich noch ein einfacher Fusssoldat wäre.
"Ich war gern ein einfacher Fusssoldat", verteidigte der Prinz sich. "All die Verantwortung und derjenige sein, der sich die Pläne ausdenkt... ne, das is nix für mich." Er hatte oft Schiss im Dschungel gehabt, aber nie so sehr wie er mit Minh von den anderen getrennt gewesen war und sich selbst etwas hatte überlegen müssen wie man Sions Ritual verhinderte. Das war wirklich eine Nummer zu groß für ihn gewesen. Der Prinz war nicht so stolz, dass er das nicht hätte zugeben können.
Der Kleine fragte dann nach dem Tor unterwasser und ob es beschädigt worden sein könnte beim Versuch das Doppeltor zu zerstören. Yadriël kratzte sich an der Wange, dort wo seine Brandnarben gewesen waren. Bei bestimmten Wetterlagen spürte er sie immer noch ziehen wie eine ferne Erinnerung.
"Tja... gute Frage. Kann schon sein", gab er zu. "Aber ich wollte die Tore nicht zerstören. Ich wusste nicht wie."
"Moment, das heißt, unser Tor ist weg?", fragte Eneas. Yadriël sah ihn kritisch an.
"Euer Tor? Dass das ihr heimlich benutzt und mit niemandem teilt? Selbst als Sion die meisten anderen unter Kontrolle hatte?", machte ihn der Prinz darauf aufmerksam, dass das von den Piraten auch reichlich egoistisch gewesen war.
Es wirkte und der feine Piratenkapitän wandt sich ein wenig. "Es ist ein gut gehütetes Geheimnis unter einigen Piraten", gab er zu. "Aber es ist gefährlich es zu benutzen. Es liegt tief unter Wasser und man braucht dunkle Juwelen und eine sehr erfahrene Priesterin, um das Schiff mitsamt der Mannschaft sicher durchzubekommen. Selbst wenn wir den Standpunkt geteilt hätten, hätte es kaum einer nutzen können. Schlimmer noch, Sion hätte es für sich benutzen können", verteidigte er. Yadriël zuckte mit den Schultern. Keiner von ihnen konnte abschätzen, was anders passiert wäre.
"Okay, das war mein Plan: Ich wusste, dass Sion irgendwie die von den Ländern abgesaugten Kräfte bekommen sollte und es durch die Tore zu ihm leiten wollte. Ich hatte überlegt, ob man ein Tor im Dschungel nicht dazu nutzen kann, dass die Kräfte stattdessen zu uns kommen. Und durch die Priesterin hindurch ins zweite Tor. Wie ne Wasserleitung", versuchte der Prinz es zu erklären.
"Das würde niemand überleben", stieß Eneas erschrocken aus. Yadriël drückte nochmal Kostas Hand.
"Ich weiß", sagte er leise. "Aber irgendwer musste es machen... Minh war die einzige Chance, die wir hatten." Wenn er sie nicht überredet hätte und stattdessen hätte weglaufen lassen, wäre Sions Ritual erfolgreich gewesen. Aber er hatte Frauen schon für geringere Gründe überredet...

"Also ist die Kraft aller Königinnen und Länder ins Unterwassertor geströmt?", fragte Eneas ungläubig. Yadriël nickte.
"Ja, inklusive Sions eigener Macht. Sozusagen. Keine Ahnung was das ausgelöst hat. Davor wollte ich euch warnen. Ihr solltet euch die Stelle vielleicht anschauen ohne dass ihr das Tor benutzt. Auf beiden Seiten", riet der Dhemlaner. Eneas nickte nachdenklich.
"Es ist schwer zu sagen, was so viel Macht anrichten kann. Es kann große Schäden im Meer verursacht haben. Das hat wirklich funktioniert? Das war die ganze Geschichte? Ihr habt es geschafft?", fragte er fast schon zu neugierig.
Der Prinz verzog das Gesicht. "Reicht die Geschichte nicht?", entgegnete er.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Do 20. Feb 2020, 07:50
von Kosta
Er schien mit seiner Ahnung recht gehabt zu haben, dass Zucker das Unterwassertor beschädigt hatte, als er Sions Plan vereitelt hatte. Respektive der Prinz wusste es nicht genau, vermutete es jedoch. Denn er hätte die Tore damals nicht zerstören wollen. Er hätte gar nicht gewusst wie. Kosta nickte langsam. Das hätte er auch nicht gewusst. Eneas war schon etwas weiter. Unglücklich fragte er nach, ob ihr Tor nun weg wäre. Seltsamerweise tadelte Zucker ihn dafür, dass sie es ihr Tor nannten und es verheimlicht hatten. Kosta fand, dass das gute Gründe gehabt hatte. Dieses Tor hätte keine Armee nützen können und selbst wenn es vereinzelten Spionen gelungen wäre, hätte es früher oder später nur Aufmerksamkeit erregt, dass da mitten im Meer plötzlich Schiffe verschwanden. Und Sion hätte das Tor auf ganz unheilvolle Art nützen können, die Kosta sich gar nicht vorstellen konnte.

All das sagte Eneas auch zu Zucker, der daraufhin halbwegs besänftigt schien. Zumindest erzählte er weiter. Erklärte ihnen sein Plan, dass er die Kraft der Königinnen und Territorien, die Sion für sich hatte absaugen wollen, hatte umleiten wollen. Durch das Tor im Dschungel, durch die Priesterin hindurch ins andere Tor. Wie eine Wasserleitung. Erschrocken blickte Kosta den Prinzen an und absurderweise schoss es ihm durch den Kopf, dass Zucker niemals Klempner werden durfte. Das... das war unfassbar. Überwältigt stiess Eneas die Schlussfolgerung aus, die Kosta zwar ebenfalls wusste, es sich aber noch nicht hatte eingestehen können. Nämlich, dass das niemand überleben könne.
Diesmal drückte Zucker seine Hand tröstend und antwortete leise, dass er das wisse. Nur irgendwer hätte es machen müssen und Minh wäre die einzige Chance gewesen, die sie gehabt hätten. Weiter sprach er nicht, doch Kosta verstand auch so. Zucker hatte sie dazu überredet. Hatte sie dazu verführt und sie geopfert. Ob sie es nun gewollt hatte oder nicht. Es tat Kosta so leid, dass Zucker nun so eine Verletzung mit sich herum tragen musste. Kosta wusste, wie schwer das war. Wie weh es tat. Es war grausam, jemanden so opfern zu müssen. Nur, wenn er es nicht getan hätte, wären Minh und alle anderen erst recht gestorben. Sie hatte nicht wirklich eine Wahl gehabt. Trotzdem tat so etwas weh.

"Doch, diese Geichte reicht", versicherte Kosta leise. Natürlich konnte er Eneas Drang zum Abenteuer verstehen. Erforschen, was da passiert war. Gerade bei ihrem Unterwassertor. Oder diese ganze Heldentat in einen spannenden Abenteuerroman zu verpacken. Es wäre ein würdiges Geschenk für Minh und alle anderen, die da gestorben waren. Selber sorgte Kosta sich jedoch mehr um Zucker, der das alles überlebt hatte und nun mit der Schuld leben musste, die er auf sich geladen hatte.
"Ich danke dir, dass du das getan hast, Zucker", sagte er eindringlich und blickte dem Prinzen dabei fest in die Augen. Behutsam hob er dessen Hand, die er noch hielt und hob sie hoch. "Danke, dass du Minh de Tavares zu den Toren gebracht und sie dazu überredet hast, sich für uns alle zu opfern." Sachte gab er ihm ein liebes Küsschen auf die Fingerknöchel, ehe er sich Zuckers Hand mit dem Handrücken an die Wange hielt. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ohne dich nicht hier würden sitzen können."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Do 20. Feb 2020, 13:23
von Yadriël
Es war Kosta, der dann weiterem Erzählen einen Riegel vorschob und beteuerte, dass die Geschichte reiche. Dann dankte er ihm dafür, dass er Minh zu den Toren gebracht und überredet hatte sich für sie alle zu opfern. Kosta sah ihn tief an, gab ihm ein paar Küsschen auf die Fingerknöchel und hielt sich dann Yadriëls Hand sanft an die Wange. Es war alles sehr süß und lieb, doch der Prinz wusste nicht, ob er das verdient hatte.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ohne dich nicht hier würden sitzen können", glaubte Kosta. Yadriël räusperte sich und zog langsam seine Hand fort. Außerdem wusste er, dass der Kleine ohne ihn garantiert nicht hier sitzen würde. Es würde ihn gar nicht geben. Oh, das war ein seltsames Gefühl. Er war kein Vater. Er wollte keiner sein und hatte nie drum gebeten. Anderseits war es gut, dass es den Kleinen gab.
"Naja... kann schon sein, aber Rashar ist jetzt tot, Minh ist tot..." Er rang kurz mit sich ehe er auf Eneas' Frage vorhin einging. Der hatte Kostas Geste genau beobachtet, aber nichts dazu gesagt. "Aber nein, das war nicht die ganze Geschichte. Längst nicht." Er hatte nichts vom Auftauchen von Magyarosa erzählt, dem Kampf in der Grube, Einauges Opfer und all die anderen...
"Sie hat gedacht, man würde Statuen von ihr aufstellen. Schulen nach ihr benennen. Ich dachte nicht, dass ich lebend rauskomm. Dass auch nur irgendwer je erfährt was im Dschungel wirklich passiert ist."
"Die Welt könnte davon erfahren", sagte Eneas auf einmal. "Es ist nicht zu spät für Statuen und Schulen in ihrem Namen. Ich kann über sie schreiben und dafür sorgen, dass ihr Name für lange, lange Zeit jedem bekannt sein wird." Er sagte das so inbrünstig und mit idealistischem Leuchten in den goldenen Augen, dass Yadriël fast geneigt war ihm zu glauben.
"Ah, und wer soll das lesen? Du und deine Piraten?", entgegnete er.
Eneas sagte nicht gleich etwas darauf. "Meine Leser", antwortete er schließlich. "Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?"
Yadriël hatte keine Ahnung worauf der Krieger hinauswollte. "Wem soll ich hier was erzählen? Wovon redest du?", fragte er.

Als Antwort erschienen plötzlich um sie herum Stapel von Stapel an Büchern. Yadriël sah sich perplex um. Überall auf den Einbänden war der gleiche Name zu lesen. Leanthes Veredis. Allerdings sagte ihm das nichts.
"Ich bin auch Schriftsteller. Ich schreibe seit Jahrzehnten Romane, Gedichte und Theaterstücke. Leanthes Veredis ist mein Pseudonym. Ich bin vor allem in Hayll bekannt, aber mit Timaris' Hilfe könnte man ein Werk über Minh de Tavares sicher auch auf raejisch übersetzen und dort herausbringen", erklärte Eneas eifrig. Der Dhemlaner hob überfordert eines der vielen Bücher auf.
"Ich wollte nichts mehr mit dem zu tun haben was im Dschungel abgegangen ist... ich hab euch das nur gesagt, damit ihr nicht zerbröselt wenn ihr durch das Unterwassertor fahrt", wehrte Yadriël ab. Eneas ließ die Bücher wieder in seinem Juwelengepäck verschwinden.
"Es muss nicht sofort sein. Vielleicht später wenn du dich bereit fühlst und möchtest. Falls du sie nachträglich ehren möchtest."
Yadriël sah ihn kritisch an. "Du meinst im Ausgleich dafür, dass ich sie zum Schlachtblock geführt hab?"
Eneas schüttelte hastig den Kopf. "So habe ich das nicht gemeint. Es könnte dir helfen abzuschließen und-"
Der Prinz winkte ab. "Lass mal stecken. Das war keine spannende Geschichte für mich. Das warn Überlebenskampf. Jetzt ist er vorbei und ich hab damit abgeschlossen." Was brachte es, das nochmal hochzuwürgen? Außerdem wollte er seinen Beitrag garantiert nicht niedergeschrieben haben. Minh war tot. Sie hatte nichts mehr von Statuen und Schulen. Yadriël war zufrieden damit, dass kaum einer davon wusste, dass sie Sion vernichtet hatten. Er brauchte kein Held sein.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Sa 22. Feb 2020, 07:55
von Kosta
Selbstverständlich waren einige kleine Worte des Dankes nicht genug, um den Schmerz zu lindern, die der Verrat an Minh in seiner Seele angerichtet hatte. Unglücklich zog Zucker seine Hand weg und meinte auf seinen Dank hin, dass Rashar und Minh jetzt trotzalledem tot wären. Kosta nickte verstehend. Zucker ging sogar soweit zuzugeben, dass das noch nicht die ganze Geschichte gewesen wäre. Noch lange nicht. Kosta nickte erneut und lächelte aufmunternd, in der Hoffnung, Zucker würde noch mehr erzählen. Er nahm an, dass der Prinz schon bis jetzt so einiges zusammengefasst und kleinere Dramen gar nicht erwähnt hatte. Das würde hoffentlich noch kommen, wenn er bereit war, aufzuarbeiten, was in Raej geschehen war.
Erst einmal erzählte er jedoch nur von Minh de Tavares und wie sie geglaubt hatte, man würde Statuen von ihr aufstellen und Schulen nach ihr benennen. Zucker hingegen hatte nicht gedacht, dass er lebend rauskomen würde. Dass auch nur irgendwer je erfahren würde, was im Dschungel wirklich passiert sei.
Nun war es an Eneas den Prinzen trösten und motivieren zu wollen. Leidenschaftlich, voller hilfsbereitschaft und Idealismus schlug er vor, darüber zu schreiben, damit man trotzdem noch Statuen bauen und Schulen nach Minh de Tavares benennen konnte. Dankbar strahlte Kosta ihn an. Das wäre wundervoll, wenn Eneas das täte. Leantes Varedis hatte eine grosse Leserschaft. Es würde Minh de Tavares berühmt machen. Zucker konnte das jedoch nicht wissen und stand dem Ganzen eher skeptisch gegenüber. Doch Eneas wollte so gerne helfen, dass er Zucker sogar sein Geheimnis verriet, dass er Leanthes Varedis war und dass sein Buch über die Priesterin mit Hilfe von Timaris sicher auch auf raejisch übersetzen könne, damit die Raejer auch wussten, was passiert war.

Leider war das Zucker dann doch zuviel. Mit den vielen Büchern auf dem Tisch konnte er nichts anfangen und eigentlich wollte er auch gar nicht mehr an den Dschungel denken, weil es da so schlimm gewesen war. Zumindest interpretierte Kosta so seine Ablehnung. Zucker hatte sie nur warnen wollen, damit sie nicht zerbröselten, wenn sie durch das Unterwassertor fuhren. Eneas versuchte ihn trotzdem noch etwas zu überreden, wofür er von Zucker eine eher freche, abschlägige Antwort erhielt, was seinen Liebsten prompt etwas erschreckte so dass er sich zu erklären versuchte. Zucker winkte ab, dass es keine spannende Geschichte für ihn gewesen sei. Sondern ein Überlebenskampf. Der wäre jetzt vorbei und er hätte damit abgeschlossen.

"Es geht jedoch nicht nur um dich", musste Kosta sich da dann doch einschalten. Sanft, liebevoll aber durchaus auch bestimmt. Einerseits um Eneas und sein liebes Angebot zu verteidigen, andererseits jedoch auch, weil er fand, dass Zucker lernen musste, grösser zu denken. "Es geht nicht darum, dass eine spannende Geschichte erzählt wird. Sondern darum, dass die Wahrheit bekannt wird. Über Sion, über Dhemlan, über jeden einzelnen von uns. Es geht um die, die da waren und wie du vielleicht auch überlebt haben. Es geht um die Angehörigen, die nicht wissen, was mit ihren Liebsten passiert ist und deswegen nicht abschliessen können. Es geht darum wie wir, wie alle Blutleute uns in Zukunft Verhalten werden, nun, nachdem wir wissen, wie Sion uns manipuliert und mit unseren Ängsten gespielt hat. Das geht jedoch nur, wenn die Welt weiss, was tatsächlich passiert ist." Lieb und aufmunternd lächelte er Zucker an, damit sich dieser noch einmal in Ruhe Gedanken darüber machte.
"Aber noch viel wichtiger als all das ist etwas anderes", fuhr er leise fort und sein Lächeln bekam einen melancholischen Zug. "Nämlich, dass du so die Gelegenheit bekommst, dein gegebenes Wort zu halten." Etwas, was Kosta selbst nicht vergönnt war. Ja, Minan war zwar aus der Feste geborgen worden, doch das war nicht sein Verdienst gewesen. Er hätte ihn da sterben lassen.

"Hallo? Ist niemand da?" rief Andiël in dem Moment von der anderen Seite des Hauses her. Kosta schreckte auf. Andiël und Kalliope waren endlich eingetroffen. Fürsorglich sprang er auf und eilte durch den Garten ums Haus herum.
"Doch, wir sind im Garten", rief er eilig und traf auf halbem Weg Eneas Schwester und ihren Liebsten.
"Wir haben geklopft, aber niemand hat geantwortet", meinte Andiël.
"Es tut mit leid", entschuldigte Kosta und führt die Beiden nach hinten zu der Veranda. "Wir haben euch nicht gehört. Schön seid ihr hier. Wir dachten, wir nutzen das schöne Wetter, um draussen zu essen. Bitte, kommt nur auf die Veranda. Ich möchte euch gerne Yadriël Erenos vorstellen. Zucker, das sind Kalliope Ivores und Andiël Sastre."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Sa 22. Feb 2020, 17:33
von Eneas
Eneas hatte durchaus geglaubt, dass Yadriël eine wichtige Rolle bei der Verhinderung des Rituals gespielt hatte, doch es war nochmal etwas ganz anderes die Einzelheiten zu erfahren. Welche Gefahren und Schwierigkeiten der Dhemlaner gegenüber gestanden war. Yadriël selbst schien es eher unangenehm darüber zu reden. Da waren Kosta und er sich ähnlich. Bisher hatten sie nie mehr als ein paar flappsige Sätze dazu aus ihm herausbekommen, doch kurz vor ihrem Besuch schien es ihm wichtig zu sein darüber zu reden. Vor allem, um die Piratenmannschaft vor etwas zu warnen. Es dauerte eine Weile bis der Prinz erklärte wie diese Warnung an die Piraten mit dem Ritual im Dschungel zusammenhing. Es war eine ganz unglaubliche Geschichte, obwohl Yadriël gewiss Dinge wegließ oder noch nicht richtig wusste wie man sie in Worte fassen konnte.
Er beteuerte mehrmals, dass eine Priesterin namens Minh de Tavares die wahre Heldin gewesen wäre. Er hätte sie nur dazu überredet sich zu opfern. Yadriël ließ es kaum erkennen, doch seine Rolle darin schien ihn zu belasten. Eneas war die letzten Tage aber stets so auf Kostas Probleme fixiert gewesen, dass er nicht darüber nachgedacht hatte, dass auch der Dhemlaner aus Kriegsgebiet kam und vermutlich schweres Trauma erlitten hatte. Er überspielte es meist oder lenkte gekonnt davon ab.
Um dem Prinzen zu helfen und weil Eneas beim Hören der Geschichte bald spürte, dass es etwas war, das wert war von vielen Menschen gehört zu werden, weihte er ihn in das Geheimnis ein, dass er auch ein bekannter Schriftsteller in Hayll war. Was Yadriël erzählte, berührte ihn und Eneas wusste, dass er das was sich im Dschungel abgespielt hatte, in einer Form niederschreiben konnte, dass es auf Jahre hinweg noch viele Menschen inspirieren würde. Er glaubte nicht, dass Yadriël seine Identität verraten würde. Bisher hatte er auch nichts über die Piraten verraten und Kosta schien ihm sowieso sehr zu vertrauen.
Es nagte an Eneas wie vertraut und natürlich die beiden miteinander umgingen. Die kurze Geste mit Kostas Hand an Yadriëls Wange zeigte ihm, dass Kosta den Prinzen immer noch liebte. Aber Eneas wollte nicht eifersüchtig sein, wo er sah, dass die beiden sich gegenseitig halfen mit den Schrecken des Krieges fertig zu werden. Jeder auf seine Art. Wenn durch all das Leid und all die Opfer eine tiefe Freundschaft dabei herausgekommen war, so wollte Eneas dem nicht im Wege stehen.
Solange er die beiden nie wieder miteinander im Bett fand...

Es war bedenklich was Yadriël über das Unterwassertor erzählte. Eneas verstand, dass der Prinz sich in der Notlage nicht anders zu helfen gewusst hatte. Es klang nach einem wahnwitzigen Plan die Kräfte Sions und der Königinnen durch ein zweites Tor woanders hinzuleiten. Dass Yadriël alleine darauf gekommen war, war beeindruckend und bewies, dass der Dhemlanger längst nicht so einfach war wie er ihnen weißmachen wollte.
Und wohin hätte er diese Macht sonst leiten können? Eneas hätte an Yadriëls Stelle vielleicht ähnlich entschieden. Wenigstens waren beim Unterwassertor keine Menschen, die getötet hätten werden können. Trotzdem machte Eneas sich Sorgen, was diese Kräfte im Meer angerichtet hatten. Es ließ sich schwer vorhersagen.
Er musste Leto unbedingt davon erzählen. Wenn sie dorthin segelte, so sollte sie gewappnet sein.
Neben dem Schicksal des Tor im Meer, interessierte Eneas aber auch der Rest der Geschichte. Yadriël sagte nur knapp, dass Minh und Rashar, sein Kommandeur, bei dem Ritual umgekommen waren. Vermutlich war die Priesterin von den Kräften, die sie weitergeleitet hatte, zerrissen worden. Ein grausames Schicksal und man konnte nur hoffen, dass sie wenig davon gespürt hatte. Eneas bekam mehr und mehr das Gefühl, dass dieser Frau Gerechtigkeit widerfahren sollte. Wenn sie Statuen von sich gewollt hatte und Schulen in ihrem Namen, wenn es das war, was sie angetrieben hatte dieses große Opfer für sie alle zu begehen, so sollte sie es bekommen.
Eneas versuchte Yadriël davon zu überzeugen ihn die Geschichte aufschreiben zu lassen, doch der Dhemlaner wirkte überfordert und blockte ab. Er hätte damit abgeschlossen und wolle nicht mehr daran denken. Eneas glaubte ihm nicht ganz. Yadriël hatte ihnen mehr von den Erlebnissen erzählt, als nötig gewesen wäre, um sie nur wegen dem Tor zu warnen. Und dass er die Priesterin gegen ihren Willen zum Tor gebracht und überredet hatte, schien ihn auch zu quälen.
Eneas hatte halb erwartet, dass Kosta sich auf die Seite seines Kriegskameraden schlagen würde, auch weil er selbst nicht über seine Erlebnisse reden wollte, doch der Krieger versuchte Yadriël ebenfalls zu ermuntern. Es wäre wichtig, dass man die Wahrheit erfuhr über das was passiert war. Es ginge auch um die Angehörigen, die nicht abschließen könnten, und über alle Blutleute und wie sie sich in Zukunft verhalten wollten.
Verliebt seufzend sah Eneas zu seinem Freund. Konnte es sein, dass sein Idealismus ein bißchen auf Kosta abgefährt hatte? Vor allem hatte er ihn lange nicht mehr so optimistisch gehört. Zärtlich streichelte er über Kostas Handrücken.
"Kosta hat Recht. Sion hat jeden Einzelnen betroffen. Wenn wir davon heilen und lernen wollen, hilft es zu erfahren was genau passiert ist. Minh de Tavares könnte viele andere inspirieren. Die tapferen hayllischen Soldaten, die bei euch waren. Die Raejer Rebellen im Dschungel", zählte er auf.
Der Prinz sagte nichts dazu und Kosta fuhr fort, dass es eine Gelegenheit für Yadriël sein könne, sein gegebenes Wort zu halten.
"Kleiner, mein gegebenes Wort is nen Scheiß wert", entgegnete der Dhemlaner. "Und ich will nichts mehr damit zu tun haben."
Eneas vermutete, dass Yadriël ziemlich überfordert und aufgewühlt war. Doch Eneas würde so schnell nicht locker lassen. Vielleicht wollte der Prinz mit der Zeit doch mehr darüber reden.

Bevor Eneas es nochmal versuchen konnte, überraschte sie ihr Besuch und sie hörten Andiëls Stimme. Kosta stand sofort auf und war blitzschnell nach vorne verschwunden. Eneas erhob sich langsamer, während Kalliope und Andiël bereits durch den Garten kamen. Stolz stellte Kosta sofort seinen neuen Freund vor und wieder als Yadriël Erenos. Eneas versuchte eine neutrale Miene zu wahren. Der gleiche Familienname brachte ständig Probleme.
Besonders Kalliope wirkte zunächst überrascht, blickte zwischen Kosta und Yadriël hin und her. Seine Schwester hatte ihre dunklen, langen Haare hinten nur sanft zusammengebunden und sie trug wieder ein fließendes, lockeres Kleid und eine längere Strickjacke darüber. Es war immer noch ungewohnt sie so zu sehen, wo Eneas sie nicht anders kannte als mit streng gebundenen Haaren und eng anliegenden Kleidern.
Andiël trug eine dunkle Hose und ein helles Hemd, die obersten Knöpfe locker geöffnet.
"Es freut mich sehr." Er neigte den Kopf vor Yadriël. "Der berühmte Zucker. Kosta hat schon so viel von euch erzählt." Andiël grinste leicht. "Regelrecht geschwärmt hat er. Ich habe die Daumen gedrückt für die Rettungsaktion."
"Danke. Hat geholfen", erwiderte Yadriël. "Und dutzen reicht völlig. Habs nich so mit Förmlichkeiten."
"Keine Bange. Wir sind ganz unförmlich unterwegs", bemerkte Andiël verschmitzt. "Hallo, ihr zwei." Dann umarmte er Kosta und Eneas freundschaftlich.
"Es ist schön, dass ihr in der Nähe wohnt", sagte Kalli und Eneas drückte seine Schwester auch. Sie wirkte sehr dünn. Hoffentlich konnte sie sich gut erholen.
"Wir hätten euch schon früher einladen sollen, aber ich dachte, wir brauchen alle Zeit, um uns einzugewöhnen", erklärte Eneas. Andiël und Kalliope hatten zwar schon früher in Mineva gewohnt, jedoch nur ab und zu als Urlaub und das letzte Mal war schon sehr lange her. Es war etwas anderes, wenn sie nun permanent hier lebten.
"Setzt euch. Wir haben einen frischen Salat mit Putenbruststreifen vorbereitet. Danach gibt es Mousse au chocolat."
"Euer Name...", setzte Andiël an und sah zu seinem Landsmann.
"Hey, ich hoffe, wir müssen das nich jedes Mal durchgehen. Ich hab nur Erenos in den Ausweis geschrieben, damit der Kleine mich findet, falls ich es nich schaffe", fiel ihm Yadriël dazwischen. Anscheinend war ihm das auch allmählich unangenehm.
"Oh, ich habe bereits ein wenig darüber gehört. Ich war dabei, als der Brief über eure.. deine Verwundung eintraf", erklärte Andiël. "Nein, ich meinte den Vornamen. Ein sehr alter, dhemlanischer Name."
Yadriël kratzte sich an der Wange. "Tja.. habs mir nich ausgesucht. Dachte nur, es wär an der Zeit ihn mir zu eigen zu machen."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 08:57
von Kosta
Zu gerne wollte Kosta Zucker noch sagen, dass es von nun an an ihm läge, wieviel sein Wort wert war. Dass es von nun an Gewicht hatte, denn jetzt war Zucker frei und konnte sich dazu entscheiden, sein gegebenes Wort zu halten. Sobald er dazu bereit war natürlich. Erst einmal musste Zucker selber wieder gesund werden. Sowohl körperlich, als auch seelisch. Zweiteres zumindest so gut es ging. Sein Versprechen Minh gegenüber zu halten würde sicherlich auch helfen.

Erst einmal kamen jedoch Kalliope und Andiël zu Besuch. Eilig ging Kosta los, sie zu begrüssen. Es war ihm etwas peinlich, dass er sie an der verschlossenen Eingangstür hatte warten, respektive gar nicht gehört hatte. Dabei wollte er sie doch so gerne umsorgen und hoffte, dass sie etwas Frieden gefunden hatten hier in Mineva. Dass die beiden jedoch noch mittendrin waren, ihre Erlebnisse zu verarbeiten zeigte sich insbesondere an Eneas Schwester, die ihre Haare nur locker zusammen gebunden hatte und ein weiches Kleid mit einer Strickjacke trug. Etwas gemütliches und definitiv nichts, was die Priesterin sonst gerne trug. Auch dann nicht, wenn sie einmal frei hatte.

Andiël schien es da besser zu gehen. Wobei er sich regelrecht auf das schöne im Leben stürzte. So musste er prompt erzählen, dass Kosta ganz viel von Zucker erzählt hätte. Sogar geschwärmt. Kosta spürte wie er augenblicklich feuerrot wurde. Seine Wangen brannten und ihm wurde ganz heiss. Er hatte vergessen wieviel er Andiël auf dem Schiff erzählt hatte. Und noch weniger hatte er damit gerechnet, dass der Prinz das nun so brühwarm ausplaudern würde. Ausgerechnet vor Eneas. Scheu blickte er zu seinem Liebsten rüber und hoffte, dass er ihm nicht böse war. Sehr gerne, hätte er sich nun entschuldigend an ihn gekuschelt. Andiël wollte sie allerdings nun begrüssen und drückte sie einen nach dem anderen fest. Überrumpelt liess Kosta es geschehen, erwiderte es nur schüchtern.

"Allein zu wissen, dass ihr ganz in der Nähe seid, ist schon sehr tröstlich", nickte auch Kosta dazu, dass es schön war, dass sie so nahe beieinander wohnten. Selbst wenn sie noch nicht bereit waren, sich zu treffen und immer mal wieder ihre Tiefs durchstehen mussten, bevor sie die Hochs wieder geniessen konnten. Zu wissen, dass man einfach ein kleines Stück weit gehen musste, um seine Freunde zu sehen, war sehr beruhigend.
Gastfreundlich schenkte Kosta nun auch ihren Gästen Limonade ein, während Eneas ihnen die Stühle anbot und erzählte, was es leckeres zum Essen geben würde. Neugierig wie Andiël war, fing er gleich ein Gespräch mit Zucker an und natürlich ging es wieder über dessen Namen. Ungeduldig unterbrach Zucker ihn gleich und fasste in einem Satz zusammen, weshalb er zur Zeit Yadriël Erenos hiess. Andiël wehrte jedoch ab, dass er den Vornamen gemeint hätte. Es wäre ein sehr alter dhemlanischer Name.
"Tatsächlich?" hakte Kosta interessiert nach. Zucker schien es egal zu sein. Er wollte einfach nur einen Namen haben. Kosta hingegen wollte gerne mehr darüber erfahren. Vielleicht gab es ja einen Grund, weswegen man Zucker Yadriël genannt hatte.
"Deinen Nachnamen kannst du bestimmt ändern lassen, sobald es dir wieder besser geht Zucker", schlug er seinem Patienten vor. Er fand es auch nicht sonderlich gut, dass ein freier Mann den Namen eines Sklaven angenommen hatte. Das gab konnte nur Probleme geben. "Der Gips kommt ja bald ab. Ich bin froh, dass alles so gut verlief. Von deiner Rettung bis jetzt." Kosta wandte sich wieder an Andiël. "Ich glaube, wir hatten noch keine Rettungsmission, die so einfach und glatt gelaufen ist, wie die Zucker aus dem Krankenhaus in Raej zu holen."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 11:35
von Andiël
Andiël klopfte nochmal, doch nichts rührte sich im Haus.
"Bist du sicher, dass wir die richtige Adresse haben?", fragte Kalliope.
Andiël nickte. "Vielleicht vergnügen sie sich im Bett und haben die Zeit vergessen", spekulierte er. Kalliope schüttelte skeptisch den Kopf, hielt dann kurz inne.
"Ich spüre sie im Garten. Kosta würde außerdem nie seine Gäste vergessen", sagte sie. "Nur weil dir das passiert..."
"Uns", korrigierte Andiël sie. "Wenn ich mich richtig erinnere, warst du oben. Ich hatte gar keine andere Wahl." Er grinste verschmitzt und Kalli musste auch kurz lächeln.
"Lass uns mal im Garten nachschauen", schlug der Prinz vor und gemeinsam begannen sie ums Haus rumzugehen. Andiël legte einen Arm um die Priesterin. Es fühlte sich immer noch unwirklich an in Mineva zu sein. Als würden sie durch einen Traum wandern. Leider hatte auch dieser Traum hässliche Züge begonnen. Andiël musste nur an die Stapel Drohbriefe und Hassbotschaften denken, die täglich beim Haus eintrafen.
Wenigstens heute bot etwas Abwechslung. Da Eneas und Kosta nicht so weit weg wohnten, hatte er es gewagt das Haus zu verlassen und auf einen Besuch vorbeizukommen. Auf ihre Rufe kam ihnen dann auch bald Kosta entgegengerannt, der sich sofort entschuldigte und sie dann zu sich auf die Veranda einlud. Als sie hinten in den Garten kamen, war bereits alles auf der Veranda für ihren Besuch vorbereitet. Neben Eneas war auch ein weiterer Mann da. Ein dhemlanischer Prinz. Oh, das musste dieser Zucker sein, Kostas alter Kriegskamerad, den er jetzt versorgte. So war Andiël nicht überrascht ihn hier anzutreffen. Kalliope an seiner Seite stockte aber merklich und wirkte leicht irritiert.
*Das ist Zucker. Kostas Schwarm aus Raej. Ich habe dir von ihm erzählt*, sandte er ihr.
*Das ist es nicht. Ihre Signaturen... ich dachte... ist für den Moment nicht wichtig*, erwiderte Kalli und dann wurde Andiël bereits durch die Vorstellungen und Begrüßungen abgelenkt. Er schmunzelte, als Kosta ihn als Yadriël Erenos vorstellte. Andiël erinnerte sich gut wie sehr Eneas über den Namen geflucht hatte. Ob es ihm immer noch ein Dorn im Auge war?
Andiël selbst hatte keine Vorurteile gegenüber dem geretteten Prinzen und begrüßte ihn charmant. Zucker, oder Yadriël, saß noch mit eingegipsten Beinen im Rollstuhl, doch ansonsten wirkte er gesund. Er wehrte die förmliche Anrede ab und bedankte sich für das Daumendrücken.

Eneas erklärte, dass er sie schon früher eingeladen hätte, doch sie hätten Zeit zum Eingewöhnen gebraucht. Andiël nickte. Er war sich nicht sicher, ob sie damit bereits abgeschlossen hatten. Es fühlte sich nicht wie... zuhause an. Es war zwar immer schön gewesen einen Abstecher nach Mineva zu machen, doch es war nicht seine Heimat. Und nun nach dem Krieg war das Willkommen der Bewohner alles andere als herzlich. Andiël konnte es ihnen nicht verübeln.
Er rückte Kalli den Stuhl zurecht und sie setzten sich. Was Eneas an Essen beschrieb, klang lecker, doch sie waren nicht hauptsächlich des Essens wegen hier. Andiël war froh über etwas Gesellschaft und Tapetenwechsel. Auch Kosta pflichtete bei, dass es tröstlich wäre zu wissen, dass die anderen in der Nähe wohnten. Damit hatte er recht, doch bisher hatten sie wohl alle an ihren eigenen Problemen zu kämpfen gehabt. Jetzt wollte Andiël sich unterhalten.
Besonders Yadriël interessierte ihn. Es gab nicht viele Personen für die Kosta durch die halbe Welt reiste, um sie zu sehen. Wie hatte es dieser Prinz in den illustren Kreis geschafft? Andiël wollte mit seinem ungewöhnlichen Vornamen anfangen, als Yadriël schon vorschob wieso er nun Erenos hieß. Doch das wusste Andiël bereits. Viel mehr interessierte ihn der Vorname, doch dazu sagte der andere Prinz nicht viel und meinte nur, er hätte ihn sich nicht ausgesucht.
"Welches Kind kann das schon", scherzte Andiël. Der Soldat schien leider weniger glücklich mit dem Namen, den er bekommen hatte. "Es ist ein sehr schöner Name", bekräftigte Andiël. Auch Kosta schien daran interessiert zu sein. Zudem schlug er vor, dass Yadriël seinen Nachnamen wieder ändern könnte.
"Mal sehen", bemerkte dieser nur lapidar. Andiël wunderte sich, ob der Mann keinen eigenen Familiennamen hatte und wieso er diesen nicht wählte. Wenigstens war Zucker gerettet und Kosta schien sehr glücklich darüber, dass die Rettungsmission so einfach und unkompliziert verlaufen wäre.
"Du meinst nicht so wie unsere?", fragte Andiël.
"Bei Yadriël wussten wir zum Glück wo er ist und dass er außer Lebensgefahr ist", sprang Eneas ein, "Das Unwissen um euch, wo ihr seid und wie es euch geht, war viel schlimmer." Er lächelte seine Schwester an. "Wie ist es euch bisher ergangen? Konntet ihr euch etwas erholen?"
"Etwas. Wenn wir uns nicht gerade mit Behörden herumschlagen, um an mein Geld in Hayll zu kommen", erklärte Andiël und konnte seine Erschöpfung darüber nicht ganz verbergen. Er trank etwas von der Limonade, die Kosta ihnen eingeschenkt hatte.
"Es hat sich herumgesprochen, dass Andiël in Mineva ist. Es macht es sehr schwierig einen Neustart zu beginnen", sagte Kalliope diplomatisch.
"Ist etwas passiert?", fragte Eneas gleich besorgt.
Andiël und Kalliope schwiegen einen Moment. Der Dhemlaner wollte die anderen nicht unnötig damit belasten, wo sie ihre eigenen Probleme hatten. "Leider ist mein Name nicht unbekannt und man weiß, dass ich Sions Propaganda verfasst habe. Verständlicherweise nimmt man mir das übel. Jeden Morgen sammelt sich meine Post darüber."
"Es beruhigt sich vielleicht mit der Zeit", hoffte Eneas. "Die Wunden sind noch frisch."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 12:18
von Kosta
Leider erzählte Andiël nicht mehr über den Namen Yadriël und Zucker tat gleichgültig auf den Vorschlag, seinen Nachnamen zu ändern. Vielleicht wollte Zucker ihn nicht verletzen und sprang deswegen nicht gleich begeistert darauf an. Kosta kam nicht mehr dazu, weiter in die Richtung der Namensgeschichten zu bohren. Das Gespräch ging schnell zu ihren Rettungsmissionen über. Kosta nickte sachte auf Andiëls Frage, dass er die Rettung von Kalliope und ihm meinte. Wobei Kostas eigene Rettungsmission und damit die von Timaris noch viel, viel heikler gewesen war. Kosta erschauderte jedes Mal wieder, wenn er daran dachte, in was für eine Gefahr Eneas sich seinetwegen begeben hatte.

Glücklicherweise waren sie jetzt alle miteinander in Sicherheit von Mineva und konnten sich daran machen, sich zu erholen. Das war schon eine Herausforderung genug. Sei es nun, weil man geduldig warten musste, bis der Gips ab war, oder einem die Schrecken von Dhemlan nachts hinterrücks überfielen oder weil man im sicheren Hafen nicht willkommen war. Andiël und Kalliope erzählten davon, dass es schwierig war, einen Neustart zu beginnen. Abgesehen davon, dass Andiël nicht zu seinem Geld kam, hatten die Minever nun mitbekommen, dass er hier lebte und viele wussten, dass er Sions Propaganda geschrieben hatte. Das verursachte Wut in den Menschen, die in Mineva lebten.

"Prinz Tolarim hat dir doch einen gewissen Geldbetrag monatlich zugesprochen, bis Timaris sich um deine Angelegenheit hat kümmern können", wandte Kosta etwas verwirrt ein. Ist es zu wenig? Braucht ihr Hilfe?" Kosta fragte sich, warum ausgerechnet Andiël sich das antat, sich mit den Behörden herum zu schlagen. Er war so gar nicht der Prinz dafür.
"Timaris wird dir dein Geld sicher zurück geben, sobald sie die Zeit dazu hat", versuchte er den Prinzen lieb aufzumuntern. "Sie hat es nicht umsonst annektiert. Sie wird, so wie Prinz Tolarim es gesagt hat, sicher auch versuchen die Minever mit dir zu versöhnen. Es braucht einfach etwas Zeit. Sie hat jetzt bestimmt viel, worum sie sich kümmern muss. Habt noch ein wenig Geduld. Vielleicht könntest du ja auch etwas gemeinnützige Arbeit machen Andiël. Etwas, um deinen guten Willen zu zeigen."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 14:11
von Kalliope
Kalliope war sich sicher gewesen, dass sie nur zwei Signaturen hinter dem Haus gespürt hatte, doch als Kosta sie begrüßte und zur Veranda führte, war da noch eine dritte Person. Eine deren Signatur der Kostas sehr ähnlich war. So ähnlich sogar, dass die Priesterin sie kurz verwechselt hatte. Als Priesterin war sie besonders darauf eingestimmt Signaturen zu erspüren, ihre verschiedenen Auren und Zustände. Es war ihr Spezialbereich, aber sie hatte es lange nicht mehr trainiert, weswegen sie unsicher war, ob sie sich nicht etwas falsches einbildete. Sie traute ihrer Intuition nicht mehr so sehr seit Dhemlan. Dort hatte sie auch fest geglaubt, dass Rache der einzige, richtige Weg war. Sions Aura hatte alles um sie herum verdorben, alle Signaturen verzerrt und gebrandmarkt. Auch ihre eigene. Als Priesterin hatte sie zwar länger dagegen angekämpft, doch nach Monden in Dunrobin Castle war es schleichend in sie gedrungen und hatte ihre Wahrnehmung verändert.
Sions dunkles Flüstern war zwar fort, doch damit war nicht automatisch alles besser geworden. Normalerweise wäre Kalliope fest davon überzeugt, dass Kosta und dieser Yadriël Erenos, den er ihnen gerade vorstellte, miteinander verwandt waren. Sehr stark sogar. Aber die Priesterin traute ihren eigenen Eingebungen nicht. Keiner der beiden sagte etwas zu ihrer Verwandtschaft und der fremde Dhemlaner erklärte sehr schnell, dass er den Nachnamen Erenos nur gewählt hatte, damit Kosta ihn nach dem Krieg wiederfand.
So sagte Kalli lieber nichts dazu und begrüßte ihren Bruder mit einer lockeren Umarmung. Sie spürte Sorge in seiner Signatur und sein Blick besagte das gleiche. Dabei brauchte er sich keine Sorgen um sie zu machen. Sie würde schon wieder genesen. Es war Andiël, um den sie sich Sorgen machte. Ihr Geliebter hatte eher ungesunde Wege mit dem Erlebten umzugehen und sie sah wie er damit kämpfte bei all der Frustration und Einsamkeit nicht wieder zur Flasche zu greifen. Dass er offen angefeindet wurde, machte ihm mehr zu schaffen als er ihr zeigen wollte.

Umso wichtiger war dieser Besuch und dass sie wieder aus dem Haus kamen. Zwar hatten sie ein paar Mal Besuch gehabt, doch es war nicht das gleiche. Sie schienen beide immer noch Angst zu haben das Haus zu verlassen. Genau wie in Dunrobin Castle kam ihnen nun auch Mineva feindlich vor.
Andiël versuchte gleich eine Unterhaltung mit dem anderen Dhemlaner zu beginnen, der aber eher knapp antwortete und offenbar nicht daran interessiert war mehr über sich preiszugeben als seinen Namen.
Kurz erwähnten sie die beiden Rettungsaktionen, um Andiël und sie sowie den verletzten Soldaten nach Mineva zu bringen. Kalliope hoffte, dass es die letzten Rettungen waren, die die beiden hatten machen müssen. Es musste ihnen auch an die Substanz gehen. Sie war froh, dass es nur Kosta bis nach Amdarh selbst und in die dunkle Burg verschlagen hatte. Er war in vielen Belangen sehr viel zäher als ihr junger Bruder.
Eneas fragte besorgt wie es ihnen ging und Andiël gestand seine Frustration über die Schwierigkeiten an sein Geld zu kommen. Kosta fragte gleich, ob der monatliche Betrag durch Prinz Tolarim nicht ausreichend wäre und ob sie Hilfe benötigten.
"Er ist ausreichend", gab Andiël zu, "Aber ich will nicht länger als nötig auf seine Hilfe angewiesen sein. Ich will nicht fragen müssen, wenn ich etwas mehr Luxus will oder auf Reisen gehen möchte. Ich will wieder mein eigenes Geld verdienen."
Er sagte es nicht, doch Kalliope wusste woran sein Drang lag. In Dhemlan hatten sie die Adeligen entmachtet und ihr Geliebter war auf das Gehalt als Propagandaschreiber angewiesen gewesen. Darüber hatte es jedoch keine Verhandlungen gegeben. Andiël hatte Kost und Logis in der Burg bekommen und nicht viel mehr. Niemand hätte gewagt nach mehr zu verlangen. Sie konnte ihm nicht verdenken, dass er nicht länger von anderen Männern Taschengeld bekommen wollte.
Kosta machte ihm Mut, dass Timaris sich um die eingefrorenen Konten kümmern würde, wenn sie Zeit hätte.

Als sie zugaben, dass Andiël unter Anfeindungen durch Hayllier litt, ermunterten beide Krieger sie. Kosta schlug vor, dass Andiël gemeinnützige Arbeit machen könnte, um seinen guten Willen zu zeigen.
Der Prinz wirkte überrascht. "Gemeinnützige Arbeit?" Es war eindeutig ein Fremdwort für ihn.
"Kosta hat recht. Das ist eine gute Idee. Du könntest in einer der Suppenküchen aushelfen, oder Kranken und Alten helfen", pflichtete Kalli bei. Wenn Andiël es von mehreren hörte, würde er sich vielleicht überreden lassen.
"Wenn ich das Haus verlasse, werde ich erst recht zur Zielscheibe", wehrte der Prinz ab. "Außerdem wüsste ich gar nicht was ich da helfen kann. Ich kann etwas spenden sobald mein Geld wieder verfügbar ist."
"Das ist etwas anderes als selbst mit anzupacken", wandte Eneas sanft ein. "Die Menschen schätzen es, wenn man mit ganzem Einsatz dabei ist. Du hast Recht, dass die erste Zeit sicher nicht leicht wird und du wütenden Menschen begegnen könntest. Aber ein einzelner Tag in einer Suppenküche reicht nicht."
Andiël seufzte. "Ach, ich hatte gehofft, dass ich hier leben kann ohne befürchten zu müssen, dass ich wie in Amdarh ständig über die Schulter gucken muss."
Kalliope strich ihm sanft über den Rücken. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass die Rückkehr nicht leicht würde. Sie wollte ihm helfen, doch es war ihr oft zu anstrengend, wo sie selbst noch Zeit für sich brauchte.
"Sei froh, dass du überlebt hast", wandte Yadriël ein. "Hab gehört, es war ganz schön heftig in Amdarh."
Andiël erschauderte sichtbar. "Das war es... und ich bin froh. Alles von mir in Dhemlan ist zerstört. Ich hatte gedacht, wenigstens in Hayll wäre mein Leben noch intakt."
"Was ist mit dir? Hast du noch Familie in Dhemlan?", fragte Kalliope. Yadriël wirkte eindeutig unzufrieden über diese Frage. Aber da war noch etwas mehr in seiner Signatur. Eine gewisse Schuld und Unsicherheit. Er schüttelte den Kopf.
"Nie gehabt." Er schwieg eine Weile. "War ein Sklave in Dhemlan bevor Sion mich zum Soldat gemacht hat", gab der Prinz dann zu.
"Ich verstehe. Ich wollte dir nicht zu nahe treten", entschuldigte Kalliope sich. "Von Kosta habe ich gehört, dass wir zur gleichen Zeit in Dunrobin Castle waren."
Yadriël schnaubte. "Ja, warn paar Stockwerke drunter. Meine Zelle war weniger fein als eure."
Andiël leerte sein Limonadenglas in einem Zug. "Müssen wir über diesen fürchterlichen Ort reden? Wo ist das Essen, das ihr uns versprochen habt?", versuchte er abzulenken. Das tat er auch, wenn Kalliope mit ihm über die Zeit zu reden versuchte.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 15:05
von Kosta
Andiël blickte ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. Gemeinnützige Arbeit war definitiv ein Fremdwort für ihn. Geschweige denn, dass er so etwas leisten könne. Kalliope hingegen war sofort für diese Idee. Dabei war sie auch nicht so der Typ Mensch, der sich gerne körperlich um seine Mitmenschen sorgte. Musste sie auch nicht. Auch Andiël nicht. Kosta konnte nur zu gut verstehen, dass der Prinz einfach nur noch das Leben geniessen wollte. Etwas Luxus haben und selbständig sein. Sobald sein Geld wieder verfügbar wäre, könne er etwas spenden. Er schien nicht so ganz verstanden zu haben, was Kosta mit seinem Vorschlag gemeint hatte. Eneas versuchte es zu erklären und Andiël Mut zu machen, dass es eine gute Sache wäre, auch wenn es zu Anfang schwierig werden würde.

"Du müsstest schon dein ganzes Geld und deine Villa spenden und in bitterer Armut leben, dass die Minever dir verzeihen und die hier akzeptieren, Andiël", gab auch Kosta sich Mühe zu erklären. Hayllier waren stolze Leute. Minever insbesondere, wo doch die Territoriumskönigin hier geboren worden war. "Ich glaube, schlussendlich wird es leichter sein, wenn du dich persönlich für die Leute hier einsetzt." Andiël war alles andere als ein Mann, der gut ohne Luxus auskam. "Wenn du willst, können wir dich begleiten", schlug er mit einem lieben Lächeln vor. Andiël hatte zwar seine Leibwächter, doch mit Freunden würden die bösen Blicke leichter zu ertragen sein.

Wirklich überzeugen schienen sie Andiël noch nicht zu können. Unwohl seufzte er und gestand, dass er gehofft hatte, hier leben zu können, ohne dauernd über die Schulter gucken zu müssen. Kosta nichte mitfühlend. Das konnte er sich denken. Andiël hatte bisher ein sorgloses Leben geführt. Dass das nun vorbei war, war keine leichte Sache für ihn.
"Versuch es anders herum zu sehen", kam Kosta ein Gedanken. "Sieh dir Mineva als eine Geliebte an, bei der du Mist gebaut hast und bei der du nun zu Kreuze kriechen musst, damit sie dich wieder lieb hat." Darin hatte Andiël wenigstens ein bisschen Erfahrung. Auch wenn er auch in diesem Bereich meistens den einfacheren Weg nahm und sich einfach eine neue Geliebte suchte. Mit Ausnahme von Kalliope. Sie umwarb er schon seit Jahrhunderten. "Umwirb sie. Verführ sie mit deinem Charme, bis sie dich willkommen heisst." Vielleicht kam Andiël mit dieser Sichtweise leichter klar.

Zucker hatte hingegen einen viel pragmatischeren Einfall. Nämlich, dass Andiël einfach froh sein sollte, noch am Leben zu sein. Andiël erschauderte prompt und wurde gleich etwas bescheidener. Dennoch war es verständlich, dass er sich nun in eine heile Welt gewünscht hatte. Etwas, was Zucker gar nicht kannte. Er wirkte wie das absolute Gegenteil von Andiël. Das einzige, was die beiden gemeinsam hatten, abgesehen von ihrem Geburtsterritorium und ihrer Blutkaste, war ihre Leidenschaft für Sex. Verlegen schlug Kosta sein Blick nieder, als er sich seiner Gedanken bewusst wurde.

"Es war überall im Schloss schrecklich", stimmte Kosta zu, als die Sprache auf Dunrobin Castle zu sprechen kam. Er war sowohl in Andiëls als auch in Zuckers Zelle gewesen. Die Düsternis in den Mauern hatten ihn kaum einen Unterschied spüren lassen. Während seiner Zeit dort hatte er es kaum gewagt zu schlafen, geschweige denn, etwas von da zu essen. Andiël leerte sein Limonadenglas fast schon panisch und wollte schnell von etwas anderem sprechen. Kosta wollte schon aufspringen und das Mittagsmahl zu holen, als ihm Kalliopes besorgter Blick zu Andiël auffiel. Fast so, als gefalle es ihr nicht, dass ihr Liebster so rasch das Thema wechselte. Deswegen hielt Kosta auch noch einen Moment inne und fasste Andiëls Hand, um sie liebevoll zu drücken.
"Ja, müssen wir, Andiël", erklärte er dem dhemlanischen Prinzen. "Sonst werden wir ihn nie hinter uns lassen können." Sie mussten über Dunrobin Castle und noch vieles mehr sprechen, wenn sie gesund werden wollten. "Aber nicht gleich jetzt." Lieb drückte er ihm noch einmal die Hand, ehe er in die Küche ging, um das gewünschte Essen zu holen. Eneas unterstützte ihn dabei und während Kosta ein breites Tablett mit Geschirr nach draussen trug, balancierte Eneas die grosse Salatschüssel.

"Du könntest übrigens auch in einem Veteranenkrankenhaus arbeiten, Andiël", schlug er vor, als sie wieder zurück auf der Veranda waren und den Tisch deckten. "Du könntest den versehrten Soldaten etwas vorlesen und damit ihre Langeweile vertreiben, bis sie wieder gesund sind. Ihnen dabei helfen, Briefe an ihre Liebsten zu schreiben oder hmmm..." Sein Blick fiel auf Zucker. "Ihnen überhaupt beibringen zu lesen und zu schreiben." Viele einfache Männer konnten das noch nicht. Eine allgemeine Schulpflicht gab es noch nicht so lange in Hayll.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 17:18
von Yadriël
Yadriël war noch etwas unsicher was die neuen Besucher betraf. Es war ihm egal, ob er nun einen anderen Dhemlaner traf oder nicht. Dhemlan hatte ihm nie viel bedeutet, da er dort nicht wirklich eine Person gewesen war. Mehr ein Arbeitstier. Und ob er jetzt in Hayll lebte oder Dhemlan, war ihm einerlei. Er wusste, dass er irgendwann zurückkehren würde, aber nicht so bald. Der Prinz konnte sich vorstellen, dass es momentan in Dhemlan sehr chaotisch und turbulent war. Anderseits würde er gerne sehen, ob es dort wirklich keine Adeligen mehr gab. Dass Sion die Sklaven befreit und die Adeligen entmachtet hatte, war das einzig gute was er getan hatte. Es war leider fraglich, ob es so bleiben würde.
Sein Landsmann schien damit weit größere Probleme zu haben. Der andere Prinz trug feine Kleidung und beklagte sich darüber wie schwer das Leben in seiner Villa war, wo ihn jetzt niemand mehr mochte und er kein Geld mehr hatte. Jedenfalls klang es in Yadriëls Ohren so. Er wusste so ungefähr was die Rolle von Andiël Sastre unter Sions Herrschaft gewesen war und es schien nicht so, als hätte er sich freiwillig darauf gestürzt, aber was hatte der Mann gedacht? Dass man ihn in Mineva mit offenen Armen empfangen würde dafür dass er Sions Schmutz verbreitet und ihn aktiv unterstützt hatte?
Yadriël war sich ziemlich sicher, dass man selbst ihn mit Steinen aus der Stadt jagen würde, wenn er mit seiner alten dhemlanischen Uniform durch die Straßen spazieren würde. Die Leute
hier wussten nichts davon wie er in die Armee geraten war und was er darin gemacht hatte. Für sie würde er wahrscheinlich immer ein dhemlanischer Soldat bleiben.
Allerdings hatte er den Vorteil, dass ihn niemand kannte. Er würde einfach sagen können, dass er mit den anderen dhemlanischen Flüchtlingen hier angekommen war und hoffentlich würde niemand zu genaue Fragen stellen. Der dhemlanische Adelige hatte es da schon schwerer und er schien es nicht gewohnt zu sein, dass man ihm offen sagte für was man ihn hielt.
Natürlich versuchten Kosta und Eneas ihn aufzumuntern und ihm zu versichern, dass es wieder besser werden würde. Er sollte geduldig sein oder vielleicht gemeinnützige Arbeit machen. Auch Yadriël wusste nicht gleich was damit gemeint war, aber als er es verstand, verbiss er sich ein Grinsen. Ein Adeliger in einer Suppenküche. Das hätte er gerne gesehen. Aber selbst dafür war sich der andere Prinz zu fein und wollte lieber Geld auf das Problem schmeißen anstatt selbst Hand anzupacken.

Kosta versuchte ihm klar zu machen, dass es dafür sehr viel Geld und seine Villa benötigen würde bis die Minever ihm verzeihen würden. Es wäre leichter sich persönlich einzusetzen. Hilfsbereit wie er war, bot der Kleine an Andiël bei seiner Arbeit zu begleiten. Yadriël verstand den Sinn dahinter nicht, denn zur Arbeit begleiten klang ungefähr so, als würde man dann dort ebenfalls arbeiten? Solange er nicht dafür eingespannt wurde. Er hatte kein Interesse sich bei den Minevern einzuschleimen. Bisher hatte er auch nicht viel von der Stadt gesehen außer die Straße vor dem Haus und den Lebensmittelladen.
Als Andiël wieder klagte, dass er sich nicht wohl fühlte, versuchte Kosta ihn davon zu überzeugen, dass die Stadt eine verärgerte Geliebte wäre, die er jetzt um Verzeihung bitten müsse. Er müsse sie umwerben und mit seinem Charme zurückgewinnen.
"Das ist ein schönerer Gedanke als eine Meute wütender Bürger. Ich weiß allerdings nicht wieviel Charme ich momentan habe", zweifelte der Adelige. "Vielleicht bleiben wir auch nicht hier..."
Dem Soldaten rutschte dabei heraus, dass Andiël froh sein könne überlebt zu haben. Er hätte es auch gar nicht aus Amdarh schaffen können. Jetzt hatte er in Hayll immer noch ein Haus und genug Geld, um zu leben. Was wollte er noch?
Andiël zuckte zusammen und meinte, dass er froh wäre. Er hätte aber trotzdem gedacht, dass er mit seinem Leben in Hayll sofort weitermachen könne. Yadriël verstand zwar nicht viel von der Welt, doch auch er sah, dass das eine Schnapsidee gewesen war.
Leider kam Eneas' hübsche Schwester dann leider darauf ihm einige Fragen zu stellen. Yadriël war eigentlich zufrieden damit gewesen im Hintergrund zu sitzen, während alle versuchten die Probleme des Erotikschreiberlings zu lösen. Sie fragte, ob er Familie in Dhemlan hatte. Der Prinz wusste nicht was er dazu sagen sollte. Kinder, die ihr gezeugt hatte? Vermutlich Dutzende? So eine Familie wie man es hier hatte mit Geschwistern und Eltern? Nein. Er wusste nichtmal wie sich so etwas anfühlte.
Er war nicht geboren worden. Er war gezüchtet worden.
Yadriël wollte das aber nicht sagen und so blieb er eher kurzangebunden. Da es wohl seltsam war keinerlei Familie zu haben, erklärte er es damit, dass er ein Sklave gewesen war. Die Priesterin entschuldigte sich sofort und kam auf Dunrobin Castle zu sprechen.
Yadriël hatte damit weniger Probleme, obwohl er nicht gerne an die Kerker zurückdachte. Er war dort gelandet, nachdem eine von Sions Heilerinnen ihren Spaß mit ihm gehabt hatte. Mit infizierten Wunden hätte er dort nicht mehr lange überlebt und er wär damit einverstanden gewesen. Yadriël hatte nicht Jahre in dem Kerker vor sich hinleiden wollen. Kosta hatte dem ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Andiël wollte noch weniger darüber reden, doch ausnahmsweise warf Kosta ein, dass sie darüber reden müssten sonst würden sie es nie hinter sich lassen können. Eneas sah ihn dabei überrascht an, nickte dann lächelnd.
"Ihr könntet euch öfter treffen und eure Erlebnisse austauschen", schlug er vor. Yadriël schnaubte.
"Vorher jag ich mirn Pfeil durchs Hirn", lehnte er ab.
"Darüber solltest du nichtmal Scherze machen", sagte Eneas streng und ging dann mit Kosta ins Haus, um das Essen zu holen.

"Vielleicht können wir über etwas angenehmeres reden", sagte Andiël. "Wie lange bis dein Gips abkommt?", fragte er.
"Sechs Tage. Dann beginnt die Quälerei mit irgendeinem Aufbautraining was die zwei sich überlegt haben", erklärte Yadriël. "Bin aber verdammt froh, wenn ich wieder ausm Rollstuhl rauskomm. Aber dank dem Ding bin ich wenigstens nich ans Bett gefesselt." Er klopfte gegen die Räder.
Kalliope lächelte. "Du bist ein Optimist", erkannte sie.
Yadriël grinste. "Kann man so sagen."
"Vielleicht kannst du Andiël damit anstecken", sagte die Priesterin und blickte zu dem Prinzen.
"Ich liebe das Leben", verteidigte dieser, doch momentan wirkte er eher unzufrieden damit.
Kosta und Eneas kamen mit Geschirr und der Salatschüssel zurück. Während die beiden den Tisch deckten, kam Kosta zurück auf die gemeinnützige Arbeit zu sprechen. Natürlich wollte er auch hier wieder helfen. Das wunderte Yadriël schon gar nicht mehr. Der Kleine schlug vor, dass Andiël in einem Krankenhaus für Veteranen arbeiten könne, um verwundeten Soldaten vorzulegen und ihnen die Langeweile zu vertreiben. Er könnte ihnen helfen Briefe zu schreiben oder ihnen überhaupt lesen und schreiben beibringen.
Yadriël verzog das Gesicht. Kosta sollte ihn dabei gar nicht so angucken.
"Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass hayllische Veteranenkrankhäuser totlangweilig sind. Du liegst stundenlang im Bett und wartest auf die nächste Mahlzeit", half Yadriël aus. "Da freut man sich sogar über Unsinn plappernde Krieger." Er zwinkerte Kosta zu.
"In Mineva gibt es ein solches Krankenhaus", fügte Kalliope auch hinzu. "Hauptsächlich Veteranen aus der Marine. Wir könnten anfragen, ob sie Hilfe brauchen."
Andiël goss sich noch etwas Limonade ein. "Die werden mich sicher nicht dort haben wollen. Es ist besser, wenn ich im Haus bleibe bis sich die Lage beruhigt hatte."
Der Blick seiner Freundin besagte, dass sie das für eine schlechte Idee hielt, doch sie sagte nichts mehr dazu.
"Wir wollten dich nicht gleich damit überfahren", erklärte Eneas entschuldigend. "Ist denn im Haus alles in Ordnung? Kommt ihr zurecht?"
"Ciryon, mein Gehilfe, hilft viel aus", sagte Andiël. "Er kümmert sich auch um Caleb."
"Ich meditiere viel", erzählte Kalliope. "Leto hat uns besucht und zwei meiner alten Freundinnen aus Mineva. Sie wissen aber nicht wo ich genau in Dhemlan war oder was ich dort gemacht habe."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 18:12
von Kosta
"He!" protestierte Kosta, als Zucker ihn neckte, dass er ein Unsinn plappernder Krieger wäre. "Ich habe keinen Unsinn geplappert. Wir haben dich hier her geholt und hier kannst du gesund werden. Genau, wie ich es gesagt habe. Was soll ich denn für Unsinn geplappert haben?" fragte er doch leicht unsicher, weil er vielleicht doch etwas dummes gesagt hatte. "Was kann ich dafür, dass du mir nie glaubst, was ich dir sage." Gespielt schmollend schob er seine Unterlippe vor. Nur um Zucker gleich darauf dankbar anzustrahlen, weil er ebenfalls versuchte, Andiël zu motivieren, obwohl er ihn gar nicht kannte.

Der Schriftsteller wand sich trotzdem aus den Vorschlägen heraus. Er glaubte, dass er besser im Haus ausharren könne, bis sich die Lage beruhigt hatte. Kosta fürchtete nur, dass Andiël dann sehr, sehr lange würde warten müssen. Ja, die Minever wollten ihn nicht bei sich haben. Da waren die Marinesoldaten bestimmt nicht anders. Doch Kosta glaubte auch, dass sie durchaus anerkennen würden, wenn sie sahen, wie Andiël sich Mühe gab. Gerade die einfachen Leute würden Taten viel eher schätzen, als wenn der Prinz sich freizukaufen versuchte.
Kosta überlegte noch, wie er Andiël vielleicht doch noch überzeugen konnte, als Eneas sich entschuldigte, dass sie ihn nicht damit hätten überfahren wollen. Da stockte auch Kosta. Eneas hatte recht. Wenn sie Andiël zu sehr drängten, würde er sich erst recht unwohl fühlen und sich verschliessen. Also wechselten sie das Thema und Kalliope und Andiël erzählten etwas, wie es bei ihnen Zuhause so ging. Wobei sich Kosta unwillkürlich frage, wer denn von ihnen den Abwasch, die Wäsche waschen und das Putzen übernahm. Machte das etwa alles Ciryon? Kosta konnte sich Andiël so gar nicht im Haushalt vorstellen und Kalliope war damit beschäftigt, sich selber zu heilen.

"Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass ins Nichts starren hilft", neckte Kosta Eneas, als Kalliope erklärte, dass sie viel meditieren würde. "Eneas konnte es kaum glauben und ist beinahe daran verzweifelt, dass ich wochenlang einfach nur die Wände angestarrt habe", erklärte er Kalliope und Andiël. Dabei legte er tröstend einen Arm um Eneas und drückte ihn an sich.
"Man will die, die man liebt nicht mit dem Schrecken aus Dhemlan belasten", wurde er dann jedoch wieder ernst, als Kalliope fortfuhr, dass sie ihren Freundinnen und Leto nicht gesagt hätte, wo sie genau in Dhemlan gewesen war und was sie da gemacht hätte. "Das will man noch nicht einmal jemanden antun, den man nicht kennt und zu dem man keine Bindung hat." Zumindest Kosta ging es so. Er konnte doch nicht einfach zu einer Priesterin gehen und ihr von allem erzählen, was er getan hatte. Der Frau würde es nachher nicht mehr gut gehen.
"Andererseits hat Eneas einen gesunden Gefährten verdient, der ihm nicht schlaflose Nächte und viel Kummer bereitet." Verliebt lächelte er seinen Freund an und gab ihm ein zärtliches Küsschen auf die Wange. Er würde es nicht mehr lange aufschieben, sich seinem eigenen Trauma zu stellen. Wenn der Gips ab war, würde er schauen, dass Eneas und Zucker ohne ihn zurecht kamen.
"Habt ihr euch eigentlich schon überlegt, ob ihr euch Hilfe für ins Haus holen wollt?" sprach er die Gedanken aus, die er sich auch schon für Eneas und Zucker gemacht hatte. Entweder jemanden, der putzte, oder der Eneas mit dem Aufbautraining für Zucker half. "Oder für den Garten? Deine Villa und der dazugehörige Garten sind immerhin eine ganze Ecke grösser als dieses Haus hier." Cyrion konnte das unmöglich alleine stemmen. Davon abgesehen war Andiël sich an eine Dienerschaft gewöhnt. "Oder jemand, der Ciryon mit Caleb hilft. Wir dir das nicht zuviel, Kalliope, wenn er bei euch wohnt?" Immerhin war der kleine Kriegerprinz Sions Ziehsohn gewesen. Selbst wenn er auch nur ein Opfer war, erinnerte er Kalliope doch regelmässig daran, wie schrecklich es in Dunrobins Castle gewesen war und dass sie eigentlich einen kleinen Dämon hätte grossziehen sollen.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 24. Feb 2020, 20:38
von Eneas
Eneas war versucht den Besuch halbwegs harmonisch zu halten, denn er merkte, dass Andiël die sicher lieb gemeinten Hilfsangebote und Vorschläge schnell zu viel wurden. Ihr Freund war noch längst nicht so weit. Es war anders als bei Kosta oder auch Yadriël, der schlicht froh war sich bei ihnen zu erholen und seine Beine noch zu haben. Andiël dagegen schien momentan nur zu sehen, was er verloren hatte. Und es war sehr viel für den Adeligen. Vermutlich war auch noch nicht bekannt wie es dem Rest seiner Familie ergangen war, ob ihre Gebäude noch standen, ob sie überlebt hatten. Und genau an dem Ort wo er sich Erholung von dem Schrecken erhoffte, musste er weiterkämpfen.
Eneas vermutete, dass Andiël sich einfach eine Pause ersehnte. Vielleicht würde ihm ein Urlaub in einer Gegend gefallen, wo er weitgehend unbekannt war.
Der Prinz wollte nicht über Dunrobin Castle reden und lenkte immer wieder ab, erinnerte sie auch an das Essen, das sie angekündigt hatte. Eneas ging mit Kosta in die Küche, um alles zu holen. Er überlegte, ob er seinen Freund bremsen sollte in seinen Hilfeversuchen, doch Kosta tat es selbst so gut wenn er sich für andere einsetzen konnte. Außerdem half es ihm vielleicht auch zu heilen, wenn er sich über Andiël oder Kalliope nochmals mit Dhemlan beschäftigen würde. Von selbst war er dem eher ausgewichen und hatte es beiseite geschoben.
Als sie zurück auf der Veranda waren, versuchte Kosta es fürsorglicherweise ein weiteres Mal zu Andiël durchzudringen. Die Vorschläge klangen gut und Eneas glaubte auch nicht, dass der Prinz sich auf lange Zeit in seiner Villa verstecken konnte. Dafür ging er viel zu gerne unter Leuten. Vermutlich machte ihm die Abgeschiedenheit zu schaffen.
Yadriël pflichtete bei wie langweilig es in Veteranenkrankenhäuser war, nutzte die Gelegenheit aber auch gleich um Kosta etwas zu necken.
Dieser verteidigte sich schmollend, dass es kein Unsinn gewesen wäre, Yadriël hierher zu bringen und gesund zu pflegen.
"Ist jedenfalls spannender als das Krankenhaus", stimmte Yadriël zu. "Essen ist auch besser."

Andiël wollte dennoch zunächst nichts davon wissen in dem Mineva Veteranenkrankenhaus auszuhelfen. Als er sich immer stärker vor den Vorschlägen verschloss, sprang Eneas ein und hielt die anderen davon ab den Dhemlaner weiter zu bedrängen. Das brauchte Zeit und wahrscheinlich war Andiël auch nicht deswegen zu Besuch gekommen. Rasch wechselte Eneas das Thema und fragte nach der Villa.
Andiëls Gehilfe, den er aus Dhemlan mitgebracht hatte, erledigte anscheinend die meiste Arbeit. Auch der kleine Kriegerprinz war noch da. Kalliope erzählte, dass sie viel meditiere, woraufhin Kosta sofort einwandte, dass es helfen würde ins Nichts zu starren. Gut aufgelegt erzählte er, dass Eneas beinahe daran verzweifelt wäre, dass Kosta wochenlang nur die Wand angestarrt hätte.
Eneas war froh, dass Kosta mittlerweile darüber scherzen konnte, doch es war keine schöne Zeit gewesen.
"Riesige Sorgen hast du mir damit gemacht", gab Eneas zu, ließ sich aber gerne drücken. Kosta ließ den Arm um seine Schulter ruhen. Das war noch etwas ungewohnt so mitten vor seinen Freunden, aber niemand sagte etwas dazu und Eneas entspannte sich wieder etwas. "Es gibt einen Unterschied zwischen Meditieren und sich vor allen äußeren Einflüssen zu verschließen." Kosta war regelrecht katatonisch gewesen.
"Jeder heilt auf andere Weise. Je extremer das Trauma desto extremer kann das Verhalten danach ausfallen", sagte Kalliope.
Kosta war offener geworden und erzählte von seiner Sorge, dass man die die man liebte nicht mit Erlebnissen aus Dhemlan belasten wolle. Und nichtmal jemand Fremden.
"Andererseits hat Eneas einen gesunden Gefährten verdient, der ihm nicht schlaflose Nächte und viel Kummer bereitet", fügte er überraschend hinzu und schon bekam Eneas ein Küsschen auf die Wange. Verliebt blickte er zurück. Dabei fand er, dass es eine Ehre war, dass Kosta sich überhaupt für ihn interessierte. Es hatte nichts mit 'Verdienen' zu tun.
"Ich stehe dir gerne bei. Ob gesund oder nicht. Ich finde, du bist auf dem besten Wege dorthin", sagte er, obwohl er wusste, dass es immer wieder Rückschläge gab. Er befürchtete selbst jetzt, dass gerade diese offenen Gespräche jetzt wieder zu Albträumen führen würden. Gerade deswegen hatte er den Besuch ja solange hinausgezögert. "Schlaflose Nächte halte ich aus."

Kosta fragte danach, ob Andiël und Kalliope sich Hilfe fürs Haus oder den Garten holen wollten. Schließlich wäre die Villa und der Garten viel größer als das was sie hier hatten.
"Zwei von den dhemlanischen Flüchtlingen kommen einmal in der Woche", erklärte Kalliope. "Aber ich erinnere mich noch an genug aus meiner Zeit als Dienstmädchen. Ich habe meinen Teil an Hausarbeit."
Kosta erkundigte sich auch nach Caleb und ob Kalliope es nicht zu viel mit dem Kleinkind wurde. Eneas' Schwester aß einen Bissen des Salates.
"Es ist viel", gab sie leise zu. "Es war in Ordnung Kindermädchen zu sein, doch ich wollte ihn nie ein Leben lang großziehen. Es war eine temporäre Notlösung. Aber wir können ihn schlecht in ein Waisenhaus geben. Er fragt oft nach Sion. Er hat zu viel gesehen. Man würde Fragen im Waisenhaus stellen." Sie seufzte.
"Es ist schlimm, wenn er bereits so viel mitbekommen hat was in Dunrobin Castle vor sich gegangen ist. Mit der Zeit wird er es vielleicht vergessen", spekulierte Eneas, "Er ist noch sehr jung. Irgendeine Lösung wird sich finden."
Sie versanken alle kurz in nachdenkliches Schweigen, während sie ihren Salat aßen. Eneas musste zugeben, dass es eine verzwickte Situation war. Es war nicht fair, dass seine Schwester und Andiël jetzt damit aufgebürdet waren. Aber natürlich konnte man ein so kleines Kind in Not nicht einfach zurücklassen.
"Wer ist Caleb?", fragte Yadriël.
"Ein junger Kriegerprinz", erklärte Kalliope, "Zwei einhalb Jahre alt. Er... ich habe in Dunrobin Castle auf ihn aufgepasst. Bei der Flucht haben wir ihn mitgenommen. Seine Eltern waren unrettbar verloren."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 9. Mär 2020, 09:03
von Kosta
Leider hatte Kalliope auch keinen Vorschlag, wie man mit dem Dilemma umging, dass man eigentlich über das erlebte Trauma sprechen sollte, aber seine Liebsten damit nicht belasten wollte. Ja noch nicht einmal jemand fremdes. Schliesslich hatte es niemand verdient von dem furchtbaren Schrecken zu hören und seine Seele damit belasten zu müssen. Erst recht nicht Leute, die ihm helfen wollten.
Eneas selbst schien nicht so recht zu verstehen, wie sehr dieses Dilemma Kosta plagte. Wohl weil er sich glücklicherweise einfach nicht vorstellen konnte, was für furchtbare Sachen Kosta gemacht hatte. Lieb wollte er ihm einfach beiseite stehen und meinte aufmunternd, dass er fände, Kosta wäre auf dem besten Weg zur Besserung. Kosta brachte nur ein schwaches Lächeln zustande. Er hatte das Gefühl, dass eher das Gegenteil der Fall war. Dass er begann, alles zu verdrängen, um so zu tun, als würde er gesund werden.
"Schlaflose Nächte vielleicht, aber nicht, wenn es mir nicht gut geht", entgegnete er Eneas leise. Das konnte sein Liebster nicht aushalten. Es liess ihn verzweifeln, wenn er ihm nicht helfen konnte. Und selbst wenn er ihm half, indem er ihn an ein Versprechen band, ihn nie wieder zu verlassen, war es beinahe zu viel Verantwortung für Eneas. Kosta musste dringend einen Weg finden zu heilen, umd Eneas nicht weiter zu belasten.

Erst einmal wechselte er das Thema, da es auch Andiël zuviel wurde, darüber nachzudenken, was man tun konnte, damit die Situation besser wurde. So fragte er nach dem Haus und dem Garten von Kalliope und Andiël. Das war etwas, womit man leicht helfen konnte. Prompt kam ihm in den Sinn, dass es sicher auch nicht leicht war, sich um den jungen Kriegerprinzen zu kümmern, den sie aus Dunrobin Castle gerettet hatten. Ausgerechnet Sions Sohn. Zudem wirkten sowohl Kalliope, als auch Andiël nicht wie Menschen, die bereit für Kinder waren. Ganz abgesehen von den Erinnerungen, die Cassiel bei ihnen wecken musste.
Kalliope zögerte etwas, gab dann aber zu, dass sie den jungen nie ein Leben lang hatte grossziehen wollen. Nur ins Waisenhaus könnten sie ihn auch schlecht geben, da er zu oft nach Sion fragte. Nach seinem sogenannten Papa. Kosta nickte verstehend. das würde viel zu viele Fragen aufwerfen. Cassiel musste zu jemanden, der ihn lieben konnte und dem es nichts ausmachte, wenn er nach dem Dämon fragte. Jemand, der die Energie und Kraft hatte, sich um einen Kriegerprinzen zu kümmern. Dann würde Cassiel seine Zeit bei Sion womöglich vergessen, wie Eneas es hoffte. Kosta wünschte es dem Jungen auch. Doch wer war nach diesem Reichüberspannenden Krieg nicht verletzt und erschöpft? Dieser Krieg hatte alle betroffen und alle waren nun dabei zu versuchen, wieder zurück in die Normalität zu finden.
Während sie alle darüber nachdachten, wie man dem Kind eine glückliche Zukunft bieten konnte, hatte Zucker eine pragmatischere Frage. Er wollte nämlich einfach mal wissen, wer Caleb überhaupt wäre. Kosta freute sich darüber, dass der Prinz sich auch für andere Dinge zu interessieren begann. Auch wenn er sich in der Regel möglichst in nichts einzumischen versuchte. Kalliope erklärte ihm diplomatisch, wer Caleb war. Ein zweieinhalb jähriger Kriegerprinz, den sie bei ihrer Flucht aus Dunrobin Castle mitgenommen hatten. Seine Eltern wären jedoch unrettbar verloren gewesen. Kosta nickte traurig. Das war auch schon so gewesen, als Sion noch existiert hatte.
"Mit viel Liebe, Geduld und Kraft wird er diese schreckliche Zeit bestimmt überwinden können", wollte Kosta an eine gute, glückliche Lösung glauben können. "Es scheint mir, dass er bei Ciryon auch sehr viel Liebe und Geduld bekommt." Der Jüngling hatte sich sehr fürsorglich um das Kind gekümmert. Es schien ihm nichts auszumachen, dass er Sions Sohn war. "Allerdings scheint er noch sehr jung zu sein. Zu jung für so eine gewaltige Aufgabe. Besonders wo Caleb ein Kriegerprinz ist. Das könnte seine Kraft übersteigen." Und Caleb brauchte unbedingt starken Halt. Ganz besonders, wenn er Sion nicht vergass.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 9. Mär 2020, 10:46
von Kalliope
Es war schwierig Andiël dazu zu bewegen, sich durch gemeinnützige Arbeit mit den Minever Bewohnern gutzustellen. Der Prinz wollte sich lieber im Haus verkriechen und sich zurückziehen. Dabei wusste Kalliope wie gerne er auf Feiern war und sich in gesellschaftlichen Kreisen bewegte. Mit den Anfeindungen konnte er nicht umgehen und er schien seinem eigenen Charme nicht mehr zu vertrauen. Kalliope sagte sich, dass es Zeit benötigte. Sie waren noch nicht lange zurück. Es fühlte sich für sie auch immer noch unwirklich an. Dhemlan war immer noch in ihren Köpfen drin und manchmal selbst im Herzen. Dass der dunkle Schleim sie verlassen hatte, war keine Absolution für alles, was sie in Dunrobin Castle gemacht hatte.
Sie wusste, dass sie noch viel Arbeit an sich selbst vor sich hatte. Aber im Gegensatz zu Andiël war sie gewillt sich dem zu stellen. Ihr Liebhaber machte nichtmal Anstalten in die Richtung und sie wusste nicht wie sie damit umgehen sollte.
Auch jetzt blockte er schnell ab und wollte mehrmals das Thema wechseln. Kalliope beharrte nicht darauf. Sie wusste, dass es dann nur schlimmer wurde. Nachdem Kosta und Eneas mit dem Salat zurückgekommen waren, redeten sie über das normale Leben in der Villa und wie sie mit dem Haushalt zurechtkamen. Als Kalli das eigene Meditieren erwähnte, gab Kosta in spielerischem Tonfall zu, dass er nach Dhemlan auch wochenlang nur Wände angestarrt hätte. Er hätte niemanden mit dem Schrecken aus Dhemlan belasten wollen, weder die, die man liebte oder jene zu denen man keine Bindung hatte. Damit meinte er vielleicht professionelle Hilfe.
Für Kalliope klang es weniger wie Meditieren als ein katatonisches Zurückziehen und Abschotten. Sie konnte verstehen, dass Eneas sich darüber Sorgen gemacht hatte, doch wenn die seelischen Wunden so gewaltig waren, konnte auch der Geist in eine Art Koma fallen. Genau das schien passiert zu sein.
Kalliope war froh, dass es Kosta mittlerweile etwas besser ging, doch sie spürte weiterhin Unruhe und Schmerz in seiner Signatur. Kosta erklärte sein Erwachen damit, dass Eneas einen gesunden Gefährten verdient hätte. Die Priesterin beobachtete die Zärtlichkeiten zwischen den beiden. Es war schön, dass sie endlich erkannt hatten was sie genau für den anderen fühlten und sie mehr als Freunde sein wollten. Ihr Bruder schien zu glauben, dass es Kosta jetzt gut ging, doch Kalli vermutete, dass noch einige Belastungsproben auf die beiden zukamen.

Während sie den Salat aßen, redeten sie wieder über das Haus. Vielleicht wäre es klüger gewesen, zwei Hayllier einzustellen, doch Kalliope wollte nicht, dass Andiël in seinen eigenen vier Wänden finstere Blicke und Anfeindungen befürchten musste. Die zwei dhemlanischen Flüchtlingen kannten sie von ihrer Reise und sie hatten Sions dunkles Flüstern selbst zu spüren bekommen. Dann fragte Kosta nach Cassiël und ob es ihr nicht zu viel wurde, dass er bei ihnen wohnte.
Damit sprach er eine weitere Wunde an. Ihre Mutter verstand ebenfalls nicht, wieso Kalliope sich scheute mit dem Kind eine größere Bindung einzugehen. Wieso sie es lieber Ciryon überließ sich um Cassiël zu kümmern, obwohl der junge Krieger eigentlich auch Zeit für sich benötigt hätte. Aber Kalliope war nicht wie ihre Mutter. Es beschämte sie selbst, dass sie in dem Kind momentan nur eine Bürde sah. Wäre sie stärker gewesen, hätte sie sich vielleicht stärker um Cassiël bemüht, doch er war eine konstante Erinnerung an Sion. Und im Gegensatz zu den anderen in der Villa wollte Cassiël nicht mit allem abschließen. Er wollte zurück. Er wollte zu seinem Vati. Zwar war auch viel von dem dunklen Sekret aus ihm gekommen, doch es konnte nicht vollständig die Bindung aufheben, die Cassiël zu Sion gehabt hatte.
Wenigstens konnte Kalliope hier offen davon reden, dass sie ein Waisenhaus überlegt hatten. Ihre Mutter war regelrecht entsetzt über den Vorschlag gewesen. Leider fiel ein Waisenhaus aus verschiedenen Gründen aus. Es war zu riskant und sie konnten nicht abschätzen wovon Cassiël alles reden würde. Außerdem hatte er es nicht verdient... damit hatte ihre Mutter recht.
Nachdenklich aßen sie ihren Salat weiter, während sie über das Problem nachdachten, als Yadriël fragte, wer Caleb sei. Natürlich, er war nie aus dem Kerker gekommen und hatte Cassiël nie gesehen.
Kalliope wollte ihm trotzdem nicht zu viel sagen. Es war besser, wenn dieses Geheimnis bei so wenig Menschen wie nötig war. Nichtmal ihr Bruder wusste von Calebs wahrer Identität. Kosta schien es ihm auch nicht gesagt zu haben.
Er fand, dass Ciryon sich mit viel Liebe und Geduld um Caleb kümmerte. Damit würde Caleb die schreckliche Zeit sicher überwinden können.
Kalliope sagte zunächst nichts dazu. Ciryon kümmerte sich rührend um das Kind. Er beklagte sich nie. Doch sie sah das Flackern in seinen goldenen Augen, den leicht abwesenden Blick manchmal, die langen Umarmungen mit Cassiël, wohl weil er selbst eine Umarmung brauchte.
Kosta räumte dann auch ein, dass Ciryon sehr jung für solch ein gewaltige Aufgabe sei.
"Er ist zäher als man denkt", warf Andiël ein. "Und er macht es gerne."
"Ciryon hat selbst viele ungelöste Trauma. Ich bin dankbar, dass er sich um Caleb kümmert, aber es ist auch nicht recht ihm das aufzubürden, wo er selbst Heilung braucht und jemanden, der sich um ihn kümmert." Sie sah zu Andiël hinüber, der schuldbewusst leicht zusammenzuckte. Kalliope machte ihm trotzdem keinen Vorwurf. Ihr Freund schaffte es kaum sich um sich selbst zu kümmern. Er hatte Ciryon im Schloss gerettet und ihn auch zu sich ins Bett geholt, aber sich nie Gedanken darüber gemacht wozu das alles führen würde. Ciryon war eine Ablenkung gewesen. In Mineva schien er nicht mehr zu wissen was er mit Ciryon anfangen sollte. Außer wieder Sex mit ihm zu haben...

"Ebonie", warf Yadriël plötzlich ein. "Die schwarze Witwe. Eine von Tigers Babymamas." Er grinste. Die anderen sahen überrascht zu ihm hinüber, doch Eneas und Kosta schienen wenigstens zu wissen von wem er redete. Kalliope sagte die Schwarze Witwe nichts. "Ich hab sie zwar nur einmal gesehen, als ich Kosta zu einem Besuch mitgeschleppt hab, aber sie wirkte sehr taff und Tiger hat mir gesagt, dass sie das meiste über Sion von ihr wussten. Ich wette, sie würde mit einem kleinen Kriegerprinzen fertig werden."
"Das...", setzte Eneas verblüfft an, "Ist gar keine so schlechte Idee."
Yadriël rümpfte kurz die Nase. "Hab auch ab und an gute Ideen", verteidigte er sich. "Außerdem würd ich gern wissen, ob Tiger es zu ihr zurückgeschafft hat."
"Ebonie?", fragte Kalliope.
"Ebonie Tyrelli. Sie ist im Palast in Draega", erklärte Yadriël. "Sie hat nen eigenes kleines Kind. Ne kleine Königin mit scharfen Krallen." Der Prinz grinste. Kalliope musterte ihn erneut. Seine Signatur war weiterhin von ähnlichem Schimmern und Klang wie die Kostas. Feine Unterschiede und doch kaum auseinanderzuhalten, besonders wenn sie sich berührten oder nah zusammenstanden. Konnte es wirklich sein?
"Und.. Tiger?", fragte die Priesterin und versuchte die Signatur auszublenden.
"Nen Kumpel von mir", sagte der Dhemlaner salopp. "Er is auchn Kriegerprinz. Er war mit mir im Krieg in Raej. Keine Ahnung ob ers rausgeschafft hat. Aber er is der Vater. Ebonie weiß wie man mit Kriegerprinzen umgeht."

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 9. Mär 2020, 11:22
von Kosta
Kalliope sprach das aus, was Kosta schon vermutet hatte. Nämlich dass Ciryon selber viele, ungelöste Traumas hatte. Selbst wenn der Jüngling zäher war, als man vemuten mochte, wie Andiël versicherte. Es war egal, wie zäh man war. Wenn man in Dunrobin Castle gewesen war, brauchte man definitiv Hilfe. Das konnte durchaus beinhalten, dass man sich selber um andere kümmerte. Das konnte helfen, den Schmerz zu lindern. Doch das alleine reichte nicht. Man brauchte auch jemanden, der sich um einem selbst kümmerte. Etwas, was Andiël offensichtlich zu überfordern schien, seinem schuldbewussten Blick zufolge. Und auch Kalliope hatte zu sehr mit sich selbst zu kämpfen, als dass sie sich um den Jüngling hätte kümmern können. Geschweige denn um Cassiel, der sie an all die schmerzlichen Dinge aus Dhemlan erinnerte. Ganz davon abgesehen, dass Kalliope ohnehin nicht so der Muttertyp war.

Es war Zucker, der unvermittelt einen Vorschlag hatte, wie man das Dilemma lösen könne, ohne Cassiel einfach abzuschieben und sich selbst zu überlassen. Aufgeregt grinsend erzählte er von Ebonie Tyrelli. Eine von Tigers Babymamas, wie er sie nannte. Er fand, sie wäre eine starke Frau, die über Sion bescheid wusste und auch Erfahrung mit sowohl Kriegerprinzen, als auch mit tempramentvollen Kleinkindern hatte.
"Und genau so scharfen Zähnchen", musste Kosta bei der Beschreibung von Tigers Tochter grinsen. Wobei ihm nicht auffiel, wie Kalliope Zucker und ihn genau musterte. Dazu war er zu abgelenkt von der Idee des Prinzen, die sich tatsächlich als eine Lösung entpuppen könnte.
"Oh, wenn ich mich daran erinnere, was Lady Lhal alleine mit einer Schüssel mit Haferbrei so anstellen kann..." Kosta sprach nicht weiter, sondern erschauderte gespielt unwohl. "Ich könnte mir vorstellen, dass Caleb da gerne mitmacht. Das Frühstückzimmer wird nachher wie ein Schlachtfeld aussehen." Tat es auch schon ohne Hilfe des kleinen Kriegerprinzen. "Ich weiss nicht, ob Lady Tyrelli das auf sich laden möchte. Andererseits haben Königinnen eine beruhigende Wirkung auf Kriegerprinzen. Es könnte sein, dass Lhal unbewusst helfen kann, dass Caleb sich festigen kann. Es wäre es sicherlich wert, Lady Tyrelli wenigstens einmal anzufragen deswegen." Andererseits, wenn sie um Tiger trauerte, war ihr ein weiteres Kind wohl auch zuviel.
"Und er ist ein halber Tigerlaner", erklärte Kosta schmunzelnd, wer Tiger war. Damit Kalliope sich in etwa vorstellen konnte, mit was für Tempramenten Lady Tyrelli umgehen konnte. "Wenn du ihn nicht hast sterben sehen, Zucker, ist die Chance sehr gross, dass er überlebt hat", munterte er seinen Patienten liebevoll auf. "Er kannte sich in dem Dschungel aus wie kein Zweiter und konnte sich so geschmeidig darin bewegen. Bestimmt ist er schon längst wieder in Draega und wartet nur darauf, dass du dich bei ihm meldest. Am Besten, du schreibst ihm und Lady Tyrelli heute Nachmittag noch einen Brief, worin du ihnen die Situation schilderst und sie zu uns einlädst." Sie mussten ja nicht bei ihnen im Haus übernachten. Es gab einige gute Hotels in der Stadt. Tiger würde Kosta ohnehin nicht in seiner Nähe haben wollen. Aber Zucker würde er sicher gerne sehen. Kosta gab sich Mühe, das so locker und unschuldig wie möglich vorzuschlagen. So als könnte Zucker schon gut schreiben. Der Prinz hatte schliesslich oft genug jammernd gefragt, wozu er den ganzen Unterricht brauchte. Jetzt bekam er ein wunderbares Beispiel mit Übung ab.

Re: Wer ist Prinz Erenos?

Verfasst: Mo 9. Mär 2020, 12:21
von Yadriël
Diese ganzen Probleme um dieses Kleinkind waren ihm eigentlich egal. Er kannte es ja nicht und er erfuhr nur kurz von Eneas' Schwester, dass sie Caleb aus Dunrobin Castle mitgebracht hatte. Das letzte Mal, als er mit einem Kleinkind zu tun gehabt hatte, war Tigers Tochter. Wie hatte sie noch geheißen? Lhal oder so...
Yadriël war wirklich nicht wild darauf gewesen das Mädchen zu halten und es hatte dauernd sein eigenes Frühstück gewollt. Kosta hatte wesentlich besser mit dem Kind umgehen können, aber Yadriël hatte vor allem an die Zeit denken müssen, als Kosta selbst noch so klein gewesen war. Nur dass er zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst hatte, dass Phoebes Sohn Kosta war...
Zudem war es befremdlich gewesen, dass Tiger sich so stark verändert hatte sobald er erfahren hatte, dass es Lhal gab. Plötzlich hatte er vom Krieg nichts mehr wissen wollen und nur noch von seiner Tochter geredet.
Für Yadriël war dieses erfüllende Vaterglück nie passiert. Er fühlte es selbst jetzt nicht. Klar, da war irgendwas, wenn er Kosta so sah, aber er war deswegen nicht auf magische Weise Vater. Es... klang immer noch falsch in seinen Ohren. Er hatte das nie gewollt. Er hatte nur getan was man ihm befohlen hatte. Zu was er selbst gezeugt worden war. Und vermutlich hatte er einige Sklaven auf die Welt gebraucht, die ebenfalls Zuchtsklaven hatten sein müssen. Er hatte den schrecklichen Zyklus genauso fortgeführt wie sein Vater vor ihm vermutlich auch. Sein Erzeuger. Mehr war es nie gewesen. Er kannte seine Eltern auch nicht und er fühlte sich nicht so, als würde er da was vermissen.
Aber Tiger war anders. Er hatte Lhal innig geliebt, obwohl sie anscheinend nicht geplant gewesen war. Alle von Yadriëls Kindern waren geplant gewesen. Er musste daran denken wie Tiger nachts an ihrem Lager gesessen und manchmal von Ebonie und Lhal geredet hatte. Nicht oft. Der Kriegerprinz behielt solche Sachen auch lieber für sich. Yadriël erinnerte sich, dass Tiger davon erzählt hatte, dass Ebonie mehr über Sion wusste als alle anderen. Dass sie sogar hatte mitkommen wollen, um Sion ein für allemal zu stoppen. Aber keiner von beiden hatte Lhal alleine bei einem Kindermädchen lassen wollen. Alleine im Draega Palast.
Also war Tiger gegangen.

"Ebonie", entfuhr Yadriël plötzlich, als ihm die Idee kam. Die Schwarze Witwe war zäh und sie würde sicher mit dem kleinen Kriegerprinzen umgehen können. Tigers Schwarztraumsucht hatte sie auch unter Kontrolle bekommen. Sicherlich auch Caleb, wenn er von Dunrobin Castle und Sion redete.
Der Prinz erzählte den anderen von seiner Idee und erstaunlicherweise schien es etwas einigermaßen sinnvolles gewesen zu sein. Wobei Eneas gar nicht so überrascht tun sollte. Der sollte am besten wissen, dass Kostas Helferdrang irgendwann auf einen abfärbte. Ob man wollte oder nicht. Schlimm war das.
Vielleicht hatte Yadriël sich doch geändert seitdem er wusste, dass Kosta seiner war...
Dieser schien die Idee zu gefallen, dass Lhal und Caleb gemeinsam das Zimmer mit Haferbrei verwüsteten. Er wüsse aber nicht, ob Ebonie dies auf sich nehmen wollte.
"Sie hat doch schon nen Kind. Was is eines mehr?", fragte Yadriël und widmete sich den letzten Salatreste auf seinem Teller.
Andiël schmunzelte. "Oh, mit der Einstellung wirst du bald ein volles Haus haben."
"Es ist ein großer Unterschied", pflichtete Kalliope bei. "Wir können das nicht von Lady Tyrelli erwarten."
Kosta ermutigte sie, dass man zumindest einmal anfragen könnte. Er erzählte auch mehr über Tiger und meinte, dass dieser den Dschungel so gut kannte, dass die Chancen seines Überlebens groß waren.
Das hatte Yadriël auch schon gedacht, aber er wollte nicht unnötig hoffen. "Vielleicht. Aber du warst nicht da. Es war so ein Chaos und die Explosion... ihn hätte auch nen Baumstamm erwischen können." Er rieb sich die ehemals verbrannte Wange. "Obwohl seine Reflexe schon immer besser waren als meine..." Vielleicht hatte er es wirklich geschafft.
Kosta war überzeugt davon, dass Tiger längst in Draega war und auf eine Nachricht wartete. Zucker sollte ihm am besten einen Brief schreiben und sie einladen.
"Einen Brief? Ich?", fragte Yadriël überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. "He, ich hatte schon die Idee. Wieso muss ich jetzt den Papierkram machen?"
"Ich werde Lady Tyrelli schreiben. Ich bin diejenige, die sie um etwas bitten möchte", bot Kalliope an. Yadriël wollte sich schon erleichtert zurücklehnen. "Aber es wäre schön, wenn du einen ersten Brief schreibst und mich vorstellst."
"Eine Vorstellung?", fragte der Prinz noch entsetzter. Er hatte keinen Bock auf diesen offiziellen Kram.
"Tiger ist dein Freund oder?", fragte Kalliope zurück und schien nicht zu wissen was sie da verlangte.
"Natürlich setzt Yadriël einen Brief auf. Es ist eine gute Idee Tiger zu schreiben", wandte Eneas ein.
"Hmmm, na schön. Wird aber nich lang", warnte Yadriël und stimmte schließlich brummend zu. Das hatte er jetzt vom Helfen. Es war alles sehr viel entspannender gewesen als er sich nur um sich selbst hatte kümmern müssen. Wobei... wenn er so recht darüber nachdachte, war das nie der Fall gewesen. Auch in der 6. Kompanie hatte er anderen geholfen, sich gegenseitig beschützt und beigestanden. Wenn er ehrlich war, schrieb er lieber einen Brief, als auf sich allein gestellt zu sein.

Nachdem der Salat verspeist war und sie noch eine Weile bei frisch aufgesetzter Limonade zusammensaßen, kam Kosta endlich irgendwann auf die Idee, dass es jetzt Zeit für das Schokoladenmousse war.
"Mousse au chocolat. Ich dachte, eine dhemlanische Spezialität wäre passend", sagte Eneas.
"Glaub nich, dass sie in Dhemlan in nächster Zeit auf ner Veranda Mousse essen", sagte Yadriël, griff aber beherzt zu. "Die haben andere Probleme."
"Unser Volk hat andere Probleme", korrigierte Andiël. "Du bist doch auch Dhemlaner", sagte er.
Yadriël zuckte mit den Schultern. "Hatte nie viel zu sagen als Sklave." Er hatte kein großartiges Heimatgefühl und er trauerte dem Rousseaux Palast keine Träne nach.
"Du warst aber auch in Hayll oder?", fragte Kalliope.
Yadriël merkte auf. Die Frage erinnerte ihn an die lästigen Fragen von Leto, aber vielleicht hatte sie bloß das Thema wechseln wollen. "Ein paar Mal", sagte er vage. "Bin viel herumgekommen. Verschiedene Besitzer und so."
"Dhemlan wird Jahrzehnte brauchen, um sich zu erholen", sagte Eneas, "Aber es wäre fatal helfen zu wollen und sich dabei aufzureiben, wenn man selbst noch nicht genesen ist. Dhemlan wird starke Leute brauchen. Sion wird aber nicht alle Königinnen gefunden haben. Nicht alle starken Leute korrumpiert haben. Sie werden sich finden und Dhemlan hoffentlich heilen können."
Die anderen nickten nachdenklich. Yadriël glaubte diesen idealistischen Quatsch nicht. Er hatte gesehen wie die Menschen sich nach Schlachten verhielten. Das Chaos danach. Plünderungen, Hinrichtungen, Vergewaltigungen. Das Recht des Stärkeren.
Er wusste nicht, ob er je zurück nach Dhemlan kommen würde. Was war da für ihn?
Wo sind deine Kinder, Yadriël?
Ah, verdammter Minan.